Kitabı oku: «Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen», sayfa 7
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich dann aus § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 POG NRW. Hiernach hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit fallen die Sicherheitsgüter der Allgemeinheit und des Einzelnen. Sicherheitsgüter der Allgemeinheit sind die verfassungsmäßige Ordnung und die Rechtsordnung. Zur verfassungsmäßigen Ordnung zählen die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen sowie der Strafanspruch des Staates. Der Strafanspruch des Staates besagt, dass abweichendes Verhalten gesellschaftlich weder tolerabel ist noch sanktionslos bleiben soll. Für die Polizeibeamten war nicht auszuschließen, dass der von A geführte Pkw von den Strafverfolgungsbehörden gesucht wird. Die Polizei ist zur Abwehr von Gefahren für den Strafanspruch des Staates originär zuständig.22
III. Materielle Rechtmäßigkeit
Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen können sich entweder aus einem Spezialgesetz oder aus dem PolG NRW ergeben. Da die §§ 9 ff. PolG NRW als bereichsspezifische Regelungen den Vorschriften des DSG NRW vorgehen und auch das StVG keine entsprechende Ermächtigung zur Verfügung stellt, ist auf Vorschriften des PolG NRW zurückzugreifen. Die Kennzeichenüberprüfung ist rechtlich als sog. Datenabgleich zu qualifizieren; dieser ist zulässig im Rahmen des § 25 PolG NRW.23
§ 25 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW erlaubt den Abgleich personenbezogener Daten von Verhaltens- und Zustandsstörern im Sinne von § 4 und § 5 PolG NRW. § 25 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW fordert keine konkrete Gefahr. Ausreichend ist, dass die Polizei die Daten der genannten Adressaten rechtmäßig erlangt (erhoben oder übermittelt erhalten) hat.24 § 25 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW erweitert die Möglichkeit des Datenabgleichs auf andere Personen. Das kann jeder sein, der in irgendeiner Weise mit einer Gefahrenlage (gewollt oder ungewollt) in Verbindung steht. In Betracht kommen Personen im Sinne von § 9 PolG NRW oder nicht-verantwortliche Personen gemäß § 6 PolG NRW. Durch die Anknüpfung an „eine bestimmte polizeiliche Aufgabe“ soll verhindert werden, dass die Vorschrift zum Datenabgleich auf tatbestandslose Befugnisnormen hinausläuft. § 25 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW gestattet den Datenabgleich zu Fahndungszwecken. Voraussetzung für den Abgleich personenbezogener Daten mit dem Fahndungsbestand ist, dass die Daten rechtmäßig (nicht rechtswidrig) erlangt wurden.25
§ 25 PolG NRW stellt keine hohen Anforderungen an die Zulässigkeit des Datenabgleichs. Die Norm enthält keine Rechtsgrundlage zur Erhebung der Daten, die abgeglichen werden sollen. Die Vorschrift gibt der Polizei (nur) die Befugnis, rechtmäßig erlangte Daten unter den genannten Voraussetzungen für den Datenabgleich zu nutzen.26 Als Rechtsgrundlage für die Datenerhebung kommen § 16a Abs. 3 PolG NRW bzw. § 163b i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG in Betracht (Nichtanhalten trotz Anhaltezeichen als Ordnungswidrigkeit). Standardfall des Datenabgleichs ist die sog. Routineabfrage, bei welcher die anlässlich einer Personenkontrolle festgestellten Personalien mit den Dateien Personen- und Sachfahndung abgeglichen werden.27 Allerdings darf die Ausübung der Befugnis nicht willkürlich erfolgen und muss aus einem konkreten Anlass heraus gerechtfertigt sein.28 Eine ungeschriebene Voraussetzung besteht darin, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, durch den Abgleich sachdienliche Hinweise zu erhalten, die zur Abwehr einer Gefahr genutzt werden können.29 So wird sich die Polizei in Fällen einer Identitätsfeststellung, die ja ihrerseits an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, regelmäßig auch vergewissern dürfen, ob gegen diese Person ein Haftbefehl vorliegt oder z. B. das von ihr mitgeführte Kraftfahrzeug als gestohlen gemeldet ist.30 Im Rahmen einer Verkehrskontrolle können die betroffenen Verkehrsteilnehmer und Kraftfahrzeuge mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden.31 Zu beachten ist generell, dass § 25 PolG NRW keine Rechtsgrundlage zur Erhebung der Daten ist, die abgeglichen werden sollen (VV 25.0 zu § 25 PolG NRW). Indes ist es der Polizei erlaubt, jedes amtliche Kennzeichen von Kraftfahrzeugen mit den Fahndungsdateien abzugleichen, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. So wird auch die Auffassung vertreten, dass diesbezüglich die gesetzlichen Bestimmungen der Polizeigesetze nicht nur die Ermächtigung zum Datenabgleich, sondern auch die Befugnis enthalten, die entsprechenden Daten zu erheben.32 Hinsichtlich sonstiger (allgemeiner) Anforderungen sind keine Probleme erkennbar.
