Kitabı oku: «Eigenständig im Alltag unterwegs (E-Book)», sayfa 6
2. So verstehen wir «Konsumkompetenz»
Beim Thema Konsumkompetenz geht es uns nicht um die Frage des «richtigen» Konsumierens, sondern darum, bewusste Konsumentscheide zu treffen. Konsumkompetenz bedingt ein hohes Mass an Selbstbeobachtung und Selbststeuerung sowie ein schrittweises Herantasten an die eigenen Bedürfnisse. Darauf aufbauend kann das bewusste Entscheiden für oder gegen eine bestimmte Konsumverhaltensweise entwickelt werden.
Der Aufbau von Konsumkompetenz geschieht stufenweise und nicht von heute auf morgen. Schon nur das Benennen der individuellen Wünsche und daraus abgeleitet der ihnen zugrunde liegenden Bedürfnisse ist eine vielschichtige Aufgabe. Die Diskussion, wie Wünsche und Bedürfnisse befriedigt werden können, bedingt Zeit und einen vertrauensvollen Umgang zwischen Klient*innen und Berufsfachperson. Nicht immer ist Kaufen die Lösung, es gibt auch kostenfreie oder kostengünstige Angebote wie Bibliotheken, Ludotheken, Tauschbörsen, Secondhandshops und mehr. Zudem können Wünsche auch gestaffelt befriedigt werden, beispielsweise mit einer Geburtstagswunschliste. Komplexer wird es, wenn Konsumgüter aufgrund ihrer Wirkung als Statussymbole ins Spiel kommen. Dies weckt das Bedürfnis nach Gruppenzugehörigkeit, das gerade im Jugendalter, aber auch im Erwachsenenalter nicht unterschätzt werden darf – denken Sie nur einmal an die Arbeitsbekleidung von Personen im Bankensektor; da wird es offensichtlich, wie stark Bekleidung auch bei gestandenen Berufsleuten als Status- und Zugehörigkeitssymbol wirkt. Wie eingangs dargelegt, spielt auch die zielgruppenspezifische Werbung eine grosse Rolle. Einen eigenen Umgang zu finden im Spannungsfeld zwischen Druck aus der Peergroup, Wunsch nach einer sozial- und klimaverträglichen Konsumweise und der permanenten Werbe-Berieselung ist nicht ganz einfach und setzt einen breiten Fächer an Kenntnissen und Kompetenzen voraus. Wir zeigen in diesem Kapitel eine Auswahl und legen einen Schwerpunkt auf Fragen rund um Werbung und deren Wirkung auf Konsumierende, weil uns der Umgang mit Werbung als eine zentrale Konsumherausforderung erscheint.
3. Förderung und Kompetenzerweiterung im Alltag
Die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) hat sich mit der Konsumkompetenz von jungen Menschen befasst und unterstreicht in ihrem Fachbericht[51], dass es neben Wissensvermittlung insbesondere auch um Erfahrungsfelder geht, «in denen das Gelernte erprobt, reflektiert und weiterentwickelt werden kann. Durch Wissen und Erfahrung entsteht Konsum- resp. Finanzkompetenz»[52]. Für die Bereitstellung dieser Erfahrungsfelder sind in einem teilstationären und stationären Setting die Berufsfachleute verantwortlich. Dabei geht es auch um einen guten Mix zwischen Schutz- und Fördermassnahmen. Ganz wichtig als Grundhaltung erscheint uns, dass das Thema Konsumieren nicht unnötig moralisch aufgeladen und nicht primär mit Verboten belegt wird. Viel zielführender ist es, wenn Sie den Fokus auf das Erlangen einer hohen Selbstwirksamkeit und Selbstzufriedenheit richten und Ihre Klient*innen dazu motivieren, sich selbst und ihre Umwelt besser zu verstehen, um aktive Konsumentscheidungen zu treffen, die den Bedarf decken, den Finanzrahmen respektieren, die Bedürfnisse im Alltag möglichst gut abdecken und die ethischen Grundhaltungen der Klient*innen widerspiegeln.
