Kitabı oku: «Schicksalhafter Kompromiss», sayfa 3

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Erst dann wurde sie der Frau hinter Patrik gewahr. „Wer ist diese Frau?“

„Das ist meine zukünftige Ehefrau, Angelique.“

Sofort fiel die Großmutter aus allen Wolken.

Währenddessen stand Angelique wortlos daneben. Sie ignorierte die alte Dame und erachtete es als nicht notwendig, dieser alten Dame zu gefallen oder sich mit ihr zu unterhalten. Gelangweilt stand sie da und entschuldigte sich damit, dass sie kein Deutsch spreche. Also dachte Großmutter, sie könne Patrik ungehindert Vorwürfe machen und Angelique beleidigen. Und so prasselten Großmutters Vorwürfe wie giftige Wurfgeschoße auf Angelique nieder.

„Mein Junge ist noch ein Kind. Sie könnten seine Mutter sein. Schämen Sie sich nicht? Was haben Sie sich dabei gedacht, meinen Jungen zu verführen? Was haben Sie mit ihm vor?“ Als keine Antwort kam, wandte sie sich Patrik zu, um ihm ins Gewissen zu reden.

„Du bist noch viel zu jung zum Heiraten. Das kann nur ein Scherz sein. Diese alte Frau könnte deine Mutter sein. Mit dieser alten Frau wirst du dein Glück nicht finden.“

Sie fixierte Angelique mit anklagenden Blicken. Sie hat ihn verführt. Sie ist schuld. Was will sie mit Patrik? Er ist doch nur ein Spielzeug für sie.

„Was hat die für einen teuren Fummel an? Und rauchen tut sie auch noch. Sie bläst das Geld unnötig beim Fenster hinaus, während unsereins nicht weiß, woher das Geld für das Nötigste nehmen. Und die da kleidet sich wie eine Prinzessin.“

Patrik wusste, wie wenig Geld seine Großmutter hatte und wie sparsam sie war. Jede Zahnpastatube, jedes Zuckersackerl wurde von ihr aufgeschnitten, damit ja kein Rest drinnen blieb.

Er wird hoffentlich bald erkennen, dass sie die falsche Frau ist, flüchtete sich Großmutter in tröstliche Gedanken.

Dass seine Großmutter so heftig reagieren würde, hatte Patrik nicht geahnt.

„Ist sie katholisch?“

„Ja, sie ist katholisch und sehr religiös. Sie liebt die Menschen und übt sich in Nächstenliebe“, log Patrik.

„Was arbeitet Angelique?“ Großmutter fragte dies, obwohl es ihr widerstrebte, eine berufstätige Frau vor sich zu haben. Ihrer Ansicht nach sollte eine Frau zuhause im Haushalt und bei den Kindern sein.

„Angelique arbeitet im sozialen Pflegebereich“, log er weiter während er Angelique heimlich amüsiert zuzwinkerte.

„Sie ist eine Schlampe“, jammerte Großmutter.

Als hätte der Papagei im Käfig auf sein Stichwort gewartet, schrie er „Schlampe“.

„Denk dran, dein Großvater war ein respektierter, angesehener Beamter. Er würde sich aus Scham im Grabe umdrehen, wenn er das wüsste“, redete sie Patrik ins Gewissen. „Sie ist nicht standesgemäß. Mit dieser Frau als Schwiegertochter muss ich mich schämen. Und du kannst dich nirgends zeigen mit ihr. Hoffentlich haben euch die Nachbarn nicht gesehen. Nicht auszudenken, wenn sie mich fragen würden, mit wem du hier warst.“

Dann fuhr sie fort: „Was für eine Schande. Wir sind bessere Leute. Und was soll ich sagen, wenn unsere Verwandten am Land fragen, was du machst. Ich kann ihnen doch nicht sagen, dass du eine alte Frau geheiratet hast. Alle im Dorf werden lachen über dich.“

Bald verabschiedeten sich Patrik und Angelique, während Patriks Großmutter ein Stoßgebet zum Himmel schickte. Herrgott, hilf. Frieda, du hast es dir leicht gemacht, bist einfach abgehauen und hast mir das ganze Schlamassel hinterlassen. Er ist genauso liederlich und leicht verführbar für alle sündhaften Reize wie du.

Angelique gab Großmutter mit ihrem süßesten, hinterlistigsten Lächeln die Hand. Du siehst mich nicht wieder.

Auf dem Heimweg ärgerte sich Angelique und verhöhnte seine Großmutter.

