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3.3 Teaser/Bieterverfahren
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Insbesondere bei Bieterverfahren („Auction Process“; alternativ auch kontrolliertes Bieterverfahren, strukturiertes Bieterverfahren oder Auktionsverfahren genannt) startet nach außen hin der Transaktionsprozess mit der Versendung eines sog. Teasers an potenzielle Interessenten, die vom Verkäufer oder seinen Beratern als potenzielle Bieter identifiziert worden sind. Der Teaser enthält regelmäßig auf anonymer Basis erste Informationen zu der zum Verkauf stehenden Zielgesellschaft, oft aus öffentlich zugänglichen Quellen (Jahresabschlüssen, Pressemitteilungen, der Homepage der Zielgesellschaft).
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Bieterverfahren werden heute bei dafür geeigneten Zielgesellschaften, bei denen ein Kaufinteresse vieler strategischer Investoren und Finanzinvestoren zu erwarten ist, häufig durchgeführt. Durch sie sollen im Vergleich zu bilateralen Verhandlungen (One-on-One) bestmögliche Marktbedingungen gewährleistet werden. Verkäufer und Bieter begegnen sich allein schon wegen der Informationsasymmetrie hinsichtlich der Zahl der Bieter, des Inhalts ihrer Gebote, aber auch wegen der simplen Möglichkeit, bei ungünstigem Verlauf von Verhandlungen mit einem anderen Bieter abzuschließen, in einem Bieterverfahren nicht auf Augenhöhe. Der Verkäufer hat deshalb in Bieterverfahren typischerweise eine besonders starke Verhandlungsposition und kann leichter als bei bilateralen Verhandlungen Preis und Konditionen optimieren. Bei hinreichender Anzahl von Bietern kann es helfen, einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Es erhöht, auch wegen des in der Regel ebenso starren wie straffen Zeitplans, die Transaktionsdynamik.184 Ein Auktionsverfahren kann zudem die Wahrscheinlichkeit steigern, den für den Verkäufer und die Zielgesellschaft „passenden“ Käufer zu finden.185 Die Organe der Verkäufergesellschaft sichern durch ein Auktionsverfahren ihre unternehmerische Entscheidung ab, zu den letztlich vereinbarten Bedingungen marktgerecht (insbesondere in Bezug auf den Kaufpreis186 sowie den Umfang der Garantien und Freistellungen187) verkauft zu haben.188 Andererseits erhöht ein Auktionsverfahren wegen der Mehrzahl an Bietern den Aufwand auf Verkäuferseite und auch, im Vergleich zu bilateralen Verhandlungen, oft die Dauer, also den zeitlichen Aufwand.189 Mit der Anzahl der Beteiligten und der typischerweise längeren Dauer steigt auch das Risiko, dass der Verkaufsprozess nicht vertraulich bleibt, etwa im Datenraum offengelegte Betriebsgeheimnisse zweckwidrig verwendet werden oder Schlüsselmitarbeiter der Zielgesellschaft, auf die Bieter aufmerksam geworden sind, abgeworben werden. Schließlich ist auch der Abbruch eines Auktionsverfahrens im Einzelfall für den Verkäufer oft problematischer als ein Abbruch von bilateralen Verhandlungen (One-on-One).
