Kitabı oku: «Purgatory - Wiedergeburt», sayfa 4
Lyle war angespannt, als er den Raum betrat. Er war bis auf den letzten Platz mit Reportern und Kameraleuten gefüllt, die im gleichen Augenblick alle verstummten.
Gespannte Blicke ruhten auf ihm, als er langsam zu dem kleinen Podest ging und sich dahinter in Stellung brachte.
»Guten Tag, meine Damen und Herren«, begann er leise, »Ich denke, eine Vorstellung meinerseits ist nicht mehr notwendig. Für alle, die mich dennoch nicht kennen sollten: Mein Name ist Stephen J. Lyle, Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär der PHIMA.
Üblicherweise würden unsere Pressesprecher einen solchen Termin wahrnehmen, aber heute bin ich Ihr Ansprechpartner.
Gestern begannen wir mit der Öffnung und der Übertragung von Daten aus der Blackbox von Lieutenant Aaliyah Dearing. Eigentlich hatten wir geplant, sie und ihre Kollegen live über dieses Ereignis berichten zu lassen, doch leider gab es einige Komplikationen.«
»Sie haben uns ohne ein Wort aus dem Gebäude werfen lassen!«, warf eine Frau ein.
Nur durch seine Selbstbeherrschung konnte Lyle verhindern, dass sich das festgefrorene Lächeln auf seinem Gesicht veränderte. Die Frau war Amanda Wilks, ihres Zeichens Reporterin und eine der mächtigsten Pressevertreterinnen im operativen Geschäft.
Ihr hatte er es zu verdanken, dass die Widerständler auf dem Mars gute Publicity erhielten, als sie über die Zustände in den Minen der PHIMA berichtete, wo sie sich unter falschem Namen und verkleidet als Arbeiterin hatte anheuern lassen.
Dieser Bericht hatte ihr nicht nur einen Pulitzerpreis auf der Erde, sondern auch noch neun weitere Pressepreise auf verschiedenen anderen Planeten beschert. Seither wurde sie von der PHIMA immer als erste Journalistin geladen und bevorzugt behandelt. Dennoch blieb sie eine äußerst unangenehme Person.
»Miss Wilks«, sagte Lyle ruhig, »Leider gab es unvorhergesehene Komplikationen bei der Implementierung der Daten aus der Blackbox. Das führte zu einem Sicherheitsrisiko. Das konzerninterne Standardvorgehen bei derartigen Vorfällen ist, die Kommunikation nach außen zu unterbrechen, bis die Situation bereinigt ist.
Sie und Ihre Kollegen wurden daher aus der Gefahrenzone entfernt und Ihre Verbindungen zu den Sendeanstalten gekappt. Dafür möchte ich mich entschuldigen, doch Sie müssen verstehen, dass unser Personal im Umgang mit solchen Unvorhersehbarkeiten geschult ist und entsprechend reagierte. Ungeachtet Ihres Status als Pressevertreter und unserer Zusicherung, dass Sie die letzten Schritte des Projekts live übertragen dürfen.«
»Welcher Vorfall rechtfertigt ein derart rigoroses Vorgehen?«, fragte sie mit einem verschmitzten Lächeln.
»Ich werde die Fragen gerne beantworten, wenn Sie aufhören mich zu unterbrechen«, antwortete Lyle schnippisch, und hatte die Lacher der restlichen Reporter auf seiner Seite.
»Also«, fuhr er fort, »Während des Downloads der Daten aus der Blackbox in das Gehirn des Klons gab es unerwartete Komplikationen. Für genauere technische Details wenden sie sich bitte nach der Pressekonferenz an Doktor Ravindran Simhan hier zu meiner Rechten. Er wird es, falls gewünscht, detaillierter ausführen, als ich es kann.
Mit Öffnung der Blackbox und dem Start der Übertragung setzte sich im Gehirn des Klons eine Abwehrreaktion in Gang. Das Gehirn wehrte sich gegen die fremden Daten und behandelte sie wie eindringende Fremdkörper.
Wir hatten eine solche Reaktion erwartet, aber leider nicht mit der Heftigkeit gerechnet. Üblicherweise gibt ein Gehirn nach wenigen Minuten den Widerstand auf und akzeptiert die zu übertragenden Daten ohne Probleme. Doch Dearings Gehirn kämpfte dagegen an, bis es schließlich zu einer Überlastung der Nervenbahnen kam.