Entscheidungen – und dazu gehört auch der Kauf- respektive Konsumentscheid – werden zu bis zu 80 Prozent durch Emotionen gesteuert.[53] Das erklärt, weshalb die Werbeindustrie so stark auf Emotionen setzt. Und das wiederum bedeutet, dass die Arbeit am Konsumverhalten primär auf Beziehungsarbeit aufbauen muss.
Das Konsumverhalten ist zudem wesentlich durch das soziale Umfeld und die Peergroup geprägt, das heisst, auch da sind viele Emotionen und Ängste wie vor dem sozialen Ausschluss involviert. Kulturelle Hintergründe können das Konsumverhalten zusätzlich prägen. Das Anknüpfen an die Lebenswelt der Klient*innen ist daher unabdingbar, um auf dem langen Weg hin zu Konsumkompetenz Entwicklungsschritte zu machen. Es kann sich auch lohnen, die Arbeit an der Konsumkompetenz mit Konsumbereichen zu beginnen, die nicht allzu stark mit Emotionen aufgeladen sind, also beispielsweise mit Jugendlichen zuerst an Konsumfragen rund um Lebensmittel zu arbeiten, statt direkt mit dem vielfach hochemotionalen Modekonsum einzusteigen. Denn nur wenn sich Ihre Klient*innen emotional auf die Entdeckungsreise des eigenen Konsumverhaltens einlassen können, sind auch Erkenntnisse und Verhaltensänderungen möglich.
Für Sie als Berufsfachperson ergeben sich in diesem Themenbereich sowohl auf der individuellen Ebene der Klient*innen wie auch auf der Ebene der Institution konkrete Aufgabenfelder für die sozialpädagogische-agogische Arbeit. Aus professioneller Sicht lassen sich daraus wichtige Schlussfolgerungen ableiten:
Um Ihre Klient*innen auf dem Weg zur Erlangung von Konsumkompetenz und zum Treffen von bewussten Konsumentscheiden zu begleiten, braucht es über einen längeren Zeitraum die wertschätzende, gemeinsame Reflexion.
Konsumfragen sind oft auch eng mit intrapersonalen Dilemmata verbunden, die durch Werbung stets aufs Neue befeuert werden. Konsumverhalten und Konsumfragen beinhalten daher sehr persönliche Aspekte, die entsprechend Raum erhalten und mit der nötigen Achtsamkeit bearbeitet werden sollten.
Social-Media-Werbung läuft zwar nebenbei, aber permanent, und wirkt dadurch unterbewusst sehr stark. Sie sollten daher die Grundsätze der Funktionsweise dieser Art von Werbung kennen, um deren Wirkung auf Ihre Klient*innen besser einschätzen zu können.
Sponsoring durch Firmen oder firmennahe Stiftungen ist heute weit verbreitet, auch bei stationären sozialen Einrichtungen. Diese Art von Unterstützung ist jedoch zweischneidig: Auch wenn es im Einzelfall und kurzfristig bedeutet, dass beispielsweise ein Ausflug oder eine Veranstaltung durchgeführt werden kann, muss doch klar betont werden, dass Sponsoring nie ohne Gegenwert zustande kommt. Ein solcher Gegenwert kann vieles bedeuten und reicht von Firmen, die sich als sozial engagiert positionieren möchten, bis hin zum Verteilen von Gratismustern und dem «Anfüttern» von künftigen Konsument*innen. Ein Sponsoring muss daher in jedem Fall kritisch durchleuchtet werden, bevor es eingegangen wird.
