Kitabı oku: «Verkehrsunfallflucht», sayfa 9

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Anmerkungen

[1]

Vgl. zu diesen u.a.: Himmelreich DAR 1985, 201; 1990, 447; NZV 1992, 196; DAR 1995, 12.

[2]

Vgl. dazu u.a. Himmelreich NZV 1992, 169 (170).

[3]

Vgl. hierzu u.a.: Mahlberg in: Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 35, Rn. 202 ff.; vgl. auch Rn. 477 ff.; zu Nachschulung, Therapie und Verkehrstherapie.

[4]

Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 156, Rn. 5.

[5]

Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 236 Rn. 8 m.w.N.

[6]

Vgl. hierzu z.B. BVerwG NJW 1992, 1403.

[7]

Zur Einstellung gem. § 153b StPO vgl. Rn. 322 f.

Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung › IX. Frühzeitiges Einschalten eines Sachverständigen durch die Verteidigung

IX. Frühzeitiges Einschalten eines Sachverständigen durch die Verteidigung

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Eine Reihe von Problemen im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 142 StGB sind nur durch Sachverständige zu lösen. Die Möglichkeit, eine Entlastung des/der Mandanten/in durch ein bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht beantragten Sachverständigengutachten oder durch Einholung eines Sachverständigengutachten im Auftrag der Verteidigung („Privatgutachten“) herbeizuführen, sollte der Verteidiger möglichst früh nutzen; die entsprechenden Überlegungen sind spätestens unmittelbar nach Akteneinsicht anzustellen.

Z.B. bedient sich die Staatsanwaltschaft regelmäßig bei der Bemessung der Schadenhöhe der Schadenbelege des Geschädigten. Der Geschädigte wird als Zeuge im Strafverfahren gegen seinen Schädiger aufgefordert, einen Kostenvoranschlag oder ein Schadengutachten zur Strafakte zu reichen. Das muss das Misstrauen der Verteidigung hervorrufen, denn die meisten Geschädigten haben ein echtes Eigeninteresse bezüglich der Schadenhöhe. Der Schadenbetrag soll möglichst hoch sein mit der Folge, dass die Wertgrenze des bedeutenden Fremdschadens überschritten wird.

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Ein Kfz-Sachverständiger kann


zur Ermittlung der Zuordnung und Höhe (vgl. dazu Rn. 16) des Fremdsachschadens (vgl. dazu näher unter Rn. 429 ff.) Stellung nehmen.
feststellen, ob nur ein Bagatellschaden (vgl. dazu näher unter Rn. 224 f.) oder
zumindest kein bedeutender Fremdsachschaden (vgl. dazu näher unter Rn. 439) entstanden ist.
zum „Vorstellungsbild“ des/der Mandaten/in, insbesondere zum Wissen und Wissen können der Bedeutsamkeit des Schadens i.S.d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB(vgl. Rn. 406 ff. und Rn. 422 f.) und

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Neben dem Kfz-Sachverständigen kommt auch der lichttechnische Sachverständige zur Frage der optischen Wahrnehmbarkeit in Betracht, ebenso der medizinische Sachverständige, (z.B. ein Augenarzt, wenn beim Mandanten eine Sehbehinderung vorlag; vgl. näher Rn. 154) oder der psychologische Sachverständige (vgl. dazu Rn. 137 ff.).

1. Wann besteht Veranlassung, einen Sachverständigen einzuschalten?

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Veranlassung, das Gutachten eines technischen Sachverständigen zur Höhe des von der Polizei oder vom Zeugen (Geschädigten) behaupteten Fremdschadens einholen zu lassen, besteht insbesondere dann, wenn die Fremdschadenshöhe in den Ermittlungsakten durch einen einfachen Kostenvoranschlag, eine wenig plausible Rechnung einer Werkstatt oder wenn das im Auftrag des Geschädigten bzw. dessen Haftpflichtversicherer erstellte Sachverständigengutachten angreifbar erscheint. Mögliche Beispiele sind:


Wiederbeschaffungswert zu hoch
Restwert zu niedrig
Totalschaden statt Reparatur
Bagatellschaden/Smartrepair
Beilackierung/Verbringungskosten
Abzug für Vorschäden/Altschäden
Keine oder nur geringe Schadenvertiefung
Abzug neu für alt
Höhe der Stundenverrechnungssätze
usw.

