Kitabı oku: «Charles Dickens», sayfa 16
»Und zwar mit sehr bemerkenswerten Männern. Kapitän Swosser von der königlichen Marine, Mrs. Badgers erster Gatte, war ein hervorragender Offizier. Der Name Professor Dingos, meines unmittelbaren Vorgängers, genießt in ganz Europa einen großen Ruf.«
Mrs. Badger hörte lächelnd zu.
»Ja, meine Liebe«, bekräftigte Mr. Badger. »Ich bemerkte vorhin bereits zu Mr. Jarndyce und Miß Summerson, daß du schon zwei Mal verheiratet warst –, beide Male mit hervorragenden Männern. Und sie wollten es kaum glauben. Ja, ja, so geht es den meisten Leuten.«
»Ich war kaum zwanzig, als ich Kapitän Swosser von der königlichen Marine heiratete«, erklärte Mrs. Badger. »Ich war mit ihm im Mittelländischen Meer und bin ein richtiger Seemann geworden. Am zwölften Jahrestag meiner Hochzeit wurde ich die Gattin Professor Dingos.«
»Von europäischem Ruf«, schaltete Mr. Badger halblaut ein.
»Und als Mr. Badger und ich getraut wurden, wählten wir wieder denselben Tag zur Hochzeit. Ich hatte das Datum liebgewonnen.«
»So daß Mrs. Badger drei Männer geheiratet hat – zwei von ihnen höchst ausgezeichnete Personen –«, sagte Mr. Badger, die Tatsachen zusammenfassend, »und jeden an einem 21. März früh elf Uhr.«
Wir drückten alle unsere Bewunderung aus.
»Wenn Mr. Badger nicht gar so bescheiden wäre«, nahm Mr. Jarndyce das Wort, »so würde ich mir erlauben, ihn zu verbessern und zu sagen: drei ausgezeichnete Männer.«
»Ich danke Ihnen, Mr. Jarndyce; das sage ich auch immer«, bemerkte Mrs. Badger.
»Und, meine Liebe«, rief ihr Gatte, »was sage ich immer? Ich sage ohne falsche Bescheidenheit hinsichtlich meines Rufes, den ich in meinem Fache mir erworben habe – was unser Freund Mr. Carstone im Lauf der Zeit Gelegenheit haben wird zu erfahren –, daß ich nicht so eingebildet bin, nein, wahrhaftig, nicht so unverständig, um meinen Namen auf gleiche Höhe mit so ausgezeichneten Männern, wie Kapitän Swosser und Professor Dingo waren, zu stellen. Vielleicht interessiert Sie das Porträt Kapitän Swossers, Mr. Jarndyce?«
Mr. Bayham Badger führte uns in das anstoßende Zimmer. »Es wurde nach seiner Rückkehr aus Afrika gemalt, wo er sehr von dem Fieber des dortigen Klimas gelitten hatte. Mrs. Badger meint, es sei zu gelb. Aber es ist ein sehr schöner Kopf, ein sehr schöner Kopf!«
Wir alle stimmten ein: »Ein sehr schöner Kopf!«
»Wenn ich ihn ansehe«, fuhr Mr. Badger fort, »fühle ich, daß er ein Mann ist, den ich im Leben gern gekannt haben möchte. Das Gesicht drückt so recht den ausgezeichneten Menschen aus, der Kapitän Swosser in so hervorragendem Maße war. Dort hängt Professor Dingo. Ich kannte ihn sehr gut – behandelte ihn in seiner letzten Krankheit... Ein Bild von sprechender Ähnlichkeit. Und über dem Piano Mrs. Bayham Badger, damals Mrs. Swosser. Über dem Sofa sehen Sie Mrs. Bayham Badger als Mrs. Dingo. Von Mrs. Bayham Badger in esse besitze ich das Original, aber keine Kopie.«
Man meldete jetzt, daß gedeckt sei, und wir gingen hinunter. Es war ein sehr feines Diner, und sehr hübsch serviert. Aber der Kapitän und der Professor spukten Mr. Badger immer noch im Kopf herum, und da Ada und ich die Ehre hatten, neben ihm zu sitzen, so konnten wir sie ausgiebig genießen.
»Wasser, Miß Summerson? Sie gestatten! Nicht in diesem Glase, wenn ich bitten darf. Bringen Sie das Ehrenglas des Professors, James!«
Ada bewunderte einen Strauß künstlicher Blumen unter einem Sturz.
