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Hochzeit in Böhmen


Tschechoslowakischer Ausweis für Hans Morandell: Ausgestellt auf den Namen Jan Moravec.

Die tschechoslowakische Staatssicherheit StB wirbt Anfang der 1950er-Jahre insgesamt elf namentlich bekannte junge Südtiroler an, darunter in einer Schlüsselposition einen SVP-Mitarbeiter sowie einen Neffen von Kanonikus Michael Gamper. Zwischen Bozen, Rom, Innsbruck und Wien entsteht ein Informantennetz, das jahrelang Militärspionage für den Ostblock betreibt. Gleichzeitig geraten die Beteiligten aber auch ins Visier des italienischen Geheimdienstes. Ein junger Bozner landet am Ende gar für acht Jahre in einem Prager Gefängnis.

Der Brief aus Brno, der in der ehemaligen Tschechoslowakei (ČSR) liegenden Stadt Brünn mit hauptsächlich deutschsprachiger Bevölkerung, trägt das Datum 4. Dezember 1948. Kurz gefasst auf einer Schreibmaschinenseite wird mit diesem Schreiben ein Informant für den tschechoslowakischen Geheimdienst „Státní bezpečnost“ (StB) angeworben. Der Briefschreiber kommt in einem etwas ungelenken Deutsch direkt zur Sache:

Ich erfuhr von einem Freund, mit dem ich in Verbindung stehe, über Ihren Aufenthalt in der ČSR u. über Ihren jetzigen Aufenthalt in Linz.

Falls Sie nicht voll beschäftig sind, erlaube ich Ihnen eine erträgliche Beschäftigung anzubieten. Es sind mir über Ihre Person gewisse Einzelheiten bekannt, sind jedoch nicht ausreichend, damit ich über unsere Geschäftsverbindung unmittelbar handeln könne.

Ich bitte mir mitzuteilen, ob Sie Ihre jetzige Beschäftigung voll ausnützt u. ob Sie die Möglichkeit haben, von Zeit zu Zeit eine Reise zu uns zu unternehmen. Legal oder illegal.

Falls Sie beabsichtigen mein Angebot anzunehmen, ist unseres persönliches Zusammentreffen unbedingt erforderlich.

Junger Hans Morandell oder Giovanni Sostero: Sekretär der SVP Bozen.


Eltern Hedwig Morandell und Licurgo Sostero: Vater verschwindet aus Südtirol.

Es ist selbstverständlich, daß ich alle mit Ihrer Reise nach ČSR zusammenstehenden Auslagen u. Reisekosten ersetzen werde. Wenn Sie sich um mein Angebot ernst interessieren, bitte ich Sie um eine postwendende Antwort, in der Sie mir auch Ihren, kurzen Lebenslauf mitteilen wollen.

Ich erwarte, daß Sie diese außerordentliche Gelegenheit, die Ihnen angeboten wird, ausnützen. Ich ersuche Sie jedoch um eine rechtzeitige Antwort die ich bis zum 12.12.1948 erwarte.

Ich bitte Sie dieses geschäftliche Schreiben als vertraulich zu halten.1

Für die Rückantwort gibt der Briefschreiber eine Deckidentität in Brünn an: „Karel Vlasaty, Zábrdovice 21, Brno, Arbeiterjournalist“. Noch vor Weihnachten 1948 trudelt dort ein Brief auf Tschechisch aus Innsbruck und am 6. Jänner 1949 dann ein weiteres Schreiben aus Bozen ein. Der Absender der beiden Briefe: Hans Morandell, Venedigerstraße 37, Bozen.

Hans Morandell, der zu diesem Zeitpunkt in Innsbruck studiert und dort unter der Woche bei einem Onkel wohnt, erklärt in dem handschriftlichen Brief, dass er bewusst aus Italien schreibe. Der Grund: In Südtirol gibt es im Gegensatz zum damals noch französisch besetzten Nordtirol keine Briefzensur. Denn der Inhalt des Briefes, den der damals 24-jährige Südtiroler schreibt, ist durchaus brisant. Hans Morandell zeigt sich am Angebot aus Brünn nämlich sehr interessiert.