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Auch die subjektiven Angaben des/der Mandanten/in geben oft Veranlassung zu der Annahme, dass die behaupteten Fremdschäden überhaupt nicht oder zumindest nicht alle auf eine Berührung mit dem Fahrzeug des/der Mandanten/in zurückgeführt werden können, insbesondere wegen Vor- und Altschäden.. Hierbei bietet die Einholung eines Sachverständigengutachten im Auftrag der Verteidigung („Privatgutachten“) den Vorteil, dass wenn die Begutachtung nicht zu einem günstigen Ergebnis führt, dass ein von der Verteidigung eingeholtes Gutachten, wenn es negativ ist, natürlich nicht Staatsanwaltschaft/Gericht vorgelegt wird.

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Häufig wird der/die Mandant angeben, er habe einen Anstoß an ein anderes Fahrzeug weder gehört noch sonst auf irgendeine Art und Weise bemerkt; er habe auch nichts gesehen, was auf ein Unfallgeschehen hätte schließen lassen. Diese Einlassung ist eine der häufigsten überhaupt und berührt die zentrale Frage, ob dem/der Mandanten/in „vorsätzliches“ bzw. „bedingt vorsätzliches“ Verhalten (vgl. Rn. 351 ff.) in Bezug auf unerlaubtes Entfernen vom Unfallort angelastet werden kann. Aus diesem Grunde muss die Verteidigung bei einer solchen Einlassung stets überlegen,


ob ein technischer Sachverständiger zur Frage der Bemerkbarkeit des Unfallgeschehens, also des Hörens, Sehens oder Fühlens, eingeschaltet werden soll (siehe hierzu die Ausführungen unter Rn. 153 ff.),
oder ein medizinischer und/oder psychologischer Sachverständiger, wenn der Mandant „abgelenkt“ war, etwas wahrzunehmen (vgl. dazu unter Rn. 137 ff.).

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Zur Bemerkbarkeit bei Verkehrsunfällen gibt es mittlerweile einige[4] Veröffentlichungen.

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Die Autoren verweisen auf das zugegebenermaßen etwas älteren Buch von Ingo Welther „Wahrnehmbarkeit leichter Fahrzeugkollisionen Untersuchung zur Frage der visuellen, akustischen und taktilen Wahrnehmbarkeit leichter Verkehrsunfälle für den Vorsatznachweis im Rahmen § 142 StGB“(erschienen München 1983).

Natürlich sind auch andere Quellen darstellbar und natürlich ist die weiter fortgeschrittene technische Entwicklung im Fahrzeugbau zu beachten und damit ist natürlich nicht Alles aktuell, aber es sollen hier Ansatzpunkte und Denkanstöße für eine aktive Verteidigung dargestellt werden.

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Es können hiernach u.a. folgende Gesichtspunkte als die eine Wahrnehmung beeinträchtigender kollisionsfremder Einflüsse angeführt werden:

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Zu neurophysiologischen sowie medizinisch-psychologischen Einflüssen im Hinblick auf ein „Abgelenkt-sein“ bei einem Unfall stellt sich – unabhängig von vor- oder unbewussten, drogen- oder alkohoholbedingten Einflüssen – zuerst vorab die Frage, ob der/die Mandant/in im eigenen Fall ein sonst nur unter „vorausgeahnten“ Versuchs-Bedingungen bemerkbares Anstoßereignis selbst auch bewusst als solches identifizieren konnte, wie Roßkopf/Thumm/Wehner[23] zutreffend betonen; oft wurde dieses zwar wahrgenommen, konnte aber nicht einem Anstoß zugeordnet werden.