»Wunderbar, wie sie sich halten«, sagte Mr. Badger. »Mrs. Bayham Badger erhielt sie als Geschenk, als sie im Mittelländischen Meer weilte.«
Er lud Mr. Jarndyce ein, ein Glas Claret mit ihm zu trinken.
»Nicht diesen Wein! Sie gestatten! Heute ist eine besonders festliche Gelegenheit, und bei solchen Veranlassungen möchte ich einen ganz besonderen Bordeaux, den ich zufällig im Keller habe, auf dem Tisch sehen. James, Kapitän Swossers Wein! – Mr. Jarndyce, das ist eine Marke, die der Kapitän selbst importiert hat. Ich weiß nicht, vor wieviel Jahren. Sie werden sie sehr bemerkenswert finden. Meine Liebe, ich würde mich glücklich schätzen, wenn du ein Glas von diesem Wein mittrinken würdest. Schenken Sie Madame von Kapitän Swossers Bordeaux ein! Deine Gesundheit, meine Liebe!«
Als wir Damen uns zurückzogen, nahmen wir Mrs. Badgers ersten und zweiten Gatten mit uns. Sie entwarf uns im Salon eine biographische Skizze des Lebens und des militärischen Dienstes Kapitän Swossers vor seiner Verheiratung und einen mehr auf die Einzelheiten eingehenden Bericht von der Zeit an, wo er sich an Bord des »Crippler« auf einem Ball, den die Offiziere dieses Schiffs im Hafen von Plymouth gaben, in sie verliebte.
»Der liebe alte 'Crippler'!« seufzte sie und schüttelte tiefsinnig den Kopf. »Er war ein schönes Schiff. Schmuck, seetüchtig, und alle Schoten belegt, wie der Kapitän zu sagen pflegte. – Sie müssen mich entschuldigen, wenn ich zuweilen einen nautischen Ausdruck gebrauche, ich war damals ein halber Seemann. – Kapitän Swosser liebte das Schiff meinetwegen. Als es ins Trockendock kam, sagte er oft zu mir, wenn er reich genug wäre, die alte Holke zu kaufen, so würde er in die Spannen des Quarterdecks, wo wir im Kontertanz einander gegenüberstanden, eine Inschrift anbringen lassen, um die Stelle zu bezeichnen, wo er fiel – wie er zu sagen pflegte –, der Breitseite nach bestrichen, von dem Kreuzfeuer meiner Toplichter, so nannte er in seiner Seemannssprache meine Augen.«
– Mrs. Badger schüttelte den Kopf, seufzte und warf einen Blick in den Spiegel. –
»Von Kapitän Swosser zu Professor Dingo war ein großer Sprung«, fing sie wieder, mit einem trüben Lächeln, an. »Ich fühlte es anfangs tief. Eine so vollständige Umwälzung in meiner Lebensweise. Aber Gewohnheit, vereint mit Wissenschaft – vor allem mit Wissenschaft –, machte es mir mit der Zeit erträglich. Da ich des Professors einzige Begleiterin auf seinen botanischen Exkursionen war, vergaß ich fast, daß ich jemals auf See gewesen, und wurde eine Gelehrte. Es ist merkwürdig, daß der Professor der Antipode von Kapitän Swosser war und Mr. Badger keinem der beiden auch nur im geringsten gleicht.«
Wir gingen dann auf eine Schilderung des Todes Kapitän Swossers und Professor Dingos über, die alle beide schwer gelitten haben mußten. Im Verlauf der Erzählung deutete Mrs. Badger an, daß sie nur ein Mal wahnsinnig geliebt habe und der Gegenstand dieser ersten Leidenschaft, die bekanntlich niemals wiederkehren könne, Kapitän Swosser gewesen sei. Der Professor sei zollweise auf die schrecklichste Weise gestorben. Mrs. Badger machte uns gerade vor, wie er geächzt hatte: »Wo ist Laura? Laura, gib mir Wasser und Zwieback«, als der Eintritt der Herren ihn für diesmal wieder in seine Gruft zurückversenkte.
Ich bemerkte an diesem Abend, wie überhaupt schon seit einigen Tagen, daß Ada und Richard noch mehr aneinander hingen als sonst. Es war nur natürlich, da sie sich so bald von einander trennen sollten, und es überraschte mich daher nicht allzusehr, als wir nach Hause kamen und Ada und ich uns hinaufbegaben, Ada stiller als gewöhnlich zu finden, obgleich ich nicht darauf gefaßt war, daß sie ihre Arme um mich schlang, ihr Gesicht an meiner Brust verbarg und schluchzte:
»Meine geliebte Esther! Ich habe dir ein großes Geheimnis mitzuteilen.«
– Es mußte offenbar ein schreckliches Geheimnis sein! –»Was ist es denn, Ada?«
»Ach, Esther, du wirst es nie erraten.«
»Soll ich es versuchen?«
»O nein! Nein! Bitte nicht«, rief Ada sehr erschrocken bei dem bloßen Gedanken.
