Kitabı oku: «Geheimdienste, Agenten, Spione», sayfa 8
Informant Franco
Ein Südtiroler Kommunist liefert jahrelang dem UAR wichtige Informationen aus dem PCI.
Die „Squadra 26“, die verdeckt operierende Bozner Dependance des UAR, ist nicht nur für Südtirol und das Trentino zuständig, sondern auch für die Provinz Verona. Antonio Zidda, 1915 in Nuoro auf Sardinien geboren, arbeitet seit 1948 als Polizeibeamter in Verona. Offiziell ist Zidda in der Telefonzentrale der Quästur beschäftigt, doch in Wirklichkeit übt er genau jene Aufgabe aus, die Ciro Patelli in Bozen innehat. Zidda hält diskret den Kontakt mit UAR-Informanten. Dem Veroneser Polizeibeamten gelingt es dabei, eine hochkarätige politische Quelle anzuwerben, die in Südtirol ansässig und tätig ist. Es handelt sich um einen Vertreter des Südtiroler Ablegers des Partito Comunista Italiano (PCI), der gut zwei Jahrzehnte lang dem Innenministerium Informationen über die Kommunistische Partei liefert. Doch er berichtet nicht nur aus Südtirol, sondern weit darüber hinaus.
„Während meiner Tätigkeit war ich im Kontakt mit einem gewissen Franco, der meine direkte Quelle war und mir Meldungen über die Organisation des PCI weitergab“, sagt Antonio Zidda 1997 in einem Verhör aus.10 Der Informant mit dem Decknamen „Franco“ wird in den 1950er-Jahren angeworben und ist bis mindestens Mitte der 1970er-Jahre für das UAR tätig. „Franco“ liefert unzählige Berichte aus jenem Bereich, den die italienischen Polizeibehörden und Nachrichtendienste am schärfsten beobachten: dem italienischen Kommunismus. Dafür erhält der Informant monatlich vom UAR 50.000 Lire. Dass ein Informant aus Bozen von einem verdeckt operierenden Polizeibeamten aus Verona geführt wird, ist kein Zufall. Denn „Franco“ hat für seine Zusammenarbeit mit dem Innenministerium klare Bedingungen gestellt, damit seine bezahlte Spitzeltätigkeit nicht auffliegt. Antonio Zidda schreibt in einem Dienstbericht vom Herbst 1958 an das UAR in Rom:
Für den Verfasser ist es äußerst mühevoll und teuer, sich immer wieder mit dem vorgenannten Franco zu treffen, weil Bozen 150 Kilometer von Verona entfernt ist und die Treffen nur an Orten weit weg von dieser Provinz stattfinden können, zudem nur in Privatautos, um die Anwesenheit von Fahrern zu vermeiden. All das wird vom Genannten als „sine qua non“-Bedingung gestellt.11
Dass „Franco“ Informationen von nationalem Interesse liefert, wird 1969 klar. Das Jahr geht als eines der turbulentesten und tragischsten in die italienische Nachkriegsgeschichte ein. Gekennzeichnet von immer größer werdenden sozialen Spannungen, wachsenden Studenten- und Arbeiterprotesten und einem Auftauchen sowohl links- als auch rechtextremer Gruppierungen, die offen die Gewalt predigen, steht Italien am Rande eines Bürgerkrieges. Die Spannungen erreichen am 12. Dezember 1969 ihren traurigen Höhepunkt. An diesem Nachmittag explodiert am Hauptsitz der Banca Nazionale dell’Agricoltura auf der Mailänder Piazza Fontana eine Bombe, die 17 Menschen tötet und über 80 verletzt. Man geht davon aus, dass das Attentat von Rechtsextremisten mithilfe staatlicher Institutionen durchgeführt wurde. Trotz Dutzender Prozesse konnten bis heute die Schuldigen nicht ermittelt werden.12
Nach einer Spaltung der italienischen Sozialisten muss Ministerpräsident Mario Rumor am 5. Juli 1969 zurücktreten. Vor allem die italienischen Kommunisten befürchten, dass rechte Kräfte diese politische Übergangsphase zu einem Militärputsch und zur Ausschaltung des PCI nutzen könnten. Am 19. Juli 1969 meldet „Franco“, dass alle Landessekretäre des PCI in Nordost-Italien für diesen Abend zu einer außerordentlichen Dringlichkeitssitzung nach Venedig eingeladen wurden. Der UAR-Informant schreibt im Juli 1969:
Diese Einberufung hängt mit der aktuellen politischen Situation in Italien zusammen. Sollte Ministerpräsident Rumor es nicht schaffen, eine neue Regierung zu bilden, so befürchtet man im PCI, dass man andere Gewaltmittel anwenden wird, um eine neue Regierungsform durchzusetzen (mit Unterstützung der Streitkräfte).
