Kitabı oku: «Theorien der Sozialen Arbeit», sayfa 11

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Das natürlichste und naheliegendste Hemmnis für ein übermäßiges Bevölkerungswachstum scheint für Malthus darin zu bestehen, jedermann für seine eigenen Kinder sorgen zu lassen (vgl. a. a. O., 93). Malthus bezieht ausdrücklich die Kinder der Armen in seine Überlegungen mit ein. Seinen allgemeinen Thesen konsequent folgend, lehnt er auch die Unterstützung der Kinder in Not und Elend ab. Malthus befürchtet sogar, dass eine Versorgung der Kinder der Armen die Bevölkerungsvermehrung nur noch mehr anreizen würde. Wenn den Armen die Sorge um ihre Kinder genommen würde, so glaubt er, würden sie nur noch hemmungsloser weitere Kinder zeugen und die Bevölkerung noch stärker vermehren.

Die Wohltätigkeit privater Einrichtungen und Personen lässt Malthus jedoch zu. Die private Wohltätigkeit sei sowieso nicht auszurotten, meint er, und außerdem sei sie ethisch positiv zu bewerten, trotz ihrer fatalen Auswirkungen.

Von der zweiten, überarbeiteten Auflage seines Werkes an verlässt Malthus den Standpunkt des reinen „Laissez-faire“ seiner liberalen Theorie. Malthus schlägt stattdessen vor, die Diskrepanz zwischen dem Bevölkerungswachstum und den Nahrungsmittelressourcen dadurch auszugleichen, dass man der Vermehrung der Menschen bewusst Schranken setzt. Er fordert als Mittel gegen eine hemmungslose Bevölkerungsvermehrung, dass die Menschen sich sexuell enthalten, auf Geschlechtsverkehr verzichten und so jede Zeugung von Kindern ausschließen sollen. Moralische Zurückhaltung (moral restraint) soll damit an die Stelle einer öffentlichen Unterstützung der Armen treten. Sie ist für Malthus das wirksamste Mittel der Armenpflege. Insbesondere die Armen sollen die Eheschließung hinauszögern und nur sehr spät oder am besten gar nicht heiraten. Dadurch sollen der Geschlechtsverkehr und die Zeugung von Kindern unterbunden werden. Durch die Verschiebung seiner sexuellen Bedürfnisbefriedigung soll jeder Mensch dazu beitragen, die Armut zu beseitigen und die Menschheit überlebensfähig werden zu lassen. Sollten solche Präventivmaßnahmen, die dem moralischen Bewusstsein des Einzelnen anheimgestellt werden müssten, versagen, so bleiben als Alternative nach Malthus nur verhängnisvolle Unterdrückungsmaßnahmen. Der Mensch hat nur die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Die Bevölkerung, vor allem die Armen, müsste über die Wirkungen des Bevölkerungsgesetzes und die notwendige geschlechtliche Enthaltsamkeit (sittliche Disziplin) als präventiv mögliche Maßnahme, um Hunger und Not infolge Übervölkerung und mangelnder Nahrungsmittel zu verhindern, aufgeklärt werden.

In den weiteren Auflagen seines Essays betont Malthus immer stärker die Bedeutung des „moral restraint“ für die Verhinderung von Massenelend. Letztlich macht er jedoch immer wieder die Armen selbst für ihre Notsituation verantwortlich, weil sie sich nicht beherrschen könnten, häufig Geschlechtsverkehr hätten und Kinder zeugten. Das Elend trifft die Armen wegen dieser sittlichen Unbeherrschtheit – so sagt Malthus provokant – zu Recht.