Parallelnormen zu § 25 PolG NRW (Datenabgleich): § 34 Abs. 1 BPolG; Länder: § 39 Abs. 1 BWPolG; Art. 43 BayPAG; § 28 Abs. 1 S. 3 ASOG Bln; § 40 BbgPolG; § 36h BremPolG; § 22 HambPolEDVG; § 25 HSOG; § 43 MVSOG; § 45 Abs. 1 NdsSOG; § 37 RhPfPOG; § 36 SPolG; § 46 SächsPolG; § 30 LSASOG; § 195 SchlHLVwG; § 43 ThürPAG
C. Weitere Versuche, den Pkw anzuhalten
I. Ermächtigungsgrundlage
Der Eingriffscharakter der Maßnahme ist wiederum zu bejahen.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Zu erörtern ist wiederum die sachliche Zuständigkeit der Polizei. Maßgebend für die Zuordnung einer Maßnahme (Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung) ist das objektiv zu ermittelnde Schwergewicht unter Berücksichtigung des Zwecks der Maßnahme. Laut Sachverhalt ergab die Überprüfung des Kennzeichens, dass der Opel Astra vor 2 Tagen in A-Stadt gestohlen wurde. Die Beamten haben also von dem Anfangsverdacht einer Straftat Kenntnis erlangt. Insofern könnte von einer strafverfolgenden Zielsetzung ausgegangen werden (Identitätsfeststellung bzw. Festnahme des F, §§ 163b, 127 StPO). Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich in diesem Fall aus § 1 Abs. 4 PolG NRW33 i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG NRW i. V. m. § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Gleichwohl ist aber auch eine gefahrenabwehrende Zielsetzung der Beamten denkbar. Laut Sachverhalt beginnt eine (wilde) Verfolgungsfahrt unter ständiger Verletzung von Vorfahrtsregeln. F streift einen parkenden Pkw, sogar Fußgänger müssen zur Seite springen. Die Beamten wollten demnach auch Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer sowie für die Rechtsordnung (z. B. §§ 315b, 315c StGB) abwenden. In diesem Fall ist der präventiv-polizeiliche Handlungsraum eröffnet (§ 1 Abs. 1 PolG NRW). Ein Einschreiten auf der Grundlage beider Rechtsbereiche scheint demnach möglich. Kann ein und dieselbe polizeiliche (Eingriffs-)Maßnahme sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung dienen, so handelt es sich um eine sog. doppelfunktionale Maßnahme. In derartigen Fällen wird z. T. die Auffassung vertreten, dass die polizeiliche Maßnahme gleichzeitig auf Rechtsgrundlagen des Strafverfahrensrechts und des Polizeirechts gestützt werden sollte (doppelte Rechtmäßigkeitsprüfung).34 Dies stößt allerdings auf rechtsstaatliche Bedenken. Da die Zuordnung einer polizeilichen Maßnahme von entscheidender Bedeutung für die Gesetzesanwendung, für die zu beachtenden Formvorschriften sowie letztendlich (auch) für den Rechtsschutzweg ist, scheint eine differenzierende rechtliche Zuordnung geboten.35 Zu klären ist daher, welche Aufgabe vorrangig ist. Wie bereits oben angesprochen, hängt die Zuordnung der Maßnahme davon ab, welchen objektiven Zweck das polizeiliche Handeln schwerpunktmäßig verfolgt. Wo dieser Schwerpunkt schließlich anzusiedeln ist, entscheidet sich aufgrund einer Abwägung der beteiligten Interessen nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit.36 Vorliegend wird bei einer Güterabwägung die Ahndung der begangenen Straftat(en) bzw. (Verkehrs-) Ordnungswidrigkeit(en) gegenüber der Abwendung der (erheblichen) Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer zurücktreten, d. h. der Schwerpunkt der Maßnahme dürfte im Bereich der Gefahrenabwehr liegen. Letztendlich ist auch festzustellen, dass der Prävention kein geringerer Rang zukommt als der Repression. Vielmehr ist im Zweifel eine Vermutung zugunsten der Gefahrenabwehr anzunehmen. Dies ergibt sich (auch) aus dem der Polizei übertragenen Gefahrenabwehrauftrag (Schutzauftrag). Diesem Auftrag kommt Verfassungsrang zu. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 POG NRW.