Das Gehirn starb ab, weil es von sich aus seine Blutzufuhr drosselte, da es annahm, die Fremdkörper würden über diesen Weg eindringen. Bereits nach kurzer Zeit war der geklonte Körper tot.«
Ein Raunen ging durch die Masse. Selbst Amanda Wilks schien es die Sprache verschlagen zu haben. Der Tag war von ihnen sehnsüchtig erwartet worden. Eine Sensation, besonders wegen des Stellenwerts, den Aaliyah Dearing noch immer in der Gesellschaft einnahm.
Nun war alles vorbei. Lyle konnte die Enttäuschung und Erschütterung in den Gesichtern lesen. Niemand wagte, eine Frage zu stellen. Jeder schien bemüht, seine eigenen Gefühle im Zaum zu halten.
»Leider«, sagte er in die Stille hinein, »zersetzen sich die Daten der Blackbox nach Öffnung sehr schnell. Die Transferierung in einen anderen Körper muss daher innerhalb kürzester Zeit vonstattengehen.
Uns blieb keine Wahl, als einen neuen Träger auszuwählen oder die Daten für immer zu verlieren. Allerdings war die Auswahl äußerst begrenzt. In der Tat gab es nur einen Körper, der dafür infrage kam. Eine junge Frau, die nach einer Granatenexplosion in einem Krankenhaus für hirntot erklärt wurde.
Das Gehirn war zwar beschädigt, doch noch so weit wie notwendig intakt und konnte von unseren Technikern wiederhergestellt werden. Allerdings müssen sie sich dieses Gehirn vorstellen, wie ein frisches Speichermedium. Es war vollkommen leer, ähnlich wie bei einem medizinischen Klon.
Unserem Team gelang es, die Daten von Lieutenant Aaliyah Dearing in diesen Körper zu transferieren, und das Gehirn akzeptierte diese Eingabe.«
Die letzten Worte gingen im Applaus der Journalisten unter und Stephen J. Lyle wusste, dass er es geschafft hatte. Die noch fehlenden Informationen würden ihm leichter von der Seele gehen, wenn sie in euphorischer Stimmung waren.
»Wie sieht der Körper nun aus?«
»Gibt es Fotos?«
»Wissen die Eltern der Frau bereits, dass sie ihre Tochter ausgewählt haben?«
Die Männer und Frauen der Presse riefen durcheinander, doch als Lyle beschwichtigend die Hände hob, verstummten sie rasch.
»Unseren Informationen nach gibt es keine lebenden Verwandten der Frau mehr. Sie wurden alle bei dem Angriff getötet, der auch sie das Leben kostete. Ihre wahre Identität werden wir aber weiterhin geheim halten.
Aus ihren Unterlagen geht hervor, dass sie ihren Körper für die Wissenschaft zur Verfügung stellen wollte. Nachdem das abgeklärt war, haben wir ihn von dem behandelnden Krankenhaus bekommen.«
Das war eine Lüge. Die Dokumente waren von Angestellten der Firma gefälscht worden, als man hörte, dass der Körper für ihr Project Trojan Horse geeignet war.
»Also ein Zwitterwesen, mit dem Aussehen einer Fremden und der Persönlichkeit von Lieutenant Dearing. Haben sie sich überlegt, welche Auswirkungen das auf ihre ihre Psyche haben könnte?«, fragte Amanda Wilks.
»Miss Wilks, für solche Überlegungen war keine Zeit. Wir konnten die Erinnerungen verschwinden lassen oder versuchen, sie zu bewahren. Die Persönlichkeit und alles, was geistig Aaliyah Dearings war, wurde so konserviert. Wenn auch in einem anderen Körper.
Sie können beruhigt sein, Lieutenant Dearing wird rund um die Uhr von unseren Spezialisten überwacht werden und jede nur erdenkliche Hilfe erhalten. Sie dürfen nicht vergessen, dass sie die letzten dreißig Jahre nachholen muss. Allein das wird ein beträchtlicher Schock für sie sein.
Zum Abschluss haben wir noch ein Bild des neuen Körpers.«
Lyle machte einige Bewegungen in die Luft. Nur er konnte die Projektion der Konsole auf seinem Arm sehen und sie bedienen. Mit nur wenigen Fingerzeigen hatte er das Bild an den Projektor hinter sich geschickt, der augenblicklich ein großformatiges, dreidimensionales Bild des Gesichts erzeugte.
Ein Raunen ging durch die Menge. Begleitet von einem Ächzen und Stöhnen sowie leisen Rufen.
Befriedigt nahm Lyle die Überraschung der Anwesenden wahr.