Ich schreibe Ihnen, um Ihnen mitzuteilen, dass ich bereit bin zur persönlichen Verhandlung unseres Geschäftes zu Ihnen zu kommen. Ich muss Ihnen aber auch mitteilen, dass ich ohne Ihre Hilfe eine Reise in die ČSR nicht durchführen kann, weil die Beschaffung eines Visums Ihres Landes mit beträchtlichen finanziellen Auslagen verbunden ist, für welche ich im Augenblick leider nicht aufkommen kann. […] Es wäre natürlich angenehm zu erfahren, was für eine Art erträglicher Beschäftigung Sie mir anbieten möchten. Auf jeden Fall interessiert mich ihr Angebot außerordentlich, weil mir die von ihnen vorgeschlagenen Geschäftsreisen Gelegenheit geben würden meine Freunde und Freundinnen in der ČSR aufzusuchen.2

Rund vier Wochen später ist es dann soweit. Hans Morandell kommt am Abend des 3. Februar mit dem Zug nach Unterretzbach in Niederösterreich und überschreitet dort illegal die grüne Grenze in die Tschechoslowakei. Am Bahnhof von Šatov wird er abgeholt und in das Hotel Drei Kronen (U tri Korun) in Znojmo gebracht. Dort in Zimmer Nr. 17 wird der junge Bozner als Agent der wenige Monate zuvor aus der Taufe gehobenen neuen tschechoslowakischen Staatssicherheit StB angeworben. Drei Tage lange wird Hans Morandell von Männern des tschechoslowakischen Geheimdienstes im Hotel verhört und in seine neuen Aufgaben eingewiesen. Als er in den frühen Morgenstunden des 6. Februar 1949 auf demselben Weg über die grüne Grenze nach Österreich zurückkehrt, hat Morandell nicht nur 1.400 Kronen und 700 Schilling in der Tasche, sondern er hat auch eine handschriftliche Verpflichtungserklärung unterzeichnet.3 Hans Morandell erhält in der StB-Registratur den Decknamen „Korsičan“, was soviel wie „der Korse“ heißt. Geführt wird der junge Bozner Agent von Anfang als „duverník resident“, als ein Informant oder Agent, der ein ausländisches Netzwerk leitet. Genau das sollte auch die Aufgabe von Morandell sein. Er beginnt mit dem Aufbau eines Agentennetzes für den StB, an dem in Italien und in Österreich weit über ein Dutzend Agenten, Informanten und Zuträger hängen. Der Großteil von ihnen sind Südtiroler und Südtirolerinnen.

StB-Agent Hans Morandell alias „Korsičan“ (im Uhrzeigersinn): Als Balilla (faschistische Jugendorganisation) mit Mutter; in der Hitlerjugend; in der Uniform der deutschen Reichsbahn (Bologna 1944) und mit seinem ersten Auto.

Gut sieben Jahre lang arbeitet das Netzwerk für den ČSR-Geheimdienst und liefert vor allem militärische Informationen aus Österreich, Italien, Holland, Skandinavien, Spanien, Griechenland, der Türkei und sogar aus Chile. Schon bald wird das Südtiroler Netz jedoch vom italienischen Militärgeheimdienst „Servizio Informazioni Forze Armate“ (SIFAR) unterwandert und einige der StB-Zuträger beginnen für die Nachrichtendienste gleich mehrerer Länder zu arbeiten. Für einen von ihnen endet dieses Doppelspiel in einem Prager Gefängnis, wo er acht Jahre lang einsitzen wird.

Die Arbeit der StB-Agenten in und um Südtirol ist bisher ein völlig unbekanntes Kapitel der Südtiroler Zeitgeschichte. Es ist eine Geschichte, in der sich auch einige bekannte Namen finden und einige Gestalten, die uns an unterschiedlichen Schauplätzen noch durch dieses Buch begleiten werden.