6.6 Bedeutung für die Soziale Arbeit

Malthus löste mit seinen Thesen größte Empörung und massiven Widerspruch aus. Die „Malthus-Debatte“ dauert bis in die Gegenwart an (vgl. Dupâquier 1983; Eger 1985; Turner 1986; Brandenberger 2004; Doering 2005 u. a.). Stichworte dieser heftigen, bisweilen giftigen Debatte sind: malthusianische Falle, Bevölkerungsfalle, Verelendungswachstum, Geburtenüberschuss, Geburtenkontrolle, Grenzen des Wachstums, Hungersnot usw. Vielen erscheinen seine Thesen als überzeugender Beweis für die soziale Kälte und Unmenschlichkeit eines rein auf Nutzen ausgerichteten egoistischen Denkens, das für Kapitalisten typisch sei.

„Die Gegner von Malthus haben das Werk zum Teil offensichtlich nie in der Hand gehabt, und es gibt in der Neuzeit wohl keinen zweiten Gesellschaftstheoretiker, dessen Aussagen so verkürzt, einseitig und verfälscht worden sind“ (Eger 1985).

Malthus hat mit seinen pessimistischen und – im Grunde – sehr anspruchsvollen Thesen in jedem Fall eine intensive Auseinandersetzung über das Problem der Bevölkerungsvermehrung und die sozio- ökonomische Situation der Armen in der industriellen Gesellschaft und in der Welt erzwungen. Sehr ausführlich hat sich in der Tradition der Sozialen Arbeit Christian Jasper Klumker mit Malthus und seinen Thesen auseinandergesetzt (vgl. 2.3). Hans Scherpner (vgl. 3.2) hat sich in seinem Buch „Theorie der Fürsorge“ ebenfalls mit den Armutsthesen von Malthus befasst (vgl. Scherpner 1974, 114–118).

Das Bevölkerungsgesetz von Malthus hat sich im Sinne eines mathematisch exakten Gesetzes als Irrtum herausgestellt. Die Diskussion über das Bevölkerungswachstum in der Welt und fehlende Nahrungsmittelressourcen ist heute jedoch intensiver und existenzieller als in der Zeit, in der Malthus gelebt hat. Die Frage, ob Arme vom Staat unterstützt werden sollen und, wenn sie unterstützt werden sollen, in welcher Höhe diese Unterstützung geleistet werden soll beziehungsweise kann, gehört zu den umstrittensten sozialpolitischen Problemen in vielen Staaten der Welt, nicht nur in Deutschland. Unter der Überschrift „Stehplatz für Milliarden?“ hat Theo Sommer anlässlich der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 geschrieben, dass Malthus sich in der Begründung seiner Ideen zwar geirrt haben möge, das Problem aber richtig erkannt habe.

„Heute steht die Weltgemeinschaft unausweichlich vor der Frage, ob sie die Begrenzung der Erdbevölkerung Kriegen, Hungerkatastrophen und Plagen wie HIV/Aids überlassen will, oder ob sie lieber durch konsequente Familienplanung und Entwicklungspolitik versucht, dem Gebot demographischer Selbstbegrenzung zu folgen“ (Sommer 1994).

In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern wächst seit Jahrzehnten die Bevölkerung stark. Dank der verbesserten Gesundheitsversorgung und Ernährungslage leben die Menschen länger. Geringere Sterberaten und höhere Geburtenraten werden für wirtschaftliche Notstände verantwortlich gemacht. In manchen Ländern wie beispielsweise China wird mit den schon von Malthus empfohlenen Instrumenten dagegen vorgegangen: Geburtenkontrolle und Bildungsförderung in den unteren Gesellschaftsschichten.

Unter dem Namen von Malthus werden mitunter aber auch Auffassungen diskutiert, die Malthus selbst abgelehnt hat. So fordert der Neomalthusianismus beispielsweise, dass die Bevölkerungsvermehrung durch die Anwendung empfängnisverhütender Mittel und durch die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs eingeschränkt werden soll. Beides hat Malthus jedoch scharf abgelehnt; da folgt er als Pfarrer ganz und gar der Lehre seiner Kirche.