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Letztlich ist es daher eine unternehmerische Abwägungsentscheidung, ob auch im konkreten Einzelfall dem Auktionsverfahren Vorzug vor bilateralen Verhandlungen (die nicht exklusiv sein müssen, weshalb der Begriff der „exklusiven“ Verhandlungen oft nicht treffend ist) gegeben wird. Eine gesellschaftsrechtliche Pflicht der Organe der Verkäufergesellschaft, ein Bieterverfahren durchzuführen, besteht nicht.190
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Ein solches strukturiertes Bieterverfahren läuft regelmäßig in folgenden Schritten ab:
– (Abwägungs-)Entscheidung zwischen bilateralen Verhandlungen (One-on-One) und Auktionsverfahren,
– Bildung des Projektteams und Einschaltung von Beratern,
– Bewertung der Zielgesellschaft, um zu einer realistischen Erwartungshaltung auf Verkäuferseite zu kommen und ggf. eine – im Verfahren zu verfeinernde – Grundlage für die spätere unternehmerische Verkaufsentscheidung zu bilden,
– Erstellung und Versendung eines Teasers an potenzielle Bieter und Aufforderung, ein Erwerbsinteresse unverbindlich zu bekunden,
– Versendung des Entwurfs einer Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA),
– Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA), ggf. nach Berücksichtigung legitimer Änderungswünsche des Bieters (insbesondere Private Equity-Bieter haben oft besondere Anforderungen an den Inhalt der Vertraulichkeitsvereinbarung191),
– Versendung eines die Bedingungen des Verfahrens beschreibenden Verfahrensbriefs (Process Letter) und des Informationsmemorandums,
– Vorbereitung des (elektronischen) Datenraums (Virtual Data Room oder kurz VDR), der datenschutzrechtliche und kartellrechtliche Schranken beachtet,
– auf der Grundlage des Informationsmemorandums Abgabe eines rechtlich unverbindlichen sog. indikativen Angebots (Indicative Offer oder Non-Binding-Offer) durch Bieter,
– Auswahl der zum weiteren Prozess eingeladenen Bieter und ggf. Versendung eines weiteren Verfahrensbriefs (Process Letter II) an diese,
– Due Diligence durch diese Bieter; ggf. Zur-Verfügung-Stellung von „Vendor’s Due Diligence“-Berichten (je nach Einzelfall mit oder ohne „Reliance“ gegenüber den Bietern und dem Käufer) oder Fact Books (Letzteres beschränkt sich auf die zusammenfassende Wiedergabe des Inhalts des Datenraums ohne inhaltliche, also z.B. rechtliche Analyse und ohne Handlungsempfehlungen), die der Verkäufer und seine Berater erstellt haben,
– Abgabe sog. bindender Angebote (Binding Offer), die im Rechtssinn typischerweise noch nicht bindend und daher auch kein Angebot im Sinne von § 145 BGB darstellen, durch interessierte Bieter,
– Auswahl des oder der Bieter(s) für die finale Verkaufsphase (Preferred Bidder).
– ggf. kurze weitere Due Diligence (die oft auch als Confirmatory Due Diligence bezeichnet wird) durch den oder die ausgewählten Bieter,
– exklusive oder parallele Verhandlungen der Transaktionsverträge (insbesondere des Unternehmenskaufvertrags und von Begleitverträgen wie Transitional Services Verträgen),
– Vertragsunterzeichung (Signing),
– Vollzugsvorbereitung, insbesondere Einholung kartellbehördlicher Genehmigungen,
– Vollzug (Closing).
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Juristisch sind viele Fragen rund um Auktionsverfahren erst in jüngerer Vergangenheit aufgearbeitet worden.192 Anlass für Streitigkeiten in Auktionsverfahren193 bieten insbesondere folgende Fragen:
– Besteht eine per se gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers in Auktionsverfahren?
– Welche Haftung droht einem Verkäufer aus unzutreffenden Angaben in einem Informationsmemorandum?
– Kann auch ein Berater wegen unzutreffender Angaben in einem Informationsmemorandum haften?
– (Wie) Muss der Verkäufer und müssen seine Berater über die Existenz/das Fehlen anderer Bieter informieren?
– Dürfen chancenlose Bieter „mitgezogen“ werden?
– Darf von dem im Verfahrensbrief beschriebenen Verfahren einseitig abgewichen werden?
– Gibt es ein Recht der Bieter auf Gleichbehandlung, aus dem sie etwa verlangen können, dass der Verkäufer und seine Berater Antworten, die der Verkäufer auf gezielte Fragen eines Bieters diesem gegeben hat, auch ihnen rechtzeitig offenlegen?