Der Sekretär von Friedl Volgger

Hans Morandell ist eine Figur, die für die Welt der Geheimdienste wie geschaffen scheint. Das beginnt bereits bei seinen Namen. „Als Kind hat mich beeindruckt, dass er im Laufe der Zeit seinen Vornamen gewechselt hat“, erinnert sich sein Enkel, der Wiener Journalist und Historiker Marco Sostero im Gespräch mit dem Autor. „Eine Zeitlang mussten wir ihn Hans nennen und dann plötzlich nur mehr Giovanni.“ In den 1980er-Jahren schreibt er seinem Sohn Marc einen Brief, in dem er offiziell erklärt, endlich den ihm „verhassten Namen Johann“ abgelegt zu haben. Er möchte ab sofort nur mehr Hans Georg genannt werden.4

Aus den Akten des StB und des italienischen Innenministeriums, aber vor allem aus den Erinnerungen seiner Familie lässt sich der Lebenslauf des Südtiroler StB-Agenten nachzeichnen. Giovanni (Hans) Morandell wird am 25. Februar 1925 in Bozen als Sohn von Licurgo Sostero und der Schneiderin Hedwig Morandell geboren. Die Mutter stammt aus einer Weinbauernfamilie aus Kaltern, der Vater ist ein Angehöriger des italienischen Heeres. Licurgo Sostero erkennt seinen Sohn aber lange nicht an und vor allem verschwindet er schon bald nach der Geburt aus Südtirol. Die Mutter tut sich später mit Pino Ruffino zusammen, der die Zollwache in Innichen leitet. Hedwig Morandell selbst führt jahrelang das Hutfachgeschäft Elite in der Bozner Silbergasse. Hans Morandell erleidet das Schicksal, das damals den meisten unehelichen Kindern in Südtirol blüht: Die Mutter muss arbeiten und er wächst bei einer Art Pflegfamilie auf, in seinem Fall bei einer Familie auf dem Ritten. Nach der Grundschule besucht er in Bozen das „Istituto Tecnico Governativo Commerciale e per Geometri Cesare Battisti“ und macht dort auch sein Abitur.

Auffällig ist, dass Hans Morandell seit seiner Jugend fast schon natürlich zwei Identitäten lebt. Weil die Eltern nicht verheiratet sind, trägt er zuerst den Namen der Mutter, nimmt dann aber, kaum volljährig, den Namen des Vaters an, zumindest zeitweilig. So etwa wird der Mann in den Akten der Bozner Quästur und des italienischen Innenministeriums noch im Sommer 1968 als Giovanni Sostero geführt.5 Damit wird klar, dass der Südtiroler StB-Agent jahrelang in Österreich als Hans Morandell auftrat, während er in Italien als Giovanni Sostero agierte. Dazu kommen im Laufe der Jahre noch weitere Aliasnamen, unter denen er operiert. Vereinfachend soll der Mann hier Hans Morandell genannt werden.

Morandell spricht und schreibt drei Sprachen perfekt: Deutsch, Italienisch und Englisch. Darüber hinaus spricht er Französisch und im Laufe seines Lebens kommen noch mindestens drei weitere Sprachen hinzu.