6.7 Literaturempfehlungen

„Hat Malthus doch recht gehabt?“ – Unter dieser Überschrift hat Gudrun Eger die Aktualität des ihrer Meinung nach bekanntesten Gesellschaftstheoretikers nach Marx reflektiert (Eger 1985). Angesichts der Bedeutung der von Malthus benannten und behandelten Probleme einerseits und der zumeist selektiv-verkürzten Rezeption seiner Ausführungen andererseits ist es angezeigt, seine beiden Hauptwerke selbst zu lesen. „An Essay on the Principle of Population“ (Malthus 1798) liegt auch in deutscher Übersetzung vor (Malthus 1977). Leider ist das Buch vergriffen und soll nach Auskunft des Verlages nicht wieder aufgelegt werden. Das zweite Hauptwerk „Principles of Political Economy: Considered with a View to their Practical Application“ (Malthus 1820) liegt als Reprint vor (VDM Verlag Dr. Müller 2006). Neuere Auseinandersetzungen mit den Theorien von Malthus sind vornehmlich im Kontext der Diskussionen über das Bevölkerungswachstum zu finden (vgl. Dupâquier 1983; Eger 1985; Turner 1986; Winkler 1996; Ferdinand 1999; Brandenberger 2004 u. a.).

7 Hütten der Liebe bauen

Johann Hinrich Wichern (1808 – 1881)


„Wicherns pädagogische, vor allem aber seine missionarischen und sozialpolitischen Ideen und Aktivitäten zogen über Hamburg hinaus Kreise und gaben 1848 auf dem Wittenberger Kirchentag den Anstoß zur Gründung der ‚Inneren Mission‘, dem Vorläufer alles dessen, was heute als Diakonie bekannt ist“ (Stiftung Das Rauhe Haus 2008).

7.1 Historischer Kontext

Wichern nimmt die soziale, wirtschaftliche und politische Umbruchssituation seiner Zeit, des 19. Jahrhunderts, aufmerksam wahr. In diesem Jahrhundert der Restauration und der Reformen ist die Bevölkerung in Europa zahlreichen Kriegen (z. B. Napoleons Feldzüge, Befreiungskriege, nationale Erhebungen, Bauernaufstände, Revolutionen, Deutsch-Französischer Krieg, Deutsch-Dänische Kriege u. a.) und deren brutaler Zerstörungsmaschinerie ausgesetzt. Die beginnende Industrialisierung hat darüber hinaus tief greifende Auswirkungen auf viele Bevölkerungsschichten; sie gefährdet durch neue Manufakturen und die ersten Industriebetriebe das Handwerk. Maschinen ersetzen Menschen, Menschen müssen effektiver als bisher arbeiten. Oft genügt auch das nicht, und Frauen und Kinder arbeiten mit, um das Nötigste zum Überleben zu haben. Durch die Bauernbefreiung kommt es zu Umwälzungen in der Landwirtschaft. Viele Landarbeiter suchen nach neuen Arbeitsstellen in den immer größer werdenden Städten. Auch die Handwerker sind von Arbeitslosigkeit durch die große Konkurrenz von Fabriken und Manufakturen bedroht. In den Städten kommt es zu einem Überangebot an Arbeitskräften und dadurch zu sinkenden Löhnen. Es entwickelt sich ein verarmtes Stadtproletariat. Die Arbeiter sind deklassiert und politisch sowie gesellschaftlich weitgehend rechtlos. Sie haben kaum soziale Absicherungen, und nur wenige Gesetze dienen den Arbeitern zum Schutz ihrer Gesundheit und ihres Lebens. Die traditionellen Strukturen der Großfamilie, also das Leben aller Generationen (auch der Knechte, Mägde und Tagelöhner) unter einem Dach, zerbrechen. Die Bevölkerung wächst zudem noch sprunghaft an, was die wirtschaftlichen und sozialen Probleme verstärkt.