»Eine Elevan«, seufzte eine Frau völlig verblüfft.
»Sie haben das Bewusstsein in eine Elevan transferiert?«, fragte Amanda Wilks außer sich, »Sie kennen doch die Einstellung von Dearing dieser Rasse gegenüber. Zu ihrer Zeit betrachtete man sie noch als abtrünnige Menschen. Eine Art Sklavengattung. Das ist tief in ihr verankert. Die Erkenntnis könnte sie umbringen.«
Die Journalisten begannen durcheinander zu sprechen. Einige hatten bereits begonnen, ihre Berichte zu verfassen und die Aufzeichnung der Konferenz ins Netz zu laden. In wenigen Minuten würde man in der gesamten Galaxie das erste Bild von Aaliyah Dearing sehen können.
»Es war eine Entscheidung über Leben oder Tod der größten Heldin der Allianzgeschichte. Wir gingen diese zukünftigen Risiken ein, um ihr ein Weiterleben zu ermöglichen. Als Vorbild für uns alle. Als Zeugin einer längst vergangenen Zeit.«
»Ich bin der Meinung, Ihre Wissenschaftler wollten nur ein weiteres Mal versuchen, Gott zu spielen. Sie fragten nur, ob es machbar wäre. Nicht ob man es machen sollte!«
»Diese Aussagen schmälern die Verdienste und Leistungen unserer Wissenschaftler nicht im Geringsten, Miss Wilks. Wenn jemand noch technische Fragen hat, übergebe ich das Wort an Doktor Ravindran Simhan. Auf Wiedersehen, meine Damen und Herren.«
Die Männer und Frauen waren aufgesprungen und riefen ihm Fragen zu, doch Stephen J. Lyle verlangsamte seinen Schritt nicht und hatte den Konferenzraum schnell verlassen.
Erst als er alleine war, gestattete er sich ein Lächeln. Er hatte es geschafft. In wenigen Minuten würden sich die ersten Effekte an den Börsen zeigen.
Dearing würde den Mars befrieden. Er wusste es mit Sicherheit.
Im Raum wurde es nie dunkel. Aber wenn man wusste, wie man die Überwachungskameras manipulierte, konnte man eine halbe Stunde dort verbringen, ohne dass es auffiel.
Es war nicht das erste Mal, das sich Frantisek Hlinka sich hierher zurückzog. Üblicherweise machte er ein kurzes Nickerchen in dem Bett, das immer hier stand. Oder er benutzte seinen Projektor, um Pornografie aus dem Netz zu streamen und sich zu befriedigen.
Dreißig Minuten hatte er, dann wurde das System darauf aufmerksam. Dieser Fehler war einfach auszunutzen und ihn wunderte, dass er noch nie jemand anderem aufgefallen war.
Doch seit das Projekt angelaufen war, hatte er keine ruhige Minute mehr gehabt. Ständig lief Doktor Simhan auf und ab, schickte ihn herum und holte ihn in den Operationsraum. Frantisek hatte sich eine Pause verdient.
Als der den Raum betrat, fand er ihn nicht leer vor. Man hatte offensichtlich den Körper der Elevan, an dem sie jetzt den zweiten Tag gearbeitet hatten, hier hereingebracht. Heute hatten sie in mühsamer Kleinarbeit erst die Narben entfernt und danach die Nanobots injiziert.
Die winzigen Roboter würden in Zukunft dafür sorgen, dass sie nicht mehr Fett zulegte, als sie selbst wollte. Und zusätzlich ihre Muskeln stimulieren, auch wenn sie nicht selbstständig trainierte. Die genauen Formen konnte man über einen externen Datenlink steuern.
Außerdem sorgten sie dafür, dass sich keine Krankheitserreger im Organismus ausbreiteten, machten Jagd auf Krebszellen, heilten Verletzungen und wirkten sogar als Empfängnisverhütung, wenn man es nicht anders einstellte.
Frantisek Hlinka hatte sich selbst solche Nanobots injiziert. Heimlich verstand sich. Mit seinem Technikergehalt könnte er sich diese Spritze sonst im Leben nicht leisten.
Bereits bei der Arbeit hatte er den Körper mehrfach unter die Lupe genommen. Er mochte weibliche Elevan und hätte er das Geld dazu gehabt, hätte er sich eine der Prostituierten in New Sodom geleistet. Doch Elevan-Huren waren selten und daher teuer.
Diese hier lag wie auf dem Präsentierteller vor ihm. Sie befand sich noch immer im Tiefschlaf, würde nicht erwachen, bis sie das Gegenmittel erhielt. Die perfekte Gelegenheit.
