Kitabı oku: «Segretissimo, streng geheim!», sayfa 7
Bericht der Bozner Quästur über Rudolf Enseling: „Übergabe von Geldern, die in Deutschland gesammelt wurden“.
Ein weiterer Gesprächspartner von „V-6414“ in Südtirol ist der Bozner Geschäftsmann Emil Gutweniger. Auch er ist ein alter Bekannter von Hartmann Lauterbacher. Gutweniger ist wie Otto Casagrande in der Jugendbewegung des VKS tätig und wird zum Gebietsgeldverwalter der HJ in Tirol ernannt.41 Nach dem Krieg eröffnet Emil Gutweniger unter den Bozner Lauben das erste Spielwarengeschäft in Südtirol. Hartmann Lauterbacher schreibt über Gutweniger an seinen Vorgesetzen in Pullach: „Ein Mann, der V-6414 gegenüber schon einmal Andeutungen über Hintergründe gemacht hat.“42
Die dritte Südtiroler Quelle von „V-6414“ ist uns bereits aus dem ersten Band dieses Werkes bekannt: Pater Franz Pobitzer.43 Der Franziskanerpater, mit bürgerlichem Namen Oswald Pobitzer (1908–1974), von dem die CIA bereits 1952 in einem Bericht schreibt, „shows interest in intelligence matters“, scheint gleich mit mehreren Nachrichtendiensten auf Tuchfühlung zu sein. Karl Cerff beschreibt ihn, als „den geistlichen Betreuer der Inhaftierten und der betroffenen Familien“. Dass man Franz Pobitzer in Pullach bereits kennt, geht aus einer Notiz auf einem Bericht von Karl Cerff vom Oktober 1961 hervor, in dem „V-6461“ „Pater Dr. Franz Pobitzer, Bozen“ als Quelle angibt. Der BND-Sachbearbeiter macht hinter dem Namen ein Sternchen mit der Anmerkung: „Wird sich weiterhin um Aufklärung kommunistischer Hintergründe bemühen und 6414 gegebenenfalls davon unterrichten.“44
Aber auch der oben zitierte Verweis der Bozner Quästur auf das „Kulturwerk für Südtirol“ ist im Zusammenhang mit Karl Cerff richtig. Der HIAG-Sprecher gehört nämlich zum Leitungsgremium Baden-Württemberg, dieses 1957 in München gegründeten Hilfsvereins für Südtirol. „V-6414“ liefert jahrelang Insider-Informationen auch aus diesem Kreis. So etwa im Frühjahr 1962 über die Jahrestagung des Kulturwerks in Karlsruhe.45
Die Spur in den Osten
Anschlag der Burschenschafter in einem Bus in Rom (September 1961): Alarmstufe Rot für den BND.
Werden die Anschläge in Südtirol vom Osten gesteuert? Das ist eine zentrale Frage, der Reinhard Gehlen und der BND jahrelang nachgehen. Mit einer Gegenspionage-Aktion in Wien will man hier Klarheit schaffen. Gleichzeitig kommt es kurz nach der Feuernacht in Rom zu einer brisanten Verhaftung: ein BAS-Mann, der für den BND tätig ist. Dies könnte zu einer diplomatischen Krise führen, denn es wäre für die italienischen Behörden der Beweis des lang gehegten Verdachtes, dass Deutschland hinter den Anschlägen in Südtirol steckt.
Genau zu dem Zeitpunkt, an dem in Europas Hauptstädten die Studentenrevolte explodiert, geht der General, der über zwei Jahrzehnte lang den deutschen Geheimdienst verkörpert hat, in Rente. Anfang Mai 1968 wird Reinhard Gehlen als Präsident des „Bundesnachrichtendienstes“ (BND) abgelöst und tritt in den Ruhestand. Gehlen arbeitet danach formal noch ein Jahr lang als Berater für seinen Nachfolger Gerhard Wessel, doch de facto kommt es zu einem Bruch zwischen dem Gründervater des BND und seinem Dienst.