Das Familienleben ist nicht intakt, die Menschen haben keine geregelte Arbeit, es fehlt an allgemeiner Bildung, die religiösen und kirchlichen Bindungen sind gerade bei den Armen zerbrochen. Not und Armut beherrschen vor allem die soziale Unterschicht. Wohnungsknappheit und schlechte Wohnverhältnisse, bei denen mehr als zehn Personen in einem Raum wohnen, sind in den Großstädten keine Seltenheit. Die Kinder fliehen aus der Enge auf die Straße. Es kommt zum Straßenkinderdasein mit den Begleiterscheinungen von Alkoholismus, Bettelei und Kleinkriminalität. Aus Not werden viele kriminell. Aus diesem Grund sitzen 1833 in Hamburg 250 Kinder im Gefängnis.

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es soziales Engagement für Arme und Verlassene ohne unmittelbare Motivation aus dem christlichen Glauben. Die Notwendigkeit vermehrter kirchlicher Fürsorge für die Armen und Verkommenen drängt sich aber in Deutschland den von der protestantischen Erweckungsbewegung erfassten Kreisen auf, die sich nach den Befreiungskriegen in größeren Städten und gewerbereichen Gegenden einer verarmten und gleichzeitig der Kirche entfremdeten Bevölkerung gegenübergestellt finden. Anregende Vorbilder gibt es in England und Schottland. Die Gründung von Rettungshäusern für die verwahrloste Jugend 1813 durch Johannes Daniel Falk in Weimar und 1816 durch Adalbert von der Recke-Volmerstein in Overdyk und Düsselthal sowie die Stiftung der Bildungsanstalt für Armenschullehrer 1820 auf Schloss Beuggen bei Basel sind die ersten bemerkenswerten Schritte auf diesem Weg im deutschsprachigen Raum.

Als Wichern geboren wird, ist Horn ein Dorf mit 600 Einwohnern, sechs Kilometer vor den Toren Hamburgs, das damals etwa 100.000 Einwohner hat. Der Senatssyndikus der Freien Hansestadt Hamburg, Karl Sieveking, besitzt hier ein Flurstück, zu dem auch eine Bauernkate gehört, die von alters her „Rauhes Haus“ genannt wird.

7.2 Biografischer Kontext

Johann Hinrich Wichern wird am 21. April 1808 in Hamburg geboren (vgl. Wichern 1958–1988; Martin 1981; Fahlbusch/Hollenstein 1998; Birnstein 2007; Niemeyer 2010 u. a.). Er ist das älteste von sieben Geschwistern einer gutbürgerlichen, christlichen Familie, die in einfachen Verhältnissen lebt. Sein Vater arbeitet sich vom Kontorschreiber zum Notar und Übersetzer empor. Wichern teilt mit seinem Vater die Liebe zur Musik und besucht ab 1814 eine Privatschule, in der nach der Pädagogik Pestalozzis unterrichtet wird. 1818 wechselt er auf das Johanneum, ein Gymnasium. Als sein Vater 1823 stirbt, muss der 15-jährige Wichern Geld für den Lebensunterhalt der Familie verdienen. Er gibt Nachhilfestunden, verlässt 1826 das Johanneum und wird Erzieher an einer privaten Internatsschule. Nebenbei belegt er Vorlesungen am Akademischen Gymnasium und holt schließlich das Abitur nach. Freunde aus der Erweckungsbewegung ermöglichen ihm, mit einem Stipendium Evangelische Theologie in Göttingen und Berlin zu studieren (1828–1831). Zu seinen Lehrern gehört in Berlin Friedrich Schleiermacher. In der Zeit seines Studiums begegnet Wichern Baron von Kottwitz, der die freiwillige Armenbeschäftigungsanstalt am Alexanderplatz in Berlin leitet, und Nikolaus Heinrich Julius, der eine Arbeit über die Reformen im Gefängniswesen verfasst hat. Bei einem Besuch in Halle lernt Wichern die von August H. Francke gegründeten Waisenanstalten kennen. 1832 beendet er sein Studium mit dem theologischen Examen.