»Ich möchte wirklich gerne wissen, was es wohl sein könnte«, sagte ich und stellte mich nachdenklich.
»Es handelt sich«, flüsterte Ada, »es handelt sich um meinen Vetter Richard.«
»Nun, mein Liebling«, fragte ich weiter und küßte ihr goldenes Haar, das einzige, was ich von ihr sehen konnte, »und was ist mit ihm?«
»O Esther, du wirst es nie erraten!«
– Wie sie sich an mich schmiegte und ihr Gesicht verbarg und selbst nicht wußte, daß sie aus Freude, Stolz und Hoffnung und nicht aus Schmerz weinte, war so reizend, daß ich ihr unmöglich heraushelfen konnte. –
»Er sagt – ich weiß, daß es sehr töricht ist, wir sind beide noch so jung – aber er sagt – sie war ganz aufgelöst in Tränen –, er liebe mich von Herzen, Esther.«
»Sagt er das wirklich? So etwas hab ich mein Leben lang noch nicht gehört! Aber, mein allerliebster Schatz, das hätte ich dir schon vor vielen, vielen Wochen sagen können.«
– Zu sehen, wie Ada mit glühenden Wangen freudig überrascht aufsah und mich umarmte und lachte und weinte und errötete und lachte, war entzückend. –
»Aber, Liebling, für was für eine Gans mußt du mich halten. Dein Vetter Richard ist so offenkundig wie nur möglich in dich verliebt, ich weiß nicht, wie lange schon.«
»Und du hast mir nie ein Wort davon gesagt!« rief Ada und küßte mich.
»Nein, liebes Kind, ich wartete, bis du es mir selbst sagen würdest.«
»Aber jetzt, meinst du nicht, daß es unrecht von mir ist?« Sie hätte mir ein Nein abschmeicheln können, auch wenn ich die hartherzigste Duenna in der Welt gewesen wäre, so aber sagte ich ganz offenherzig: »Nein.«
»So, jetzt weiß ich ja das Schlimmste von der Sache.«
»O, das ist noch nicht das Schlimmste, liebe Esther«, rief Ada und zog mich noch fester an sich und verbarg ihr Gesicht schon wieder an meiner Brust.
»Nicht? Nicht einmal das?«
»Nein, nicht einmal das«, murmelte Ada und schüttelte den Kopf.
»Was, du willst doch nicht etwa sagen...« fing ich scherzend an.
Ada blickte auf und lächelte unter Tränen.
»Ja, es ist so, Esther. Du weißt, du weißt, es ist so.« Und dann schluchzte sie: »Von ganzem Herzen liebe ich ihn! Von ganzem Herzen, Esther!«
Ich sagte ihr lachend, daß ich auch das ebenso genau gewußt habe wie das andre.
Und wir saßen vor dem Feuer, und ich mußte eine Zeitlang ganz allein reden, wenn es auch nicht allzu lange dauerte, denn Ada war bald wieder ruhig und glücklich.
»Meinst du, daß es Vetter John weiß, Mütterchen?«
»Wenn Vetter John nicht blind ist, Herzblatt, so sollte ich meinen, dürfte er es ungefähr so genau wissen wie wir beide.«
»Wir müssen mit ihm sprechen, ehe wir uns von Richard trennen«, gestand Ada schüchtern. »Und wir möchten gern, daß du uns einen Rat gibst und es ihm sagst. Vielleicht hast du nichts dagegen, wenn Richard hereinkommt, Mütterchen?«
»So, so, Richard ist draußen. Was du sagst!«
»Ich weiß es nicht ganz gewiß«, stammelte Ada mit einer verschämten Einfalt, die mein Herz hätte gewinnen müssen, wenn sie es nicht schon längst besessen hätte, »aber ich glaube, er wartet vor der Tür.«
Selbstverständlich wartete er draußen.