Aus der Praxis
In der Kita im Dorf spielten drei Mädchen ganz vertieft mit ihren Plüschhäschen. Ein viertes, B., machte nicht mit und hockte allein in einer Ecke. Auf die Nachfrage der Betreuerin sagte die Vierjährige, sie dürfe nicht mitmachen, weil sie kein Plüschhäschen habe. Wie sich herausstellte, waren besagte Plüschhäschen Teil eines Ostergeschenk-Sets, das es mit einer bestimmten Anzahl Treuepunkte im Supermarkt gab. Die Eltern der kleinen B. hatten keine solche Karte und machten sich auch nichts aus den Kundenbindungsprogrammen. Dass dies jedoch bereits in der Kita ihrer Tochter zu gravierenden sozialen Auswirkungen und Ausgrenzung führen würde, hätten Sie sich nicht im Traum ausgemalt …
Der Bewohner K. wohnt in einem Wohnheim für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Er ist immer knapp bei Kasse und achtet daher auf Rabatte und Aktionen. Als ein Betreuer eines Abends bei Herrn K. im Zimmer vorbeischaute, ging es ihm offensichtlich nicht gut. Er klagte über starke Bauchschmerzen und Übelkeit, was sich der Betreuer nicht erklären konnte, weil alle im Wohnheim das gleiche Abendessen verspeist hatten. Herr K. gab nach einigen Nachfragen kleinlaut zu, er habe eine Tüte Sport-Mint-Bonbons verzehrt. Doch der Blick in den Abfalleimer offenbarte dann, dass es sich bei der besagten Tüte nicht um eine Standardgrösse handelte, sondern um ein Sonderangebot in der Maxigrösse von 500 g. Mit Blähungen und starkem Unwohlsein musste Herr B. dann spätabends notfallmässig zum Heimarzt …
Im Wohnheim für Jugendliche fiel auf, dass die jugendliche Bewohnerin M. immer wieder Pakete erhielt und generell über ein grosszügiges Monatsbudget von rund 500 CHF verfügte. Das Betreuungsteam konnte sich das nicht erklären, denn die Familie von M. ist einkommensschwach und M. hat auch keine begüterten Onkel oder Tanten. Woher stammte also das ganze Geld? Wie sich herausstellte, hatte M. im Internet erfolgreich einen eigenen Instagram-Kanal mit zwischenzeitlich über mehreren tausend Follower*innen aufgebaut. Ihr Kanal und sie als Influencerin wurde damit für gewisse Marken attraktiv, um Werbung zu platzieren, und sie erhielt sowohl Geldsponsoring wie auch Waren als Gegenleistung für die Werbespots auf Instagram …
Im Wohnheim für Alkoholkranke herrschte schlechte Stimmung. Herr R. war richtig frustriert von einem Stadtspaziergang zurückgekommen. Was war geschehen? Auf Nachfrage seitens seiner Betreuerin erklärte Herr R., dass er auf dem Heimweg von seinem Spaziergang an einem Werbeplakat vorbeigekommen war, auf dem für Ferien in Italien geworben wurde: Pasta, Rotwein, Strand, Meer – eben alles, was es für Ferienfeeling braucht. Doch der alkoholkranke Herr R. wusste, dass er nie wieder eine Rotweinflasche anrühren durfte, und versank in eine depressive Verstimmung. Das Werbeplakat, mit dem er emotional auch verband, dass er ohne Alkohol nie wieder eine solches Ferienfeeling erlangen könne, wurde für ihn zum Negativtrigger …
4. Schein und Sein anhand des SALSA-Modells
Wir zeigen in diesem Teil anhand der acht Schritte des SALSA-Modells die fachspezifischen Überlegungen im Bereich Konsumkompetenz. Bei den Schritten 1 und 2 geht es um die Klärung der Rahmenbedingungen und Voraussetzungen in Ihrem beruflichen Umfeld, in den Schritten 3 bis 8 nehmen Sie die Planung der spezifischen Lernsituation in die Hand.
Schritt 1: Grundhaltung reflektieren
Reflektieren Sie Ihr eigenes Konsumverhalten, Ihre Wertevorstellungen und Ihre ethischen Grundsätze.
Stellen Sie sich Fragen wie:
Wie bewusst treffe ich Konsumentscheide im Alltag?
Wie zufrieden bin ich mit meinem eigenen Konsumverhalten?
Was möchte ich an meinem Konsumverhalten ändern und wieso?
Wie wirkt Werbung auf mich? Was beeinflusst mich bewusst oder womöglich unbewusst?
Welche Art von Werbung spricht mich an und wieso?
Welche Art von Werbung macht mich ärgerlich und wieso?
Welche Verhaltensänderungen fallen mir schwer und was könnten die Gründe dafür sein?