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Veröffentlichte Rechtsprechung dazu ist nicht ersichtlich. Wenn ein Streit darüber ausgetragen wird, dann geschieht das regelmäßig in Schiedsverfahren, deren Entscheidungen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden.194
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Vom Schrifttum wird eine per se gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers in Auktionsverfahren diskutiert.195 Sie ist aber im Ergebnis abzulehnen: Auch im Rahmen bilateraler Verhandlungen wird nämlich der Informationsfluss inhaltlich und prozedural vom Verkäufer gesteuert und beherrscht, sodass das Auktionsverfahren insoweit keine Besonderheiten aufweist, die eine per se gesteigerte Aufklärungspflicht rechtfertigen könnten.196
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Unzutreffende Angaben in einem Informationsmemorandum können unter den Voraussetzungen einer Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB) Schadensersatzansprüche auslösen. Als potenzieller Schaden kommen insbesondere die frustrierten Aufwendungen eines erfolglosen Bieters in Betracht. Dabei muss sich der Verkäufer, wenn er dies nicht vertraglich wirksam mit dem Bieter ausgeschlossen hat (was nach § 278 Satz 2 BGB sogar für vorsätzliches Verhalten der Erfüllungsgehilfen zulässig wäre), das Verhalten seiner Berater (als seinen Erfüllungsgehilfen) nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen. Allerdings dürften solche Fälle in der Praxis selten sein: Der Verkäufer und seine Berater haben im weiteren Verfahrensverlauf wiederholt die Möglichkeit, etwa durch Offenlegung im Datenraum oder im vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process) (bei für den Käufer für dessen Kaufentscheidung wesentlichen Informationen wird sich der Käufer oft nicht auf das Informationsmemorandum verlassen, sondern vertieft prüfen wollen und Nachfragen stellen) unerkannt unzutreffende Informationen zu korrigieren. Für einen aufgrund unzutreffender Informationen vorzeitig ausscheidenden Bieter dürfte es oft schwierig sein, nachzuweisen, dass er ausschließlich wegen der unzutreffenden Informationen aus dem Verfahren ausgeschieden ist. Die praktische Bedeutung einer solchen Haftung ist daher eher gering.
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Eine Haftung für unzutreffende Informationen im Informationsmemorandum nach den Grundsätzen der Produkthaftung scheidet nach vorherrschender Meinung197 schon deshalb aus, weil kein Bieter erwarten kann, schon im Informationsmemorandum vollständig die für eine Kaufentscheidung relevanten Informationen zu bekommen. Dafür sind vielmehr die Due Diligence (mit Q&A-Process, Site Visit und Management Presentation) und die Verhandlungen gedacht.
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Nicht nur die ausdrücklich unzutreffende Information eines Interessenten über angebliche weitere Bieter (bloß ausweichende Antworten sind zulässig198), sondern auch die konkludente Fehlinformation darüber kann Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) auslösen oder dem erfolgreichen, aber zuvor entsprechend getäuschten Bieter die Anfechtung des Unternehmenskaufvertrags wegen arglistiger Täuschung ermöglichen (wenn der Bieter nachweisen kann, dass er den Unternehmenskaufvertrag ohne die Täuschung über weitere Bieter nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte199). Eine konkludente Fehlinformation über andere Bieter kann z.B. darin liegen, dass der Verkäufer eine Zahl von Verhandlungsteams benennt, die die Zahl der vorhandenen Bieter übersteigt.200 Fehlinformationen durch einen beauftragten Berater (einschließlich einer beauftragten Investmentbank) muss sich der Verkäufer zurechnen lassen.201
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„Zieht“ der Verkäufer einen chancenlosen Bieter „mit“, obwohl er mit ihm nicht mehr abschließen will, kann er ebenfalls aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB haften (Täuschung über die Bereitschaft zum Vertragsabschluss).202 Der Schaden des „mitgezogenen“ Bieters dürfte insbesondere in seinen frustrierten Aufwendungen im weiteren Verlauf des Auktionsverfahrens liegen. Der Ausschluss eines Bieters oder die ungleiche Zur-Verfügung-Stellung von Informationen dürfte dann keine Haftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB begründen, wenn sich der Verkäufer dies – wie üblich – im Process Letter203 vorbehalten hat.204