Sie stellten auf jede Seite neben mich einen Stuhl und setzten mich zwischen sich und schienen sich wirklich mehr in mich als in einander verliebt zu haben, so vertrauensvoll, aufrichtig und zärtlich waren sie zu mir. Sie ließen mich eine Weile gar nicht los, und ich freute mich viel zu sehr darüber, um ihnen zu wehren. Dann wurden wir allmählich ernster und fingen an zu bedenken, wie jung sie noch waren und daß manches Jahr vergehen müßte, ehe ihre taufrische Liebe zum Ziele kommen könnte, und daß sie nur zum Glücke führen würde, wenn sie wirklich und dauernd sei und sie zur Beständigkeit, tapferm Ausharren und Pflichttreue begeistere. Richard schwor, daß er sich die Finger bis auf die Knochen abarbeiten wolle für Ada, und Ada sagte, daß sie sich die Finger bis auf die Knochen abarbeiten wolle für Richard, und sie gaben mir alle möglichen Kosenamen, und wir saßen beratend und plaudernd die halbe Nacht beisammen. Schließlich, bevor wir von einander schieden, versprach ich ihnen, morgen darüber mit ihrem Vetter John zu reden.
Gleich nach dem Frühstück begab ich mich zu meinem Vormund in das Zimmer, das uns in der Stadt das Brummstübchen ersetzte, und sagte ihm, ich hätte den Auftrag, ihm etwas mitzuteilen.
»Nun, Mütterchen«, meinte er und klappte sein Buch zu. »Wenn du es übernommen hast, kann es nichts Schlimmes sein.«
»Ich hoffe nicht, Vormund. Jedenfalls kann ich mich dafür verbürgen, daß es sich nicht um Heimlichkeiten handelt, denn es geschah erst gestern.«
»So. Und was ist es denn, Esther?«
»Vormund, erinnerst du dich an den schönen Abend unsrer Ankunft in Bleakhaus, wo Ada in dem dunkeln Zimmer sang?«
– Ich wünschte, ihm den Blick, den er mir damals zugeworfen hatte, ins Gedächtnis zurückzurufen. Wenn ich mich nicht sehr irre, erinnerte er sich sogleich daran. –
»Weil...« begann ich nach einigem Zögern.
»Ja, mein Kind!« sagte er. »Laß dir nur Zeit.«
»Weil... Weil Ada und Richard sich ineinander verliebt haben und es einander gestanden haben.«
»So bald schon?« rief mein Vormund ganz erstaunt.
»Ja. Und, um dir nur die Wahrheit zu sagen, Vormund, ich erwartete es fast.«
»Den Kuckuck auch!«
Ein paar Minuten lang saß er mit einem gewinnenden gütigen Lächeln in dem lebhaft den Ausdruck wechselnden Gesicht nachsinnend da und bat mich dann, sie wissen zu lassen, daß er sie zu sehen wünsche. Als sie kamen, schlang er den Arm um Ada in seiner väterlichen Weise und wandte sich mit heiterm Ernst an Richard.
»Richard, es freut mich, Euer Vertrauen gewonnen zu haben. Ich hoffe, es mir zu erhalten. Wenn ich über die Beziehungen zwischen uns vieren, die mein Leben so aufhellen und ihm soviel neuen Inhalt und Genuß gegeben haben, nachdachte, hielt ich es allerdings in einer spätem Zeit für möglich, daß du und deine hübsche Kusine hier – sei nicht verlegen, Ada, sei nicht verlegen, liebes Kind – Lust bekommen könntet, miteinander durchs Leben zu gehen. Ich sah und sehe heute noch manchen andern Grund, der das wünschenswert erscheinen läßt, aber ich dachte dabei an eine spätere Zukunft, Rick, an eine spätere Zukunft.«
»Auch wir denken an eine spätere Zukunft«, entgegnete Richard.