1944 wird Hans Morandell eingezogen und zur Deutschen Reichsbahn in Italien versetzt. Er ist in Bologna stationiert. Laut eigenem Lebenslauf arbeitet er ab April 1945 in Italien als Dolmetscher für die Engländer und Amerikaner. Doch schon bald erhält der junge Mann einen besonders interessanten Job. 1946 befindet sich die Südtiroler Volkspartei (SVP) organisatorisch noch im Aufbau. Über Friedl Volgger kommt Hans Morandell zur SVP. Dort übernimmt er als Verwaltungssekretär den SVP-Bezirk Bozen und arbeitet zwischen 1946 und 1948 für die Volkspartei. In dieser Funktion wird Hans Morandell dann auch indirekt Gegenstand einer öffentlichen Polemik. Im Spätsommer 1947 greift die Bozner Tageszeitung „Alto Adige“ in einer Artikelserie mehrmals die SVP scharf an. Vor allem Leo Sofisti, der später in den überregionalen Tageszeitungen „Corriere della Sera“ und „Il Giornale“ die rechte Hand des berühmten Journalisten Indro Montanelli werden wird, veröffentlicht in mehreren Artikeln vermeintliche Interna aus der Volkspartei. So schreibt Sofisti am 9. Oktober 1947 u. a. über die verdächtigen Kontakte und Reisen von Friedl Volgger nach Jugoslawien und behauptet in diesem Artikel, „dass Friedl Volgger, seinen Privatsekretär, einen gewissen Morandell, im August 1947 zu einer Weltjugendtagung nach Prag geschickt habe“. Die SVP-Landesleitung entgegnet mit einer Stellungnahme, die Friedl Volgger zwei Tage später im „Volksboten“ abdruckt, garniert mit einem langen Artikel mit dem Titel „Was soll diese Hetze?“ in dem Volgger selbst zu den Enthüllungen Stellung nimmt. „Herr Sofisti lügt mit dieser Behauptung“, dementiert Volgger die Entsendung Morandells nach Prag.6 Dass die Behauptung Sofistis nicht an den Haaren herbeigezogen war und der Journalist also über gute Informationen verfügte, zeigt sich heute. Denn 70 Jahre später finde ich im Akt des Agenten „Korsičan“ im StB-Archiv in Prag nicht nur den damaligen „Volksbote“-Artikel, sondern auch eine genaue Personenbeschreibung des Journalisten, SVP-Gründers und späteren Parlamentariers Friedl Volgger. Morandell benutzte diesen politischen Kontakt als einen seiner Trümpfe bei der Anwerbung durch den StB.7

Hans Morandell reist im Sommer 1947 tatsächlich erstmals in die ČSR, um an einem Studentenfestival in Prag teilzunehmen. Dabei lernt er eine Reihe von Gleichaltrigen kennen, mit denen er auch danach noch Briefkontakt hält. Morandell ist von der Tschechoslowakei durchaus angetan. Er bleibt danach einige Monate in Karlsbad, wo er als Hilfsarbeiter in den dortigen Kaolinwerken angestellt wird. Kaolin ist ein mineralischer Rohstoff, der in der Keramik-, Papier- und Chemieindustrie verarbeitet wird. Morandell lernt dabei auch relativ gut Tschechisch, sodass er später die Briefe seines StB-Verbindungsoffiziers in dessen Muttersprache beantworten kann. Auch diese Tatsache dürfte bei seiner Anwerbung Ende 1948/Anfang 1949 mit ausschlaggebend gewesen sein. „Der Informant vermittelt den Eindruck einer ehrlichen und wahrheitsliebenden Person. Er ist intelligent und freundlich. Er mag die Tschechoslowakische Republik sehr und er kommentiert die Bedingungen in unserem Land äußerst positiv“, beschreibt der StB-Offizier seinen Agenten „Korsičan“ im Registrierungsprotokoll.8

Aus dem Geheimdienstakt geht auch der Beweggrund hervor, warum Morandell das Angebot umgehend annimmt. Da er seine Mutter finanziell unterstützen muss, brauche er unbedingt eine Einnahmequelle. Im Prager Personalakt heißt es: „Dem Informanten ist bekannt, dass er für den Geheimdienst arbeitet, er weiß jedoch nicht für welche Abteilung.“9 Zu diesem Zeitpunkt studiert Morandell an der Universität Innsbruck Philosophie, wohnt bei seinem Onkel Meininger in Innsbruck, fährt aber immer wieder zu seiner Mutter nach Bozen. So schickt der StB anfänglich seine Briefe vor allem an die Anschrift der Mutter nach Bozen. Das Operationsgebiet von „Korsičan“ soll vor allem Tirol und Vorarlberg sein, doch schon bald wird sich die Tätigkeit Morandells über halb Europa und darüber hinaus erstrecken.

