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Kitabı oku: «Tokeah», sayfa 31

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»Major Warden!« riefen die fünf Briten. »Was ist das?«

»Aufs Haupt geschlagen, Sir Edward, alle Generale, beinahe alle Oberoffiziere tot oder tödlich verwundet; zweitausend geblieben, der Rest in vollem Rückzuge«, sprach der kriegsgefangene, verwundete Major leise.

»Da gibt es Avancements«, tröstete sie Leutnant Devon.

Der amerikanische Leutnant warf dem Briten einen Blick der tiefsten Verachtung zu und fiel dann schweigend seiner harrenden Mutter und seinen Schwestern in die Arme.

»Ich bringe die Siegesbotschaft,« rief er der versammelten Menge zu, »die gerechte Sache hat triumphiert.«

Ein schönes, mit allen Kriegsbedürfnissen reichlich ausgerüstetes, von Siegen trunkenes Heer geübter Veteranen, die im zehnjährigen Kampfe mit den tapfersten Truppen der alten Welt den Sieg an ihre Fahnen gefesselt hatten, war von kaum der Hälfte freier Männer so völlig aufs Haupt geschlagen worden, daß es selbst das Feld zu halten nicht mehr imstande war. Nie war toller Übermut schärfer bestraft worden, als durch diesen letzten Schlag, der den stolzen Feind zu einer Zeit traf, wo er bereits den Frieden zu unterzeichnen für gut befunden hatte.

Kein Jubel, kein Frohlocken war jedoch unter der versammelten, größtenteils aus Frauen und Kindern bestehenden Menge zu hören. Als aber der Leutnant mit seinen Gefährten die Nachricht umständlicher vorgetragen hatte, gingen alle schweigend, ohne vorherige Abrede getroffen zu haben, dem Tempel des Höchsten zu, um ihm ihren Dank für einen Sieg darzubringen, der um so herrlicher war, als er dem Lande nur wenige Opfer kostete.

Siebenunddreißigstes Kapitel

Getrieben durch das große Gebot des Geistes seines Vaters, ergriff der alte Häuptling Tokeah die erste Gelegenheit, seinen vermeintlichen Feinden zu entgehen, die, obwohl sie großmütig für seinen Unterhalt gesorgt, doch in seiner Meinung wieder keine Gelegenheit versäumt hatten, ihm alle die Kränkungen zuzufügen, die ihr Übermut nur ersinnen konnte, und die seine unglückselige Konsequenz einem ebenso planmäßig feindseligen Systeme ihrerseits zuschrieb, als er selbst sein ganzes Leben hindurch beobachtet hatte. Noch immer sah er die Amerikaner durch das trüb gehässige Medium seiner eigenen Phantasie, und diese Blindheit ließ ihm in allen den zufälligen Äußerungen der Weißen, in ihren geringfügigsten Handlungen, die ebenso nur auf einen Punkt berechnete Handlungsweise sehen, welche er sich in seinem Leben zum Leitstern genommen hatte; ein Wahn, der bei seiner abgeschiedenen Lebensweise und verschlossenen Gemütsart wohl verzeihlich, aber auch notwendig eine nie versiegende Quelle immerwährender Kränkungen und Feindseligkeiten werden mußte. Hatte nun auch seinem finstern Stolze die Aufmerksamkeit wohl getan, die ihm vor seinem Sohne von den Weißen widerfuhr, so war ihm hinwiederum die Geringschätzung, mit der er behandelt wurde, wie ein nagender Wurm an seiner Seele gehangen. Schon der Befehl, auf den großen Krieger der Weißen, der sein Volk beinahe vertilgt hatte, zu harren, war ihm fürchterlich gewesen. Es waren viele gekommen, ihn zu sehen, wie man allenfalls ein reißendes Tier, das endlich eingefangen ist, sieht, und die Art, wie er sich bei diesen Besuchen benahm, zeigte wirklich wenig Unterschied zwischen einem eingesperrten Raubtier und dem Könige der Oconees.

Die Tradition seiner Stammesgenossen nun hat uns seinen geheimnisvollen Zug vom Bayou umständlich aufbewahrt, und indem wir ihr getreu folgen, versetzen wir uns an seine Seite in die Urwälder des heutigen Staates Mississippi, oberhalb Natchez, an welcher Stadt ihn sein Weg vorbeigeführt hatte.