Zwei Jahre lang schreibt Reinhard Gehlen danach an seinen Memoiren. 1971 erscheint das Buch mit dem schlichten Titel „Der Dienst“. Was als große Sensation angekündigt ist, erweist sich als sehr mittelmäßiges und eher langweiliges Werk. Der große Geheimnistuer bleibt seinem Ruf treu und plaudert in seinen Lebenserinnerungen rein gar nichts über die Geheimdienstarbeit aus.1 Das Buch erlaubt aber einen Einblick in Gehlens Gedankenwelt, die man getrost als etwas verschroben beschreiben kann. Gehlens Koordinaten sind geprägt von seiner militärischen Ausbildung, den Kriegsjahren und einem fast bis zum Fanatismus reichenden Anti-Kommunismus. „Ich betrachte den Kommunismus als eine tödliche Gefahr und lehne sein Gedankengebäude vollkommen ab“, fasst der BND-Gründer in seinen Lebenserinnerungen jene ideologische Auffassung prägnant zusammen, die sein privates und berufliches Leben prägt.2
Reinhard Gehlens nachrichtendienstliche Karriere beginnt, als er am 1. April 1942 zum Chef der Abteilung „Fremde Heere Ost“ (FHO) ernannt wird. Der neuberufene Oberst ist damit für die militärische Aufklärung an der gesamten Ostfront zuständig. Drei Jahre lang baut Gehlen die FHO zu einem Spionageapparat gegen die Sowjetunion auf. Diese Arbeit wird auch zum Leitmotiv seines Lebens. In der Nachkriegszeit sind es diese Informationen und das FHO-Archiv über vermeintliche kommunistische Aktivitäten, die den General für die Amerikaner so wertvoll machen, dass sie Reinhard Gehlen den Aufbau eines deutschen Nachkriegsgeheimdienstes finanzieren. Die „Organisation Gehlen“ (Org.), zuerst vom Militärgeheimdienst, dann ab 1949 von der „Central Intelligence Agency“ (CIA) kontrolliert und geleitet, ist für die USA ein wichtiges und willkommenes Werkzeug im aufkommenden Kalten Krieg. Der Kampf gegen den kommunistischen Feind schweißt die Gegner von einst zusammen.
Innerhalb der Gestapo und der militärischen Abwehr hatte man bereits Ende der 1930er-Jahre einen Begriff erfunden, mit dem die Nationalsozialisten ein vermeintliches Netz aus kommunistischen Spionen definierten, das sich über ganz Europa erstrecken sollte: die „Rote Kapelle“. Nicht nur die von Admiral Wilhelm Canaris geleitete Abwehr, also des militärischen Geheimdienstes der Wehrmacht, sondern auch die Gestapo und Gehlens FHO sahen in der Jagd auf die „Rote Kapelle“ eine ihrer zentralen Aufgaben. Obwohl man heute weiß, dass die „Rote Kapelle“ in Wirklichkeit eine Chimäre war, geht die Jagd auf das vermeintliche kommunistische Netzwerk auch in den Nachkriegsjahren unvermindert weiter. Reinhard Gehlen und viele seiner leitenden Mitarbeiter sind überzeugt, dass die Kommunisten den Westen unterwandern wollen. Dieser fanatische Antikommunismus aus den Kriegsjahren lebt in den Köpfen der meisten Mitarbeiter im deutschen Nachrichtendienst nach 1945 fort. Es ist eine Haltung, die alle Bereiche des BND durchdringt. Der Berliner Historiker Gerhard Sälter hat in seinem 2016 erschienenen Buch „Phantome des Kalten Krieges“ detailliert nachgezeichnet, wie man bis Anfang der 1970er-Jahre innerhalb des BND bewusst das Feindbild „Rote Kapelle“ am Leben erhalten und mit viel Aufwand gejagt hat.3
Exemplarisch zum Vorschein kommt diese Haltung auch in den bisher freigegebenen Akten des BND zu Südtirol. Die Frage, ob die Südtirol-Attentate vom Osten gesteuert werden und es kommunistische Hintermänner gibt, die den Südtirol-Konflikt ausnutzen wollen, um im westlichen Verteidigungsbündnis einen Unruheherd zu schaffen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Beschäftigung Pullachs mit Südtirol.