Wie bereits erwähnt, kommt es Anfang Februar 1949 im Hotel Drei Kronen in Znojmo zum Anwerbungsgespräch. Dabei erhält „Korsičan“ von dem StB-Offizier, der in den nächsten Jahren seine Führung übernimmt, bereits erste Aufträge. So soll er detaillierte schriftliche Berichte über die in Innsbruck stationierten französischen Besatzungstruppen und über das Flüchtlingslager in Wörgl liefern. Das besondere Interesse des StB gilt dabei den „Namen der Führer hauptsächlich aus den Reihen der tschechoslowakischen Auswanderung“. Ein weiterer Auftrag ist ein genauer Bericht über den Flughafen Innsbruck/Kranebitten (Abmessungen des Flughafens, Ausmaße und Art der Startfläche, Signalvorrichtungen, Flughafeneinrichtungen, Flughafenbesatzung, Anzahl und Flugzeugtypen und Skizze des Flughafens). Beim Anwerbegespräch wird auch schon das nächste Treffen mit „Korsičan“ in einem anderen Hotel in Znojmo für den 10. März 1949 festgelegt. Zudem wird ein einfacher Code vereinbart, den man in den Jahren danach deckungsgleich bei allen anderen Agenten und Informanten aus diesem Netzwerk umsetzen wird. Im StB-Bericht heißt es dazu:

Für den Fall, dass er aus schwerwiegenden Gründen an diesem Tag nicht in der Lage sein wird zu kommen, wird er das neue Datum per Telegramm mitteilen, das er aus Italien senden wird. Der Inhalt: Antóns Hochzeit am X / x bedeutet Datum der Ankunft.10

In den Akten finden sich unzählige solcher Telegramme. So etwa ein Fernschreiben vom Herbst 1950, das „Korsičan“ von Bozen nach Brünn schickt. Der Text: „Antons Hochzeit am 8.12. Janos“.11 Dass Morandell mit „Janos“ unterschreibt, hat einen Grund. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zusammenarbeit zwischen dem StB und seinem Bozner Agenten bereits so gefestigt, dass der tschechische Nachrichtendienst Hans Morandell sogar einen falschen, tschechoslowakischen Personalausweis auf den Namen „Jan Moravec“ ausstellt.12

Tote Briefkästen am Wiener Prater

Hans Morandell beginnt in den Monaten und Jahren nach der Anwerbung ein Agentennetz für den StB aufzubauen, das über ganz Europa reicht. Bereits beim zweiten Treffen im März 1949 in Znojmo übergibt er die schriftlichen Berichte zum Innsbrucker Flughafen und dem Wörgler Flüchtlingslager. Ab diesem Zeitpunkt fährt Morandell fast monatlich in die Tschechoslowakei. Allein im Jahr 1949 kommt es zuerst in Znojmo und später in Brno zu elf Treffen mit seinen StB-Führungsoffizieren. Auch in den Jahren danach findet jährlich rund ein Dutzend solcher Zusammenkünfte statt. Agent „Korsičan“ übergibt dabei Hunderte Dokumente, Fotos und Berichte. Der Südtiroler Student wird vom StB dafür mehr als gut entlohnt. So bekommt Hans Morandell allein im ersten Jahr seiner Tätigkeit 1949 für seine Arbeit 38.216 Kronen, 582.000 Lire, 5.500 Schilling und 180 Dollar vom tschechischen Nachrichtendienst. In den Jahren danach steigt sein Einkommen noch einmal beträchtlich an. 1951 zahlt der StB an Morandell 30.339 Kronen, 3.360.000 Lire, 16.000 Schilling. 1.700 französische Franc und 4.335 Dollar. Bis April 1953 bekommt „Korsičan“ so insgesamt 1.301.590 Kronen.13 Umgerechnet sind das damals 17.354.533 italienische Lire, nach heutigem Wert rund 9.000 Euro. Das klingt nicht nach viel. In Wirklichkeit ist es aber sehr viel Geld. Das Durchschnittsgehalt eines italienischen Arbeiters liegt 1955 bei 43.000 Lire (22,20 Euro) im Monat. Damit wird klar, wie fürstlich die tschechoslowakische Staatssicherheit ihre Zuträger entlohnt.