„Denk doch daran, dein Großvater war Beamter, wir verkehrten nur in besseren Kreisen“, äffte Angelique seine Großmutter nach, während Patrik die Augen empört verdrehte.

Hunderte Male hatte Patrik das schon gehört.

„Die hat einen Vogel im Hirn. Nur weil ihr Mann ein Beamter war, bildet sie sich ein, etwas Besseres zu sein. Sie glaubt, alle seien unter ihrer Würde, und dass sie deshalb alle beleidigen kann“, lästerte Angelique.

„Sie ist alt, lass sie doch“, verteidigte Patrik seine Großmutter.

„Sie ist unter deiner Würde. Wirf dein Leben nicht weg. Ich bete immer für dich, Patrik, dass du ein anständiges Leben führen sollst. In welchem Jahrhundert lebt diese alte Dame eigentlich?“

„Sie, als gläubige Frau, hat eben ihre Moralvorstellungen.“

„Sie verachtet mich. Sie lebt in einer bereits untergegangenen Welt. Die sieht mich nie wieder. Sie kennt die harten Gesetze der Straße nicht. Lieber würde sie ehrenvoll verhungern, als mit einem Mann für Geld zu schlafen“, beklagte sich Angelique entrüstet.

„Sie kennt es nicht anders“, versuchte Patrik Angelique zu beruhigen.

„Die hat einen Knall, du brauchst sie nicht zu entschuldigen.“

Das brauchst du mir nicht zu sagen. Das weiß ich sowieso, dachte Patrik. Ja, seine Großmutter war komisch. Sie war stolz und abgehoben. Patrik kannte die Eigenheiten seiner Großmutter am besten und schämte sich oft ihretwegen.

Als eingebildete, ehemalige Beamtengattin gab sie sich nur mit besser gestellten Menschen ab, als wären alle anderen, egal wie fleißig sie waren und wie viel sie sich erwirtschaftet hatten, unter ihrem Stand. Es schien, als hätte sie sich dieses Trostpflaster als Ausgleich für ihre unglückliche Ehe zurechtgelegt. Niemand wusste besser als Patrik, wie oft er wegen seiner Großmutter ausgelacht wurde. Er hatte sich wegen seiner Großmutter schon viele Hänseleien während der Schulzeit anhören müssen. Denn sie hatte ihn so verwöhnt und bis zur Schulzeit so kindisch mit ihm gesprochen, dass er vieles in der Schule nicht verstand und deswegen verhöhnt wurde. Zufolge ihrer Sparsamkeit kaufte sie ihm selten neue Hosen, so dass er mit viel zu kurzen Hosen und Hemden herumlief und auch deshalb ausgelacht wurde. Als Gattin eines Beamten glaubte seine Großmutter ob ihrer vermeintlichen Besserstellung alle Rechte zu haben. Am liebsten ließ sie sich vom Chef persönlich bedienen in den Geschäften, Lehrlinge waren unter ihrer Würde. Wenn sie Schuhe kaufen wollte, trug sie die Schuhe heim zum Probieren und als sie einmal die Schuhe nicht zeitgerecht zurückbrachte, griff der Schuster zu einem Trick und gab ihr nur immer einen Schuh zum Probieren mit nach Hause. Niemals hätte sie ein Brot oder sonstige Lebensmittel angefasst, die vorher von einem Mann angegriffen worden waren, da Männer mit denselben Händen ihre unreinen Körper-stellen anfassten. Jedes Holzstück für das Heizen im Ofen, das ihr Mann aus dem Keller holte, musste er vorher im Keller mit einer Bürste abbürsten.

Jedes Mal, wenn sie von der heiligen Messe heimkam, bürstete sie ihren Faltenrock aus und gab ihn in Truhe. Dann bürstete sie den alten Anzug, insbesondere die Nähte, ihres Gatten aus und hängte diesen in den Kasten. Sie verurteilte Frauen ohne Manieren, weiters Frauen, die Tischwäsche oder Geschirrtücher neben den Unterhosen an der Wäscheleine aufhängten. Dies war für sie obszön. Sie war eine hypochondrische Simulantin und eine eingebildete Kranke, die immer behauptete, Rheuma zu haben und deshalb immer mit eingebundenem Kopf und Händen herumging. Großmutter, hast du Kopfweh, hatte sie Patrik oft besorgt gefragt. „Nein, aber der Kopf könnte anfangen zum Wehtun“, hatte sie oft erwidert.