Nach Kenntnisnahme vernichten!
Zwischen Dezember 1962 und Juni 1963 kommt es im sowjetischen Sektor in Berlin zu mehreren Sprengstoffanschlägen. Nach kleineren Anschlägen an der Mauer folgt am 28. Dezember 1962 an der Ecke Zimmer-/Lidenstraße eine größere Explosion, die nicht nur einen Schaden an der Mauer verursacht, sondern auch über 1.500 Fensterscheiben in der Umgebung zu Bruch gehen lässt. Zwei Tage später explodieren Sprengladungen im Ausstellungsraum des Hauses der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft und gleichzeitig auf einem öffentlichen Parkplatz an der Wadzeckstraße. Bei einer dritten Sprengladung, die am Präsidium der Volkspolizei hinterlegt wird, versagt der Zeitzünder.
Die DDR-Behörden rechnen die Anschläge von Beginn an einer „revanchistischen Terrorgruppe“ aus dem Westen zu. Dass sie damit richtig liegen, machen die Ermittlungen der bundesdeutschen Polizei und ein dramatischer Vorfall deutlich, der sich wenige Wochen später ereignet. Am 10. März 1963 detoniert in einer Wohnung in Berlin-Wilmersdorf eine Sprengladung. Dabei stirbt der 23-jährige Student Hans-Jürgen Bischoff. Zwei Frauen werden schwer verletzt. Die Ermittlungen ergeben, dass Bischoff beim Scharfmachen einer Sprengladung verunglückt ist. Im Keller findet die Polizei ein ganzes Sprengstoff- und Waffenarsenal.
Östliche Steuerung der Südtirol-Attentate: Reinhard Gehlen („106 pers.“) gibt Marschrichtung vor.
Laut ersten Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) stammen die bei Bischoff gefundenen Zünder und Zündschnüre sowie der Sprengstoff aus Österreich. Die polizeilichen Ermittlungen ergeben ein klares Bild: Hans-Jürgen Bischoff ist Mitglied der Berliner Burschenschaft Vandalia-Teutonia und war über den rechtsgerichteten „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ) mit dem Kreis um Norbert Burger in Berührung gekommen. Das BKA kann den Weg der bei Bischoff gefundenen Zünder genau rekonstruieren. Sie waren von Leuten des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) − unter ihnen Peter Kienesberger − im Herbst 1962 in Österreich gestohlen und über Norbert Burger und deutsch-österreichische Burschenschafterkreise nach Berlin gebracht worden.