»Gut. Das ist recht und vernünftig. Aber jetzt hört mich an, liebe Kinder. Ich könnte euch sagen, daß ihr euch selbst noch nicht genau kennt, daß tausend Dinge geschehen können, euch einander zu entfremden, daß es gut ist, daß die Blumenkette, die ihr euch angelegt habt, so leicht zu lösen ist, da sie sonst vielleicht zu einer Kette von Blei werden könnte. Aber das alles will ich euch nicht vorhalten. Solche Weisheit kommt früh genug, wenn sie überhaupt kommt. Ich will annehmen, daß ihr Jahre später einander noch im Herzen dasselbe sein werdet, was ihr euch heute seid. Alles, was ich euch jetzt sagen will, ist, schämt euch nicht, wenn ihr andern Sinnes werden solltet, wenn ihr entdeckt, daß ihr in reiferem Alter mehr in dem Verhältnis gewöhnlicher Verwandter zueinander steht als jetzt in euren blutjungen Jahren – du entschuldigst schon, Rick –, schämt euch nicht, es mir anzuvertrauen, denn es ist nichts Ungeheuerliches oder Ungewöhnliches daran. Ich bin nur euer Freund und entfernter Verwandter. Ich habe keinerlei Macht über euch. Aber ich wünsche und hoffe, mir euer Vertrauen zu erhalten, wenn ich nichts tue, um es mir zu verscherzen.«
»Ich bin überzeugt, lieber Vetter«, entgegnete Richard, »daß ich auch zugleich für Ada spreche, wenn ich sage, daß du die größte Macht über uns hast, die es gibt, nämlich die, die aus Verehrung, Dankbarkeit und Liebe entspringt und jeden Tag stärker wird.«
»Lieber Vetter John«, fiel Ada ein, an Mr. Jarndyces Schulter gelehnt, »meines Vaters Stelle kann nie wieder leer werden. Alle die Liebe und der Gehorsam, den ich jemals hätte geben können, gelten jetzt dir.«
»Also kommt«, sagte Mr. Jarndyce. »Was ist nun unser erster Schritt? Schauen wir um uns und blicken wir hoffnungsfroh in die Ferne! Rick, die Welt liegt vor dir, und es ist höchst wahrscheinlich, daß sie dich so aufnehmen wird wie du sie. Verlaß dich auf niemanden als auf die Vorsehung und deine eigne Kraft. Trenne nie diese beiden wie der heidnische Wagenlenker in der Geschichte. Beständigkeit in der Liebe ist eine gute Sache, aber sie wiegt nichts ohne Beständigkeit in allen andern Dingen. Wenn du die Fähigkeiten aller toten und lebendigen großen Männer hättest, so könntest du nichts vollbringen, ohne es aufrichtig zu meinen und mit ganzem Herzen zu tun. Wenn du glauben solltest, daß in großen oder kleinen Dingen irgendein Erfolg dem Geschick durch ruckweise oder spontane Versuche abgerungen werden könnte oder je abgerungen wurde, so gib diese Ansicht auf oder laß deine Kusine Ada lieber da.«
»Da lasse ich lieber die Ansicht hier«, gab Richard lächelnd zur Antwort, »wenn ich sie mit hergebracht haben sollte – was ich nicht hoffe –, und will mir meinen Weg zu meiner Kusine Ada in eine hoffnungsreiche Zukunft bahnen.«
»Recht so«, sagte Mr. Jarndyce. »Wenn du sie nicht glücklich machen kannst, warum solltest du nach ihr streben.«
»Ich möchte sie nicht unglücklich machen, selbst nicht, wenn es mich ihre Liebe kosten sollte«, gab Richard stolz zur Antwort.
»Gut gesprochen. So ist's recht. Sie bleibt bei mir in ihrem Heim. Habe sie lieb, Rick, in deinem Berufsleben nicht weniger als hier in ihrem Hause, wenn du uns besuchen kommst, und alles wird gut gehen. Damit endigt meine Predigt. Vielleicht möchtest du mit Ada jetzt ein bißchen spazieren gehen?«
Ada umarmte Mr. Jarndyce zärtlich, und Richard schüttelte ihm herzlich die Hand. Und dann verließen sie beide das Zimmer, sahen sich aber gleich wieder um, um mir zuzurufen, daß sie auf mich warten wollten.
Die Tür stand offen, und wir blickten ihnen nach, wie sie durch das anstoßende, von der Sonne beschienene Zimmer und zur andern Tür hinausgingen. Richard, das Haupt geneigt und Adas Arm in seinem, sprach sehr angelegentlich mit ihr, und sie blickte zu ihm empor und hörte zu und schien für nichts sonst Augen zu haben.
So jung, so schön, so hoffnungsfreudig gingen sie leichten Schrittes dahin durch die Sonnenstreifen, wie ihre eignen glücklichen Gedanken jetzt vielleicht über die Jahre der Zukunft hinschweiften und sie zu Jahren der Freude machten. Dann traten sie in den Schatten und verschwanden. Nur wenige Augenblicke war das Licht so strahlend durchgebrochen. Das Zimmer wurde dunkler, als sie hinausgingen, und die Sonne versteckte sich wieder hinter den Wolken.
»Habe ich recht, Esther?« fragte mein Vormund, als sie fort waren.
– Er, der so gut und weise war, fragte mich, ob er recht habe. –
»Rick erwirbt sich vielleicht dadurch die Eigenschaft, die ihm zu den vielen guten, die er schon hat, noch fehlt«, sagte Mr. Jarndyce und wiegte nachdenklich den Kopf. »Ich habe Ada nichts gesagt, Esther. Hat sie doch ihre Freundin und Beraterin stets bei sich.« Und er legte die Hand liebevoll auf mein Haupt. Ich konnte meine Rührung nicht verbergen, obgleich ich mein möglichstes tat.