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Der Verkäufer ist zwar (auch außerhalb eines Bieterverfahrens) verpflichtet, einem Bieter (wie jedem Kaufinteressenten) wesentliche unternehmensbezogene Informationen offenzulegen,205 eine darüber hinausgehende Pflicht des Verkäufers, die Bieter informationell gleich zu behandeln, besteht aber nicht. Der Verkäufer ist daher nicht verpflichtet, allen Bietern Antworten zu gezielten Fragen einzelner Bieter etwa im vorvertraglichen Auskunftsprozess (Q&A-Process)206 zur Verfügung zu stellen.207
184 Voß, in: Knott, Unternehmenskauf, XI Rn. 751. 185 Vgl. Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 2. 186 Dazu Weißhaupt, ZHR 185 (2021), 91, 117f.: Durch Bieterverfahren lässt sich der Marktpreis simulieren. 187 Vgl. Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 3. 188 Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1299. 189 Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 3. 190 Wohl ganz herrschende Meinung, vgl. nur Fleischer, in: FS Vetter, S. 137, 146ff. 191 Dazu unten Rn. 112. 192 Zuerst Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445ff.; ferner Habersack/Schürnbrand, in: FS Canaris, S. 359. 193 Einen sehr guten Überblick geben Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7. 194 Vgl. allerdings den Bericht von Pörnbacher und Melzer zur Auswertung von Post-M&A-Streitigkeiten vor DIS-Schiedsgerichten in Drygala/Wächter, Verschuldenshaftung, Aufklärungspflichten, Wissens- und Verhaltenszurechnung bei M&A-Transaktionen, S. 215ff. 195 Henssler, in: FS Hopt, S. 113, 132f.; Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 449; Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1317. 196 So auch Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 7. 197 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 446; Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 9 m.w.N. 198 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 450. 199 Dazu Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 16 a.E. 200 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 448. 201 Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 16; anders: Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 448: nur bei Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Verkäufers. 202 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 449f. 203 Dazu unten Rn. 136. 204 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 451. 205 Dazu unten Rn. 228. 206 Dazu unten Rn. 220. 207 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 451.
3.4 Abschluss Vertraulichkeitsvereinbarungen/NDAs
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Gerade bei Bieterverfahren wird der Verkäufer angesichts der Vielzahl der Beteiligten sowie der Dauer des Verfahrens besonderen Wert auf Vertraulichkeit des Verkaufsprozesses und Schutz vor der Offenlegung der Geschäftsgeheimnisse der Zielgesellschaft legen.208 Vertraulichkeitsvereinbarungen haben deshalb hier eine im Vergleich zu bilateralen Verhandlungen, bei denen sie ebenfalls regelmäßig abgeschlossen werden, besondere Bedeutung und verdienen besondere Aufmerksamkeit (die ihnen nicht immer zuteil wird209).
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Oft ist die Vertraulichkeitsvereinbarung die erste Vereinbarung, die die Parteien im Rahmen einer Transaktion treffen.210 Ihre Bedeutung dürfte durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) vom 26.4.2019211 und das Erfordernis „angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen“ sogar noch zunehmen.212
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Auch als Instrument zur Verhinderung kartellrechtswidrigen Informationsaustauschs hat sie große Bedeutung und muss besonderen Anforderungen (insbesondere an die Definition des erlaubten Empfängerkreises und des erlaubten Nutzungszwecks in der Vertraulichkeitsvereinbarung oder einer gesonderten Clean-Team-Vereinbarung) genügen.