Vorsichtig entfernte er die Tücher. Seine Hände strichen über ihre straffen, großen Brüste und dann tiefer, zwischen die Beine.
Ihre Haut war makellos und fühlte sich weicher an, als die Haut jeder Frau, die er bislang berührt hatte. Ihr Venushügel war unbehaart. Die vollkommenen, symmetrischen Schamlippen verschlossen den verführerischen Eingang vollständig. Noch nie hatte er eine derart wunderschöne Frau so gesehen.
Mit zitternden Händen öffnete er seine Hose und ließ sie zu Boden gleiten. Er legte ihre Finger um seinen Schaft und bewegte sie vorsichtig auf und ab. Sofort wurde das Glied hart.
»Oh ja, das gefällt dir«, stöhnte er leise, ehe er die Hand wieder zurücklegte und auf das Bett kletterte.
Hlinka spuckte in seine Hände und verrieb den Speichel zwischen ihren Beinen. Dann setzte er die Spitze seines Penis an und drang langsam in sie. Die feuchtwarme Umklammerung ließ ihn erbeben.
»Oh, du kleine, geile Schlampe«, keuchte er, als er tiefer eindrang, doch mit einem Mal stockte er.
»Du bist noch Jungfrau«, sagte Frantisek Hlinka und grinste schmutzig, »Aber nicht mehr lange.«
Seine Hand strich über das hübsche Gesicht, streichelte ihre Lippen, während er sich an den ebenmäßigen Zügen erfreute. Er holte zum finalen Stoß aus.
Da öffneten sich die Augen.
Sie standen weit offen.
Stechende, graublaue Raubtieraugen starrten ihn aus dem dunklen Antlitz entgegen. Der Blick schien ihn zu durchbohren.
Frantisek Hlinka stieß einen Schrei aus und fiel vom Bett. Hart schlug er auf den Boden auf, griff nach seiner Hose und rannte schreiend zur Tür.
Allerdings ließ sich die nicht öffnen. Er selbst hatte dafür gesorgt, dass sie sich erst nach dreißig Minuten wieder entriegelte.
Mit zitternden Fingern zog er seine Hose über. Die Erektion war Geschichte.
Sie hatte das Gesicht zur Seite gedreht und starrte ihn an. Der Körper musste noch in dem Antigravitationsfeld gefangen sein, aber ihren Kopf konnte sie bewegen.
Ein Alarm schrillte.
Die Sensoren mussten Hirnaktivität erfasst haben. Dearing war bei Bewusstsein, doch das war unmöglich.
Im gleichen Augenblick öffnete sich, durch ein Notprotokoll, die Verriegelung mit einem leisen Klicken. Erleichtert aktivierte Frantisek Hlinka sie und stürzte hinaus in den Gang.
02. Erwachen
War es Traum oder Wirklichkeit?
Helles Licht umflutete sie. Dazu undefinierbarer Schmerz. Ihr Körper schien zu brennen, aber das Gefühl ließ schnell nach und dann war da nichts mehr.
»Wo bin ich?«, fragte eine leise Stimme und sie erschrak darüber.
Hatte sie gerade gesprochen?
Das war nicht möglich, sie hatte ihre Lippen nicht bewegt. Oder vielleicht doch?
Sie konzentrierte sich auch ihre Augen, nur öffnen konnte sie sie nicht.
Etwas berührte ihre Haut. Zumindest schien es so.
Die Berührungen wurden drängender.
Nun war es bei ihrem Gesicht.
Als hätte dieser Reiz ausgereicht, gelang es ihr endlich, ihre Augen zu öffnen.
Das grelle Licht schmerzte. Doch innerhalb eines Wimpernschlags hatte sie sich daran gewöhnt. Über ihr saß ein Fremder. Seine schlecht rasierte Fratze war zu einer Grimasse verzerrt, die ungläubiges Entsetzen und panische Angst widerspiegelte.
Er rutschte von ihr, schlug mit einem dumpfen Geräusch irgendwo auf dem Boden auf und humpelte davon.
Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite. Der Mann war eindeutig menschlich. Seine Hose war ihm bis zu den Knöcheln hinuntergerutscht. Was er hier gewollt hatte, war ihr nicht ganz klar. Auch nicht, warum er kopflos an der Tür hämmerte.
Kreischender Lärm erhob sich. Sie konnte es nicht zuordnen, doch der Ton schmerzte.