Schon im Frühjahr 1962 hatte man auf einem BHJ-Pfingstlager in Heilbronn einen gemeinsamen Aktionsplan beschlossen. Unter dem Signum „Berlin hilft Südtirol – Südtirol hilft Berlin“ wird eine Art rechtsradikales Joint Venture geschlossen. Zwischen 1962 und 1965 beteiligen sich über diese Schiene zwei Dutzend deutsche Burschenschafter an BAS-Attentaten in Italien. Die Anschläge vom Oktober 1962, bei denen der Bahnhofsangestellte Gaspare Erzen in Verona stirbt und weitere 20 Personen verletzt werden, sind nur der Auftakt. Im Gegenzug werden BAS-Leute in Berlin aktiv. So ist etwa Peter Kienesberger im Frühjahr 1963 an den Maueranschlägen in Berlin direkt beteiligt.4
Mitten in der Anschlagsserie schreibt Reinhard Gehlen einen persönlichen Brief an Heinrich Albertz (1915−1993), den regierenden Bürgermeister Berlins:
Von meinem Berliner Beauftragten bin ich über die Besprechung vom 28.3. unterrichtet worden. Mich hat das bisherige Ermittlungsergebnis über die Sprengstoffanschläge in Berlin an der Mauer außerordentlich interessiert. Insbesondere die Feststellung, dass einzelne Spuren über München zu Kreisen in Südtirol geführt hätten. Es wird in diesem Zusammenhang für Sie von Interesse sein, dass bei uns Hinweise dazu vorliegen, dass die Sprengstoffanschläge der rechtsradikalen Kreise in Südtirol wohl größtenteils von sowjetischer Seite gesteuert werden, meist ohne dass die tätigen rechtsradikalen Kreise sich dessen bewusst sind. Es ist in diesem Zusammenhang der Versuch gemacht worden, dem italienischen Dienst Material mit Daten und Personenangaben zuzuspielen, das die Urheberschaft an den Südtiroler Sprengstoffanschlägen dem BND zuschieben sollte. Erfreulicherweise erhielten wir aufgrund der Zusammenarbeit diese Unterlagen sofort, so dass wir nachweisen konnten, dass die Angaben falsch waren und ein großer Teil der wenigen Personen überhaupt nicht existiert.
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang auch noch bedeutsam, dass einige Zeit vor dem ersten Maueranschlag bei uns eine Meldung aus der Ostzone anlief, dass der Osten solche Maueranschläge inszenieren würde, um die Situation zu verschärfen. Es ist aber noch nicht gelungen, durch eine zweite Meldung dieser Art eine Bestätigung und nähere Einzelheiten zu erlangen. Ich glaube, dass man mit allen Mitteln versuchen sollte, die Dinge weiter zu klären. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Brief nach Kenntnisnahme vernichten würden. Sollten Sie uns einmal wieder besuchen, könnte dieses Thema näher erörtert werden.5
Es ist die typische Paranoia der Geheimdienste, die in den letzten Zeilen dieses Briefs zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig zeigt sich in diesem Schreiben aber auch die Grundüberzeugung des BND-Präsidenten und seines Dienstes, dass der Osten bei den Südtirol-Attentaten mitmischt.
In Pullach ist allen von Anfang an klar, dass die Beschäftigung mit Südtirol eine Gratwanderung ist. Denn der BND ist offiziell der deutsche Auslandsnachrichtendienst. Formal zuständig für die Aufklärung der Vorgänge in Deutschland, die mit dem Südtirol-Terrorismus zusammenhängen, sind das „Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA). In einem weiteren Vermerk zur Südtirol-Frage hält Reinhard Gehlen wenig später deshalb auch fest:
Obwohl sachlich innerhalb der BRD unzuständig, hat der BND wegen des außenpolitischen Gewichts der Südtirol-Frage und auch aus Gründen der Sicherung auslandsnachrichtendienstlicher Verbindungen nach Italien sich bemüht, den Komplex Südtirol zu klären.6
Wie wir bereits gesehen haben, hat der BND eine Vielzahl von Zuträgern, Informanten und Agenten, die zu Südtirol berichten und auch auf den BAS angesetzt sind. Gehlen & Co haben damit detaillierte Kenntnisse von der Entwicklung der Südtirol-Krise. Im Herbst 1964 fasst der Bereichsleiter im „Strategischen Dienst“ Hans Georg Langemann (DN „Lückrath“) den Kenntnisstand des BND zu Südtirol zusammen. Der Übersichtsbericht, der an Reinhard Gehlen persönlich geht, wird auch an das Bonner BND-Büro (106/XX) geschickt. Das deutet darauf hin, dass der Bericht auch für Teile der deutschen Bundesregierung bestimmt ist.