*

Acht Tage waren seit seinem Verschwinden von dem Bayou verflossen, aber noch hatte er mit den Seinigen kein Wort gesprochen. Tag für Tag war er vorwärts geeilt, rastlos und nimmer ruhend, verschlossen, finster und brütend, seine Begleiter ihm folgend, wie Hunde ihren Herren, ohne einen Laut von sich zu geben. – Das Wild des Waldes hatte ihnen zur Nahrung gedient, die gefrorne Erde zur Lagerstätte, ihre Wolldecken zu Betten. Sie hatten sorgfältig die Wohnungen der Weißen vermieden und waren ohne Hindernisse am vierzehnten Tage nach ihrem Aufbruche im Angesichte eines jener ungeheueren Fichtenwälder angelangt, die sich von der südlichsten Kette der Appalachen hinüberstrecken gegen den Staat Mississippi. Je näher der Häuptling diesen Wäldern kam, desto freier, sagt die Tradition, wurde seine Seele, desto heiterer sein Auge, desto zuversichtlicher seine Miene. Ein Gefühl von Wehmut und Freude, von bangem Schmerze und froher Sehnsucht trieb ihn vorwärts zum Lande seiner Kindheit, seiner Mannbarkeit, dem er den Rücken zu wenden gezwungen worden war, das ihn verstoßen hatte. Und, als er in der Nähe des Flusses ankam, an dessen jenseitigem Ufer die Fichtenwälder seiner Heimat emporstarrten, da wurde seine Seele groß, und die ganze Kraft der vorigen Tage lebte in ihm wieder auf, und er hob schweigend seine Arme und deutete hinüber – und leise und feierlich schritt er über die leichte Eisdecke des Flusses. – Und als er am jenseitigen Ufer angelangt war, warf er sich zur Erde und blieb eine lange Weile regungs- und bewegungslos liegen. Der Wind hob seine grauen Haare, daß sie emporstanden, wie das vom Froste versengte Gras, der kalte, rauhe Nordwind war ihm das Säuseln der Geister seiner Väter, das zu ihm sprach, dessen Stimme er verstand, und dem er wieder Antwort gab. Ringend mit sich selbst und seinem Jammer, stöhnte er und brach endlich in die Worte aus:

»Erde! die du gesehen hast den Sohn von ihm, der dem Sohne des großen Sheyah Leben gab – Tokeah grüßt dich! Als Herr deiner endlosen Wälder war er geboren, zum Miko eines großen Volkes war er gewählt. – Ein Flüchtling, steht er nun auf deiner Grenze, ein Auswürfling, ein Fremdling dir und den Gräbern seiner Väter. Großer Geist! Warum hast du dies getan? Zahllose Sonnen hindurch hat der Miko mit den Seinigen an den Ufern seines Flusses gejagt, ein mächtiges Volk hat er beherrscht, warum mußte Tokeah in die weite Nacht der Wildnis? Warum mußte er dem Lande seiner Väter den Rücken kehren? Warum muß er und das Andenken von ihm verschwinden von deiner Erde? Sprich, großer Geist! Gib Tokeah ein Zeichen, daß er deinen Willen erkenne!«

Der flehende Greis sah auf das weite Himmelszelt mit sehnsüchtigem Blicke. – Es war mit Wolken überzogen, der Nordwind heulte durch den Wald. – Sein Angesicht wurde düster und verzagt. – Wieder sank er zur Erde. Ein kalter Fieberfrost rüttelte ihn.

»Großer Geist! vergib«, murmelte er. »Deine Stirn ist umwölkt, und dein Auge sieht düster auf Tokeah, weil er wie ein zagendes Kind redet.«

Er erhob sich nun, und indem er seine Gefährten zu sich winkte, dankte er zuerst dem Cumancheehäuptling für seine getreue Liebe und eröffnete ihnen dann die Ursache seines tausend Meilen langen Zuges in folgenden Worten:

»Sieben Sommer sind verflossen, seit der Miko der Oconees dem Land seinen Rücken gewendet, wo seine Voreltern ihre Wigwams hatten. Zweimal seit dieser Zeit hat er den endlosen Fluß übersetzt, allein und von keinem Auge gesehen, um an den Gräbern seiner Väter zu liegen. Gleich dem reißenden Panther ward er gejagt, gleich dem hungrigen Wolfe ward ihm von den Weißen auf seiner Fährte nachgesetzt; es ist nun zum letzten Male, daß sein Fuß auf dem Lande steht, wo seine Väter gelebt haben. In der zweiten Nacht nach der, die ihm alles geraubt hatte, das seinem Auge teuer war, als sein Haupt schlaflos und verzweifelnd nicht ruhen, seine Augen sich nicht schließen konnten, in derselben Nacht erschien ihm der Geist seines Vaters, der in den grünen Wiesen wohnt. Tokeah war bange in seinem Herzen, und dem Geiste seines Vaters war auch bang. ›Geh!‹ so sprach er – ›geh! zu meinem Grabe und sammle die Gebeine desjenigen, der dir Leben gegeben hat, und derjenigen, die dich gesäugt hat; nimm sie aus ihrer düstern Wohnung und von der entheiligten Erde derer, die sie verachten! Laß sie in demselben Grunde ruhen, wo mein Sohn und sein Volk ruhen werden, und begrabe sie unter den Gebeinen der roten Männer. Fürchte dich nicht, sie aus ihrem Grabe zu nehmen! Der Fluch wird dich nicht treffen.‹ Tokeah erhob sich von seinem Lager,« fuhr der Greis fort, »als der Geist ihm so flüsterte; seine Seele war traurig. Wieder legte er sich auf das Lager. ›Die Hufe des Rosses, der Pflug der Weißen‹, sprach wieder der Geist seines Vaters, ›sind über den Todeshügel gegangen, wo der Vater Tokeahs begraben liegt, eine kurze Zeit und seine Gebeine werden zerstreut sein über die Erde und von den Winden weggeführt werden.‹« – »El Sol!« sprach der Greis, nun zu seinem Sohne gewendet, »Tokeah muß tun, was ihn der Geist seines Vaters geheißen hat. Er muß die Gebeine seines Vaters nehmen, daß sie friedlich ruhen mögen. Er muß den Häuptling der Cumanchees während drei Sonnen verlassen und in das Tal gehen, wo sein Vater begraben liegt.« —

Der junge Mexikaner horchte aufmerksam auf die Worte des alten Mannes.

»Hat der Geist des Vaters dem Miko zugeflüstert?« fragte er mit starker, dumpfer Stimme.

»Zweimal hat er deutlich gesprochen.«

»Dann muß er seiner Stimme gehorchen. Groß ist«, sprach er, und ein unwillkürlicher Schauder durchzuckte ihn – »groß und schrecklich ist der Fluch, der jene trifft, die die Gebeine aus ihrer Ruhe reißen. – Ihr Volk wendet sich schaudernd, und ihre Namen sind verflucht von Geschlecht zu Geschlecht; aber wenn der Vater gesprochen hat, dann muß der Sohn gehorchen. El Sol will mit seinem Vater gehen.«

»El Sol«, erwiderte der Greis kopfschüttelnd, »ist der Sohn des Miko und seinem Herzen sehr teuer, er hat das Blut Tokeahs in seinen Armen gehabt; aber sein Auge darf den entheiligten Hügel nicht sehen, unter dem sein Vater begraben ist.«

»El Sol wird nicht auf die Schande seines Vaters schauen; aber er wird dem Miko folgen und will fern von dem Grabhügel Sheyabs warten, bis der Miko zurückkommt.« Der alte Mann gab schweigend seine Einwilligung, und der kleine Zug bewegte sich gegen Osten. Mit dem Anbruch des zweiten Tages befanden sie sich am Fuße eines Berges, hinter welchem die Flächen Georgiens sich unabsehbar gegen das Atlantische Meer hinabdehnen. Der alte Mann hatte im feierlichen Ernst den Berg erstiegen. »Sieht mein Sohn«, sprach er, als sie auf dem Gipfel angekommen waren, von dem sie eine ferne Aussicht auf die waldbekränzten, nur hie und da durch Reif versilberten Hügel hatten – »sieht mein Sohn jene hohen Hügel, die sich in einer Kette hinabwinden, und deren Füße sich immerdar in dem glänzenden Strome waschen? Sie sind noch in Nebel gekleidet; hinter diesen ist das Tal, wo die Gebeine des Vaters Tokeahs ruhen.« —

»Mein Vater mag dann gehen«, sprach El Sol.

»Nein, mein Sohn«, versetzte der alte Mann. »Als der Leib des Vaters Tokeahs tief gelegt ward, da sprach der große Prophet seines Volkes den Fluch über denjenigen aus, der seine Gebeine an das glänzende Licht der Sonne bringen und vor Scham erbleichen machen würde. Das Licht des Himmels darf sie nie wieder sehen; der finstern Nacht wurden sie übergeben, in der finstern Nacht müssen sie aus ihrem Dunkel gehoben werden. Tokeah will warten, bis die glänzende Kugel hinter der Welt ist.«

Er sprach nun mit den Oconees, und diese entfernten sich, kamen aber nach einer Weile zurück, mit Rinde beladen. Sie setzten sich mit dem alten Manne nieder und fingen an, diese in die Form eines kleinen Sarges zusammenzunähen, dessen Innen- und Außenseiten sie mit den Fellen von Hirschen bekleideten, die sie den Tag zuvor erlegt hatten. Ein Strahl von Zufriedenheit überzog das erstorbene Gesicht des Greises, als er den Sarg beendigt sah. Er heftete an die beiden Enden einen breiten Riemen.