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Der Wahrnehmungs-Psychologe Zöller[24] erwähnt bei der „Frage nach der taktil-vestibulären Wahrnehmungsschwelle... mehrere Faktoren: Aufmerksamkeitsgrad der Person... Dauer der Beschleunigungseinwirkung... Schwingungen/Vibration... Untersuchungsbedingungen und statistische Methode der Schwellenbestimmung“ sowie den „Grad der Aufmerksamkeit... mit/ohne Ablenkung“.

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Die Wahrnehmungs-Psychologie trifft, worauf insbesondere Markowitsch/Siefer[25] im Hinblick auf die „Wahrnehmung“ hinweisen, „seit alters her die Unterscheidung zwischen Empfindung und Wahrnehmung. Empfindung bedeutet die Aufnahme eines Reizes durch die Sinnesorgane, Wahrnehmung die kognitive Verarbeitung der Signale. Entscheidend ist, dass die Wahrnehmung einer ständigen Bewertung unterworfen ist. Sie hängt ab von unserer Aufmerksamkeit, der Erfahrung, der Motivation, den Erwartungen in einer Situation und weiteren Faktoren. Zudem benötigt jedes Sinnesorgan einen adäquaten Reiz, um richtig zu funktionieren. … Faktoren wie Schlafmangel und Aufregung, Ablenkung oder Reizüberflutung können unsere Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit weiter beeinträchtigen“. Die bei Gericht auftretenden technischen Sachverständigen stützen sich in der Regel auf Versuchsablauf-Charakteristika, mit denen dieses Problem nicht gelöst werden kann; nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen dem technischen Sachverständigen und einem Verkehrs-Psychologen kann dies geklärt werden. Bei den von verschiedenen Institutionen durchgeführten Versuchen wurden nämlich Probanden, meistens Studenten, eingesetzt, die stets „aufgrund der Versuchsplanung und Durchführung wussten oder zumindest ahnen konnten, dass es eine Kollision geben würde, zu deren Bemerkbarkeit sie anschließend befragt würden. Selbst wenn sie dies explizit nicht wussten, konnten sie aus der besonderen Versuchssituation auf bevorstehende,besondere Ereignisse“ schließen, weshalb von Seiten der Interpretation dieser Ergebnisse auf jeden Fall zumindest von einer gesteigerten (bewussten) Aufmerksamkeitund Sensibilität des Probanden hinsichtlich der bevorstehenden Ereignisse auszugehen (war) … Genau dies ist der Punkt, durch welchen beim Rückschluss aus Versuchsdurchführungen auf den realen Unfallablauf zwangsläufig Fehler auftreten, die … zu Fehlinterpretationen führen können. An dieser Stelle spätestens müsste … ein Verkehrspsychologe, ggf. sogar ein Rechtsmediziner, tätig werden. Aufgabe dieses Sachverständigen ist es, die vom technischen Sachverständigen gemachten Angaben zu den objektiv aufgetretenen Anstoßmerkmalen im Hinblick auf eine tatsächliche Bemerkbarkeit für den Angeklagten unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter zu interpretieren. Hierzu zählen insbesondere die individuelle körperliche und geistige Konstitution des Angeklagten, seine Fähigkeit zur Sinneswahrnehmung und seine Fähigkeit, diese Sinneswahrnehmungen bewusst einem Anstoßereignis zuzuordnen. … zumindest in vom technischen Sachverständigen zu definierenden Grenzfällen sollte die Einbeziehung eines Verkehrspsychologen zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem technischen Sachverständigen erwogen werden“, oder gar ein Medizinischer Psychologe einer Universitätsklinik einbezogen werden.