Schritt 2: Lernfelder erkennen
Diskutieren Sie im Team, welche Lernfelder für Mehrpersonensettings aktuell bestehen, zum Beispiel:
Anschaffungen von Einrichtungsgegenständen für die Wohngruppe;
Lebensmitteleinkauf für die Wohngruppe;
Gruppen-Challenge (z.B. spezifisches Konsumverhalten über einen vereinbarten Zeitraum);
Gruppendynamik auf der Wohngruppe oder in der Schule und am Arbeitsplatz bezüglich Trends in den Bereichen Mode, Ernährung, Fitness oder Körperkult.
Überlegen Sie sich als Bezugsperson, welche Lernfelder individuell für Ihre Bezugsklient*innen bestehen, zum Beispiel:
grössere Anschaffungen wie Kleider, Spielzeug oder IT-Geräte;
Kauf von täglichen Verbrauchsgütern wie Pflegeprodukte, Kosmetika oder Verpflegung;
Trends und Anforderungen an Zugehörigkeit auf der Wohngruppe, in der Schule, am Arbeitsplatz;
Trends in Onlineforen und auf Social Media (was spricht an, was ist wieso cool usw.);
Stressoren im Bereich Konsumverlockung (Gruppendruck, Finanzlimiten, Werbeversprechen usw.).
Überlegen Sie sich sowohl für das Mehrpersonensetting wie für Ihre Bezugspersonen, wo es potenziell sinnvolle Lernfelder gibt und wie Sie diese erschliessen können.
Schritt 3: Lernsituationen auswählen
Diskutieren Sie, welche Grundhaltungen Sie als Team bezüglich Konsumfragen einnehmen und Ihren Klient*innen vermitteln wollen. Es lohnt sich, dass Sie sich hier explizit verständigen, ansonsten wird es schwierig, eine fokussierte Kompetenzerweiterung zu begleiten. Vereinbaren Sie konkrete Lernfelder, die Sie priorisieren. Knüpfen Sie dabei eng an die Lebenswelt Ihrer Klient*innen an und wählen Sie für das Mehrpersonensetting Aufgaben aus, für die Sie die ganze Gruppe motivieren können und mit denen Sie möglichst sichtbare gemeinsame Ergebnisse erreichen. Das könnte beispielsweise die Anschaffung eines neuen bequemen Sessels für den Wohnbereich sein, der Vorrecherchen zu Produktion und Material, Diskussionen mit Bewertung der Ergebnisse und schliesslich eine bewusste Entscheidung der Gruppe vorausgegangen sind. Ergänzen Sie die Gruppenlernfelder mit individualisierten Lernfeldern für Ihre Bezugspersonen.
Schritt 4: Fachkompetenz sichern
Stellen Sie sicher, dass Sie selbst über das notwendige Fachwissen verfügen oder dieses in Ihrem Team abrufbar ist. Dazu gehören folgende Grundlagen:
Kenntnisse über die Funktionsweise von Werbung;
Kenntnisse über die Funktionsweise von Social Media;
Kenntnisse der Grundsätze wertschätzender Gesprächsführung (Einzelsetting, Gruppengespräche);
Moderationstechniken für Entscheidungsfindungen in Gruppen;
Grundkenntnisse über Motivationspsychologie;
Grundkenntnisse über das Recherchieren im Internet, u.a. Faktencheck und Verlässlichkeit von Quellen;
Allgemeinwissen zu gesellschaftlichen Trends und neue Anforderungen bezüglich Konsumfragen.
Schritt 5: Lernzugänge abrufen
Stellen Sie sicher, dass Sie das erforderliche Methodenrepertoire zu den Lernzugängen abrufen können, die in diesem Bereich besonders sinnvoll sind:
analytisch-verstehendes Lernen (punktuell kann sich auch Regellernen oder Begriffslernen eignen, etwa wenn es um die Abfolge von Planungsschritten vor einer Kaufentscheidung geht oder den Aufbau eines Vokabulars als Voraussetzung für ein gemeinsames Verständnis, beispielsweise im Bereich Werbung);
observatives Lernen;
sensorisches Lernen (inkl. Visualisierungen);
eidetisches, mentales Lernen;
sozial-affektives Lernen.