In Anbetracht dieser Situation haben die Landesverbände den Befehl erhalten, die Listen der eingeschriebenen Parteimitglieder sowie jenes Material zu verstecken, das (im Falle von Hausdurchsuchungen) für den PCI kompromittierend sein könnte.
Der Befehl für diesen „Voralarm“ wurde auch auf alle Führungskräfte und die Mitglieder der Landeskomitees ausgedehnt, damit auch diese die nötigen Vorsichtsmaßnahmen bei sich zu Hause umsetzen können.13
Bis heute ist es den Beteiligten gelungen, die Identität von „Franco“ geheim zu halten. Antonio Zidda hat 1997 in zwei Verhören bewusst keine Angaben gemacht. Sicher ist, dass es sich bei diesem Spitzel um ein hohes und langjähriges Mitglied des Südtiroler PCI handeln muss.
Südtiroler Spitzel der italienischen Dienste
Als der von 1959 bis 1961 amtierende UAR-Direktor Ulderico Caputo am 25. Jänner 1991 in Rom stirbt, nimmt er einige Geheimnisse mit ins Grab. Der am 22. November 1917 geborene Caputo war in den 1930er-Jahren Funktionär der faschistischen OVRA gewesen und hatte dabei unter anderem mit Gesualdo Barletta zusammengearbeitet. Nach dem Krieg finden sich dann beide im „Ufficio Affari Riservati“ wieder. Caputo ist bestens mit Südtirol vertraut. Er wird im Mai 1946 von Florenz an die Bozner Quästur versetzt. Im Herbst 1947 wird er vom Hauptkommissar zum Vize-Quästor befördert. Bereits damals ist er für „den vertraulichen Informationsdienst über die Rückoptanten“ zuständig. Im Juli 1952 wird Caputo dann zum Quästor ernannt und mit 1. August 1952 nach Trapani versetzt.14 In seiner Zeit in Bozen wirbt er selbst als Mitglied des UAR Informanten an. Seine Kontakte nach Südtirol hält der Polizeifunktionär auch in den Jahren danach, als er direkt im Innenministerium in Rom arbeitet. 1957 wird Ulderico Caputo in das UAR versetzt und leitet dort die „Segreteria Speciale Patto Atlantico“, das Verbindungsbüro Italiens zur NATO und den USA. Anfang November 1959 wird Caputo dann zum Leiter des UAR befördert.15
Ulderico Caputo richtet umgehend sein Augenmerk auf die Südtiroler Situation. Er weiß, dass nicht nur die politischen Loslösungstendenzen von Italien zunehmen, sondern auch, dass sich mit dem „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) längst eine illegale Untergrundbewegung gebildet hat. Der UAR-Leiter forciert deshalb die verdeckte Tätigkeit in Südtirol. Das UAR ist in diesen Jahren in Bozen gut aufgestellt. Neben den Informanten des „Ufficio Vigilanza Stranieri“, ist seit Jahren auch die „Squadra 26“ im Einsatz. Der Mann, der diese verdeckte Einheit in Bozen von 1957 bis zum Mai 1970 führt, heißt Ciro Patelli und stammt aus Potenza Picena bei Macerata. Offiziell aus dem Polizeidienst ausgeschieden, wird er „aus Mangel an geeignetem Personal während der heißen Phase in Südtirol wieder eingesetzt“16. 