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Auch die Organe der Zielgesellschaft werden, nicht zuletzt, um eine eigene Haftung zu vermeiden, auf den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung drängen, bevor sie dem Verkäufer Informationen zur Zielgesellschaft zur Verfügung stellen. Ob dafür auch die Vereinbarung wirksamer Sanktionen (insbesondere also pauschalierten Schadensersatzes oder Vertragsstrafen) erforderlich ist, ist von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden,213 richtigerweise aber abzulehnen und in Verhandlungen oft auch nicht durchsetzbar. Abzulehnen ist eine solche Pflicht deshalb, weil die Frage, ob eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit „liquiden“ Sanktionen verbunden wird, eine unternehmerische Entscheidung214 der Geschäftsleitung des Verkäufers und der Zielgesellschaft ist. Allenfalls in extremen Ausnahmefällen ist aber das unternehmerische Ermessen derart „auf Null“ reduziert, dass eine Pflicht zur Vereinbarung von Vertragsstrafen oder pauschaliertem Schadensersatz besteht. Dies gilt insbesondere auch angesichts des Umstands, dass weder eine Vertragsstrafe noch ein pauschalierter Schadensersatz dem Verkäufer oder der Zielgesellschaft helfen, den Verstoß gegen die Vertraulichkeitsverpflichtung zu beweisen.
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Sind unter den Bietern Wettbewerber und unter den Informationen wettbewerblich sensible, dürfte es im Lichte jüngster zum Kartellrecht ergangener Entscheidungen215 regelmäßig kartellrechtlich geboten sein, nicht nur eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit präziser Bestimmung ausgewählter Personen, die Zugang zu den vertraulichen Informationen erhalten (ggf. beschränkt auf ein Clean-Team), und präziser Zweckbestimmung zu vereinbaren, sondern darüber hinaus Clean Teams oder gar „Super“ Clean Teams216 einzusetzen.
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Geschützt wird durch eine Vertraulichkeitsvereinbarung auch der Käufer (erfolgreiche Bieter), denn es ist künftig letztlich „seine“ (Ziel-)Gesellschaft, deren Geheimnisse geschützt werden. Bei Carve-Out-Transaktionen, wenn also der verkaufte Geschäftsbereich (erst) aus einer größeren Einheit herausgelöst werden muss oder worden ist, kann auch die Einbeziehung verbundener Unternehmen des Verkäufers sinnvoll sein.217 Verbreitet sind solche Gestaltungen freilich nicht.218
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Wesentliche inhaltliche Regelungspunkte von Vertraulichkeitsvereinbarungen sind insbesondere:
– Bestimmung der Parteien der Vertraulichkeitsvereinbarung,
– Bestimmung der Schutzwirkung,
– Definition der vertraulichen Informationen,
– Zweckbestimmung der vertraulichen Informationen und Verpflichtung zur Vertraulichkeit,
– Bestimmung der Personen, die Zugang zu den vertraulichen Informationen bekommen sollen,
– Bestimmung der Laufzeit,
– Kontakt- und Abwerbeverbote,
– Verpflichtungen zur Rückgabe oder Vernichtung,
– Haftungsausschluss zugunsten des Verkäufers und der Zielgesellschaft für insbesondere im Informationsmemorandum enthaltene oder im Datenraum offengelegte unvollständige oder fehlerhafte Informationen,
– Bestimmungen zu besonderen Sanktionen, insbesondere pauschaliertem Schadensersatz und Vertragsstrafen.
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Gerade bei Bieterverfahren kann es darüber hinaus empfehlenswert sein, in der Vertraulichkeitsvereinbarung die Bildung von Bieterkonsortien von der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verkäufers abhängig zu machen.219 Dies kann auch für eine exklusive Bindung von Finanzierungspartnern an einen Bieter empfehlenswert sein.220 Denn durch beides läuft der Verkäufer Gefahr, dass der angestrebte Wettbewerb beeinträchtigt und der Bieter sich einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Bietern verschafft.221 Solche Verpflichtungen sollten durch den oder die Process Letter(s)222 flankiert werden, indem sich der Verkäufer dort ein ausdrückliches Recht vorbehält, dagegen verstoßende Bieter aus dem weiteren Bieterverfahren auszuschließen.