»In der Rinde deiner Geburtswälder und im Gewande derselben Hirsche, die du gejagt hast, sollst du ruhen, Gebein meines Vaters«, sprach er.

Und dann legte er sich zur Ruhe. Als die Nacht herangebrochen war, stand er auf, nahm den Sarg an seine Brust, und winkte den beiden Oconees, ihm zu folgen.

Es war Mitternacht, als die drei Indianer im Tale ankamen. Der volle Mond war bisher durch einen lichten Saum leichter silberner Wolken geflogen und sank nun in eine bleifarbige, graue Schneewolke. Die Indianer bewegten sich im tiefsten Stillschweigen, längs den Ufern des Stromes, unter den blätterlosen Walnußbäumen fort. Ein leichter Schauder überfiel den armen Mann, als er sich durch die wohlbekannten Wälder seines Geburtslandes stahl; er blickte auf, starr und scheu und furchtsam, als umschwebten ihn die Geister seiner Väter. Er horchte, als hörte er ihre Stimme. Je weiter er in das Tal eindrang, desto beflügelter wurden seine Schritte. Ein entfernter Laut schlug an seine Ohren. – Es war Hundegebell. »Geist meines Vaters,« stöhnte er, »die Weißen sind deinem Grabe nahe.« – Er rannte nun, er flog dem Grabeshügel zu. Die rohe Einzäunung eines Welschkornfeldes umgab die Stätte – die liebliche Nacht der Wildnis war verschwunden, – Stengel von Welschkorn und Hülsen mit Stöcken lagen auf dem Boden zerstreut umher. Die Bäume standen blätterlos und abgestorben; ihre zum Teil rindelosen weißen Stämme starrten wie in Grabtücher gehüllte Riesen in das zuckende Antlitz des Wilden. »Geist meines Vaters!« rief er; »Geist meines Vaters!« jammerte er in unsäglichem Schmerze. »Wo sind die Gebeine, die deine Stärke ausmachten, und von denen die Gebeine Tokeahs sind?« Das Erdreich rings um die Bäume, deren kahle, im blassen Mondlichte zum Himmel emporstrebende Äste die Verwüstung anzuklagen schienen, war durch den Pflug aufgerissen. Der Greis fiel bewußtlos zur Erde. Seine Gefährten sprangen herbei, ihn aufzurichten. »Hinweg! weg«, murmelte er mit dumpfer Stimme. – »Hinweg von dem Grunde, wo ein mächtiger Miko begraben liegt! Tokeah will seine Gebeine allein ausgraben.«

Und mit seinen Händen grub er nun den halb gefrornen Boden auf. Der Kiesel schnitt in seine erstarrten Palmen, das Blut floß von Fingern und aus den Nägeln, die Haut fiel in Fetzen von seinen Händen; aber seine Eile, als befürchtete er, jemand würde ihn seines Schatzes berauben, nahm mit seinen Wunden zu, und er bohrte, bis er die ganze Masse Erde aufgeworfen und die Überbleibsel seines Vaters gesammelt hatte. Das erste und einzige Mal in seinem Leben schluchzte er laut und vergoß heiße Tränen. Dann rannte er zum Grabe seiner Mutter. Der Pflug war hier tiefer eingedrungen. Nur wenige Zoll Erde bedeckten noch ihre Gebeine. Mit unsäglichem Schmerze legte er diese zu denen seines Vaters. Der Mond goß sein volles Licht auf den Wilden, als er auf der gefrornen Erde vor dem Sarge lag.

»Geist meines Vaters!« stöhnte er, »du hast wahr gesprochen. Die Hufe der Tiere der Weißen sind über deinen Grabhügel gegangen. Sie haben ihn flach getreten. Sieh herab von deiner Wohnung. Der Sohn hat getan, was du ihm geboten hast. Er wird deine Überreste nun dahin nehmen, wo keine freche, grabschänderische Hand sie stören, wo seine eigenen Gebeine ruhen sollen. Er will sie unter seinem Volke begraben. Geist meines Vaters! bitte den großen Geist, daß er auf seine Kinder mit mildem Antlitz sehe, daß du einst wieder ihrer Taten dich freuen mögest. Dein Sohn ist gleich einer vermoderten Eiche. Viele Stürme haben seine Kraft gebrochen, seine Äste sind zerschellt, sein Geist seufzt. – Geist meines Vaters! Wenn du das Antlitz des großen Geistes siehst, bitte ihn für deinen Sohn, seine Kinder!«

Das Hundegebell ließ sich abermals hören.