141

Diesen Feststellungen folgen auch Fürbeth/Nakas/Steinacker[26] und weisen darauf hin, dass bei den Versuchsreihen „den Probanden … bewusst (war), dass der Anstoß in einem (bestimmten) Zeitfenster nach Versuchsbeginn erfolgen würde“. Auch Buck[27], Leiter des Instituts für forensisches Sachverständigenwesen an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, betont, dass die Bemerkbarkeit anders aussieht, wenn „man darauf gewartet hat, dass was passiert“.

142

Der Praktiker sollte, was schon der Wahrnehmungs-Psychologe Zöller[28] zutreffend hinsichtlich der bei Gutachten stets herangezogenen Versuchsreihen erwähnt, „stets beachten, dass es sich hierbei in der Regel um Laborversuche handelt, und zwar unter restriktiven Versuchsbedingungen, die … stark von den realen Bedingungen abstrahieren, bei voller Zuwendung der Aufmerksamkeit auf Zeitpunkt und Ort der Reizdarbietung, meistens bei vollständiger Adaption des Wahrnehmungssystems an die (restriktiven) Umgebungsbedingungen. Solche Umstände sind im realen Straßenverkehr nicht gegeben.“

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Zusätzlich weist der technische Sachverständige Leser[29] bei Kollisionen im fließenden Verkehr darauf hin, dass dort „notgedrungen die Aufmerksamkeit weiter gestreut (ist). Die Wahrnehmungsschwelle... ist deshalb... erhöht“ und nicht auf das Verkehrsgeschehen fokussiert.

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Es kommt aber auch noch folgende Besonderheit hinzu: Ein „Abgelenkt-sein“ kann auch zu einer fehlenden Aufmerksamkeit, mithin zur Nichtbemerkbarkeit einer Schadensverursachung, führen. Dies kann z.B. durch eine zusätzliche visuelle Aufmerksamkeit und/oder eine zusätzliche visuelle Belastung verursacht werden.[30] Hierzu zählen beispielsweise auch im Kfz selbst: Einstellen der Sonnenblende, Interaktionen mit einem Tier (Hund, Insekt) im Fahrzeug, Betätigung der Heizung, Lüftung, Klimaanlage, Scheibenwischer, Scheibenwaschanlage, Telefon, Handy, Blendung durch Sonnenlicht oder Scheinwerfer, plötzliches Öffnen der Türe oder Motorhaube, Lösen bzw. Justieren des und Suchen nach dem Sicherheitsgurt, Niesen.; die Autofahrer sind öfter mit „einer ablenkenden Tätigkeit beschäftigt, nämlich dem Weg zur Arbeit“.

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Abgelenkt werden kann man in der Regel auch durch eine größere Konzentriertheit auf innere Vorgänge, auch durch eigenes Reden, Zuhören oder durch eine verbale Auseinandersetzung mit einer anderen Person, dabei kann„die Aufmerksamkeit … durch Konzentration auf innere Vorgänge … vollständig absorbiert sein“; auch ist zu beachten, „dass die Konzentration auf einen bestimmten Vorgang die Fähigkeit gleichzeitig andere Vorgänge aufzunehmen umso mehr vermindert (ist), je größer die Konzentration ist – bis zum gänzlichen Ausschluss“ der Aufnahme anderer Informationen.[31]

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Eine Konzentration auf innere Vorgänge erfolgt auch durch angestrengtes Nachdenken[32] über gewisse Situationen bzw. Begebenheiten; in solchen Fällen blendet das menschliche Gehirn bestimmte anderweitige Wahrnehmungen aus, lässt sie also nicht zu; man spricht hier von selektiver Wahrnehmung. Wurde im Einzelfall ein zwar unter „voraussehbaren“ Versuchsbedingungen bemerkbares Anstoßereignis bewusst wahrgenommen und dieses auch als solches identifiziert, allerdings nicht einem Anstoß zugeordnet, ist dies ein hirnphysiologisches und/oder psychologisches Problem. Bewusst sind „alle diejenigen Eigenschaften einer Person, deren Vorliegen die betreffende Person mentalistisch bestimmen kann“.[33] Hierzu kann letztendlich nicht der technische Sachverständige sondern nur der (verkehrs-)psychologische oder (verkehrs-)medizinische Sachverständige Auskunft geben.