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage
Die Grundlage für das Anhalten könnte in der Generalklausel (§ 8 PolG NRW) gesehen werden. Die Generalklausel ist jedoch nur dann anzuwenden, wenn eine Spezialnorm diesen Bereich nicht erfasst. Eine solche Spezialnorm könnte § 36 StVO sein. § 36 Abs. 5 StVO scheidet aus, es handelt sich jetzt nicht mehr (lediglich) um eine allgemeine Verkehrskontrolle. Vielmehr dient das Anhalten nunmehr der Abwehr konkreter Gefahren. Möglicherweise kommt jedoch § 36 Abs. 1 StVO in Betracht. Danach sind Zeichen und Weisungen der Polizei zu befolgen. Die Norm gilt für unmittelbar verkehrslenkende Maßnahmen. Vorliegend geht es aber in erster Linie um die Abwehr konkreter Gefahren für Leib oder Leben respektive Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer. Mangels Spezialermächtigung – auch die §§ 9 ff. PolG NRW scheiden aus – kommt als Grundlage § 8 Abs. 1 PolG NRW in Betracht. Danach kann die Polizei notwendige Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende (konkrete) Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Die konkrete Gefahr ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Schadens tatsächlich befürchtet werden muss und der Schadenseintritt zeitlich und räumlich konkretisierbar ist. F missachtete (mehrfach) Haltezeichen. Laut Sachverhalt mussten Fußgänger zur Seite springen. Auch kam es bereits zu Verkehrsunfällen, d. h. es ist bereits ein Schaden eingetreten. Die Gefahr hat sich (also) bereits realisiert. F setzte seine Fahrt mit hoher Geschwindigkeit fort. Weiterer Schaden drohte. Es bestand demnach sogar eine gegenwärtige Gefahr. Von einer derartigen (gegenwärtigen) Gefahr spricht man, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn der Schaden unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Genau das ist vorliegend der Fall. Die Gefahr hat sich bereits realisiert, weiterer Schaden drohte. Es bestand somit eine (gegenwärtige) Gefahr für Leib und/oder Leben respektive Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer. Weiterhin bestand die Gefahr für die Rechtsordnung. Die Maßnahme war auch notwendig.
2. Adressatenregelung
Die Anhaltezeichen haben sich auch gegen den richtigen Adressaten gerichtet. F hat durch sein Verhalten die Gefahr unmittelbar verursacht, Unmittelbarkeitstheorie (§ 4 Abs. 1 PolG NRW).
3. Übermaßverbot
Zu beurteilen ist, ob die Maßnahme geeignet (§ 2 Abs. 1 PolG NRW), erforderlich (§ 2 Abs. 1 PolG NRW) und verhältnismäßig i. e. S., d. h. angemessen (§ 2 Abs. 2 PolG NRW) ist.
a) Geeignetheit
Die Maßnahme muss geeignet sein, d. h. sie muss die Gefahr (voraussichtlich) vollständig beseitigen können. Dass die Anhaltezeichen nicht befolgt wurden, spielt keine Rolle. Es ist nicht erforderlich, dass die Maßnahme den gewünschten Erfolg sicher herbeiführt. Die Beamten konnten aber von der objektiven Zwecktauglichkeit der Anhaltezeichen ausgehen. Das ist ausreichend. Hätte F die Anhaltezeichen befolgt, wäre die Gefahr beseitigt gewesen.
b) Erforderlichkeit
Der Grundsatz der Erforderlichkeit beinhaltet, dass von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen zu wählen sind, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. Andere – ebenso geeignete – Maßnahmen standen nicht zur Verfügung.
c) Verhältnismäßigkeit i. e. S.