Nie hätte sie mit bloßer Hand ihre Kredenzgriffe oder Türklinken benützt, sondern hatte immer ein Geschirrtuch in der Hand, um sich ihre Hände nicht am kalten Griff zu verkühlen. Und abends nahm sie das Fernglas, besichtigte wichtigtuerisch die Himmelsgestirne, reimte sich allerlei Unheil bringende, künftige Vorkommnisse zusammen, um der Astrologie zu frönen.

„Was für eine Schande. Wir sind bessere Leute. Unsere Verwandten und alle im Dorf werden lachen über dich“, verhöhnte Angelique Patriks Großmutter wieder und riss Patrik aus seinen Gedanken.

„Ja, das war ihr sehr wichtig, dass alle in ihrem Heimatdorf am Land den Eindruck gewannen, sie hätte sich von ihrer Herkunft als einfaches Bauernmädchen verabschiedet, mit ihrer Heirat einen Glücksgriff gemacht und gehöre mit ihrem Beamtengatten der höheren Schicht an“, erwiderte Patrik.

Ja, Großmutter würde sich schämen vor ihren Verwandten im Dorf wegen ihrer alten, verwelkten Schwiegertochter mit ihrer vulgären Art.

Aber wie sehr sie und sein Großvater von ihren Verwandten verhöhnt und verlacht wurden im Dorf und er sich dafür schämte, wusste Großmutter nicht.

Jedes Mal, wenn er als Kind mit seinen Großeltern im Heimatdorf seiner Großmutter mit dem Bus ankam, wo sie zu Hochzeiten und Geburtstagsfeiern bei ihren Verwandten eingeladen waren, spielte sich Großmutter als Beamtengattin auf und Patrik schämte sich sowohl ihretwegen als auch wegen seines Großvaters.

Sobald sie im Dorf auftauchten, spotteten die Leute: „Die Städter mit ihrem Vogel sind wieder da.“ Und bald gab es ein Gelächter unter den Bauern. Mit ihrem Aufzug und ihrem Benehmen machten sie sich im Dorf lächerlich. Beide Großeltern waren immer in dieselbe altmodische Kleidung gekleidet. Sobald sie in ihrer altmodischen Kleidung und Schuhen, Hüten mit Federn, ins Dorf kamen, waren sie dem Gespött der Dorfbewohner ausgesetzt. Im Winter trugen sie ihre Jacken unterhalb ihrer Mäntel aus Angst, dass die Jacken derweil zuhause gestohlen werden könnten. Wenn Großmutter mit ihren Stöckelschuhen auf der Gasse in den Gatsch oder auf die Exkremente der Gänse, Hühner, Enten, Hunde stieg, wurde sie wütend und scheuchte alle Tiere weg.

Sowohl Großmutter als auch Großvater trugen in ihren Rucksäcken ihre wertvollsten Gegenstände und Barvermögen mit, aus Angst, zuhause ausgeraubt zu werden, und ließen diese Rucksäcke nie aus den Augen, damit sie nicht gestohlen werden konnten. Zuhause hatten sie vor ihrem Weggang alle Schränke verbarrikadiert, um einen eventuellen Dieb aufhalten zu können, bis er entdeckt werden würde. In der einen Hand trug Großvater den Käfig mit dem Papagei, in der anderen Hand eine Topfpflanze, da sie niemanden bitten konnten, den Papagei oder die Topfpflanze zu betreuen, weil ihre Bekannten alle unter ihrer Würde waren. Großvater sah mit seinem Schnauzer, seinen Hosenträgern, in seiner Hose mit einem eingesetzten Zwickel am Gesäßteil, seinen Ärmelschonern, Nickelbrille und zwei Hüten übereinander so komisch aus, als wirke er zusammen mit Charly Chaplin in einem Stummfilm aus längst vergangenen Zeiten mit.

„Sie ist verrückt und hochnäsig. Sie benimmt sich so, als wäre sie die Königin von England“, schimpfte Angelique wieder.

Als hätte sie wie bei einer Gedankenübertragung Patriks Gedanken erraten. Tatsächlich kannte er diese Bezeichnung für seine Großmutter von den Verwandten am Land. Heimlich musste er lächeln.

Sobald Patrik sich von seinen Großeltern entfernte und seine Großmutter außer Sicht- und Hörweite war, hörte er die Verwandten über sie lästern.