Die Analyse „Lückraths“ gibt den Wissensstand und die Überzeugungen zu Südtirol im Herbst 1964 prägnant wieder:
Nach hier vorliegenden Erkenntnissen sind die am Anfang der Auseinandersetzungen um Südtirol durchgeführten Sabotagehandlungen zunächst von der Regierung in Wien zumindest toleriert worden. Das traf insbesondere auf Einzelfälle zu, in denen Offiziere des Bundesheeres durch Schulung oder Bereitstellung von Handfeuerwaffen und Sprengmaterial aktiven Einfluss auf die Geschehnisse nahmen. Schon bald stellte sich aber heraus, dass die am Anfang wohl mehr als unblutige Demonstration gedachten Sabotagehandlungen in Größenordnung, Einsatzrichtung und Intensität der Einflussnahme offizieller oder offiziöser Stellen Österreichs entglitten. Diese Stellen hielten sich deswegen in der Zukunft auch zurück.
Auf dem Höhepunkt der Attentatswelle im Sommer 1961 wurde GS-mäßig [GS = Gegenspionage – Anm. d. Autors] festgestellt, dass eine entscheidende Einflussnahme durch rechtsradikale Kreise äußerlich eingetreten war, dass darüber hinaus in Einzelfällen auch Agenten des ND der ČSSR und der SBZ [ND = Nachrichtendienst, SBZ = Sowjetische Besatzungszone – Anm. d. Autors] zum Zwecke der Anstiftung und Diversion im Einsatzgebiet aufgetreten waren. Auch deuten Anzeichen dahin, dass seitens der KPI [Kommunistische Partei Italiens – Anm. d. Autors] in die Auseinandersetzung aktiv eingegriffen wurde. Ganz allgemein bleibt aber festzuhalten, dass die Einsätze in ihrer Mehrheit durch den rechtsradikalen „Befreiungsausschuss Südtirol“ (BAS) und seine Untergrundorganisationen getragen wurden. Ferner, dass der BAS von Österreich aus operierte und samt und sonders von Österreichern angeführt wurde.
Es unterliegt aber weiterhin keinem Zweifel, dass die vielfach ideal betonten rechtsextremistischen Zirkel innerhalb des BAS, deren Fäden in die faschistische Internationale, aber auch in „wilde“ freimaurerische Gruppen in Spanien, Belgien, Schweden und Italien liefen, einer starken Unterwanderung und Infiltration durch die Sowjets und ihre Satelliten ausgesetzt waren und noch sind. […]
Nachdem sich in den Verhandlungen zwischen Italien und Österreich zwischenzeitlich Verhärtungen ergeben hatten, die eine politische Lösung der Südtirol-Frage zeitweise fraglich erscheinen ließen, ergaben die neuerlichen Sondierungen zwischen Kreisky und Saragat, die im September 1964 zu den Genfer Verhandlungen führten, ein relativ gutes Kompromissklima, auch seitens der Italiener.
Unbestätigten Meldungen zufolge habe dabei die gemeinsame sozialistische Orientierung beider Minister eine Rolle gespielt. Zur Störung dieser Lage wurden sodann in jüngster Zeit die bekannten Sabotagehandlungen wieder aufgenommen, und zwar zunächst sichtlich als Werk Einzelner, oder ganz kleiner Extremistengruppen.
Die in ihrem Umfange, aber auch in ihrer Brutalität unverhältnismäßig scharfe Reaktion der Carabinieri und teilweise auch der Alpini haben zu einer so tiefgreifenden Verschärfung der Lage geführt, dass es heute fraglich erscheint, ob die Terrorhandlungen ihren vereinzelten Charakter beibehalten werden oder ob mit einem neuen und umfassenden Anschwellen der Sabotageakte zu rechnen ist. Diese Frage ist umso gewichtiger, als die anfänglichen Terrorakte von der Südtiroler Bevölkerung fast einheitlich abgelehnt wurden, diese Stimmung aber ebenso radikal umgeschlagen ist. Hierzu hat sicherlich auch der noch ungeklärte Tod von Luis Amplatz, geb. 28.8.26 in Bozen, und die Verwundung von Georg Klotz, geb. 11.9.19 in Passeier, und das in diesem Zusammenhang sehr mysteriöse Verhalten der italienischen Sicherheitstruppen beigetragen.