Im Jahr 1832 übernimmt Wichern eine Stelle als Oberlehrer an der von Johann Gerhard Oncken und dem evangelisch-lutherischen Pfarrer Rautenberg initiierten Sonntagsschule in Hamburg-St. Georg. Wichern tritt auch einem Besuchsverein bei, der die Eltern der Sonntagsschulkinder zu Hause aufsucht. Durch diese Besuche lernt Wichern die Elendsquartiere in Hamburg kennen. Dabei erkennt er das Ausmaß der Verwahrlosung und beschließt den Bau eines „Rettungshauses“ in Hamburg. 1833 gründet er das „Rauhe Haus“ in Horn bei Hamburg, eine Anstalt „zur Rettung verwahrloster und schwer erziehbarer Kinder“. Die fünf- bis 18-jährigen Kinder leben in familienähnlichen Strukturen, jeweils zehn bis zwölf Kinder mit einem Betreuer (Bruder) zusammen, die Wichern ab 1839 intensiv ausbildet. Später verfügt das Haus auch über Werkstätten, einen Betsaal und eine eigene Druckerei. Im „Rauhen Haus“ hängt auch der erste Adventskranz, als dessen Erfinder Wichern gilt.

Seine erste Mitarbeiterin Amanda Böhme wird 1835 seine Frau. Acht Kinder gehen aus der Ehe hervor.

Am 22. September 1848 hält Wichern auf dem ersten evangelischen Kirchentag in Wittenberg, einer Versammlung zur Vereinigung der Landeskirchen, eine programmatische Rede zur Gründung des „Centralausschusses für die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche“, der sich am 11. November 1848 konstituiert. Aus dieser Organisation erwächst das heutige „Diakonische Werk“.

Ab 1842 wird in Berlin unter Friedrich Wilhelm IV. mit Ratschlägen von Wichern ein neues Mustergefängnis geplant und errichtet, welches 1849 als Preußisches Mustergefängnis Moabit eröffnet wird. Aufgrund der erfolgreichen Zusammenarbeit wird Wichern 1851 Beauftragter der preußischen Regierung für die Reform des Gefängniswesens. Sechs Jahre später geht er als „Vortragender Rat der Strafanstalten und des Armenwesens“ in den preußischen Staatsdienst mit dem Auftrag, als Direktor das Gefängnis Moabit zu reformieren. Zugleich wird er Mitglied des Evangelischen Oberkirchenamtes Berlin und zum Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin berufen. Bis 1872 ist Wichern Direktor des Mustergefängnisses Moabit. 1858 gründet er das Brüderhaus Johannesstift, in dem die Mitarbeiter für das Gefängniswesen ausgebildet werden sollen. Während der preußischen Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 kümmert Wichern sich um die Auswahl und Ausbildung von Felddiakonen für die diakonische Arbeit unter den kämpfenden Soldaten.

Wichern gibt trotz seiner Arbeit in Berlin nie ganz die Leitung des „Rauhen Hauses“ ab und kehrt 1872 nach Hamburg zurück. Schwer erkrankt wird er 1874 aus dem Staatsdienst entlassen. Am 7. April 1881 stirbt Wichern nach mehreren Schlaganfällen und langem Leiden in Hamburg-Hamm.

Wichern ist während seines ganzen Lebens intensiv als Redner und Autor tätig. Er gibt ab 1844 eine eigene soziale Zeitschrift mit dem Titel „Fliegende Blätter“ heraus und verfasst eine Vielzahl an Texten verschiedener literarischer Gattungen (Briefe, Berichte, Predigten, Vorträge, Artikel, Aufrufe, Vorlesungsreihen u. a.). Das Gesamtwerk von Wichern liegt in zwei Ausgaben vor; einmal in sechs Bänden als „Gesammelte Schriften“, herausgegeben von Johannes Wichern und Friedrich Mahling (1901–1908), sowie in zehn Bänden, herausgegeben von Peter Meinhold und Günther Brakelmann (1958–1988).