„Unsere Königin von England ist auch wieder hier. Die trägt ihre Nase so hoch, dass es bald hineinregnen wird.“

Wir leben nicht wie die Königin, sondern so arm wie eine Kirchenmaus, hätte Patrik gerne erwidert. Sie muss sparen und ist so knausrig. Und dennoch wollte sie jedem zeigen, dass sie eine Bessere wäre und was sie sich alles leisten könne. Beim Kauf dieses Kleides, das sie unbedingt zu dieser Feier haben wollte und es ihr zu teuer war, kniete sie sich vor der Verkäuferin mit bittenden Händen nieder: „Bitte, verkaufen Sie mir das Kleid billiger, ich muss es haben. Ich fahre auf das Land zu meinen Verwandten und muss Eindruck machen und gut aussehen. Ich habe dort reiche Verwandte und werde ihr Geschäft weiterempfehlen“, log sie. Patrik hatte sich so geschämt und wäre am liebsten unsichtbar geworden.

„Gleich wird sie wieder anfangen, sich mit ihrem Beamtengatten zu prahlen. Wenn sie auch sonst nichts spricht mit uns primitiven Bauern“, hörte Patrik die Verwandten lästern.

„Nur weil sie einen Beamten mit ihrer vorgetäuschten Schwangerschaft überrumpelt hat und ihr dieser auf den Leim ging, bildet sie sich ein, etwas Besseres zu sein. Wir Bauern sind ihr zu dumm. Dabei ist sie die Ärmste unter uns. Lebenslang geht sie mit demselben Hut, Mantel und Handschuhen und prahlt sich, obwohl sie arm wie eine Kirchenmaus ist und nur auf Miete in zwei Räumen haust. Sie hat nur das, was sie am Körper trägt. Ihre Briefe zu Ostern und Weihnachten schreibt sie aus lauter Sparsamkeit auf Zeitungsrändern und braunen Zuckersackerln. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.“

„Nie würde sie uns helfen. Arbeiten und sich dreckig machen hat die nie mögen, deshalb ist sie auch fortgegangen von hier“, höhnten andere Zuhörer.

„Was die für Ansprüche stellt. Hoffentlich ist unser Zimmer sauber und stinkt nicht vom Stallgeruch und vom Misthaufen, weil ich dann nicht schlafen kann. Wir möchten keine Läuse und Flöhe heimbringen. Mein Mann ist Beamter, er ist was Besseres gewohnt“, scherzten sie.

„Wir sollten den grünen Heinrich anrufen“, (in die Psychiatrie bringen lassen) lachte ein anderer.

„Ihr Erbteil, welches wir von unseren Feldern und dreckigen, stinkenden Ställen erarbeitet haben, hat sie schon von uns genommen. Das war ihr nicht zu schmutzig“, ätzte eine andere Verwandte.

Ein besonderes Erlebnis hörte Patrik jedes Mal, wenn er ins Dorf kam. Als Großmutter einmal nach langer Zeit ins Dorf kam und einen Rechen sah, fragte sie: „Was ist das für ein Ding?“ Sie stieg auf den Rechen, der schnellte hoch und schlug ihr auf den Kopf. Sie fürchtete, eine Beule am Kopf zu haben, weinte und schrie: „Oh du dummer Rechenstiel.“

Jedes Mal, wenn Großmutter im Dorf auftauchte, lachten die Leute im Dorf und erzählten diese Geschichte ihren Kindern und Enkelkindern.

„Diese neunmalgescheite Stadtdame ist grad so falsch und ein abgebrühtes Luder wie ihre Mutter es war. Ihre Mutter ist auch immer unter dem Vorwand, sie müsse ihre kaputte Nähmaschine in Ungarn reparieren lassen, nach Ungarn gegangen, wo sie einen Liebhaber hatte. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Die Tochter ist genauso mit allen Wassern gewaschen wie ihre Mutter. Keine andere Frau hat es geschafft, ohne Geld nach Amerika hin und zurückzufahren. Ihre Mutter schon. Als ein Besucher aus Amerika ins Dorf kam, hat sie sich an ihn rangeworfen, damit er sie nach Amerika mitnimmt. Er hat sich in sie verliebt, hat sie mitgenommen nach Amerika und hat ihr die Fahrt im Glauben an ein gemeinsames Leben bezahlt. Dort hat sie auch nicht arbeiten mögen und konnte ihm die Fahrtkosten nicht zurückzahlen. Das Heimweh hat sie geplagt. Dann hat sie sich in Amerika einen anderen Heimkehrer angelacht und ist mit ihm kostenlos heimgefahren, denn der hat auch ihre Fahrt bezahlt. Geheiratet hat sie keinen und keinem hat sie jemals die Fahrtkosten ersetzt“, höhnte eine andere Verwandte.