»Ich höre die Stimme des Vorläufers der Feinde meines Geschlechtes. Lebe wohl, Vater – Mutterland! Lebt wohl, ihr Bäume, in deren Schatten Tokeah so oft sich gekühlt hat, während des heißen Sommers, – wo er geruht hat nach der langen Jagd. – Lebe wohl, Strom! wo er seine Glieder so oft erfrischt, wo er das Ruder zuerst gehoben. – Lebt wohl, ihr Hügel, auf welchen sein Vater zuerst seine schwachen Arme gelehrt hat, den Bogen zu spannen!«

Der Mond goß seine Silberstrahlen wieder hinter dem zarten Flaume von Wolken hervor. Das Gebelle ward zum dritten Male gehört. —

»Großer Geist!« bat er, »du hast mit hellen Augen auf die Taten des Kindes gesehen. Öffne die Ohren seiner Brüder, auf daß sie die Worte hören, die er ihnen sagen wird.«

Er stand sodann auf, und nachdem er den Riemen um seinen Hals gelegt, nahm er den Sarg an seine Brust und kehrte zurück zu den Cumanchees. Den beiden Oconees winkte er, und diese entfernten sich in verschiedenen Richtungen.

»Der Geist meines Vaters hat wahr gesprochen«, redete er seinen Sohn an. »Der Pflug ist über den Grabhügel gegangen, der seine Gebeine einschloß. Der Hügel selbst ist zertreten, verschwunden.«

»Tokeah hat wie ein frommer Sohn, wie ein großer Miko getan«, erwiderte der junge Mann. – »Aber die Cumanchees und Pawnees und die Oconees sind verwaist, der Pfad, den Tokeah und El Sol zu gehen haben, ist lange – der weißen Rose wird bange sein.« – Er hielt plötzlich inne..

Der alte Häuptling warf einen forschenden Blick auf ihn und sprach dann: »Die roten Männer wissen, daß Tokeah auf dem Pfade ist, das Gebot des großen Geistes zu erfüllen. – Aber mein Sohn hat etwas auf dem Herzen, er muß seine Zunge lösen.«

El Sol schwieg jedoch, und sie setzten sich zu ihrem Mahle. Als sie dieses eingenommen, traten sie ihren Rückweg an. Es war jedoch nicht derselbe Weg, den sie gekommen waren; ihre gegenwärtige Richtung lag mehr südöstlich. Der junge Häuptling schien ungeduldig zu werden. Schweigend, jedoch mit der den Indianern eigentümlichen Selbstverleugnung, folgte er dem greisen Häuptlinge durch eine Landschaft, die von der, durch welche sie bisher gekommen waren, gänzlich verschieden war. Gewächse, Bäume, das Erdreich, die zerstreuten Pflanzungen, die ihnen aufstießen, selbst die Zäune um die Gärten an den Häusern waren verschieden. Sie bemerkten an diesen Zäunen häufig die Gerippe von Tieren, die dem Mexikaner fremd zu sein schienen; lange, fürchterliche Gerippe mit ungeheuern Rachen und Zähnen, die einen noch immer grinsend anblickten, als wollten sie die Wanderer verschlingen. Sie waren in Alabama, wo die häufigen Aligatoren gewöhnlich von den Pflanzern als eine Art Trophäen an den Zaun aneinander gereiht werden, so wie die Amerikaner sonst die Adler und andere Raubvögel an ihre Scheunen als Warnungszeichen für die Hühnerdiebe heften. Ihre Schritte wurden nun mit jeder Stunde sorgsamer. Sie vermieden nicht nur ängstlich die Wohnungen der Weißen, sondern auch jede zufällige Begegnung derselben; durch die dunkelsten Wälder, die unzugänglichsten Dickichte, die weglosesten Sümpfe ging ihr gefahrvoller Weg schnell und mit einer Sicherheit, die die Gefahr wittert und ihr instinktartig zu entrinnen weiß. Endlich, nach einem Marsche von mehreren Tagen, langten sie in einem weiten, tiefen Tale an, das, von mäßigen Hügeln umschlossen, in der abgeschiedensten Verborgenheit lag. Der alte Mann setzte seinen Sarg auf die Erde, winkte seinem Sohne zu bleiben, und verließ seine beiden Begleiter.