Der Schmerz wurde immer durchdringender und schließlich musste sie ihre Augen wieder schließen. Dunkelheit umfing sie. Die Pein verklang.
Das Bewusstsein schwand. Sie fühlte sich geborgen, vollkommen entspannt. Und müde. So unerträglich müde.
»Es ist unmöglich. Sie ist sediert. Im Tiefschlaf. Wie konnte es da zu Hirnaktivitäten kommen?«, drängte sich eine sanfte weibliche Stimme in ihr Bewusstsein. Sie sprach einen hart klingenden Dialekt, den sie nicht einordnen konnte.
»Ich weiß nicht«, antwortete eine Männliche auf Englisch, mit britischem Akzent, »Ich verstehe auch nicht, warum die Kamera in dieser Zeit offline war. Das komplette System in dem Raum war für diese Zeit lahmgelegt.«
»Ein Hackerangriff?«
»Glaube ich nicht. Ich fürchte, das war intern. Wer war in der Nähe des Raumes?«
»Nur Smith und Hlinka«, meinte die Frau nach anfänglichem Zögern.
»Wir sollten uns die beiden einmal zur Brust nehmen. Wenn es einen Fehler im System gibt und einer von ihnen weiß, wie man ihn ausnutzt, dann muss sie dringend in einen anderen Raum verlegt werden. Und natürlich müssen wir das gesamte System durchchecken. Wenn es eine Schwachstelle gibt müssen wir sie unbedingt ausmerzen!«
Eine Sirene schrillte.
»Was zum Teufel?«, fragte die männliche Stimme.
»Sie wacht auf«, meinte die Weibliche.
»Es ist zu früh.«
»Aber Doktor Simhan, die Konditionierung ist abgeschlossen, einem Aufwachen steht nichts mehr im Weg.«
»Ich weiß. Doch es wäre mir lieber gewesen, sie bliebe noch etwas im Tiefschlaf. Sie hat viele Informationen bekommen, die es nun zu verarbeiten gilt.«
»Vielleicht ist sie bereit«, warf die weibliche Stimme ein.
»Vielleicht, Doktor Paulsen. Vielleicht.«
Nur mühsam schaffte sie es, die Augen aufzuzwingen. Wo war sie?
Erinnerungen überfluteten ihren Geist und ließen den Kopf schmerzen.
Richtig.
Ihr Name war Aaliyah Dearing. Tochter von William und Kathleen Dearing. Geboren auf dem Mars.
Noch mehr Informationen schwappten heran und füllten ihren Kopf, der zu bersten schien. Sie konnte ihre Kindheit sehen, die Freunde, den Mars. Dann die Akademie, der Angriff. Sie war im Krieg gewesen.
Richtig, der Krieg. Wie ein Film lief ihr Leben an ihren Augen vorbei. Sie konnte sich an Europa erinnern, an die Kämpfe. Das Shuttle.
Man hatte sie gefangen genommen. Da war dieser seltsame Kreuzer der Mendraner. Sie war ins Cockpit geschlichen und hatte die Piloten erledigt.
Die Steuerung. Jemand sagte etwas zu ihr.
Jaramago.
Dann das Superschlachtschiff. Es kam immer näher. Ihre Hände verkrampften an den Konsolen. Sie erwartete den Aufprall.
Plötzlich war da dieses Licht.
Mit einem lauten Schrei fuhr Aaliyah Dearing in die Höhe und musste feststellen, dass sie sich nicht bewegen konnte. Panisch, ihre gesamte Kraft aufbietend, versuchte sie sich aus der Starre zu befreien, aber es gelang ihr nicht.
Um sie herum war es hell, doch als sie ihre Lider schloss, wurde es erträglich. Dass sie immer noch sehen konnte, kam ihr in diesem Moment nicht seltsam vor. Sie kämpfte ihre Angst nieder und versuchte, sich zu orientieren.
Ihr Körper war mit Tüchern bedeckt. Sie bemerkte, dass ihr Körper sich völlig schwerelos anfühlte und mit Erleichterung wurde ihr bewusst, dass ihre Unfähigkeit sich zu bewegen, davon rührte, dass sie sich in einem Anti-Schwerkraft-Feld befand.
Der Raum war kahl und schmucklos, allerdings war sie nicht alleine hier. Ein Mann und eine Frau sahen sie erschrocken an. Sie waren wohl die Quellen der Stimmen, die sie zuvor gehört hatte.