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Parteien der Vertraulichkeitsvereinbarung sind regelmäßig jedenfalls der Verkäufer und der Bieter. Bei deutschen Gesellschaften als Kaufinteressenten sollen die Organmitglieder ebenfalls verpflichtet und durch die Vereinbarung automatisch unmittelbar gebunden sein.223 Ist der Kaufinteressent ein Gruppenunternehmen eines Konzerns, empfiehlt es sich, die Vertraulichkeitsvereinbarung mit der Konzernobergesellschaft abzuschließen und diese verschuldensunabhängig zu verpflichten, für die Einhaltung durch ihre verbundenen Unternehmen einzustehen.224 Existiert auf Bieterseite, wie bei Private Equity-Fonds, das Akquisitionsvehikel noch nicht, kommen die Beratungsgesellschaft des Fondsmanagers,225 dieser selbst226 oder die Fondsgesellschaft, die die Gesellschaft zu erwerben beabsichtigt, in Betracht.227
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Geschützt werden soll neben dem Verkäufer als Vertragspartei auch insbesondere die Zielgesellschaft. Sie kann daher entweder ebenfalls Vertragspartei werden oder aber als Drittberechtigte im Sinne von § 328 BGB vorgesehen werden. Wird die Zielgesellschaft im Bieterverfahren verkauft, kann es sich empfehlen, die Vertraulichkeitsvereinbarung auch als echten Vertrag zugunsten eines Dritten i.S.v. § 328 BGB zugunsten des späteren Käufers abzuschließen. Bei Carve-Out-Transaktionen, wenn also der verkaufte Geschäftsbereich (erst) aus einer größeren Einheit herausgelöst werden muss oder worden ist, kann auch die Einbeziehung verbundener Unternehmen des Verkäufers sinnvoll sein.228 Sollen in beiden Gestaltungsvarianten die Vertragsparteien das Recht haben, einzelne Bestimmungen, die auch drittbegünstigend sind, ohne Zustimmung des Dritten zu ändern oder aufzuheben, müssen sie sich dies in der Vertraulichkeitsvereinbarung vorbehalten.229
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Der Kaufinteressent wird regelmäßig an einer möglichst exakten Definition der vertraulichen Informationen interessiert sein, etwa der Existenz und den näheren Umständen des Verkaufsprozesses und der beabsichtigten Transaktion, Informationen, die im Rahmen des vorvertraglichen Auskunftsprozesses (Q&A Process), der Managementpräsentation (Management Presentation), Expertengesprächen (Expert Sessions) oder von Standortbesichtigungen (Site Visits) erlangt wurden, und Informationen, die im Datenraum enthalten sind. Näher zu definierende und zu qualifizierende öffentlich bekannte Informationen, solche, die dem Kaufinteressenten von Dritten mitgeteilt wurden, solche, die aufgrund rechtlicher Verpflichtungen offenzulegen sind, und schließlich solche, die durch den Kaufinteressenten „entwickelt“ wurden, werden typischerweise ausgenommen.
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Zweckbestimmung dürfte regelmäßig die Bewertung der Transaktion, ggf. zusätzlich die Finanzierung der Transaktion oder der Abschluss einer W&I-Versicherung230 sein. Insbesondere dann, wenn unter dem Kreis der Bieter auch Wettbewerber sind und die im Transaktionsprozess offengelegten Daten, wie oft der Fall, wettbewerblich sensibel sind, empfiehlt sich die Verpflichtung, die Informationen auch unternehmensintern (innerhalb des Bieterunternehmens) vertraulich zu behandeln.