Die Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Die Beurteilung setzt eine Güterabwägung voraus, d. h. das eingeschränkte Grundrecht darf objektiv nicht höher einzustufen sein als das Recht, das geschützt werden soll. Eingeschränkt wird die allgemeine Handlungsfreiheit des F. Demgegenüber werden (erhebliche) Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer sowie Gefahren für die Rechtsordnung abgewehrt. Diese Zielsetzung der Polizei ist höher zu bewerten, d. h. die Güterabwägung führt nicht zu einem Missverhältnis zwischen Maßnahmezweck und Maßnahmefolge. Die Anhaltezeichen waren rechtmäßig.
Parallelnormen § 8 Abs. 1 PolG NRW (Generalklausel): § 14 Abs. 1 BPolG; § 3 BWPolG; Art. 11 Abs. 1 BayPAG; § 17 Abs. 1 ASOG Bln; § 10 Abs. 1 BbgPolG; § 10 Abs. 1 BremPolG; § 3 Abs. 1 HmbSOG; § 11 HSOG; § 13 MVSOG; § 11 NdsSOG; § 9 Abs. 1 RhPfPOG; § 8 Abs. 1 SPolG; § 3 Abs. 1 SächsPolG; § 13 LSASOG; § 174 SchlHVwG; § 12 ThürPOG
D. Abgabe eines Warnschusses und gezielte Schüsse auf die Hinterreifen
I. Ermächtigungsgrundlage
Bevor gezielt in die Hinterreifen des Pkw geschossen wurde, gab PK A einen Warnschuss ab. Ein Warnschuss ist als Androhung unmittelbaren Zwanges zu qualifizieren (§ 61 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW). Unmittelbarer Zwang darf nur angedroht werden, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für seine Anwendung gegeben sind, d. h. die Abgabe eines Warnschusses setzt die Befugnis zur Abgabe eines gezielten Schusses voraus.37 Dies ist nachfolgend zu prüfen. Laut Sachverhalt versuchten die Beamten mehrfach (erfolglos) den Pkw anzuhalten. Im Vordergrund des Tätigwerdens stand die Gefahrenabwehr.
Zunächst muss geklärt werden, ob es sich bei der Zwangsanwendung um ein Vorgehen im Wege des sofortigen Vollzugs (§ 50 Abs. 2 PolG NRW) handelt oder ob die für den „Normalfall“ geltende Regelung des § 50 Abs. 1 PolG NRW zur Durchsetzung eines erlassenen Verwaltungsaktes in Betracht kommt. Die Anhaltezeichen stellen sich als Verwaltungsakte i. S. des § 35 VwVfG NRW dar. Mehrere Haltegebote wurden missachtet. Der Schusswaffengebrauch diente demnach der Durchsetzung eines zuvor erlassenen Verwaltungsaktes (sog. gestrecktes Zwangsverfahren). Der sog. sofortige Vollzug (§ 50 Abs. 2 PolG NRW) kommt demnach nicht in Betracht.
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Es ist von einer gefahrenabwehrenden Zielsetzung auszugehen; strafverfolgende Aspekte sind nicht ersichtlich (Grundmaßnahme: Anhalten des Pkw). Die Rechtmäßigkeitsprüfung des Grundverwaltungsaktes erfolgte bereits. Zu prüfen ist § 50 Abs. 1 PolG NRW (Zwangsanwendung durch Durchsetzung eines erlassenen Verwaltungsaktes; sog. gestrecktes Verfahren).