Schritt 6: Analyse und Konklusion durchführen
Analysieren Sie die Ausgangslage für die Sequenzierung: Klären Sie das individuelle Vorwissen und die Voraussetzungen der Gruppe oder Einzelpersonen. Beziehen Sie lebensweltliche Fragen Ihrer Klient*innen mit ein und überlegen Sie, auf welchen Kenntnissen, Fertigkeiten und Teilkompetenzen Sie aufbauen können. Binden Sie vorhandene Stärken kreativ ein: Haben Sie beispielsweise eine Klientin, die kaum von ihrem Smartphone wegzukriegen ist? Dann können Sie deren Technikaffinität, Kenntnisse und Fertigkeiten in der Gruppe nutzen, etwa um spezifische kleine Onlinerecherchen durchführen zu lassen.
Schritt 7: Sequenzierung gestalten
Achten Sie bei der Sequenzierung insbesondere darauf, wo Ihre Bezugspersonen bezüglich der einzelnen Stufen hin zu mehr Konsumkompetenz steht und bedenken Sie dabei, dass die Stufe nicht unbedingt eine Frage des Alters ist. Für Erwachsene mit einer Suchtproblematik ist es beispielsweise ziemlich sicher eine Herausforderung, die eigenen Bedürfnisse zu benennen, während Jugendliche möglicherweise bereits Marketingstrategien durchschauen, aber noch keine eigene Strategie im Umgang damit entwickelt haben. Auch wenn der Aufbau von Konsumkompetenz nicht ganz linear geschieht, kann vereinfacht gesagt werden, dass das Überspringen einzelner Stufen oder vorhandene Defizite auf vorangehenden Stufen den Erfolg für weitere Entwicklungsschritte erheblich beeinträchtigen. Sie sollten daher darauf achten, dass Sie Ihre Klient*innen auf den einzelnen Kompetenzstufen ausreichend fördern, bevor Sie die Anforderungen steigern. Die vereinfacht dargestellten Kompetenzstufen umfassen:[54]
1 Wünsche und Bedürfnissen benennen.
2 Eine Vielfalt an Strategien für die Befriedigung der Bedürfnisse erarbeiten.
3 Konsumgütern als Statussymbole erkennen.
4 Marketingstrategien und deren Einfluss auf Konsumentscheide erkennen.
5 Erklären, wie die eigenen Konsumentscheide zustande kommen.
6 Nach Informationen recherchieren und daraus relevante Kriterien für Kaufentscheidungen ableiten.
7 Eine alltagstaugliche Strategie für kriterienorientierte Konsumentscheidungen erarbeiten.
Bei Konsumfragen eignen sich regelmässige Reflexionen, da die Selbstbeobachtung und Selbststeuerung wesentlich in den Aufbau von Konsumkompetenz hineinspielen. Ein gemeinsam erarbeitetes Motto sowie die Visualisierungen von Fragen, die im Alltag bei Konsumthemen eine Rolle spielen, können dabei helfen, dass Klient*innen eine Routine in der Selbstbeobachtung erlangen. Ausformulierte Teilziele, die sich die Klient*innen selbst setzen, wirken motivierend und helfen als Kompass, um Fortschritte zu erkennen und diese explizit zu benennen.
Schritt 8: Lernsituation reflektieren
Evaluieren Sie für sich selbst, mit den Klient*innen und im Team, was bei der umgesetzten Lernsituation gut und was weniger gut funktioniert hat, und passen Sie bedarfsorientiert das Lernsetting an.