Von all dem Gespött auf ihre Person bekam Großmutter nichts mit. Als hätte sie ihre Rolle als Beamtengattin genau einstudiert, ging vor jeder Feier das Gezeter um einen geeigneten Sitzplatz los. Wo sollen wir sitzen? Zum einen war ihr nicht jeder Sitznachbar genehm, zum anderen war zu viel Zugluft am Platz, beim Fenster stank es vom Kuhstall her, sodass sie fast keinen geeigneten Sitzplatz finden konnte. Niemals wäre sie an der Seite ihrer Schwester Anna gesessen, mit der sie wegen des Erbteils zerstritten war.

Jahrelang waren sie sich deswegen ausgewichen und als sie sich nach Jahren einmal bei einem Krankenbesuch eines Verwandten im Spital wieder trafen, erkannten sie sich nicht. Wenn dann ein geeigneter Sitzplatz gefunden war, saß seine Großmutter als Einzige beim Essen mit Hut wie eine Generalin da, um ihre vermeintliche Besserstellung als Beamtengattin und als Städterin darzutun. Wenn sie auch sonst nicht sprach mit den primitiven Leuten, wie sie die Bauern stets bezeichnete, aber dass ihr Mann ein Beamter wäre, erzählte sie jedem bis zum Kleinkind. „Mein Mann ist Beamter, er kann als Einziger unter seinen Kollegen mit der Schreibmaschine mit allen zehn Fingern schreiben, deswegen halten ihn seine Kollegen immer in den Wirtshäusern zehrungsfrei“, prahlte sie stets.

Listig fragten die Bauern, wo denn Patriks Eltern wären und beobachteten schadenfroh, wie rot und verlegen sie wurde.

Um das Fehlen von Patriks Eltern zu beschönigen, erklärte sie eindrucksvoll, dass Patriks Vater Schiffskapitän wäre. „Er ist nicht viel zuhause. Leider ist Patriks Mutter auch verreist, sodass heute niemand mitkommen konnte“, log sie, um Eindruck zu schinden.

Die Verwandten lästerten: „Wer weiß, wo seine Mutter umeinander liantscht (haust) und wer weiß ob sie weiß, wer Patriks Vater ist. Vielleicht ist er bali gegangen (abgehauen).“

Sogleich begann Großmutter am Tisch vor sich Platz zu schaffen, damit die Speisen vor ihr hingestellt werden konnten. Dann befehligte sie die Aufträgerinnen gebieterisch, die Speisen vor ihr hinzustellen. „Die haben keinen Respekt vor uns. Denen musst du alles sagen“, erzürnte sie sich zu Großvater.

Kaum war das Essen auf dem Tisch, entrüstete sie sich zu ihrem Mann. „Es sind so viele Fliegen und Gelsen im Raum und auf dem Essen. Im Zimmer waren abends auch so viele, so dass ich nicht schlafen konnte. Das ist unter unserem Niveau.“

Dann beklagte sie sich, das schmackhafte Essen vor sich: „Mein empfindlicher Magen kann die fetten Speisen, mit Schmalz zubereitet, nicht vertragen. Ich werde wieder Sodbrennen bekommen und vom Zwiebel im Kartoffelsalat Kopfweh bekommen“, obwohl sie aß wie ein Drescher und die Leute sie auslachten. Kurz darauf mokierte sie sich darüber, dass das Geschirr nach Abwaschwasser stinke. „Kein Wunder, sie sind noch so rückständig und waschen das Geschirr mit Waschln aus alten Baumwollunterhosen ab“, erklärte sie wütend. Und als beim Essen gekochte Dörrpflaumen als Kompott gereicht wurden, vertraute sie Patrik bedauernd an, dass diese Dörrpflaumen nicht mit dem silbernen Löffel ins Glas gegeben wurden, so wie sie es bei der Zubereitung des Kompottes immer tat.

Als geladene Gäste bei Familienfesten aßen und tranken sie mit einer am Hals eingeklemmten Serviette übermäßig viel, so dass es jedem auffiel. Außerdem hatte seine Großmutter ständig ein Nylonsackerl bei sich, worin sie Essen ins Tascherl verschwinden ließ. „Die Wiener fangen wieder zu hamstern an“, schrie einmal ein Betrunkener, der alles beobachtet hatte. Bald lachten die Verwandten: „Habt ihr gesehen, wie viel die am Tisch gegessen haben. Gefressen haben die wie die Drescher, als hätten sie schon acht Tage lang nichts gegessen. Und wieder werden wir wie immer das restliche Essen einpacken müssen und den armen Schluckern mitgeben müssen, obwohl die angesehene Beamtengattin in ihrem Tascherl etliche Speisen und Krapfen schon verschwinden hat lassen.“

Um Eindruck zu schinden und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, prahlte Großmutter laut, dass sie am Opernball in Wien gewesen wären.