Es bedarf aber auch hier nicht der Hervorhebung, dass die zu. Ziff. 1 genannten Kräfte wiederum bemüht sind, nicht nur das Südtiroler Verhandlungsklima zu stören, sondern vor allen Dingen in Italien eine neue antideutsche Welle hervorzurufen.7
Obwohl „Lückrath“ die großen Leitlinien beschreibt, verschweigt der Leiter des Bereichs „Sicherheit/Gegenspionage“ in dieser Darstellung ganz bewusst die aktive und operative Rolle des BND in Sachen Südtirol. Denn nicht nur aus dem Büro von Reinhard Gehlen wird der deutsche Nachrichtendienst in Sachen BAS und Südtirol tätig.
Das Wiener Handelskontor
Im Juli 1961, sieben Wochen nach der sogenannten Feuernacht, informiert Kurt Weiß alias „Winterstein“ seinen Vorgesetzen Reinhard Gehlen über das geplante Vorgehen und die Taktik des „Befreiungsausschusses Südtirol“. In der „Vortragsnotiz“ an den BND-Präsidenten heißt es:
Der Befreiungsausschuss hat für seinen Kampf vier Phasen vorgesehen:
1. Phase: Aufrüttelung der Weltöffentlichkeit durch die Sprengung des Reiterstandbildes in Waidbruck;
2. Phase: Sprengung von Überlandleitungen zur Schädigung der italienischen Industrie;
3. Phase: Sprengung von Bahnlinien in Italien.
Während in den ersten drei Phasen Menschenopfer vermieden werden sollten, sah die
4. Phase: Sprengungen von militärischen Anlagen ohne Schonung von Menschenleben vor.
In Anbetracht der erfolgten Verhaftungen ist es sehr fraglich, ob die vierte Phase noch durchgeführt werden kann. Der Befreiungsausschuss will daher vorerst die Phase 3a einfügen: Weiterführung der bisherigen Aktionen zur Entlastung der Verhafteten. Es soll damit bewiesen werden, dass die Verhafteten, insbesondere Sepp Kerschbaumer und Georg Pircher, nicht die Initiatoren der Anschläge waren.
Kerschbaumer wird als Andreas-Hofer-Typ charakterisiert, während Pircher durch sein Herzleiden wahrscheinlich „weich“ geworden sei und Namen preisgegeben habe.
Die Italiener haben daraufhin der österreichischen Regierung eine Namensliste übergeben, so dass Österreich nunmehr gezwungen wird, gegen die Freiheitskämpfer vorzugehen. Die österreichische Staatspolizei hat bereits entsprechende Anweisung erhalten. Die Angehörigen des BAS in Österreich treffen Vorkehrungen, um „untertauchen“ zu können.8
Die Informationen für diese Meldung kommen von einer Quelle innerhalb des BAS. Geführt wird dieser Informant von einem BND-Mitarbeiter, der für die Wiener Außenstelle des deutschen Nachrichtendienstes arbeitet. Bereits in der Org. hatte Reinhard Gehlen über ein Dutzend Außenstellen in Deutschland, aber auch verdeckte Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern eingerichtet. Mit dem Übergang der Org. in den Staatsdienst und die Gründung des BND wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Aufgabe es ist, diesen Außenbereich grundlegend zu reformieren. So ändern zum 1. April 1958 alle BND-Außenstellen ihren Namen. Wurden vorher Tarnziffern verwendet, so setzt man jetzt auf die Wirtschaft als Tarnung.