»Still, still!« sagte er. »Aber wir müssen auch Sorge tragen, daß das Leben unsres kleinen Mütterchens nicht ganz allein von der Sorge um andre ausgefüllt wird.«
»Sorge? Aber lieber Vormund, ich glaube, ich bin das glücklichste Geschöpf unter der Sonne.«
»Ich glaube das auch«, sagte er, »aber jemand findet vielleicht, was Esther niemals tun wird, daß man an das kleine Mütterchen vor allen andern Menschen denken muß.«
Ich habe früher zu erwähnen vergessen, daß noch jemand bei dem Familiendiner zu Gaste war. Es war keine Dame. Es war ein Herr. Ein Herr von dunkelm Teint und schwarzem Haar – ein junger Chirurg. Er war ein wenig reserviert, schien mir aber ein sehr gescheiter und angenehmer Mensch zu sein. Wenigstens fragte mich Ada, ob ich nicht dieser Meinung sei, und ich bejahte.
14. Kapitel
Anstand
Richard verließ uns schon am nächsten Abend, um seine neue Lebenslaufbahn anzutreten, und empfahl Ada vertrauensvoll meiner Obhut. Es rührte mich damals und rührt mich noch jetzt, wenn ich zurückdenke, wie sie selbst in jener ihr gesamtes Denken in Anspruch nehmenden Zeit meiner gedachten. Ich spielte eine Rolle in allen ihren Plänen für Gegenwart und Zukunft. Ich sollte Richard jede Woche getreulich über Ada berichten, die ihm jeden zweiten Tag zu schreiben versprach. Er wollte mich von allen seinen Erfolgen und Studien eigenhändig unterrichten; ich sollte sehen, wie entschlossen und ausdauernd er sei, sollte Adas Brautjungfer sein, wenn sie heirateten, später bei ihnen wohnen, alle Schlüssel im Hause bekommen, und sie wollten mich ganz und gar und auf ewig glücklich machen.
»Und wenn wir durch den Prozeß reich werden sollten, Esther, was doch sein kann...« fing Richard an, um seinen Luftschlössern die Krone aufzusetzen.
Ein Schatten flog über Adas Gesicht.
»Liebste Ada«, unterbrach sich Richard, »warum nicht?«
»Es wäre besser, der Prozeß erklärte uns gleich für arm«, meinte Ada.
»Oh, das weiß ich nun gerade nicht«, entgegnete Richard. »Aber jedenfalls wird er nichts gleich erklären. Er hat, Gott weiß, seit wieviel Jahren, überhaupt nichts erklärt.«
»Nur zu wahr«, sagte Ada.
»Ja, aber«, wendete Richard ein und sah ihr mehr in die Augen, als er auf ihre Worte hörte, »je länger er dauert, liebe Kusine, desto näher muß er seinem Ende sein. Ist das nicht ganz vernünftig?«
»Du mußt das am besten wissen, Richard. Aber ich fürchte, wenn wir auf den Prozeß bauen, macht er uns unglücklich.«
»Aber liebe Ada, wir bauen doch gar nicht darauf!« rief Richard fröhlich. »Wir sagen nur, wenn er uns reich machen sollte, haben wir nichts dagegen. Das Gericht ist durch feierlichen Richterspruch unser gestrenger alter Vormund, und wir müssen denken, daß das, was er uns zuspricht – wenn er uns überhaupt etwas zuspricht –, eigentlich unser gutes Recht ist. Wir haben nicht nötig, uns mit unserm Recht herumzuzanken.«
»Nein, aber es ist vielleicht besser, wir vergessen die Sache ganz und gar.«
»Also gut! Dann wollen wir sie ganz und gar vergessen. Begraben wir die ganze Geschichte. Mütterchen macht ein billigendes Gesicht dazu, und die Sache ist abgetan.«
»Mütterchens billigendes Gesicht«, sagte ich und blickte aus dem Koffer auf, in den ich seine Bücher einpackte, »war gar nicht sichtbar; aber sie billigt es und meint, es sei wirklich das beste so.«
»Also, die Sache ist abgemacht«, sagte Richard, begann aber sofort wieder auf ganz demselben Thema soviel Luftschlösser zu bauen, daß man die chinesische Mauer damit hätte besetzen können. Er schied von uns in zuversichtlicher Stimmung. Ada und ich, darauf gefaßt, ihn sehr zu vermissen, lenkten damit in eine wesentlich ruhigere Lebenslaufbahn ein.