Klipp und klar: Ich weiss, warum ich was will
1. Warum das Thema «Konsumethik» didaktisch wichtig ist
Ausgangslage
Wenn Sie am Morgen einen Kaffee und ein Glas Orangensaft trinken und dazu ein Stück Brot mit Schinken essen, haben Sie trotz simpler Mahlzeit eine ganze Palette an weitgereisten Produkten mit konsumethischen Fragen auf dem Frühstückstisch: Wussten Sie zum Beispiel, dass mit Kaffee global gehandelt und damit an der Börse spekuliert wird? Mächtige Handelsfirmen und Lebensmittel-Giganten wie Nestlé mischen mit, wenn es um das Festlegen des Weltmarktpreises geht. Kaffeebäuer*innen sind gegenüber diesen Handelsfirmen in einer schwachen Verhandlungsposition, mit der Folge, dass sie trotz harter Arbeit für den Kaffeeanbau kein existenzsicherndes Einkommen erwirtschaften können. Auch an Ihrem Frühstücksbrot verdienen womöglich Schweizer Agrarrohstoffhändler wie Cargill oder Glencore mit: Die Nichtregierungsorganisation Public Eye schätzt, dass mindestens 50 Prozent des Getreides, das auf den Weltmarkt kommt, sowie 30 Prozent des Kakaos, 30 Prozent des Kaffees und 25 Prozent der Baumwolle über die Schweiz gehandelt wird.[55] Auch Orangensaft wird gehandelt: Nur drei Firmen – Cutrale, Citrosuco und Louis Dreyfuss (LDC) – dominieren zusammen drei Viertel des weltweiten Orangensaftmarktes, LDC mit Sitz in der Schweiz kontrolliert etwa 15 Prozent des weltweiten Orangensafthandels. LDC kauft aber nicht nur Orangen ein, der Konzern besitzt in Brasilien auch 38 Zitrusplantagen mit einer Fläche von mehr als 35000 Fussballfeldern[56], drei eigene Saftfabriken, drei Schiffstanker, die den Saft oder das gefrorene Saftkonzentrat nach Europa bringen, in Brasilien und Belgien je ein eigenes Saft-Hafenterminal sowie in Belgien Lagerinfrastruktur für bis zu 71000 Tonnen Saft.[57] Und auch beim Schinken auf dem Frühstücksbrot stellen sich je nach Fleischherkunft und Produktionsstandard eine ganze Menge an Fragen, etwa zu Futtermittelimporten – denn bis zu 90 Prozent des weltweit produzierten Soja landet im Futtertrog, auch in der Schweiz.[58] Für den Sojaanbau braucht es gewaltige Landflächen, dafür wird etwa im brasilianischen Amazonas und Cerrado-Gebiet im grossen Stil abgeholzt, was zu negativen Klimaeffekten und einem Rückgang der Biodiversität, aber auch zu Landrechtskonflikten mit den dort ansässigen indigenen Gemeinschaften führt.[59]
Sie sehen: Konsum ist eng verbunden mit den ganz grossen weltwirtschaftlichen, sozialen, und ökologischen Fragestellungen. Und Konsumethik ist eine komplexe Angelegenheit. Wie beim Thema Konsumkompetenz gibt es nicht einfach eine richtige oder falsche Antwort auf die Frage, was denn ethisch vertretbarer Konsum beinhaltet. Wir plädieren hier auch nicht für einen Verzicht auf Kaffee, Orangensaft oder Fleisch. Vielmehr möchten wir mit diesen Beispielen illustrieren, wie viele Geschichten und Fragestellungen in unseren alltäglichen Konsumgütern stecken. Die Entwicklung von ethischen Grundhaltungen in Konsumfragen bedingt denn auch, dass sich Konsumierende mit diesen Geschichten befassen und ein Interesse dafür entwickeln, und das ist auch einer der Ansatzpunkte für Ihre Arbeit in stationären und teilstationären Institutionen. Dabei kann es um umweltbezogene Aspekte gehen, zum Beispiel um Klimafragen rund um den Abbau von nicht erneuerbaren Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle, oder um soziale Fragen, etwa zu den Arbeitsbedingungen in Minen für den Abbau von Gold, Kobalt oder Kupfer – allesamt metallische Rohstoffe, die in Smartphones stecken.[60] Auch soziale Fragen wie etwa der Verdienst entlang globaler Wertschöpfungsketten oder Themen wie der Lebenszyklus, das Recycling und die Entsorgung von Konsumgütern, aber auch beispielsweise Mikroplastik und die daraus folgende Verschmutzung der Ozeane gehören zu konsumethischen Überlegungen.