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Zulässigkeit des Zwanges (§ 50 Abs. 1 PolG NRW)
Gem. § 50 Abs. 1 PolG NRW kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Der Verwaltungsakt (Haltegebote) konnte mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, da Rechtsmittel § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung gehabt hätte. Es handelt sich um eine unaufschiebbare Anordnung (Maßnahme) eines Polizeivollzugsbeamten. Diese Regelung will primär solche Fälle erfassen, in denen ein Polizeibeamter vor Ort angesichts der besonderen Eilbedürftigkeit seines Handelns tätig werden muss und den Eintritt der Unanfechtbarkeit aus naheliegenden Gründen nicht abwarten kann. So gelten als unaufschiebbar i. d. R. (nur) zeitlich dringliche Maßnahmen, also solche, die Polizeibeamte mündlich (oder durch Zeichen) treffen. Ein Wirksamwerden dieser Maßnahmen kann nicht aufgeschoben werden. In diesen Fällen geht der Schutz der öffentlichen Sicherheit dem Interesse des Betroffenen an nochmaliger rechtlicher Überprüfung des Verwaltungsaktes vor seinem Vollzug vor.
Die Voraussetzungen des sog. gestreckten Zwangsverfahrens nach § 50 Abs. 1 PolG NRW liegen vor.
Parallelnormen zu § 50 Abs. 1 PolG NRW (Gestrecktes Verfahren): § 6 VwVG; Art. 53 Abs. 1 BayPAG; § 53 Abs. 1 BbgPolG; § 47 Abs. 1 HSOG; § 80 Abs. 1 MVSOG; § 64 Abs. 1 NdsSOG; § 50 Abs. 1 RhPfPOG; § 44 Abs. 1 SPolG; § 53 Abs. 1 LSASOG; § 229 Abs. 1 SchlHLVwG; § 51 Abs. 1 ThürPolG
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels
Zwangsmittel sind in § 51 PolG NRW abschließend aufgezählt, d. h. mit anderen Mitteln dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht durchgesetzt werden. In Betracht kommt vorliegend der unmittelbare Zwang. Nach § 55 PolG NRW kann die Polizei unmittelbaren Zwang anwenden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind. Andere Zwangsmittel sind die Ersatzvornahme (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 52 PolG NRW) und das Zwangsgeld (s. §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 53 PolG NRW). Sowohl Zwangsgeld als auch Ersatzvornahme scheiden vorliegend (eindeutig) aus. Letztendlich ist festzustellen, dass die Voraussetzungen der (Vollstreckungs-)Ermächtigung (§ 55 PolG NRW) vorlagen. Die Polizei durfte somit das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwanges anwenden. Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW gelten für die Art und Weise der Anwendung unmittelbaren Zwanges die §§ 57 ff. PolG NRW. Ist die Polizei nach diesem Gesetz (PolG NRW) oder anderen Rechtsvorschriften zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt, gelten für die Art und Weise der Anwendung die §§ 58 bis 66 und, soweit sich aus diesen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes38 (§ 57 Abs. 1 PolG NRW). Gem. § 58 Abs. 1 PolG NRW ist unmittelbarer Zwang die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und Maschinenpistole zugelassen (§ 58 Abs. 4 PolG NRW).
Es ist davon auszugehen, dass PK A eine (zugelassene) Dienstwaffe benutzt hat, so dass die – allgemeinen – Voraussetzungen des § 58 Abs. 4 PolG NRW beachtet wurden.
3. Anwendung des Zwangsmittels
Für den Schusswaffengebrauch gelten spezielle Vorschriften, die letztlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit präzisieren. Einzugehen ist auf die §§ 63, 64 PolG NRW. Fraglich ist zunächst, ob es sich um einen Schusswaffengebrauch gegen Personen oder (nur) gegen Sachen handelt. Nur bei einem Schusswaffengebrauch gegen Personen sind die besonderen Voraussetzungen des § 64 PolG NRW zu prüfen. Der Schusswaffengebrauch richtete sich unmittelbar gegen eine Sache, den Pkw. Im fahrenden Fahrzeug befanden sich jedoch F und R. Es könnte sich demnach bereits um einen Schusswaffengebrauch gegen Personen handeln, da ein Schusswaffengebrauch gegen Sachen dann nicht (mehr) vorliegt, wenn mit Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass hierdurch Personen verletzt werden (VV 63.12 zu § 63 PolG NRW).
Beispiel:39 Nur wenn eine Gefährdung der Insassen durch den Schusswaffengebrauch gegen das Fahrzeug nach den gesamten Umständen des Einzelfalles ausgeschlossen werden kann, liegt ein Schusswaffengebrauch gegen Sachen vor:
– Schüsse auf die Reifen eines bereitgestellten Fluchtfahrzeugs, in dem sich noch niemand befindet
– Schüsse aus kurzer Entfernung auf die Hinterreifen eines verkehrsbedingt haltenden Fluchtfahrzeugs.