Pullach gründet überall Scheinfirmen, unter deren Deckmantel die Mitarbeiter tätig sind. Es handelt sich um Unternehmen, die im Handelsregister eingetragen sind und die auch Steuern zahlen, die in Wirklichkeit aber BND-Außenstellen sind. Die Firmenlegende dient der Deckung der eigenen Mitarbeiter. So entstehen die „Transfer OHG“, die „Mittelland AG“, das „Inkasso-Institut“, die „Firma Ehlert“, die „Reproduktionsgenossenschaft“ (RPG), der „Ortlerverlag“ oder das „Büro Baumeister“.9
Dass man diese Tarnung genauso auch im Ausland umsetzt, zeigt das Beispiel Johannes „Giovanni“ Gehlen und Rom. Am 12. November 1958 wird vor einem römischen Notar die Firma „Asfaro GmbH“ gegründet. Der Unternehmensname ist mit viel Fantasie gewählt und steht als Abkürzung für „Archivio Studi di Fisica Applicata e Ricerche Oceanografiche“. Diese Legende ist perfekt auf den studierten Physiker Giovanni Gehlen zugeschnitten. Offiziell gehörte die Asfaro GmbH zu 83 Prozent Agda Paulson, der Ehefrau des BND-Statthalters. Die restlichen 17 Prozent hält der römische Chemiker Manfredo Mingazzini. Bereits am 5. Februar 1959 ernennt der Verwaltungsrat Giovanni Gehlen zum Alleinverwalter, ausgestattet mit allen Befugnissen. Die Asfaro GmbH erwirbt 1959 die Wohnung in der Via Oddone di Cluny Nr. 8, in der die verdeckte BND-Residentur in Rom untergebracht ist.10
Auch die Wiener Außenstelle des BND wird als Unternehmen getarnt. Die BND-Mitarbeiter operieren ab 1958 in der österreichischen Bundeshauptstadt unter dem Dach der „Handelskontor Ex- und Import GmbH“. Geleitet wird die Wiener Außenstelle in diesen Jahren von Kurt Randel-Semper (DN „Rahne“), einem Münchner Obersten, der im Zweiten Weltkrieg eine Nachrichtengruppe der Luftwaffe geführt hat. Einer der hauptamtlichen Mitarbeiter ist Werner Friedrich Macho (* 1924). Der geborene Kremser, Mitglied der SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“ im Rang eines SS-Unterscharführers, liefert als „V-14 402“ und unter dem Decknamen „Weikert“ auch immer wieder Meldungen über Südtirol und den BAS.
Die Außenstelle in Wien gilt als eine der BND-Residenturen, in der es von ehemaligen SS- und SD-Männern nur so wimmelt. Das liegt an dem Mann, der die Außenstelle aufgebaut hat. Rupert Mandl (* 1910), SS-Hauptsturmführer, Leiter einer Außenstelle des „Reichsicherheitsamtes“ (RSHA) in Wien, tritt bereits 1947 der Org. bei. Mandl leitet als „V-14 000“ unter dem Decknamen „Mayer“ jahrelang die Spionage gegen Ungarn und wirbt für die Wiener Außenstelle vor allem Kriegskameraden aus dem SD und der SS an.
Am 13. November 1959 tritt ein neuer Mitarbeiter seinen Dienst in der „Handelskontor GmbH“ an. Der BND-Mitarbeiter, der in Pullach unter der Verwaltungsnummer „V-14 791“ und dem Decknamen „Wieland“ geführt wird, ist als „Forscher und Verbindungsführer für politische und wirtschaftliche Verbindungen“ tätig. Das Operationsgebiet von „V-14 791“ ist ganz Österreich, sein Dienstsitz Wien.
BND-Außenstellenleiter Rupert Mandl: Schart in Wien vor allem SS- und SD-Kameraden um sich.