Bei unsrer Ankunft in London hatten wir mit Mr. Jarndyce Mrs. Jellyby aufgesucht, sie aber nicht zu Hause getroffen. Sie war ausgegangen, zu einem Tee, und hatte Miß Jellyby mitgenommen. Es sollten dort verschiedne Reden gehalten und viele Briefe geschrieben werden über die Hauptvorzüge der Kaffeestrauchkultur für die Eingebornen in den Ansiedlungen von Borriobula-Gha.
Das bedeutete zweifellos einen Aufwand von Tinte und Federn, der den Freudenanteil ihrer Tochter an dem Feste zu nichts weniger als einem Feiertag machen mußte.
Da jetzt die Zeit gekommen war, wo Mrs. Jellyby zurückkommen sollte, hofften wir sie dies Mal zu treffen. Sie war jedoch wieder nicht zu Hause, da sie unmittelbar nach dem Frühstück in irgendwelchen Borriobula-Geschäften in eine Gesellschaft, genannt Zweighilfssubkomitee, London-Ost, nach Mile-End hatte gehen müssen. Da ich bei unserm ersten Besuch Peepy nicht gesehen hatte – er war nirgends zu finden gewesen, und die Köchin meinte, er sei wahrscheinlich mit dem Kehrichtmann fortgelaufen –, fragte ich jetzt wieder nach ihm. Die Austernschalen, mit denen er ein Haus gebaut hatte, lagen noch im Hausflur, aber er selbst war nirgends zu entdecken, und die Köchin meinte, er sei wahrscheinlich – »den Schafen nachgelaufen«. Als wir erstaunt fragten: »Den Schafen?« sagte sie: »O ja. Am Markttag läuft er ihnen manchmal bis vor die Stadt hinaus nach und kommt dann in einem schrecklichen Zustande wieder nach Hause.«
Ich saß am nächsten Morgen mit meinem Vormund am Fenster, und Ada schrieb eifrig – natürlich an Richard –, als Miß Jellyby angemeldet wurde und mit Peepy eintrat, den sie sich einigermaßen präsentabel zu machen bemüht hatte, indem sie ihm den Schmutz in die Winkel seines Gesichts und seiner Hände gewischt und das Haar begossen und mit den Fingern heftig frisiert hatte.
Alles, was das arme Kind an sich trug, war ihm entweder zu groß oder zu klein. Unter andern widerspruchsvollen Ornamenten hatte er einen Bischofshut und Baby-Fäustlinge an. Die Stiefel waren kleinere Ausgaben von Ackerknechtstiefeln, während seine Beine, so der Kreuz und Quer mit Schrammen und Kratzwunden bedeckt, daß sie wie Landkarten aussahen, unterhalb seiner sehr kurzen Plaidhose, die man mit einer Spitzenkante von ganz verschiednem Muster an jedem Bein besetzt hatte, vom Knie abwärts bloß waren. Die fehlenden Knöpfe an seinem Plaidfrack stammten offenbar von Mr. Jellybys Gehrock, denn sie waren aus Messing und viel zu groß. An verschiednen Stellen seiner Kleidung, wo sie hastig befestigt worden, offenbarten sich ganz merkwürdige Entartungen der Nähkunst, und dieselbe kundige Hand verriet sich an Miß Jellybys Kleidung. Ihre Erscheinung machte übrigens einen weitaus bessern Eindruck als früher, und sie sah wirklich sehr hübsch aus.
Sie fühlte offenbar recht gut, daß der arme kleine Peepy trotz all ihrer Bemühungen doch mißlungen war, und verriet dies durch den verzweifelten Blick, den sie beim Eintritt ins Zimmer zuerst ihm und dann uns zuwarf.
»O mein Gott«, brummte mein Vormund. »Scharfer Ost.«
Ada und ich hießen sie herzlich willkommen und stellten sie Mr. Jarndyce vor. Sie nahm Platz und sagte:
»Mama läßt sich bestens empfehlen und bittet, sie zu entschuldigen, da sie die Korrektur zu den Plänen lesen muß. Sie ist im Begriff, fünftausend neue Zirkulare zu versenden, und weiß, daß Sie das interessieren wird. Ich habe eins mitgebracht. Mama läßt sich empfehlen.«
Damit reichte sie ihm das Papier mit mürrischer Miene hin.