Dann haben sie ein halbes Jahr vorher nur Kartoffel gegessen, um sich das leisten zu können, hörte Patrik jemanden sagen. Sie haben es zu nichts gebracht und sind die ärmsten Leute unter uns. Aber angeben wie die Grafen. „Dass sie ab Monatsmitte nur mehr eingebrannte Linsen essen, weil sie kein Geld mehr haben, sagt sie nicht. Dabei sagt sie, dass sie sich für uns schämen muss. Wir müssen uns für sie schämen.“

Um so einen Besuch brauchst nicht ruiseln (Sehnsucht haben) hörte Patrik, während sein Gesicht blutrot vor Scham anlief.

Während Patrik und Angelique damals nach dem Besuch bei Großmutter nebeneinander schlenderten, war Patrik sehr schweigsam. Warum soll ich dir von Großmutters Macken erzählen? Das würde nichts ändern. Trotz ihrer Hirngespinste liebte er seine Großmutter wie eine Heilige, so wie sie ihn abgöttisch liebte. Keine andere Frau hatte je den Stellenwert, den seine Großmutter hatte.

Damals hatte Patrik beschlossen, mit Angelique nie wieder seine Großmutter zu besuchen. Wie zum Trotz hatten Patrik und Angelique geheiratet, als hätten sie sich gegen Patriks Großmutter verschworen. Die Welt ständig schön getrunken, geblendet vom täglichen Geldrausch lobte Patrik bald Angeliques einzigartige Schönheit und Geschäftstüchtigkeit, sodass sie bald glaubte, sie sei durch ihn eine besonders begehrenswerte Frau geworden.

Das Rotlichtmilieu war Patriks wirkliche Heimat geworden. Hier ging sein Stern auf und seine Leuchtkraft strahlte im zwielichtigen Dunstkreis dieser niederträchtigen Scheinwelt. Hier regierten zweifelhafte, gierige, geile Typen der Unterwelt, mit ihren eigenen, selbst geschaffenen Gesetzen, erhaben über jede Weltordnung vor der Tür, denen Patrik ebenbürtig sein wollte. Sie waren Herrscher in ihrem eigenen Reich. Einmischung und Widerspruch wurde nicht geduldet. Patrik bewunderte ihre unantastbare Autorität. Er sah, wie sie geliebt, verehrt und zugleich gefürchtet wurden von den unterknechteten, dienenden, ausgebeuteten, meist weiblichen Lakaien.

Wie gerne hätte er an ihrer Stelle jeden Tag das Geld als seines gezählt und das Schwarzgeld sichergestellt.

Und dennoch traten bald dunkle Schatten in Patriks Leben auf. Immer öfters machte Patrik betrunken Ärger, wenn er beim Spiel viel Geld verlor.

An einem Donnerstagabend, als er wieder einmal von den Schlägertrupps des Rotlichtmilieus zusammengeschlagen, nackt, blutend im Straßengraben mit blauen Flecken übersät lag, dann langsam voller Schmerzen heimhumpelte, überlegte er verbittert, sein aufreibendes, kriminelles Leben in der Stadt zu beenden und ein ruhiges Leben mit Angelique auf dem Land zu führen. Vielleicht würden sich die Kameraden im Dorf wieder freuen, wenn er sie wieder besuchen würde. Sie könnten die alten Erinnerungen und Bubenstücke wieder auffrischen.

Großvater mit seiner Besserwisserei und Großmutter mit ihrer unleidlichen Überheblichkeit, Angeberei und Überfürsorglichkeit beschämten ihn und machten ihn anfangs zum Außenseiter, sodass er gemieden und ausgelacht wurde von den Dorfbuben. Deshalb war er oft böse auf seine Großeltern.

Eigentlich durfte er zufolge des Verbotes seiner Großmutter nicht mit den dummen Bauernlümmeln beisammen sein.

Sobald sich neugierige Bauernkinder, Kleinkinder, von älteren Geschwistern am Rücken getragen, mit ausgewetzten, geflickten Schürzen und Schuhen ihm näherten und hinter vorgehaltener Hand kicherten, stieß Großmutter sie hochnäsig weg. „Geht weg ihr stinkenden Bauernkinder. Wir sind aus der Stadt. Wir sind was Besseres. Ihr stinkt vom Misthaufen, von der Jauche und vom Stall. Unser Patrik ist vornehm und gebildet. Er darf nicht spielen mit euch. Wir wollen mit euch nichts zu tun haben.“

Im nächsten Moment betrachtete er seine Narbe an der Hand, die er den Dorfbuben zu verdanken hatte.