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Besonderes Augenmerk ist auf die Bestimmung der Personen zu richten, die auf der Seite des Kaufinteressenten Zugang zu den Informationen bekommen dürfen. Dies gilt aus kartellrechtlichen Gründen insbesondere dann, wenn der Kaufinteressent Wettbewerber ist und im Rahmen der Transaktionsvorbereitung auch sensible Daten offengelegt werden sollen. Legen die Parteien – etwa aus kartellrechtlichen Gründen – Wert auf einen möglichst engen und präzise gefassten Personenkreis, empfiehlt sich dessen namentliche Benennung in einer Anlage zur Vertraulichkeitsvereinbarung. Soll der Kreis weiter gefasst werden, können etwa auch Mitarbeiter von verbundenen Unternehmen und Berater und Dienstleister des Kaufinteressenten (Investmentbank, finanzierende Bank, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer) einbezogen werden, soweit sie mit der Transaktion befasst sind.231 Insbesondere bei Private Equity-Fonds als Kaufinteressenten kann das Interesse daran bestehen, ausdrücklich in die Vereinbarung das Recht aufzunehmen, vertrauliche Informationen im Hinblick auf Add-on-Akquisitionen auch an Portfoliogesellschaften weitergeben zu dürfen und sie mit potenziellen Co-Investoren oder einem anderen Bieter (Club Deal) auszutauschen. Für den Verkäufer bedeutet der Zusammenschluss zu einem Bieterkonsortium freilich eine Beeinträchtigung des angestrebten Wettbewerbs. Er mag deshalb umgekehrt das Interesse haben, dies auszuschließen.232
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Gleichzeitig ist zu regeln, wer für Verletzungen der Vertraulichkeitsverpflichtung haften soll. Dies kann zum einen allein der Kaufinteressent (als verpflichtete Vertragspartei) sein, der aufgrund einer entsprechenden Klausel verschuldensunabhängig dafür Sorge zu tragen hat, dass die Zugangsberechtigten keine Pflichten verletzen. In Betracht kommt darüber hinaus eine Regelung, nach der der Kaufinteressent verpflichtet wird, seinerseits spiegelnde Vertraulichkeitsvereinbarungen mit den Zugangsberechtigten in seinem „Lager“ abzuschließen. Alternativ kann der Verkäufer Wert darauf legen, mit bestimmten Zugangsberechtigten (z.B. solchen aus verbundenen Unternehmen, solchen bei Dienstleistern, die nicht gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind) eigene Vertraulichkeitsvereinbarungen abzuschließen. Bei Gruppenunternehmen aus Konzernen kann es im Einzelfall empfehlenswert sein, (auch) mit der Konzernobergesellschaft eine Vertraulichkeitsverpflichtung abzuschließen und eine gesamtschuldnerische Haftungsübernahme für die Verpflichtungen ihrer Konzerngesellschaften zu verlangen.233
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Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, ob es im Rahmen der Due Diligence zur Offenlegung wettbewerblich sensibler Daten an einen Wettbewerber (als Bieter) und damit zum Austausch wettbewerblich relevanter Informationen mit diesem kommen kann.234 Darin kann ein Verstoß gegen das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot (Gun Jumping) und ein Verstoß gegen das Kartellverbot liegen. Bei der Erstellung des Datenraums und dabei insbesondere der Auswahl des Datenrauminhalts ist daher auch aus kartellrechtlichen Gründen große Sorgfalt zu verwenden und dies für den Fall zu dokumentieren, dass später kartellrechtswidriges Verhalten im Raum steht. Wettbewerblich besonders sensibel sind grundsätzlich Informationen zu Preisen, Margen und Mengen, über Kosten und Nachfrage oder die Identität von Kunden und Lieferanten, wettbewerblich hoch sensibel sind Informationen über künftige Preise und Mengen. Dies sollte der Verkäufer bei der Vorbereitung des Datenraums im Auge haben. Neben oder ergänzend zu einer Schwärzung oder Aggregierung sensibler Informationen und einer gestuften Datenraumbestückung (sensible Daten werden erst in später Transaktionsphase ein oder zwei verbliebenen Bietern offengelegt, ggf. in einem Red Data Room) ist ein Lösungsweg die Vereinbarung (etwa in der Vertraulichkeitsvereinbarung oder einem gesonderten Clean-Team-Vertrag) mit dem Bieter. Im Kern