Der Mann beugte sich über Dearing. Er hatte einen braunen Teint. Das Gesicht war bartlos und die schwarzen Haare wirkten gepflegt. Er sagte etwas, aber Aaliyah hörte nur ein entferntes Summen.
Hatte sie sich die Stimmen zuvor doch bloß eingebildet?
»Verstehen Sie mich?«
Wie aus weiter Ferne drangen die Worte zu ihr. Schienen kurz in der Luft über ihrem Kopf zu schweben, ehe sie sich auf sie senkten und in ihrem Gehirn schließlich Sinn ergaben.
»Ja«, antwortete Aaliyah.
Erschrocken über ihre schleppende Aussprache und die fremd klingende Stimme schwieg sie jedoch sogleich wieder und starrte ihr Gegenüber nur an.
Der Mann lächelte.
»Guten Morgen, Lieutenant Dearing. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen«, sagte er mit unverkennbar britischem Akzent, »Mein Name ist Doktor Ravindran Simhan. Das ist meine Kollegin Doktor Susanna Paulsen. Wir waren die Verantwortlichen bei ihrer Behandlung.«
»Was ist passiert?«, fragte Dearing langsam, mit einer Zunge die sich anfühlte, als wäre sie nicht ihre, »Wie konnte ich die Explosion überleben.«
Doktor Simhan machte ein überraschtes Gesicht und schien kurz zu überlegen. Seine blonde Kollegin jedoch schüttelte den Kopf.
»Sie haben nicht überlebt«, sagte Susanna Paulsen schulterzuckend.
»Scheiße«, stöhnte Aaliyah, der nun durch Kombination des Namens und des Dialekts der Frau deren deutsche Wurzeln erkannte, »Was soll das heißen?«
»Sie waren tot. Wir haben Ihre Blackbox geborgen und Sie wiederbelebt.«
»Doktor Paulsen, das ist viel zu früh«, fuhr Doktor Simhan dazwischen, doch seine Kollegin schüttelte abermals den Kopf.
»Nein. Simulationen zeigen, dass Patienten direkt beim Erwachen am positivsten auf solche Nachrichten reagieren. Sie kann sich dann festsetzen und beim nächsten Schlafturnus wird sie implementiert. Die Akzeptanz ist so am größten.«
»Gut«, gab sich Ravindran Simhan geschlagen, »Sie sind die psychologische Leiterin.«
»Blackbox?«, fragte Aaliyah Dearing, die nicht verstand, worum es gerade ging.
»Bei Ihrem Eintritt in die Marine, nach der Befreiung des Mars, wurde Ihnen eine Blackbox eingesetzt. Erinnern sie sich nicht daran?«
Dearing schüttelte den Kopf.
»Zu dieser Zeit wurden die Boxen oft ohne das Wissen der Testsubjekte implantiert. Man versetzte sie in Narkose und setzte das Ding ein.
Die Betroffenen klagten dann über Kopfschmerzen, doch die Spuren des minimalinvasiven Eingriffs waren üblicherweise danach nicht mehr zu erkennen«, dachte Doktor Simhan laut nach.
»Dann ganz von vorne«, seufzte Susanna Paulsen, »Sie waren eines dieser Testsubjekte. Man setzte Ihnen eine sogenannte Blackbox ein. Sinn dieser Box war es, alles aufzuzeichnen, was sie sahen, und nicht nur das. Die Box speicherte all ihre Erinnerungen ab.
Haben Sie zuvor vielleicht Ihre Erlebnisse vor Ihrem geistigen Auge gesehen? Liefen sie wie ein Film vor Ihnen ab?«
Dearing nickte schwach.
»Das war der letzte Schritt der Übertragung. Sie besitzen jetzt alle Erinnerungen Ihrer Person, bis hin zu dem Vorfall mit dem Superschlachtschiff.«
»Fuck, dann bin ich tot?«, fragte Aaliyah verwundert nach.
»Sie waren tot«, berichtigte Doktor Paulsen nachdenklich, »Aber wir haben Sie zurück ins Leben geholt. Mit Ihren Erinnerungen, Ihrer Persönlichkeit.«
»Scheiße. Das ist ja mal wirklich krass.«
»So kann man es ausdrücken«, meinte Doktor Simhan leise und fuhr dann fort, »Allerdings sind Sie jetzt viel besser als jemals zuvor. Ihre Knochenstruktur ist kräftiger, Gleiches gilt für die Muskeln. Wir haben ihnen Nanobots injiziert. Diese Miniroboter kümmern sich nicht nur darum, Krankheiterreger und Krebs zu bekämpfen. Sie entfernen zum Beispiel auch alles überschüssige Fett aus Ihrem Körper, trainieren die Muskeln nach einem Maß, das Sie bestimmen können, beschleunigen die Kreislauffunktionen, wenn es notwendig ist, und unterstützen die Regeneration bei Verwundungen. Ein oberflächlicher Schnitt schließt sich so in wenigen Augenblicken.