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Wendler[34] weist darauf hin: Schon „die Konzentration auf einen Vorgang mindert die Fähigkeit, anderes gleichermaßen wahrzunehmen (eingeschränkte Simultankapazität)“.

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Es handelt sich mithin einerseits um externe Faktoren (z.B. Lichtverhältnisse), andererseits um interne Faktoren (z.B. Stress, Aufmerksamkeit/Konzentration, Angst oder eine bestimmte Erwartungshaltung), die beim Fahren im fließenden Straßenverkehr integriert werden müssten. Regelmäßig wird dies nur ein auf diesem Spezial-Gebiet qualifizierter, psychologisch-medizinisch ausgebildeter, also insoweit geeigneter Gutachter zutreffend beurteilen können.[35]

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Bender/Nack/Treuer[36] beschreiben dies so: „Die Wahrnehmung hängt nicht nur davon ab, wie die Dinge sind, sie hängt auch davon ab, wie wir selber sind. Jede Wahrnehmung ist „zweigliedrig“. Einerseits wirkt die Befindlichkeit der wahrgenommenen Dinge auf die Befindlichkeit der wahrnehmenden Person ein. Andererseits wirkt die Befindlichkeit der Person auf die wahrgenommenen Dinge zurück“.

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Unter Wahrnehmung ist hier die sinnhafte (emotionale) Verarbeitung von empfundenen Reizen zu verstehen, wobei diese ausgewählt, organisiert und interpretiert werden.[37] Diese Wahrnehmung ist keine lediglich passive Aufnahme von Geschehnissen; sie hängt vielmehr ab vom wahrnehmenden Individuum und ist wesentlich von „innen“ gesteuert.[38]

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Dem Menschen stehen generell für die Wahrnehmung von Fahrzeugkollisionen zur Verfügung


das Sehen (Optik), also eine bewusste, subjektive visuelle Erfahrung,
das Hören (Akustik) und
das Fühlen (taktile bzw. kinästhetische Bemerkbarkeit).

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Entscheidend für eine Strafbarkeit ist jedoch allein die Wahrnehmung im Fahrzeug mit der Folge, dass Bekundungen von Zeugen, sie hätten den Anstoß (außerhalb des flüchtigen Fahrzeugs) gesehen oder gehört, insbesondere bei Kleinstkollisionen, immer mit dem Hinweis, dass die optische und akustische Wahrnehmung im Fahrzeug eine andere ist als außerhalb, seriös in Frage gestellt werden können.

153

Die optische (visuelle) Wahrnehmbarkeit ist in der Regel dadurch beeinträchtigt, dass der Stoßbereich von Fahrzeugteilen verdeckt ist. Optisch wird der Unfall also nur durch geringe Abstandsveränderungen bzw. leichte Bewegungen der beteiligten Fahrzeuge wahrgenommen. Auch dadurch, dass man in die Richtung eines Geräuschs blickt, kann man in der optischen Wahrnehmung des eigentlichen Unfallgeschehens beeinträchtigt sein.[39]

154

Die optische Wahrnehmung des Fremdschadens kann problematisch sein, wenn Sehfehler vorliegen. Dies kann durch einen medizinischen Sachverständigen bzw. Augenarzt überprüft werden.

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Eine akustische Wahrnehmbarkeit der Kollisionen entsteht dadurch, dass die beteiligten Gegenstände in Schwingungen geraten, wodurch Stoßgeräusche entstehen, die dumpf bis hell das menschliche Ohr erreichen (Kollisionsknall). Ferner entstehen Folge-Geräusche, beispielsweise durch das Auf-die-Erde-Fallen abgerissener Fahrzeugteile, das Aufspringen des Kofferraumes oder der Motorhaube.