1963 wird der Polizeibeamte zwar dienstmäßig in den Ruhestand versetzt, bleibt aber weitere sieben Jahre in seiner verdeckten Rolle in Bozen tätig. Von seiner Wohnung in der Bozner Turinstraße 95/5 aus schickt er die Berichte der UAR-Spitzel nach Rom. Ebenso übernimmt er die Bezahlung der Informanten. Erst Ende Mai 1970 wird Ciro Patelli dann aus Bozen abgezogen. Patelli zieht mit seiner Frau in sein Heimatdorf zurück.17 In einem streng geheimen Bericht vom 15. März 1961 fasst Ulderico Caputo die lokale Situation zusammen.18 Demnach hat das UAR zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf verschiedene Informanten in Südtirol, die zum Großteil von Caputo selbst angeworben wurden. Einer dieser Informanten hat den Decknamen „Manicor“. Der Spitzel stellt sich aber – nach der Beurteilung Caputos – im Laufe der Zeit als eher unzuverlässig heraus und wird deshalb mehrmals fallen gelassen. Ende Februar 1961 wird „Manicor“ endgültig entlassen.19 Der eindeutig wichtigste Agent ist „Erich Stolz“. Dabei dürfte es sich nicht um den richtigen Namen handeln, sondern um einen Decknamen. „Erich Stolz“ wird nicht von Bozen aus geführt, sondern vom damaligen Leiter der „Segreteria Speciale Patto Atlantico“ innerhalb des UAR, Antonio Carlino, der zwischen November 1980 und Jänner 1984 Bozner Quästor ist und somit direkt mit Südtirol befasst. Ulderico Caputo schreibt:
Erich Stolz: Die Kontakte werden über Dr. Carlino vom NATO-Sekretariat gehalten, der auch die Bezahlung übernimmt.20
„Erich Stolz“ ist in Bozen tätig und er ist für das UAR ein besonders wichtiger Informant. Denn von den insgesamt in dem Caputo-Bericht aufgeführten 50 Informanten ist er der Bestbezahlte. 1961 erhält „Erich Stolz“ monatlich immerhin 180.000 Lire für seine Dienste. Im Vergleich: Der Großteil der Informanten bekommt in diesen Jahren zwischen 5.000 und 50.000 Lire im Monat.21 Aber auch der in Sachen Verdienst an zweiter Stelle liegende Informant kommt aus Bozen. Der Informant mit dem Decknamen „Mumelter“ operiert von 1960 bis mindestens Mitte der 1970er-Jahre. 1961 erhält er monatlich 130.000 Lire vom Innenministerium.22
Ein anderer Bozner Informant läuft unter dem Decknamen „Laurin“. Der Spitzel bekommt 20.000 Lire im Monat vom Innenministerium. UAR-Chef Ulderico Caputo notiert:
Laurin – Bozen: Der Mitarbeiter, der erst vor Kurzem über den Vizequästor von Bozen angeworben wurde, hat mitgeteilt, dass er die Zusammenarbeit beenden möchte. Ihm wird deshalb der Betrag nur für den laufenden Monat ausgezahlt.23
Das Interesse der CIA
In den 1996 in Rom sichergestellten Akten des UAR24 findet sich auch ein als „Riservato“ (Vertraulich) klassifizierter Akt mit dem Titel „Schatten (Bozen)“.25 Er handelt sich um einen Briefwechsel aus dem Jahr 1960, der einen detaillierten Einblick in die verdeckte Arbeit des UAR erlaubt. In den über ein Dutzend Schreiben gibt es keinerlei offizielle Anrede, weder einen offiziellen Adressaten noch einen Absender. Die beiden Briefeschreiber reden sich nur mit ihren Übernahmen an: „Rico“ und „Pino“. Wobei schnell klar wird, dass „Rico“ in Rom sitzt und „Pino“ in Bozen. Die vertrauliche Anrede beruht nicht auf persönlicher Freundschaft der beiden, sondern ist vielmehr auf den konspirativen und geheimen Charakter der Korrespondenz zurückzuführen. In einem der ersten Briefe, die von Bozen nach Rom gehen, heißt es:
Lieber Rico,
aus Gründen der Vertraulichkeit und auch um zu verhindern, dass ich jedes Mal, wenn ich Berichte an die Division schicke, ein Begleitschreiben mitschicken muss, habe ich mir gedacht – außer du bist anderer Meinung – die Berichte mit der Matrikelnummer 1904, dazu einer fortlaufenden Nummer, sowie dem Wort „Schatten“, mein Pseudonym, zu kennzeichnen. So wird es in Zukunft sein, auch ohne Unterschrift.26