Sie vermehren sich selbstständig weiter und wirken unter anderem auch, wenn gewünscht, als Verhütungsmittel. Und noch vieles mehr.«
»Sie haben mich also mit Robotern vollgepumpt?«, fragte Dearing nach und hob ihre Hand, so weit es möglich war.
Sie stieß einen Schrei aus und wollte aufspringen, doch ihr Körper war auf der Antischwerkraftliege gefangen und sie konnte sie selbstständig nicht verlassen. Dafür war ihr Körper noch zu schwach.
»Scheiße!«, schrie sie und betrachtete ihren Arm, »Was haben sie mit mir gemacht?«
»Es gab Komplikationen«, begann Doktor Simhan, wurde jedoch von Aaliyah unterbrochen.
»Komplikationen? Fuck, ich habe plötzlich dunkle Haut!«
Vorsichtig betastete sie ihren Körper durch die dünnen Tücher. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Sie hob das Tuch und versuchte, so gut es ging, an sich hinabzusehen.
»Verdammt, sogar meine Titten wurden gemacht. Das sind riesige Dinger! Ich will meinen alten Körper wieder!«, brüllte sie und versuchte abermals, sich aus dem Feld des Bettes zu winden.
»Das war der Plan«, meinte Doktor Paulsen leise, »Wir haben Ihren Körper geklont und ihn auf die Implementierung der Daten vorbereitet. Doch es kam zu Komplikationen. Der Körper starb.«
»Und Sie haben mich einfach in einen anderen Körper kopiert?«
»Wir hatten keine andere Möglichkeit«, erklärte Ravindran Simhan, »Entweder das oder Ihr Bewusstsein wäre auf ewig verloren gewesen.«
»Dann lassen Sie mich sterben, verdammt!«, schimpfte Dearing, »Meine Zeit war gekommen!«
»Das ist nicht so einfach. Sie stammen aus einer anderen Zeit. Ihr Tod liegt über dreißig Jahre zurück. Frau Doktor Paulsen war zu dieser Zeit noch nicht einmal geboren.
Die Mendranerkriege sind schon lange vorüber und wir existieren friedlich mit ihnen und unzähligen anderen Spezies in der Galaxie zusammen.
Doch Ihr Tod ist mehr als Vergangenheit. Er ist Geschichte. Es wurden Plätze nach Ihnen benannt, Bilder mit Ihnen werden zu Pilgerstätten. Ihr Name gab uns in dieser schweren Zeit Hoffnung und gibt sie uns noch immer.
Wir durften Sie einfach nicht verlieren. Wir durften nicht versagen. Egal, in welchem Körper Sie nun gefangen sein mögen, wichtig war, Ihre Persönlichkeit zu retten.«
»Dreißig Jahre?«, fragte Dearing leise.
Eine einsame Träne rann über ihre Wange. Sie hatte den Tod akzeptiert und sich geopfert. Doch nun, so lange Zeit später wieder zu erwachen und zu erfahren, dass jeder den sie gekannt hatte, mittlerweile alt geworden oder gestorben war, war mehr, als sie verkraften konnte.
»Geben Sie mir einen Spiegel«, sagte sie leise und Doktor Paulsen vollführte eine winkende Handbewegung über ihrem Gesicht.
Es sah aus, als würde die Luft erstarren und sich zu einer spiegelnden Fläche formen. Innerhalb eines Wimpernschlages blickte sie plötzlich ein fremdes Gesicht mit dunkler Haut an. Das Gesicht war ebenmäßig und perfekt symmetrisch. Die kleine Nase, die hohen Wangenknochen, die pechschwarzen Haare. Sehr attraktiv.
Doch dann sah Aaliyah die spitz zulaufenden Zähne und die graublauen Augen, mit den schlitzförmigen Pupillen.
»Elevan!«, stieß sie hervor, ehe sie in Ohnmacht fiel.
»Sie hat es besser aufgenommen, als die meisten Testsubjekte«, meinte Ravindran Simhan und zuckte mit den Achseln.
»Ist sie noch immer ohnmächtig?«, fragte Stephen Lyle.