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Die akustische Wahrnehmbarkeit kann beeinträchtigt sein durch Geräusche von Motor, Gebläse, Klimaanlage, Radio, Verkehrslärm, Geräusche der Ladung, eines Kühlaggregats, Klappern von Fahrzeugteilen oder durch die Unterhaltung von Fahrzeuginsassen (vgl. auch Rn. 132 ff.).

157

Eine alkoholische Beeinflussung (vgl. auch Rn. 136, 176) kann nur sehr selten eine Gehörsstörung zur Folge haben.[40]

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Durch Fühlen, d.h. taktile bzw. kinästhetische Bemerkbarkeit (Tastsinn; Mechano-Rezeptoren) wahrgenommen werden können stoßbedingte Schwingungen, die dadurch entstehen, dass bei der Kollision des stoßenden Fahrzeuges dessen Insassen Geschwindigkeitsänderungen erfahren, die an Rücken, Gesäß, Händen und Füßen bemerkt (gefühlt) werden. Aber auch durch den Vestibulär-Apparat (Gleichgewichtsorgan im inneren Ohr) kann man diese wahrnehmen. Bei der Frage der taktilen Wahrnehmbarkeit stehen also die Auswirkungen der Kollisionskräfte auf das (stoßende) Kfz im Vordergrund. Die durch die Kollision hervorgerufene Bewegung der Karosserie des stoßenden Kfz umfasst jedoch zwei Arten von Bewegungen. Zum einen handelt es sich um die durch die Kollision verursachten Schwingungen in der Fahrzeug-Karosserie, zum andern um die durch die Kollision hervorgerufenen Nick- und Wank-Bewegungen des Karosserie-Aufbaus. Diese beiden Arten von Bewegungen unterscheiden sich maßgeblich in ihrer Frequenz, also in der „Tonhöhe“. Die Nick- und Wank-Bewegungen sind sehr niedrig-frequent („tiefe Töne“). Die Wahrnehmungen dieser beiden verschiedenen Bewegungen erfolgt über zwei unterschiedliche Sinne, die auf unterschiedlichen physikalischen Prinzipien beruhen.

Die Wahrnehmung der hoch-frequenten Fahrzeugschwingungen wird durch die Mechano-Rezeptoren in der Haut vermittelt, die im Wesentlichen die Druckänderungen auf der Hautoberfläche verursachen. Die Mechano-Rezeptoren erfassen damit die Relativ-Bewegungen zwischen den Karosserie-Teilen und der Haut bzw. die dadurch hervorgerufenen Druckänderungen auf der Außenhaut, die durch die in der Karosserie eingeleiteten Schwingungen hergestellt werden.

Die nieder-frequenten Nick- und Wank-Bewegungen des Aufbaus werden hingegen hauptsächlich über den Vestibulär-Apparat (Gleichgewichts-Sinn), der Richtungs-Änderungen der auf den Kopf einwirkenden Beschleunigung registriert, wahrgenommen.

Es gibt allerdings keinen Erfahrungssatz, dass die Berührung zweier Kfz immer von den Fahrzeuginsassen „gefühlt“ wird.[41]

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Wahrnehmbarkeit durch Fühlen, d.h. taktile bzw. kinästhetische Bemerkbarkeit kann beeinträchtigt werden z.B. wenn gleichzeitig Folgendes stattfindet:


Erschütterungen des Fahrzeugs infolge Fahrbahn-Unebenheiten
Überfahren einer Bordsteinkante im Sinne einer Fehlinterpretation

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Die drei vorerwähnten Wahrnehmungsarten können durch die verschiedensten, außerhalb des eigentlichen Unfallgeschehens liegenden Einflüsse beeinträchtigt werden. Außer durch das Verdeckt-Sein kann beispielsweise die optische und taktile Wahrnehmbarkeit auch durch besondere Verkehrssituationen und psychische Einflüsse sowie durch Ablenkung (vgl. dazu unter Rn. 137 ff.) beeinträchtigt werden, die mit der Kollision nichts zu tun haben, jedoch die Aufmerksamkeit des/der Fahrers/in in Anspruch nehmen.