Plötzlich breiteten sich seine schlimmen Erinnerungen mit den Buben ungehindert aus, welche wie ein Brandmal an ihm hafteten. Unweigerlich musste er daran denken, wie ausgelacht und verhöhnt seine Großeltern und er von den Buben, den Dorfleuten und ihren Verwandten wurden. Nicht genug, dass er oft von den Buben wegen seiner Großeltern gehänselt wurde, wurde er oft auch als Sündenbock und Bauernopfer missbraucht. Patrik war es äußerst peinlich, wenn seine Großmutter ihn als Grund dafür vorschob, Forderungen an ihre Verwandten zu stellen. „Unser Patrik ist was Besseres. Er ist es nicht gewohnt, in einem Federnbett zu schlafen. Das Brot essen wir nur vom Bäcker. Die Eier, das Fleisch und die Milch müssen gekauft werden, denn von den dreckigen, stinkenden Ställen essen wir keine Produkte. Dass wir die Notdurft im von Hühnern verdreckten Abort im Freien verrichten müssen, ist eine Zumutung für uns“, erklärte sie vor ihren Verwandten.

Wenn Patrik hinfiel, sich seine Knie aufschürfte, glich dies einem Weltuntergang. „Der arme Bub hat sich verletzt und schuld dran seid nur ihr, weil ihr ihn verführt habt. Es hätte viel schlimmer ausgehen können, er hätte tot sein können“, schimpfte sie die Dorfbuben.

„Diese Bauernkinder sind rückständig und zu gewöhnlich für dich. Du brauchst dich nicht abgeben mit ihnen“, belehrte sie Patrik vor den anwesenden Buben.

Die Buben äfften seine Großmutter nach. „Deine Großmutter tut so, als wärest du ein Prinz.“

Ebenso durfte Patrik nie auf einen Baum klettern, da seine Großmutter Angst hatte, er könne sich verletzen. Als Vorsorge musste er immer, bei jeder Hitze, lange Hosen über seine kurze Lederhose und lange Hemden tragen.

Die Eltern der Bauernkinder hitzten (hetzten) ihre Kinder gegen Patrik auf. „Zeigt es dem verwöhnten Städter, dass die Bauernbuben stärker sind. Seine Großmutter hält ihm immer die Stange (nimmt ihn in Schutz). Der hat eh nur eine große Goschen, sonst ist er feig, er traut sich nichts. Verpasst ihm eine Abreibung. Ihr seid viel stärker“, stachelten sie ihre Buben an. Dann lachten die Buben über ihn: „Du bist ein wehleidiges Weichei, du Städter traust dich nichts, du tust nur groß reden. Und deine Großeltern sind erst komische Vögel. Die gehören ausgestopft und im Museum ausgestellt. Und dabei bilden sie sich noch ein, sie seien etwas Besseres wie wir.“

Immer, wenn die Buben etwas angestellt hatten, machten sie Patrik zum Sündenbock. Nie konnte er sich sicher sein, ob sie ihn nur deshalb mitnahmen, um ihn als den Schuldigen und als ihr Bauernopfer zu missbrauchen. So kam es vor, dass sie ihn nach einer Missetat in die Selch oder in den Abort von Bauern einsperrten, wobei er jedes Mal durch dessen Hund verraten wurde. Und wenn die Bauern ihn im Versteck fanden, verfolgten sie Patrik mit der Mistgabel und die Buben lachten.

Oder sie stellten eine Leiter an die Obstbäume und zogen diese weg, wenn er auf dem Baum war, liefen fort, sodass ihn die Besitzer beim Stehlen erwischten und ihre Hunde auf ihn hetzten. Versteckt beobachteten sie ihn, wenn er in ein Dornengebüsch sprang, sich verletzte, um zu fliehen.

Patrik wollte dazugehören und mit den Buben auch Spaß haben. Und so bemühte er sich, ihnen zu gefallen, um sie als Freunde zu gewinnen. Sobald die Luft rein war, lockte er die Buben in das Haus seiner verkalkten Urgroßmutter, um sie zusammen mit den Buben zum Narren zu halten.