»Ja, schon seit ein paar Tagen. Das kommt vom Schock. Sie hat alles sehr gut verkraftet, wie ihr Gehirnscan zeigt. Zurzeit braucht sie noch viele Ruhephasen, um die Informationen zu verarbeiten. Aber ich werde mit ihr arbeiten und mich um sie kümmern«, bekräftigte Doktor Paulsen ein weiteres Mal.
»Das mit der Elevan hat ihr den Rest gegeben«, sagte der Vorstandsvorsitzende nachdenklich, »Doch daran wird es nicht scheitern. Sie wird sich dran gewöhnen.«
»Ich befürchte noch immer eine depressive Verstimmung. Ihrem psychologischen Profil nach war sie gefährdet. Sie schätzte den Wert ihres Lebens weitaus niedriger ein, als den aller anderen. Daher war sie, ohne zu überlegen, dazu bereit es aufzugeben.
Ihre ehemaligen Kameraden haben bestätigt, dass sie oft mit starken Stimmungsschwankungen zu kämpfen hatte. Anhand der Berichte und der Aussagen würde ich ihrem Charakter sogar eine bipolare Störung, mit starkem Hang zur Hypersexualität attestiere«, gab Susanna Paulsen zu bedenken.
»Manisch-depressiv?«, fragte Lyle, »Und ich dachte, das wäre alles mittlerweile kein Thema mehr.«
»Zu der Zeit gab es noch keine Substanzen, die in dieser Weise auf das Gehirn einwirkten. Wenn die Menschen wüssten, was in ihrer Nahrung und den Getränken enthalten ist, würden sie den Aufstand proben. Allerdings ist Ambrosia kaum nachzuweisen und löscht das Wissen an sich selbst aus, wenn man keine speziellen Nanobots besitzt, die das Mittel neutralisieren.
Das könnte uns bei Dearing zum Verhängnis werden. Ihre Nanobots sind von der neuesten Generation. Sie neutralisieren Ambrosia, deshalb werden sie auch nur in der PHIMA-Chefetage verabreicht.«
»Doktor Paulsen wollen Sie mir damit sagen, dass unser Milliarden-Credit-Projekt möglicherweise manisch-depressiv ist und wir nichts dagegen tun können?«
»Ja, Mr. Lyle, das will ich damit sagen. Dazu muss man sagen, dass die ursprünglichen Auslöser vor allem physischer Natur sind. Allerdings können wir nicht ausschließen, dass sie in alte Verhaltensmuster zurückfällt.«
Stephen Lyle verdrehte die Augen. Ständig neue Hiobsbotschaften und dabei war Dearing noch nicht einmal im Einsatz. Das konnte den Erfolg aller Projekte infrage stellen. Dearing musste funktionieren. Egal ob Elevan oder nicht. Sie war eine Heldin und ihr Bild ging bereits durch die gesamte Galaxie. Sonst wäre das ganze Geld völlig umsonst ausgegeben worden.
»Weitere schlechte Nachrichten?«, fragte er Doktor Simhan müde.
»Einer der Angestellten war mit ihr im Zimmer alleine. Was er dort genau getan hat, wissen wir nicht. Er hat das System manipuliert und damit gibt es keine Aufzeichnungen. Allerdings konnten wir an Dearing etwas Präejakulat sicherstellen. Eine Untersuchung ergab, dass er sie nicht vergewaltigt hat. Zumindest das Hymen ist noch intakt.
Sie muss aber davon aufgewacht sein.«
»Ich hoffe, der Mann wurde gefeuert.«
»Mit sofortiger Wirkung entfernt, ja«, bestätigte Doktor Simhan.
»Gut, ich hetze die Anwälte auf ihn, der wird seines Lebens nicht mehr froh«, meinte Stephen J. Lyle und öffnete die Tür, »Dann wollen wir mal.«
Der hell erleuchtet Raum war bis auf das Bett darin leer, doch wo bisher immer ein Körper gelegen hatte, war nun nichts mehr.
Erstaunt traten er und die beiden Doktoren ein.
»Wird auch Zeit, dass endlich mal wer kommt«, wurden sie begrüßt.
Lässig an die Wand gelehnt, wartete die schlanke Gestalt der neuen Aaliyah Dearing, die sich zwei der Tücher notdürftig um den Körper gewickelt hatte, um ihre Blöße zu verdecken.
Sie blickte in drei erstaunte Gesichter.
»Wie?«, hauchte Doktor Simhan fragend, während sich Doktor Paulsen die Hand auf ihren Mund presste, um nicht laut loszulachen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.