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Die hier vorgestellten Untersuchungen von Welther[43] von 1983 haben dazu im Einzelnen folgende Besonderheiten ergeben:

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Die Richtung eines Kollisionsgeräuschs ist schwierig festzustellen; die Zuordnung eines wahrgenommenen Geräuschs zu einem bestimmten angefahrenen Gegenstand ist oft erst dann möglich, wenn vorab eine Sehinformation gegeben war.

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Bei Geräuschen muss man Folgendes unterscheiden:

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Schallpegel im stoßenden und gestoßenen Fahrzeug können sich um das 4 – 6fache unterscheiden, weshalb Insassen des stoßenden Fahrzeuges teilweise wesentlich andere Kollisionsgeräusche wahrnehmen als Insassen im gestoßenen Fahrzeug.

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Besonders hohe Schallpegel im Innenraum eines Fahrzeugs erzeugen Verformungsgeräusche wie Blechknacken oder den Ein- bzw. Ausbeulknall. Sehr laute Kollisionsgeräusche erzeugen frontale Stoßfänger/Stoßfänger-Stöße. Die Innengeräusche von Seitenkollisionen sind im Durchschnitt lauter als bei Front- oder Heckanstößen.

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Der in 1 Meter Abstand vom Stoß außerhalb des Fahrzeuges gemessene Schallpegel ist oft lauter als der im Innenraum eines beteiligten PKW erfasste Pegel. Außerhalb des Fahrzeuges befindliche Zeugen hören daher häufig lautere Geräusche als der beschuldigte Fahrer.

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Die geringsten Geräusche werden durch spitzwinklige Stoßfängerstöße gegen großflächige, leicht verformbare Teile des Seitenblechs stehender Fahrzeuge erzeugt (z.B. spitzwinkliger Anstoß mit der Heckstoßstange gegen den mittleren Türbereich eines stehenden Fahrzeugs).

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Unabhängig von der Entfernung zur Unfallstelle werden von Passanten andere Kollisionsgeräusche als von Fahrzeuginsassen wahrgenommen.

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Das von Welther[44] für typische PKW-Kollisionen entwickelte Verfahren für die Beurteilung der taktil – vestibulären Wahrnehmbarkeit lautet wie folgt:


1. Abschätzung der Festigkeit im Berührungsbereich:Geringe Festigkeit für leicht verformbare Fahrzeugteile (z.B. Türmitte): 1 Punkt – Mittlere Festigkeit für weniger leicht verformbare Teile (z.B. Radhaus): 2 Punkte – Hohe Festigkeit für schwer verformbare Teile (z.B. Stoßfänger, Kante von Kotflügel oder Seitenteil): 3 Punkte Gewählte Punktezahl: … Punkte
2. Beurteilung des Kollisionswinkels:Spitzwinklig bei einem Stoßwinkel von 0-20°: 1 Punkt – Schräg bei einem Stoßwinkel von 20-40°: 2 Punkte – Stumpfwinklig bei einem Stoßwinkel von 40-90°: 3 Punkte – Gewählte Punktezahl: … Punkte
3. Abbremsweg:Leichte lange Kratzspuren bzw. Farbab- oder -anrieb: 1 Punkt – Kratzspuren bzw. Farbab- oder -anrieb mit leichter plastischer Verformung: 2 Punkte – Starke Kratzspuren und plastische Verformungen (z.B. Bruch): 3 Punkte Gewählte Punktezahl: … Punkte
4. Bewertungssystem: Gruppe: Stoßhärte: Punktesumme: 1 „weich“ 3–4 … 2 „mittel“ 5–6 … 3 „hart“ bis „sehr hart“ 7–9 …
5. Gesamte Punktzahl des vorliegenden Falles hier: … Punkte

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