Nach einer Weile wurde ein durchdringend langes Pfeifen gehört, so schneidend, so gellend, daß die Nachteulen zu Hunderten in ein lang schallendes Gelächter ausbrachen – dann erfolgte eine tiefe Stille. Wieder erschallte das Pfeifen, von einem ohr- und herzzerreißenden Tone begleitet, der weder von Tieren noch Menschen herzurühren schien, und wieder erfolgte eine lange Stille. Ein drittes Mal ertönte dieses Pfeifen, schneidender und durchdringender als zuvor, und nun war es, als ob aus der Ferne ein Gezisch und Gemisch von Tönen und Stimmen vernehmbar würde, so klagend, so heulend, wie das Geheul des Wolfes, wenn er in langen, schmerzlichen Todesmartern sich wälzt. Bald darauf erschien der alte Mann und setzte sich schweigend an die Seite seines Sohnes.

Achtunddreißigstes Kapitel

Mit einem Male wurde es hell. Rot und wild flackernde Flammen schlugen durch das Gebüsch und erleuchteten die grausige Waldesnacht. Aus den verschiedenen Zugängen kamen eine Menge Gestalten trottend auf die beiden Häuptlinge zu, neigten ihre Häupter, kreuzten ihre Hände auf der Brust und ließen sich dann, ohne ein Wort zu reden, am Rasen auf die gewöhnliche Art nieder. Ihre Anzahl war bereits auf fünfzig gestiegen; aber sie mehrte sich mit jeder Minute, so daß sie sich endlich auf mehrere Hunderte belaufen mochte. Die meisten der wilden Ankömmlinge waren in ihre Wolldecken gehüllt, unter denen sie das Jagdhemd und den Wampumgürtel mit der Lendenbedeckung trugen. Viele aber hatten bereits Fragmente amerikanischer Kleidung, obwohl in so bunter Mischung, daß sie, bei Tage und in weniger schauerlichen Umgebungen gesehen, leicht Lachen hätten erregen können. So hatten einige Beinkleider, aber weder Schuhe noch Strümpfe. Andere hatten Hüte, auf deren Kronen bleierne Bilder in dem breiten blechernen Bande staken, wieder andere hatten Röcke ohne Beinkleider oder Westen ohne eine andere Bekleidung, das Jagdhemde und die Wolldecke ausgenommen. Nur wenige waren ganz in das amerikanische Kostüm gekleidet. Auch in der Art, wie sie sich den beiden Häuptlingen nahten, war etwas ganz Eigentümliches. Es schien, als ob sie mit Widerwillen herankämen; ihre wilden und durch den unmäßigen Genuß des Feuerwassers halb vertrockneten Gesichtszüge gaben weder Freude noch Teilnahme zu erkennen, eher eine gewisse Scheu, einen unwillkürlichen, halb unterdrückten Schauder. Der alte Mann war gesenkten Hauptes in der Stellung sitzengeblieben, die er eingenommen hatte. Als er endlich seine Augen aufschlug und sein Blick über die versammelte Menge hingleitete, starrten ihn die Wilden mit einem so glotzend gleichgültigen Ausdrucke an, als wären sie mit Entsetzen beim Anblicke ihres frühern Häuptlings erfüllt. Da wurde seine Miene schmerzhaft düster, und ein bitteres, beinahe höhnisches Lächeln verzog seinen Mund. Ein ältlicher, aber ganz nach amerikanischer Weise gekleideter Mann, von einer ins Kupferrot schillernden Gesichtsfarbe, trat keck vor den alten Häuptling, sah ihn eine Weile höhnisch lächelnd an, und seine Kienfackel in die Erde stoßend, setzte er sich unter die Vordersten im Halbkreise. »Joseph, der Oconee«, murmelten alle – und dann erfolgte wieder eine lange Pause.

Die Wilden hatten sämtlich ihre Kienfackeln in die Erde gesteckt, und der Widerschein des rot in ihre grimmigen Gesichter schlagenden Lichtes gab der Versammlung einen Ausdruck, der wild pittoresk gewesen wäre, wenn nicht die übel angebrachten Fragmente amerikanischer Kleidung diesen Eindruck ins Lächerliche verzerrt hätten.

»Sind meine Brüder versammelt, um die Stimme eines zu hören, dessen Auge sie lange nicht mehr gesehen hat?« fragte der Miko.

»Sie sind es,« sprach ein alter Mann, »die Muscogees sind weit gekommen, um die Worte des großen Miko zu hören, und ihre Ohren sind offen, und ihre Arme ausgestreckt.«

»Die Männer der Muscogees haben die Tomahawks begraben«, rief der Häuptling Joseph heftig. – »Sie haben beim großen Geist geschworen«, setzte er mit einer zänkisch gellenden Stimme hinzu.