7.3 Forschungsgegenstand und -interesse

Als Sonntagsschullehrer lernt Wichern bei seinen Hausbesuchen die Not im Armenviertel der Hamburger Vorstadt St. Georg kennen. Die Menschen – besonders die Kinder – leben hier unter schlimmsten sozialen und hygienischen Bedingungen. Die Not dieser Menschen und vor allem das Elend der verwahrlosten und verlassenen Kinder berühren Wichern tief in seinem Innern und lassen ihn zeitlebens nicht mehr los. Er entscheidet sich dafür, dass diesen Menschen geholfen werden muss. Im Mittelpunkt seines Interesses stehen die „verwahrlosten Kinder“, die es zu retten gilt, indem man sie aus den städtischen Elendsverhältnissen herausführt und für ein christliches Leben erzieht. Sein Interesse beschränkt sich aber nicht nur auf die Erziehung einzelner Kinder. Wichern hofft, mit seinem Werk, das er im Namen Christi beginnt, „dem Staat wie der Kirche auf diesem Wege viele lebendige und gesunde Glieder entsenden zu können“ (Wichern 1958, 110). Vor allem anderen möchte er aber daran mitwirken, dass sich in allen Formen gesellschaftlichen Lebens das Reich Gottes verwirklicht.

7.4 Wissenschaftsverständnis

Der Theologe und Pädagoge Wichern erörtert 1845/46 ausführlich in seiner „Christlichen Erziehungs- und Unterrichtslehre“ das Verhältnis von Erziehung und Wissenschaft. Er bezeichnet die Erziehung „absichtlich zuvörderst als eine Kunst, um auszudrücken, dass sie ihrem letzten Grund nach etwas durchaus Praktisches (und Ideales) ist, wenigstens sich im Leben als solches erweist“ (vgl. Wichern 1975, 259 ff.). Das Wissen über Erziehung, in seinem Zusammenhang dargestellt, ergibt für Wichern eine Wissenschaft, die Erziehungslehre. Nach Wichern ist das Wissen über die Erziehung ein anderes Wissen als die Erziehung selbst. Die durch Erfahrung und Schrift erworbene Einsicht über das Erziehen und Erziehende wird zum Wissen über Erziehung, wo es sich über den ganzen Bereich desselben ausbreitet. Der Organismus solchen Wissens ist Wissenschaft und in diesem Falle Erziehungslehre. Das konstitutive Prinzip in ihr ist nicht der menschlichen Erfahrung entnommen, sondern die göttliche Weisheit selbst in Christo, die alle menschliche Erfahrung überragt, ein wahrhaft ideales Prinzip, durch dessen Zustimmung allein einem Gesetz oder Satz ein Ort in der christlichen Erziehungslehre zugeführt werden kann, wie jeder Satz und jedes Gesetz aus diesem Prinzip geflossen sein muss. Das Wissen über Erziehung ist das zur Klarheit gewordene und werdende Bewusstsein über die bezeichnete Tätigkeit (vgl. a. a. O., 263 f.).

Die Praxis wird nicht durch das Wissen begründet. Die Praxis ist für Wichern vielmehr „eine besondere eigentümliche Erweisung des göttlichen, uns in Christo mitgeteilten Geistes“. Die Praxis ist oft eher da als das Bewusstsein eines Wissens darüber. Ebenso wenig wird zuerst das Wissen durch die Praxis als solche begründet. „Das helle klare Wissen schöpft aus der Offenbarung und den durch sie bestimmten Verhältnissen und Erfahrungen des Lebens.“ Das richtige Verhältnis von Wissenschaft und Praxis ergibt sich nach Wichern allein aus der gegenseitigen, lebensvollen Beziehung beider aufeinander. Die göttliche Offenbarung ist das Prinzip christlicher Erziehungslehre (vgl. a. a. O., 265 f.).

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