Diese finanzielle Ausgestaltung erleichtert es Hans Morandell neue Zuträger anzuwerben. Immer wieder macht „Korsičan“ auch Vorschläge von Personen, die der StB anwerben soll. So liefert er genaue Lebensläufe des in Innsbruck wohnhaften Südtirolers Erwin Tomasini, des Nordtirolers Richard Wohlfarter oder des Pragers Gottfried Morawetz, der in Nordtirol im Exil lebt.14 Morandell versucht lange Zeit auch einen Mann anzuwerben, der in Südtirol eine politische Rolle spielt: Carlo Bernardo Zanetti ist der erste Landessekretär der Südtiroler Ablegers der Kommunistischen Partei, des Partito Comunista Italiano (PCI). Aus den Akten geht hervor, wie „Korsičan“ 1949/1950 Zanetti umwirbt und zur Mitarbeit gewinnen will. Am Ende scheitert die Anwerbung aber. Carlo Bernardo Zanetti ist in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet und darin wird auch klar, warum der Kommunist nicht auf das Angebot Morandells einsteigt.15

Bereits beim ersten Treffen mit dem StB in Znojmo macht „Korsičan“ den Vorschlag, beim nächsten Treffen einen engen Freund in die ČSR mitzubringen. Es handelt sich um Cesare Premi, am 29. Februar 1924 in Peri bei Verona geboren, in Bozen wohnhaft und von Beruf Geometer. Premi arbeitet vom September 1947 bis August 1948 in Kaolinfabriken in Karlsbad, zuerst als einfacher Arbeiter und später als Hilfsgeometer. „Korsičan“ erklärt seinem StB-Führungsoffizier, dass Premi sein Studium in Österreich fortsetzen möchte, aber nicht genug Geld dafür habe. Im StB-Dienstbericht über die Unterredung heißt es:

Nachdem ich den Agenten auf die Gefahren aufmerksam gemacht habe, die sich aus der Beteiligung eines Dritten ergeben, erklärte er, er sei überzeugt, dass dieser Kandidat ihn niemals verraten werde, weil er seit seiner Kindheit sein bester Freund ist.16

Der StB willigt ein, dass Cesare Premi mit „Korsičan“ in die ČSR kommt. Obwohl sich Morandell bemüht und Premi mehrmals zusagt, dauert es bis zum Sommer 1949, bis es dazu kommt. Hans Morandell und Cesare Premi reisen vom 11. bis 15. Juni 1949 nach Brünn. Dabei wirbt der StB auch Cesare Premi als Agenten und Kurier an und gibt ihm den Decknamen „Vandal“, auf Deutsch: „Vandale“.17 Obwohl „Korsičan“ sich in den Monaten danach immer wieder beim StB für „Vandal“ einsetzt, ist das Verhältnis von Beginn an angespannt. Das ganze Jahr 1949 versucht der StB über Morandell Kontakt zu Premi aufzunehmen. Dieser will aber nichts davon wissen. Er weigert sich auch, nochmals in die ČSR zu kommen. Cesare Premi arbeitet inzwischen als Geometer für die unter dem Faschismus eingerichtete Körperschaft „Ente Nazionale delle Tre Venezie“ und ist viel in Norditalien unterwegs. Erst im Sommer 1950 wird „Vandal“ dann wirklich tätig, liefert Berichte und erhält dafür auch Geld.

Hans Morandell alias „Korsičan“ hingegen weitet sein Einsatzgebiet sehr schnell auf Italien, die Schweiz und auch Jugoslawien aus. Der StB ist vor allem an Nachrichten aus dem militärischen Bereich interessiert: Truppenstärke, Bewaffnung, Pläne und Beschreibungen der militärischen Anlagen. Man übergibt Morandell einen Fotoapparat der Marke Leica, mit dem er zu den Berichten auch Fotos liefert. Finanziell bestens ausgestattet, beginnt Morandell für den StB in der Welt herumzureisen. So fährt er 1950 für einen Dienstauftrag in die Türkei und nach Griechenland, 1951 nach Norwegen, in den Iran und nach Syrien. 1952 schickt ihn der tschechoslowakische Nachrichtendienst nach Chile. Bei all diesen Reisen liefert „Korsičan“ Berichte über die Länder ab und wirbt Zuträger an. Bereits Anfang 1950 hat Morandell fixe Zuträger in Istanbul, Teheran, Athen und in Wien. Eine weitere Reise im Frühjahr 1951 führt ihn nach Jugoslawien, dabei lässt „Korsičan“ seine politischen Kontakte zu Friedl Volgger spielen. In seinem StB-Akt heißt es:

Der Agent erhielt am 20. Mai 1951 ein Visum für Jugoslawien. Er nutzte dafür die Gelegenheit der Reise seines Bekannten Volgger, des Mitglieds des italienischen Parlaments und Abgeordneten für die deutsche Minderheit in Tirol, nach Jugoslawien. Der Agent ist mit Volgger aus der Zeit bekannt, als er als Sekretär in der SVP arbeitete.18

Morandell besucht auf dieser Reise zusammen mit Friedl Volgger in Laibach Professor Bogdan Novak, der mit Volgger zusammen im KZ Dachau interniert war. Ebenso treffen die beiden das Belgrader Regierungsmitglied Drago Marušič. Die Informationen über die Gespräche landen keine zehn Tage später bei der tschechoslowakischen Staatssicherheit.

Toter Briefkasten in der Taborstraße (Zeichnung aus dem Korsičan-Akt): Dokumente für den StB in Telefonzelle hinterlegt.

Hans Morandell ist zu diesem Zeitpunkt längst hauptberuflich in der Schattenwelt der Geheimdienste angekommen. Offiziell studiert er immer noch, ab Herbst 1950 aber nicht mehr in Innsbruck, sondern in Wien. Der Wechsel gründet auch darin, dass der Weg aus der österreichischen Bundeshauptstadt in die Tschechoslowakei nicht so weit ist. Morandell hat sich zudem längst in Österreich eine Deckidentität zugelegt. Er operiert jetzt unter den Namen „Hans Waldner“ mit Wohnsitzen und Postfächern in Innsbruck, Salzburg und in Wien. Und weil zu häufige Reisen in die ČSR auffallen und der Grenzübertritt nicht ungefährlich ist, baut man ein System von sogenannten „toten Briefkästen“ auf, das Morandell und eine ganze Gruppe weiterer Agenten aus seinem Netzwerk nutzen. Ein toter Briefkasten ist ein öffentlicher Ort, an dem ein Agent unbemerkt Dokumente oder Nachrichten deponieren kann, die dann von einem Geheimdienstmann dort abgeholt werden. In den Prager Akten finden sich Dutzende ungelenke Zeichnungen solcher toter Briefkästen. Sie stellen Übergabeorte in Santiago de Chile, in Mailand oder in Wien dar. In der damals in vier Besatzungssektoren aufgeteilten österreichischen Hauptstadt operieren Hans Morandell und seine Kollegen vor allem im sowjetischen Sektor. Die toten Briefkästen werden im 2. Bezirk rund um den Praterstern eingerichtet, so etwa in einer öffentlichen Telefonzelle in der Taborstraße, im Augarten oder unter einer Bank an der Ausstellungsstraße im Wiener Prater.19 Wie man operativ vorgeht, lässt sich einem Schreiben des StB-Führungsoffiziers vom Sommer 1952 entnehmen, in dem er einem der Agenten genaue Vorgaben macht, wie Hans Morandell zum verabredeten Treffen nach Brünn kommen soll:

Material wird er keines mitnehmen. Das Material legt er in einen Koffer. Diesen Koffer übergibt er am 14. August 1952 in die Gepäckaufbewahrung am Nordwestbahnhof in Wien. Den Gepäckschein verschließt er in ein Kuvert und dieses legt er bis spätestens 21.00 Uhr desselben Tages in die ihm bekannte Telefonzelle. Wenn er bei mir eintrifft, wird das Material bereits hier vorliegen. Es ist ratsamer den Grenzübertritt ohne Material zu vollziehen.20