Es entstand ein Gemurmel, das ebensowohl Beifall als Mißbilligung bedeuten konnte.

»Mein Geruch spürt den Atem eines Verräters, den Sohn eines Weißen und einer betrogenen Squaw, der Tochter eines Häuptlings der Muscogees«, sprach der Miko.

Es erhob sich wieder das Gemurmel des Unwillens.

»Mein Atem«, erwiderte der Halfblood oder Mischling Joseph giftig, »spürt den Atem eines Wolfes, den die Herde der Seinigen vertrieben, weil er sie den Jägern in die Schlingen geführt; Joseph«, setzte er triumphierend hinzu, »ist geboren von dem Blute roter und weißer Eltern. Sein Vater war ein Weißer, seine Mutter war die Tochter der Schwester des Miko Tokeah. Hat er aber, gleich diesem, den roten Männern das lange Messer der Weißen in den Nacken gesetzt? Nein, er hat es abgewehrt von ihrer Brust. Er hat gejagt mit ihnen, er hat den Tomahawk erhoben mit ihnen gegen die Cherokees und die Choctaws der sechs Nationen.« Er hielt inne und sah die Umhersitzenden forschend an.

»Wenn meine Rede meinen Brüdern gefällt, so will ich fortfahren; wenn sie aber ihre Ohren verschließen, so weiß der Häuptling Joseph seine Zunge zu halten.«

Ein alter Wilder unterbrach ihn. »Er hat sich wie der rote Hund in seine Höhle geflüchtet, als die Muscogees die Axt gegen die Weißen erhoben. Er hat den Späher der Weißen gemacht.«

»Und seinen Brüdern den Frieden gebracht«, fiel der Halfblood dem Sprecher keck ein. »Wäre Joseph nicht gewesen, wo wären jetzt die Muscogees? Sie wären von der Erde vertilgt.«

»Besser,« sagte ein zweiter, »sie wären gefallen im blutigen Felde, als von ihren eigenen Brüdern verraten zu werden.«

Der Miko hatte diese verschiedenen Ausbrüche der Ungeduld, die so sehr der bei einer Versammlung hergebrachten Sitte zuwiderliefen, mit mehr Staunen als Unwillen angehört.

»Und sehen die Augen Tokeahs«, so sprach er endlich, »wirklich die Muscogees, die großen Muscogees, deren größter Häuptling sein Vater und er gewesen? Die Muscogees, die den Weißen noch fürchterlich waren, als bereits alle roten Stämme diesseits des endlosen Flusses verschwunden oder halb vertilgt waren? Ja!« rief er mit schmerzlicher Betonung, »es sind wirklich die Muscogees, aber nicht die Muscogees des Miko Sheyah und Tokeah, es sind Männer mit roten und rötlichen Gesichtern, aber in den Gewändern der Weißen. Hört, rote Männer, die letzten Worte Tokeahs und füllt seine Ohren nicht mit Squawsgezänke. – Männer der Muscogees! Den eure Augen neben Tokeah sehen, der ist El Sol, der größte Häuptling der Cumanchees.«

Es erhob sich sofort eine Unzahl der Wilden, die sich dem jungen Mexikaner näherten, um ihn zu begrüßen, indem sie ihm die Palme ihrer Hand entgegenstreckten; die übrigen blieben murrend sitzen.

»Der Miko der Oconees«, sprach der Halfblood Joseph, »hat sich von seinem Volke losgerissen. Er ist in die salzige Wildnis jenseits des endlosen Stromes gegangen. Warum hat ihn sein Weg wieder hierhergebracht? Seine Zunge ist wie das Wasser des Oconee, das sich bereits mit dem großen Salzsee vermischt hat. Sie ist bitter, scharf und giftig. Wollen meine Brüder sie hören und das Gift in ihre Herzen aufnehmen?«

Es entstand wieder ein heftiges Gemurmel.

»Wollen meine Brüder ihn hören und die Stirn der Weißen umwölken?« schrie der Halfblood. »Er, der die Leichen der Ihrigen gesäet hat wie Welschkorn, er lebt noch, seine Krieger sind mit ihm. Er ist nicht viele Tagreisen von den Wigwams der Muscogees.«

»Hugh!« ertönte es aus den Reihen mit einem furchtbaren Geheule, während andere in ein lautes Murren ausbrachen. Mehrere schienen dem Sprecher beizupflichten, viele hatten jedoch ihre Augen auf den Miko gerichtet, der kalt und anscheinend unbewegt saß.