Heute kann man sagen, wer die Briefschreiber sind. Hinter „Rico“ verbirgt sich die Koseform von „Ulderico“, also Ulderico Caputo, ehemaliger Bozner Vizequästor und ab 1960 Chef des UAR. Hinter dem Pseudonym „Schatten“ und der Koseform „Pino“, oder in manchen Briefen auch „Peppino“, steht hingegen Giuseppe Testa. Der Polizeibeamte ist von 1949 bis Mitte der 1950er-Jahre Leiter des „Ufficio Vigilanza Stranieri“ in Triest. In dieser Funktion arbeitete er direkt mit dem UAR zusammen. Fast gleichzeitig mit dem Aufstieg Caputos zum UAR-Leiter erfolgt die Beförderung und Versetzung Testas nach Südtirol. Giuseppe Testa ist vom 6. Dezember 1959 bis zum 24. Juli 1963 Quästor in Bozen. Damit erlebt der Polizeibeamte die dramatischen Monate und Jahre der Bombenanschläge rund um die sogenannte Feuernacht und die Ermittlungen gegen den „Befreiungsausschuss Südtirol“ an vorderster Front mit.27 Aus dem streng geheimen Briefverkehr zwischen Ulderico Caputo und Giuseppe Testa wird deutlich, dass es neben dem offiziellen Dienstweg zwischen der Bozner Quästur und dem UAR in Rom von Anfang auch einen zweiten konspirativen Kanal gibt. So schickt etwa Caputo im Oktober 1960 den Südtirol-Bericht eines Informanten, den das UAR in Österreich angeworben hat, nach Bozen. Der UAR-Direktor fordert Giuseppe Testa auf, den Bericht zu analysieren:
Ich würde gerne die „offizielle“ Sichtweise deines Amtes zu dieser Sache kennenlernen: Schreibe mir deshalb auf deinem offiziellen Briefpapier und sage mir alles, was du weißt und was nach deiner Meinung in naher oder ferner Zukunft passieren könnte.28
Aus dem inoffiziellen Briefwechsel geht hervor, dass verschiedenste ausländische Nachrichtendienste sich in Bozen über die Südtiroler Situation direkt informieren. Ansprechpartner ist dabei Quästor Giuseppe Testa. So kommt am 25. Februar 1960 ein gewisser Leo Carter nach Bozen. Der Mann ist offiziell Beamter an der australischen Botschaft in Rom, zuständig für Fragen der Einwanderung. In einem vertraulichen Brief von Testa an Caputo erklärt „Schatten“ aber, dass es sich bei Carter um einen Angehörigen des australischen Nachrichtendienstes handle, der sich ein Bild über die Lage in Südtirol machen will.29 Zwei Wochen später berichtet „Schatten“ über den Südtirol-Besuch des amerikanischen Generalkonsuls in Venedig Charles Geretty. Der US-Diplomat will sich ebenfalls ein Bild über die Lage in Südtirol machen. Es kommt zu Aussprachen mit dem Bozner Abgeordneten der Democrazia Cristiana (DC) Alcide Berloffa, dem Kommandanten des IV. Armeekorps General Aldo Beolchini und dem Brixner Bischof Joseph Gargitter.30 Aus dem Schriftverkehr geht hervor, dass es vor allem die amerikanischen Nachrichtendienste sind, die sich in dieser Phase immer wieder für die Vorgänge in Südtirol interessieren. Anfang Februar 1960 meldet Giuseppe Testa an UAR-Direktor Ulderico Caputo:
Heute habe ich einen Brief vom amtsbekannten Salvatore Ac. bekommen, in dem er mir einen Besuch in der dritten Woche dieses Monates ankündigt, der Grund: Er möchte ein bisschen über die lokalen Probleme informiert werden. Ich werde mich dabei so verhalten wie in der Vergangenheit: Ich werde ihn zum Essen einladen und ihn dann zufrieden zurückschicken … mit leeren Händen.31