Ob ein Schusswaffengebrauch gegen Sachen oder (schon) gegen Personen vorliegt, richtet sich also danach, ob mit der Abgabe des Schusses eine Verletzung des F und der R mit Wahrscheinlichkeit zu befürchten war. Vorliegend erfolgte der Gebrauch der Schusswaffe aus dem fahrenden (!) Streifenwagen heraus, zudem auf ein fahrendes Fahrzeug. Es bedarf keiner eingehenden Begründung, dass in einem derartigen Fall von einer Treffsicherheit nicht auszugehen ist. Es bestand bei Abgabe des Schusses eine (hohe) Gefährdung für die Insassen des Pkw.40 Von einem Schusswaffengebrauch gegen Personen ist auszugehen. Ohne auf die Voraussetzungen des § 64 PolG NRW einzugehen, kann an dieser Stelle bereits festgestellt werden, dass der Schusswaffengebrauch nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen ist. Wenn auch die Reifen (zufällig?) getroffen werden, so bestehen grundsätzlich schwerwiegende Bedenken gegen die Geeignetheit eines solchen Schusswaffengebrauchs. Vielmehr kann bzw. wird ein Schusswaffengebrauch unter den im Sachverhalt genannten Bedingungen zu einer Erhöhung der Gefahrenlage führen. I.d.R. führt der Schusswaffengebrauch gegen Reifen auch nicht zu einem sofortigen und abrupten Stillstand des Fahrzeugs.41 Es dürfte zwar eine bedingte Fahrtüchtigkeit erreicht werden, doch kann dieser Umstand ein zusätzliches Sicherheitsrisiko auch für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. So ist gem. § 63 Abs. 4 Satz 1 PolG NRW der Schusswaffengebrauch unzulässig, wenn für den Polizeivollzugsbeamten erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden.42 Genau das ist aber vorliegend wohl der Fall. Gerade bei Schüssen auf fahrende Fahrzeuge wird man die Wirkungen schwerlich überblicken können. Verliert der Fahrzeugführer etwa die Kontrolle über sein Fahrzeug, so kann dies schwerwiegende Folgen für ihn, für Beifahrer43 sowie für andere Verkehrsteilnehmer haben. Gem. § 63 Abs. 4 Satz 2 PolG NRW gilt Satz 1 zwar nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist. Dieser Ausnahmetatbestand greift vorliegend allerdings nicht. Selbst bei Annahme einer derartigen Gefahrenlage wäre festzustellen, dass durch den Gebrauch der Schusswaffe die Gefährdung zusätzlich erhöht wird. Auch die Erforderlichkeit muss demnach in Frage gestellt werden. Als milderes Mittel kommt etwa eine Straßensperre in Betracht. Der Schusswaffengebrauch ist nicht das einzige Mittel zur Abwehr der Gefahr. Der Einsatz der Schusswaffe dürfte zudem nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. e. S. entsprechen, d. h. das vorliegend gewählte Mittel (Schusswaffengebrauch) ist – angesichts der dadurch bedingten erheblichen Gefahren für andere Personen – zur Erreichung des Ziels, das von F gesteuerte Fahrzeug zu stoppen, unangemessen. Der Schusswaffengebrauch ist nach alledem rechtswidrig.44
Parallelnormen zu § 63 Abs. 4 PolG NRW: Schusswaffengebrauch – Gefährdung Unbeteiligter: § 12 Abs. 2 S. 2 VwVG; § 53 Abs. 2 BWPolG; Art. 66 Abs. 4 BayPAG; § 66 Abs. 4 BbgPolG; § 46 Abs. 4 BremPolG; § 24 Abs. 2 S. 2 HambSOG; § 60 Abs. 4 HSOG; § 108 Abs. 2 MVSOG; § 76 Abs. 4 NdsSOG; § 63 Abs. 4 RhPfPOG; § 56 Abs. 2 SPolG; § 33 Abs. 2 SächsPolG; § 65 Abs. 4 LSASOG; § 257 Abs. 2 SchlHLVwG; § 64 Abs. 4 ThürPolG
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