»Danke schön«, sagte mein Vormund. »Ich bin Mrs. Jellyby sehr verbunden. O Gott! Ist heute aber Ostwind!«
Wir machten uns mit Peepy zu schaffen, nahmen ihm seinen Geistlichenhut ab, fragten ihn, ob er uns noch kenne, und anderes mehr. Anfangs flüchtete er sich hinter seinen Ellbogen, ließ sich aber durch den Anblick von Baumkuchen erweichen und erlaubte mir, ihn auf den Schoß zu nehmen, wo er dann friedlich kauend sitzen blieb. Mr. Jarndyce hatte sich in das Ersatzbrummstübchen zurückgezogen, und so konnte Miß Jellyby die Unterhaltung mit ihrer gewohnten Schroffheit eröffnen.
»Es geht so schlecht wie je in Thavies Inn. Ich kann in meinem Leben nicht zur Ruhe kommen. Immer und immer Afrika! Es könnte mir nicht schlimmer gehen, wenn ich selber so ein Dingsda wäre – ein 'Mensch und ein Bruder'.«
Ich suchte nach Worten, um ihr etwas Tröstliches zu sagen.
»Ach, das hilft gar nichts, Miß Summerson! Obgleich ich Ihnen für Ihre freundliche Absicht dankbar bin. Ich weiß ganz gut, wie ich behandelt werde, und lasse mir das nicht ausreden. Sie ließen sich's auch nicht ausreden, wenn Sie an meiner Stelle wären. Peepy, geh und spiel wildes Tier unter dem Piano.«
»Ich will nicht«, sagte Peepy.
»O du undankbarer, nichtsnutziger, hartherziger Junge!« rief Miß Jellyby mit Tränen in den Augen. »Nie wieder werde ich mir soviel Mühe geben, dich anzuziehen.«
»Ja, ja, ich will gehen, Caddy!« rief Peepy, der ein herzensgutes Kind war und den jetzt der Kummer seiner Schwester so rührte, daß er auf der Stelle folgte.
»Es ist kein Grund zu weinen«, entschuldigte sich die arme Miß Jellyby, »aber ich bin ganz abgerackert. Ich habe bis heute früh zwei Uhr Adressen für die neuen Zirkulare geschrieben. Ich hasse die ganze Geschichte so, daß mir schon beim Gedanken daran der Kopf weh tut, bis ich nicht mehr aus den Augen schauen kann. Und sehen Sie nur das arme Kind an! Haben Sie schon jemals eine solche Vogelscheuche gesehen?«
Glücklicherweise sich der Mängel seiner äußern Erscheinung nicht bewußt, saß Peepy auf dem Teppich und sah aus seiner Höhle hinter einem Pianobein friedlich hervor und aß seinen Kuchen.
»Ich habe ihn in die andre Ecke des Zimmers geschickt«, erklärte Miß Jellyby und rückte ihren Stuhl näher an uns heran, »damit er nicht hört, was wir miteinander sprechen. Diese Knirpse sind so gescheit. Ich wollte vorhin sagen, es geht wirklich bei uns schlimmer zu als je. Papa wird demnächst bankrott sein, und dann, hoffe ich, ist Mama zufrieden. Und wem werden wir es zu danken haben? Ma!«
Wir sagten, wir hofften, Mr. Jellybys Verhältnisse würden sich gewiß nicht so verschlimmert haben.
»Das ist alles sehr freundlich von Ihnen, aber hoffen nützt nichts«, entgegnete Miß Jellyby und schüttelte den Kopf. »Pa sagte mir erst gestern morgen – und er ist schrecklich unglücklich – daß er den Sturm diesmal nicht überstehen könnte. Es würde mich auch wirklich wunder nehmen. Wenn uns die Lieferanten all ihren Mist ins Haus schicken und das Gesinde macht, was es will, und ich keine Zeit habe, es besser einzurichten, selbst wenn ich es verstünde, und Ma sich um gar nichts kümmert, so möchte ich wissen, wie Pa den Sturm diesmal aushalten sollte. Ich erkläre, wenn ich Pa wäre, ich liefe davon.«
»Liebes Kind«, sagte ich lächelnd, »Ihr Papa denkt jedenfalls an seine Familie.«
»Ja, natürlich. Familie ist wunderschön, Miß Summerson, aber welche Bequemlichkeit bietet ihm seine Familie? Seine Familie besteht aus Rechnungen, Schmutz, Verschwendung, Lärm, Treppenhinunterfallen, Durcheinander und Herabgekommenheit. Seine kopfüber treibende Häuslichkeit ist von Samstag zu Samstag ein einziger großer Waschtag, nur wird dabei nichts gewaschen.«
Sie stampfte mit dem Fuß auf den Boden und wischte sich die Augen.