Meist saß seine Urgroßmutter im schönsten Gewand beim Fernsehen. „Warum haben Sie sich so schön angezogen?“, fragten die Buben, worauf sie antwortete: „Die da drinnen im Fernsehen sind auch alle schön angezogen. Sie schauen auch immer auf mich, ob ich ordentlich angezogen bin.“ Oder Patriks Urgroßmutter fragte die Buben: „Ist das alles wahr, was im Fernsehen zu sehen ist?“ Ein anderes Mal fragte sie entrüstet, warum beim Fußballmatch nur ein Ball im Spielfeld wäre und alle Spieler nur dem einen Ball nachlaufen würden, sie sollten doch mehr Bälle ins Feld werfen, sodass alle lachten.

Dann erzählte Patriks Urgroßmutter, dass sie schon überall gewesen sei, in Amerika-Bergen und auch sonst überall in der Welt. Als sie dann gefragt wurde, ob sie auch schon im Esels-Berg gewesen wäre, antwortete sie: „Ja, ja, dort war ich auch schon.“

Wenn sie ihre kleine Rente vom Briefträger ausbezahlt bekam, war es immer ein lustiges Theater für die Buben. Wenn sie einen lichten Moment hatte und der Briefträger ihr die Rente auszahlte, so jammerte sie ihm vor, das könne nicht wahr sein, dass sie nicht mehr Rente bekomme, ihre Nachbarin habe auch nicht mehr gearbeitet als sie und würde mehr bekommen. Da stimme etwas nicht, er müsse sich irren. Der Briefträger erklärte geduldig, er könne nicht mehr auszahlen, als auf dem Pensionsabschnitt stehe. Sie erwiderte: „Wozu habe ich so viel gearbeitet und mich so geschunden?“ Das Leben sei ein Kampf, jetzt sei auch noch ihr lieber Mann verstorben. Und so ging es eine Weile hin und her. Bis der Briefträger, ein im Krieg verschütteter Stotterer, entrüstet stotterte: „Hast dein Oltn (Mann) schon unter die Erd’ bracht, möchst mich auch dorthin bringen?“

Patrik wurde erst nach einer Mutprobe als ihr Freund aufgenommen. Dass die Buben vorher beschlossen hatten, ihm quasi als Aufnahmsprüfung eine Mutprobe aufzuerlegen und ihn erst nach Bestehen dieser Prüfung als Freund aufnehmen würden, wusste er nicht.

Meist am Sonntagnachmittag trafen sich die älteren Frauen, welche im Dorf verächtlich die Kopftuchmafia genannt wurde, nach dem Rosenkranzbeten. Die Frauen waren mit ein paar Kitteln übereinander bekleidet. Sie trugen keine Unterhosen und saßen auf einer Bank neben der Kapelle etwas außerhalb des Dorfes.

Es hatte sich im Dorf unter den betrunkenen Männern im Gasthaus herumgesprochen, dass diese Weiber einen obszönen Diskurs führen würden, was die Buben gehört hatten. Vor der Kapelle machten die Frauen ein Knickserl und das Kreuzzeichen und sogleich fing ein paar Schritte weiter auf der Bank der Tratsch und die Verurteilung der Dorfleute, wie bei einem öffentlichen Tribunal, statt. „Die Kopftuchmafia tagt schon wieder, um andere Leute auszurichten und von der eigenen Schande abzulenken“, lachten ihre Gegner im Dorf.

Unweit dieser Bank befand sich ein Schacht, darüber ein Gitter. Das Gitter hoben die Buben vor dem Eintreffen der Frauen hoch und krochen in den Schacht, um die Weiber zu belauschen. In diesem dunklen Schacht voller Ungeziefer, Mäuse und Ratten hischalten (fröstelten) die Buben lauernd zusammengekauert, um den Tratsch und sonstige Geheimnisse zwischen Eheleuten, einer geheimen Aufklärung gleich, zu erhaschen.

Und so erzählten die Tratschweiber als enge Vertraute einander lüsterne Geheimnisse, wobei jede der Zuhörerinnen versprechen musste, kein Sterbenswörtchen zu verraten, nicht wissend, dass sie jugendliche Zuhörer im Schacht hatten. Im Normalfall hätten sie nie vor Buben und Mädchen einen solchen obszönen Diskurs geführt, sondern die Kinder immer vorher verjagt. Die eine erzählte, dass die Pfarrersköchin, im Gegenteil zu ihnen, Unterhosen trage und wahrscheinlich jeden Tag wechsle, da sie dies an der aufgehängten Wäsche abzählen könne. Die andere erzählte, dass sie befürchtete, ein Rauschkind auf die Welt zu bringen, denn wenn ihr Mann auch noch so betrunken sei und demzufolge den Kopf kaum in die Höhe brachte, aber unten immer noch tüchtig wäre.

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