sehen solche Vereinbarungen vor (i) dass nur ein ausgewählter Personenkreis von Mitarbeitern des Bieters oder (bei wettbewerblich hoch sensiblen Informationen) nur externe Berater des Bieters Zugang zu den sensiblen Informationen, die etwa in einem besonderen Datenraum offengelegt werden (Red Data Room), bekommen, (ii) diese die Informationen auch innerhalb des Unternehmens des Bieters vertraulich behandeln müssen und (iii) nur etwa in aggregierter oder anonymisierter Form und nach vorheriger Prüfung einer sog. Watch Dog (in dem nachstehenden Klauselbeispiel der „Antitrust Counsel“, der z.B. der kartellrechtliche Berater des Verkäufers sein kann) an bestimmte Entscheidungsträger beim Bieter weitergeben dürfen. Daneben sieht eine solche Clean-Team-Vereinbarung üblicherweise vor, welche Anforderungen an die Clean-Team-Mitglieder zu stellen sind. Sie regelt also, ob auch Mitarbeiter des Bieters oder nur externe Berater zugelassen sind, welche Anforderungen an interne Mitarbeiter während des Transaktionsprozesses zu stellen sind (z.B. keine operative Verantwortung für Geschäftsentscheidungen, insbesondere nicht für das Setzen von Preisen, das Marketing und den Verkauf, ggf. auch den Einkauf und Forschung und Entwicklung, Freistellung von anderen Tätigkeiten im Bieterunternehmen, Einrichtung von „Chinese Walls“) und ob diese Anforderungen auch noch für eine angemessene „Abkühlungszeit“ danach zu stellen sind. Dies liest sich leichter, als es in der Praxis umzusetzen ist: Zum einen sind oft branchenerfahrene interne Mitarbeiter (und nicht externe Berater oder Mitarbeiter von Stabsabteilungen) diejenigen, die die nötige Expertise und Branchenkenntnis haben, um die Daten im Datenraum sinnvoll zu analysieren. Zum anderen ist es für die betreffenden Mitarbeiter und das Bieterunternehmen belastend, auch noch für eine Abkühlungsperiode von ihren Aufgaben freigestellt zu bleiben.
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Schließlich finden sich in Clean-Team-Verträgen oft Verbote, Informationen auf externen Speichermedien abzuspeichern, und Verpflichtungen, Daten bei Scheitern der Transaktion zu löschen (ggf. mit den oft vorzufindenden Vorbehalten235).
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Der Kern einer Clean-Team-Klausel könnte etwa wie folgt lauten:
„§ [●]
Offenlegung von Hoch Vertraulichen Informationen
2.1 Hoch Vertrauliche Informationen werden ausschließlich im Roten Datenraum zur Verfügung gestellt. Der Zugang zum Roten Datenraum ist auf Clean Team Prüfer beschränkt.
2.2 Clean Team Prüfer dürfen Hoch Vertrauliche Informationen prüfen. Sie sind verpflichtet, ihre auf die Hoch Vertraulichen Informationen bezogenen Prüfungsergebnisse und -analysen zunächst dem Antitrust Counsel vorzulegen und mit ihm zu erörtern. Hoch Vertrauliche Informationen dürfen dem Käufer nur (i) mit der Bestätigung des Antitrust Counsels, dass die Hoch Vertraulichen Informationen in rechtmäßiger Weise dem Käufer offengelegt werden dürfen und (ii) in einer aggregierten und anonymisierten Weise oder in einer anderen Weise offengelegt werden, die sicherstellt, dass Informationen nicht in einer Detailtiefe offengelegt werden, die es dem Käufer erlauben würde, daraus wettbewerblich sensible Informationen über die Zielgesellschaft ableiten zu können. Der Antitrust Counsel ist dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass Hoch Vertrauliche Informationen dem Käufer nur in aggregierter und anonymisierter Form gemäß dem vorstehenden Satz 2 offengelegt werden. Unter den gleichen Beschränkungen sind die Clean Team Prüfer berechtigt, (i) dem Käufer über ihren Prüfungsfortschritt und über ihre Folgerungen daraus für die Transaktion zu berichten und/oder (ii) dem Management und anderen Repräsentanten des Käufers Fragen zu stellen, deren Beantwortung erforderlich ist, um ihre Prüfungshandlungen und -analysen durchzuführen.
2.3 Der Käufer ist verpflichtet, Hoch Vertrauliche Informationen nur den Clean Team Prüfern zugänglich zu machen und auch dies nur in dem Umfang, in dem dies vernünftigerweise für die Transaktion notwendig ist („Need to know“).