»Der Sohn eines Weißen«, hub er endlich an, »hat wahr gesprochen. Die Zunge Tokeahs ist bitter; sie ist nicht geläufiger geworden, seit er vor zwanzig Jahren in ebendiesem Tale zu den Seinigen gesprochen. Sie ist bitterer geworden; denn seine Augen haben vieles gesehen, seine Ohren vieles gehört, das seine Seele betrübt. Sie haben gesehen, wie sein Volk sich wie Hunde von ihren falschen Brüdern an rote Männer – an Brüder hetzen ließ.« Bei diesen Worten blies er in seine geballte Faust, die er zugleich öffnete und vorwarf. »Seine Augen haben gesehen, wie rote Männer gegen ihre roten Brüder den Tomahawk erhoben haben, weil die falschen Weißen es so gewollt haben, die dann der Toren spotteten, die sich einander die Messer in die Brust stießen. Seine Augen haben gesehen, wie falsche Brüder sich in die Wigwams der Weißen geschlichen und von ihnen viele Dollars erhielten und damit die roten Männer betrunken machten, und als sie sich im Kote herumwälzten, ihnen in die Ohren flüsterten, das Land ihrer Väter den Weißen zu verkaufen. Sie haben es gesehen, wie sie, während der Miko auf seinem Zuge gegen die Choctaws der sechs Nationen gewesen, gegen die der Tomahawk wider seinen Willen erhoben worden, wie sie sein Land den Weißen verkauften. Sie haben es gesehen und die Dollars, die er dafür empfangen sollte. Aber er hat sie mit dem Fuß weggestoßen. Seine Ohren«, fuhr er fort, »haben gehört, wie sich die geblendeten, roten Männer anhetzen ließen, die Tomahawks zu erheben gegen die Weißen, als es zu spät war, und sie so in die Falle gingen. Sie sind geschlagen worden in blutigen Schlachten, und viele Sommer werden verlaufen, ehe die roten Männer werden wagen dürfen, wieder ihre Tomahawks gegen die Unterdrücker zu erheben. Aber höret, rote Männer der Muscogees!« fuhr er fort, und seine Stimme hob sich – »die Weißen haben die roten Männer durch ihre Feuergewehre und langen Messer unterdrückt. Ihrer sind wenige, aber diese wenigen sind noch den Weißen zu viele. Hört, rote Männer! die Weißen haben viele Gifte. Sie haben das Feuerwasser, das langsam tötet. Sie haben ihre weißen Späher, die sie unter die roten Männer senden und die ihren Squaws und Töchtern lieber sind, weil sie eine zartere Haut haben; sie haben aber auch verräterische Zungen unter den roten Männern, viele verräterische Zungen. Sie sind Häuptlinge geworden, diese verräterischen Zungen. Sie haben die Dollars genommen, die der Miko mit den Füßen weggestoßen hat. Sie ziehen mit meinem Volke. Sie wohnen auf seinem Lande. Sie reden mit seiner Zunge. Aber sie reden mit einer Doppelzunge, weil sie doppeltes Blut haben. Kennen meine Brüder diese Männer?« Sein Blick fiel durchbohrend auf den Häuptling Joseph.

Dieser war in unruhiger, unbändiger Wut, und nur durch die Seinigen bisher vom Ausbruche derselben zurückgehalten worden.

»Männer der Muscogees!« schrie er aufspringend mit kreischender Stimme. – »Ich sage nichts mehr, als der große Krieger der Weißen lebt noch – der verbannte, der vertriebene Tokeah flüstert euch in die Ohren. Ihr mögt ihn hören, und seine Worte werden euch führen, wohin er getrieben wurde, in die Salzwüste.«

Der alte Mann hatte, nachdem er gesprochen, sein Haupt auf die Brust gesenkt. Er hob es nun und warf auf den Sprecher einen mitleidig verächtlichen Blick. »Hat Tokeah«, so fragte er, »das Kriegsgeschrei erhoben? Hat er seinen Brüdern in die Ohren geflüstert, es zu erheben? Was Tokeah gewollt hat, wissen die roten Männer. Sie verschlossen ihre Ohren. Sie hörten seine Stimme nicht. Tokeah war in seinem Herzen betrübt, als seine Ohren es vernahmen. Er war fern von ihnen. Er hat aber eine Kette geschlungen, die auch für sie glänzen wird – der große Häuptling der Cumanchees wird sie als seine Brüder, als seine Söhne aufnehmen. Tokeah ist gekommen, sein Volk nochmals zu sehen. Er ist durch die Wigwams der Weißen gegangen. Sie zittern vor den vielen Kriegern des Vaters der Kanadas, die gekommen sind, zahlreich wie die Bäume des Waldes in großen Kanus, und mit brüllenden Feuerschlünden.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
590 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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