„Salvatore Ac.“ steht für den CIA-Agenten Salvatore Acampora. Acampora, 1922 in den USA geboren, Sohn italienischer Auswanderer, besucht in Neapel die Schule, lebt zuerst in den Vereinigten Staaten und kommt dann 1945 mit den US-Truppen nach Triest, wo er heiratet und sich niederlässt. Bis 1952 arbeitet er als CIA-Agent in Triest, übersiedelt dann bis 1957 nach Neapel, um danach wieder nach Triest zurückzukehren. Von 1964 bis 1970 arbeitet Acampora offiziell an der amerikanischen Botschaft in Rom. 1970 geht er mit 48 Jahren in Pension und kehrt nach Triest zurück, wo er bis in die 1980er-Jahre für die CIA tätig ist. Acampora stirbt am 28. September 1994 in Triest.32 Nach dem Besuch des CIA-Agenten erstattet Testa alias „Schatten“ am 25. Februar 1960 seinem römischen Vorgesetzten Caputo Bericht:
Heute bekam ich gegen 11 Uhr den Besuch des bekannten Acampora, der mich in ein Gespräch über die Situation in Südtirol verwickelt hat. Unter den verschiedenen Fragen, die er aus einem vorgefertigten Fragenkatalog ausgewählt und mir gestellt hat, fragte er auch nach der zahlenmäßigen Konsistenz der Partisanengruppen in dieser Zone und wenn möglich auch nach deren Nachschubquellen für Waffen, Munition, Lebensmittel und anderem … Ich habe mich darauf beschränkt zu sagen, dass wir bis jetzt keine Kenntnis von Partisanengruppen in dieser Gegend haben.33
Ulderico Caputo antwortet eine Woche später und gibt klare Anweisungen:
Was die Besuche vonseiten der Vertreter von bekannten ausländischen Nachrichtendiensten betrifft, die du erhältst, ist es unnötig, dass ich dir wiederhole, dass man sie nicht einfach gewähren lassen soll. Du kannst nach deiner Überzeugung alle jene Informationen weitergeben, die du geben willst: Für den Rest ersuche sie, dass sie sich an das Zentralbüro wenden, mit dem ihre jeweiligen Chefs ja eh schon im Kontakt sind.34
Aus diesem Briefwechsel geht klar hervor, dass US-Nachrichtendienste schon sehr früh detailliert über die Bildung einer illegalen Widerstandbewegung in Südtirol informiert sind. Gleichzeitig wird auch klar, dass die UAR-Leitung durchaus gewillt ist, ihre Informationen an die Amerikaner weiterzugeben. Noch deutlicher wird das ein Jahr später. Mitte Februar 1961 taucht bei Giuseppe Testa in der Quästur Bozen ein Mann mit der Visitenkarte von Ulderico Caputo auf. Es ist Bruno A. Francazi, ein Agent des „Counter Intelligence Corps“ (CIC), also des amerikanischen Militärgeheimdienstes. Francazi hatte bereits im Zweiten Weltkrieg Geheimdienstoperationen in Italien gegen die Deutschen geleitet.35 Im Nachkriegsitalien bleibt der Major als „Special Agent“ des CIC in Italien. Bis Ende der 1960er-Jahre ist er in der SETAF-Kaserne „Passalacqua“ in Verona stationiert. Bruno Francazi informiert sich im Februar 1961 über die Situation in Südtirol. Der CIC-Agent gibt dem Bozner Quästor seine Büronummer wie auch seine private Telefonnummer. Außerdem übergibt er Testa die Personalien seines Verbindungsoffiziers Virgilio Volpe in Verona. Dieser werde sich in Bozen melden. „Dem Herrn Francazi habe ich meine Mitarbeit zugesichert“, meldet Testa alias „Schatten“ schriftlich seinem Vorgesetzten Caputo nach Rom.36 Wie eng diese Zusammenarbeit zwischen diesen hohen italienischen Polizeifunktionären und den amerikanischen Nachrichtendiensten in Sachen Südtirol ist, wird aus einem Brief deutlich, den Ulderico Caputo Ende Juni 1960 an Giuseppe Testa schreibt. Darin heißt es:
Ich habe Grund zur Annahme, dass sich die Südtiroler Situation im Herbst zuspitzen wird. Was plötzliche und unerwartete Wendungen betrifft, kann ich dir nur sagen, dass das Ganze in Absprache mit den Freunden in Verona und in Frankfurt am Main verfolgt wird, mit denen ich heute einen langen Gedankenaustausch hatte. Dabei hat man mir Ermittlungen im pangermanistischen Umfeld versprochen.37
Freunde aus Verona und Frankfurt? Es sind die „Southern European Task Force“ (SETAF) mit Hauptsitz in Vicenza und Verona, gegründet im Oktober 1955 von der US-Army, und in Frankfurt das Hauptquartier des „United States European Command“ (USEUCOM), 1952 gegründet und später nach Frankreich verlegt. In beiden Städten sind Dienststellen des CIC untergebracht.
Bespitzelung der Volkspartei
Ulderico Caputo war jahrelang an der Bozner Quästur tätig, er kennt die Situation in Südtirol damit bestens und aus eigener Hand. Der Leiter des UAR unterschätzt deshalb die Sprengkraft der politischen Entwicklung Anfang der 1960er-Jahre keineswegs. Sowohl in Rom als auch in der Quästur Bozen weiß man, dass sich im Untergrund etwas zusammenbraut. Ende September 1960 schreibt Caputo an den Bozner Quästor Giuseppe Testa in seiner Funktion als Agent „Schatten“:
Ich bin keineswegs pessimistisch, was die zukünftige Situation der öffentlichen Sicherheit in Südtirol betrifft, wie es aber bei uns üblich ist, müssen wir gut vorbereitet sein.38
Zu dieser Vorbereitung gehört auch, dass der Bozner Quästor im Frühsommer 1960 in Zusammenarbeit mit dem Kommandanten des Militärdistrikts Listen möglicher gefährlicher Personen erstellen lässt und sie nach Rom übermittelt. So lässt Testa die ehemaligen Südtiroler SS-Angehörigen genau katalogisieren und auflisten, weiters die Mitglieder der berüchtigten Division „Edelweiß“ der Gebirgsjägertruppe, die für die Massenerschießungen auf der griechischen Insel Kefalonia verantwortlich waren, die Mitglieder der Waffen-SS und die Pioniere der Wehrmacht. Dass diese Erfassung in Rom auf großes Interesse stößt, zeigt ein Schreiben Caputos an Testa:
Ich leite dir einen Brief weiter, mit dem der Chef der Staatspolizei dir und seinen Mitarbeitern die höchste Anerkennung dieses Ministeriums in Bezug auf die genannten Listen ausdrücken will. Ich kann dir nur versichern, dass man hier sehr zufrieden ist mit dem Rhythmus, den du der Quästur auferlegt hast, und dass deine Aktien dauernd steigen.39
Gleichzeitig tut der Leiter des UAR alles, um die Quästur Bozen auf die neue Herausforderung der sich zuspitzenden politischen Situation vorzubereiten:
Gestern Abend hat der Chef, in meiner Anwesenheit und auf mein Ersuchen hin, der Division FAP [der Personalabteilung der Staatspolizei – Anm. d. Autors] die Anweisung gegeben, die Möglichkeit einer Erhöhung der Belegschaft deiner Polizeitruppe zu prüfen. Ich hoffe auch, dass ich die Sache eines außerordentlichen Fonds, der dir monatlich für die Intensivierung der Spitzeltätigkeit zu Verfügung gestellt wird, positiv zu Ende bringen kann. Wie du siehst, verfolge ich – soweit es mir möglich ist – die Entwicklungen in deiner Provinz und es ist keineswegs meine Schuld, wenn es bürokratische Verzögerungen gibt.40