Lassen Sie sich von der Summe der möglichen Zugänge nicht abschrecken, sehen Sie diese viel mehr als Chance: Beginnen Sie mit den Themen, für die sich Ihre Klient*innen im Alltag interessieren, für die sie sich motivieren lassen könnten und zu denen Sie selbst Bezüge haben – das ist die beste Ausgangslage, damit Sie gemeinsam mit Ihren Klient*innen den vielschichtigen und sehr spannenden Fragen rund um das Thema Konsumethik nachgehen und mit der Zeit eine differenziertere Haltung dazu entwickeln können. Planen Sie überschaubare, aber regelmässige Sequenzen zu konsumethischen Fragen in den Alltag Ihrer Klient*innen ein. Tasten Sie sich Schritt für Schritt an dieses grosse Thema heran – Konsumethik lässt sich nicht mit einer einmaligen Aktivität abschliessen. Vielmehr geht es darum, dass Sie kleine Fenster im Alltag nutzen, um das Thema mit Ihren Klient*innen zu diskutieren. Das erfordert, dass auch Sie selbst sich emotional auf diese Entdeckungsreise einlassen.
Exkurs: Label drauf – alles gut?!
Labels dienen als Kommunikationsmittel zwischen Anbieter*in und Konsument*in und sollen Konsumentscheide erleichtern. Sie haben aber auch eine Marketingfunktion und werden in der Werbung eingesetzt, um Verkaufsförderung zu betreiben. Manchmal nehmen es Firmen auch nicht so genau und preisen Labels als umfassende Gütesiegel an, was diese jedoch bei genauerem Betrachten nicht sind. Als Konsument*in sollten Sie daher bei Labels genau hinschauen und sich nicht mit deren simplen Vorhandensein zufriedengeben.
Produktlabels sind weit verbreitet, deren Aussagekraft unterscheidet sich aber stark: Es gibt Labels, die von einer firmenunabhängigen Stelle betrieben werden, dazu gehören etwa «Knospe Bio-Suisse», «Fairtrade Max Havelaar» oder «Demeter». Dann gibt es Labels, die von der anbietenden Firma selbst betrieben werden. Beispiele dafür sind «Coop Naturaplan» oder «Migros Bio». Firmeneigene Labels können sich dabei ganz oder teilweise auf die Umwelt- und Sozialstandards unabhängiger Labelstellen abstützen, oder aber ein eigenes Set an Kriterien entwickeln. Und sie können Kontrollen an externe Stellen auslagern, oder aber alles selbst überprüfen. Generell kann gesagt werden, dass Unabhängigkeit bei der Festlegung der Kriterien wie bei der Überprüfung ihrer Einhaltung die Glaubwürdigkeit eines Labels erhöht.
Wichtig zu wissen ist auch, dass Labels immer nur einen gewissen Ausschnitt an konsumethischen Fragestellungen abdecken. Das Migros-Label «Aus der Region. Für die Region» etwa kennzeichnet, dass das Produkt regional hergestellt wurde und die Wertschöpfung grösstenteils in der Region bleibt. Weitere Kriterien wie Bioanbau oder Tierhaltung werden nicht erfasst. Das Label ist demnach ein guter Wegweiser, wenn Ihnen aus Umweltgründen kurze Lieferwege wichtig sind. Wenn Sie jedoch Bioprodukte suchen, reicht das Label als Informationsquelle nicht aus.
Labels im Non-Food-Bereich sind meist komplizierter. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Non-Food-Produkte langen Produktionswege und vielen Arbeitsschritte unterliegen, was die Überprüfung von Kriterien anspruchsvoll und potenziell teuer macht. Im Bereich Textilien kennzeichnet beispielsweise das Label «Ökotex 100» nur, dass im Produkt die Grenzwerte für schädliche Substanzen wie Schwermetalle oder Pestizide eingehalten sind und dass es keine krebserregenden oder allergenen Farbstoffe enthält. Über den Herstellungsprozess, zum Beispiel die Arbeitsbedingungen in den Kleiderfabriken, sagt das Label nichts aus.
Eine gute Informationsquelle zur Frage, was sich hinter den jeweiligen Labels verbirgt, ist die Website labelinfo.ch der Umweltstiftung PUSCH. Auch andere NGOs bieten Orientierungshilfen an, so zum Beispiel Public Eye für Infos zu Labeln im Textilbereich oder HEKS/Brot für alle zu Produktionsbedingungen von Smartphones und Computern.
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