Ein Forscher ist im BND-Jargon ein BND-Mann, der neue Informanten für den deutschen Nachrichtendienst auskundschaftet und auch anwirbt. Der Verbindungsführer führt dann die angeworbenen BND-Mitarbeiter. Anfang Dezember 1960 wird der „Forschungsbereich“ von „V-14 791“ noch einmal von seinem Dienstgeber genauer spezifiziert. Der BND-Mann operiert nun vor allem in „Studentenkreisen in Richtung Donauraum“.11
Hinter dem Decknamen „Wieland“ und der Nummer „V-14 791“ verbirgt sich Rudolf Wihan. Der Wiener Rudolf Wihan (1910–1983) tritt bereits Anfang 1931 der NSDAP bei, später der SS und dem SD. Wihan arbeitet anfänglich vor allem als Propagandafachmann. Er engagiert sich im Nationalsozialistischen Studentenbund und übernimmt die Leitung der Presse- und Propagandaabteilung der Bereichsführung Südost des Reichsstudentenwerks. 1939 leitet er als SS-Obersturmführer kurzzeitig die sogenannte „Bücherverwertungsstelle Wien“, in der Hunderttausende Bücher verwaltet werden, die die Nazis geraubt haben.12 Ab 1943 ist er als persönlicher Referent des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Italien Wilhelm Harster tätig, über den im nächsten Kapitel noch ausführlicher berichtet werden wird. Zuerst in Genua und dann in Verona stationiert, arbeitet Wihan für den SD in der Abteilung III, dem Nachrichtendienst.13
Nach dem Krieg lebt Rudolf Wihan in Wien und kehrt dorthin zurück, wo er als junger Mann sozialisiert worden ist: in die Burschenschafterkreise. Die Wiener Burschenschaft Aldania ist eine der ersten schlagenden Verbindungen, die 1946 in Wien wieder aktiv werden. Die Aldania beginnt in den ersten Nachkriegsjahren auch die sogenannten Alten Herren, zum Großteil belastete NS-Funktionsträger, zu sammeln. Rudolf Wihan mischt dabei an vorderster Front mit.
1953 schließen sich die akademischen Burschenschaften Österreichs zum Allgemeinen Delegierten Convent (ADC) zusammen. Der Dachverband wird 1959 in Deutsche Burschenschaft in Österreich (DÖB) umbenannt. Mitte der 1950er-Jahre ist Rudolf Wihan Vorsitzender des ADC.14
Es ist dieses rechtskonservative bis rechtsextremistische Terrain, das Wihan spätestens ab 1959 als „V–14 791“ für den BND bearbeitet. Dabei kommt der Mitarbeiter des deutschen Nachrichtendienstes unweigerlich mit dem Thema Südtirol in Berührung und auch mit Norbert Burger, der jahrelang seine Mitstreiter im sogenannten Südtiroler Freiheitskampf aus den Burschenschaften rekrutiert. Norbert Burger wird zwischen 1955 und 1961 in nahezu sämtliche bedeutenden Ämter gewählt oder nominiert, die der ADC oder die DÖB zu vergeben haben. Dabei kommen sich Burger und Wihan persönlich näher. Der spätere Gründer der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei (NDP) dürfte so auch mitbekommen haben, dass der Wiener Burschenschafter für den deutschen Nachrichtendienst arbeitet. Auch das geht aus den Pullacher Akten hervor. So berichtet Herbert Lucht, alias „V-3020“ im September 1963 über angebliche „Kontakte des BAS zu Journalisten und Agenten“. In der Meldung heißt es:
Hingegen hält man Verbindung mit einem ebenfalls als Journalist getarnten „Gehlen-Agenten“ in Wien, namens Wihan. Dr. Burger hat ihm erst in letzter Zeit geschrieben und ihn gebeten, die offenbar vom BND ausgestreuten Verdächtigungen im Zusammenhang mit den Kommunisten richtigzustellen.15
Doch Norbert Burger ist nicht der einzige Kontakt Wihans in Österreichs Burschenschafterkreisen. „Wieland“ hat auch ein weiteres, prominentes BAS-Mitglied an der Angel.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.