Diesen Rat befolgt „Korsičan“ aber nicht konsequent. Deshalb wird es schon wenig später zu einem gefährlichen Zwischenfall kommen. Als Hans Morandell seinen Lebensmittelpunkt nach Wien verlegt, übernimmt ein enger Verwandter seine Aufgabe in Innsbruck: Edgar Meininger ist ein Cousin Morandells. Meininger, am 12. Juni 1929 in Bozen geboren, lebt und studiert ebenfalls in Innsbruck. Offiziell angeworben wird der damals 22-jährige Student am 9. April 1951. Es ist Morandell, der seinen Vetter dem StB andient. Edgar Meininger erhält den Decknamen „Pedel“, was auf Slowakisch „Perle“ heißt.21 Wie bei fast allen StB-Informanten wird auch für ihn ein Code ausgemacht, der bei persönlichen Treffen gebraucht wird, sollten sich der Agentenführer und der Agent persönlich nicht kennen. Es ist ein kurzer aus Frage und Antwort festgelegter genauer Dialog, der schön bürokratisch in der Personalakte festgehalten wird. Im Fall von „Pedel“, ist es die Frage: „Ist ihr Onkel nicht bei der Post beschäftigt?“ Die richtige Antwort: „Nein, er ist ein Eisenbahner.“22

Weil Hans Morandell jahrelang bei den Meiningers in der Innsbrucker Friedhofstraße wohnt, dürfte er schon vorab seinen Vetter instruiert haben, denn Agent „Pedel“ wächst innerhalb kürzester Zeit in seine Aufgabe hinein. Der spätere Innsbrucker Diplomvolkswirt liefert in einem seiner ersten Berichte eine detaillierte Beschreibung des amerikanischen Stützpunktes in Reichenau bei Innsbruck sowie über den Ausbau des amerikanischen Lagers für Flüchtlinge (Displaced Persons) in Rum. Dem Bericht sind Skizzen und Fotos beigelegt. Mitte März 1951 fährt „Pedel“ nach Triest, wo er einen detaillierten Bericht über den Hafen und die dortigen militärischen und zivilen Einrichtungen anfertigt.23 Edgar Meininger übernimmt auch das auf den Namen „Hans Waldner“ laufende Postfach 139 am Innsbrucker Hauptpostamt, auf dem fast wöchentlich Berichte von Zuträgern eintreffen. So enthält Meiningers StB-Akt einen ausgiebigen Schriftverkehr mit Oktay Özgökce, der aus Izmir Nachrichten und Berichte aus der Türkei liefert.24 Im Sommer 1951 versucht Agent „Pedel“ auch einen Zuträger in Jugoslawien anzuwerben. In einem Bericht an den StB stellt er den Kandidaten vor, der als „militärischer Korrespondent“ fungieren soll: Ivica Spehar aus Zagreb. Aus Meiningers Schilderung geht eindeutig hervor, dass es sich bei dem 26-Jährigen um einen Kriminellen handelt.

Edgar Meininger (alias „Pedel“) in der Uniform der NS-Jugendbewegung (Pimpf): Morandells Cousin arbeitet jahrelang für den StB.

Ivica selbst ist ein mittelgroßer, dunkler, meist finster blickender Mann, der sich bis heute seinen Lebensunterhalt mit allerlei dunklen Geschäften verdient. Verkauf von Schmuggelwaren (Nylon, Munition, Uhren, Medikamente usw.), die aus dem Ausland kommen, und Chef einer Art Bordells zählen nur zu seinen Hauptbetätigungsgebieten. Mit Recht kann man ihn zu einem, wenn nicht den führenden Kopf der Zagreber Unterwelt zählen.25

Ob es wirklich zu dieser Zusammenarbeit kommt, geht aus den Prager Akten nicht hervor. Sicher ist, dass schon bald danach Informationen aus Jugoslawien in Richtung StB fließen. Doch dafür könnte eine andere Person verantwortlich sein, nämlich ein weiterer junger Mann aus Bozen. Es handelt sich um den Spross einer besonders bekannten und einflussreichen Südtiroler Familie.

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