Giuseppe Testa bedankt sich wenige Tage später bei Caputo für dessen „Einsatz“, gleichzeitig berichtet der Bozner Quästor, dass der verdeckte Polizeibeamte und Leiter der „Squadra 26“ Ciro Patelli bei ihm war und einen Bericht über einen Mann aus Olang abgegeben habe, der im Verdacht steht, am Sprengstoff- und Waffenschmuggel des BAS beteiligt zu sein.41 „Ich habe einen Spitzel über die Grenze geschickt und hoffe, etwas über die Absichten der amtsbekannten Übeltäter zu erfahren“, vermeldet Ulderico Caputo Ende September 1960.42 In den Monaten danach schickt der UAR-Leiter immer wieder Berichte dieses Informanten nach Bozen und ersucht um die Einschätzung Giuseppe Testas. Gleichzeitig legt Caputo dem Bozner Quästor immer energischer die Notwendigkeit nahe, endlich „jemand aus der Basis als Informanten anzuwerben“. Gemeint ist damit jemand aus der Südtiroler Volkspartei (SVP). Am 25. September 1960 vermeldet Giuseppe Testa:
Erhebungen in diesem Sinne sind schon seit Längerem im Gange, trotz höchster Bemühungen war es bis jetzt aber leider nicht möglich, etwas in dieser Sache zu erreichen. […] Auf jeden Fall wird die Aktivität der amtsbekannten Partei aber genauestens verfolgt.43
Am 10. Oktober 1960 kommt es zu einem Wechsel an der Spitze der italienischen Polizei. Polizeichef Giovanni Carcaterra wird durch Angelo Vicari ersetzt. Ulderico Caputo schreibt neun Tage später nach Bozen:
Der neue Polizeichef erkennt die außergewöhnliche Wichtigkeit unseres Dienstes an und im Rahmen unserer Möglichkeiten möchte ich eine gute Figur machen. Ich hatte bereits die Möglichkeit, mich mit ihm zu unterhalten und ihm dabei auch deine Arbeit zu beschreiben. […] Ich nutze diese Gelegenheit, um dich daran zu erinnern, dass du aufmerksam die Möglichkeit prüfen sollst, jemanden aus der Basis anzuwerben, damit wir endlich aus dem vagen Wissen herauskommen und immer wieder einmal eine interessante Nachricht aus dem operativen Bereich der SVP und ihrer Verbündeten in Österreich erhalten können.44
Zwei Tage später antwortet „Schatten“ aus Bozen:
In Bezug auf dein Schreiben vom 19. dieses Monats kann ich dir mitteilen, dass was die Möglichkeiten einer Anwerbung eines „Elementes aus der Basis“ betrifft, wir seit Längerem an zwei Personen arbeiten, „die für diese Zwecke geeignet wären“.
Wir befinden uns aber immer noch in der Phase der diplomatischen Annäherung, auch weil es sich um Personen handelt, die wegen ihrer Stellung in der Partei sehr weit in die „geheimen Dinge“ eingeweiht sind. Natürlich weiß keiner der beiden vom Annäherungsmanöver gegenüber dem anderen. Obwohl sie bisher gewisse Annäherungen noch nicht abgelehnt haben, sind die beiden noch sehr misstrauisch und zögerlich, was eine aktive, tatsächliche und dauernde Zusammenarbeit betrifft. Wie du natürlich leicht begreifen kannst, ist das Ganze eine Geduldsarbeit mit dem Ziel, das volle Vertrauen der beiden in Frage kommenden Subjekte zu erhalten. Eine Arbeit, die einige Schwierigkeiten mit sich bringt, die es zu überwinden gilt, und die mit einer daraus resultierenden Langsamkeit bei der vorsichtigen Abklärung behaftet ist. Fortsetzung