Kitabı oku: «Verhaltensbiologie», sayfa 6

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4.2 | Verhaltensphysiologie
4.2.1 | Motorische Programme

Bei vielen Tieren lassen sich funktionskonstante Bewegungen bzw. Verhaltenselemente (Erbkoordination, «fixed action patterns») finden, die über eine lange Dauer immer relativ gleichartig ablaufen. Beispiele dafür sind Laufen, Fliegen und Schwimmen. Diese Verhaltenselemente beruhen auf rhythmischen, motorischen Mustern, hervorgerufen durch eine Interaktion von Nervenzellen und Muskeln. Werden beispielsweise Meeresschnecken der Gattung Tritonia von ihrem Prädator, einem Seestern, berührt, wird eine solche Erbkoordination ausgelöst, wodurch die Schnecke stereotyp ablaufende Schwimmbewegungen zeigt.

Bei Fischen konnte gezeigt werden, dass sie ihre Schwimmbewegungen auch dann noch ausführen, wenn die Verbindung zwischen Gehirn und Muskeln getrennt worden ist. Deshalb werden diese (und analoge) Bewegungen als autorhythmische Netzwerke bezeichnet, die ohne Einwirkung des Gehirns funktionieren.

Auch komplexeren Verhaltensweisen, wie dem Bau von Vogelnestern oder Spinnennetzen, liegen relativ einfache Programme zugrunde. Es handelt sich dabei um genetisch fixierte neuronale Programme. Webervögel (Ploceidae) bauen komplexe und kunstvolle Nester, oft mehrere parallel; auch zerstörte Nester werden wieder ausgebessert und repariert (→ Abb. 4-6). Man könnte nun vermuten, dass für den Nestbau eine höhere kognitive Leistung erforderlich ist, doch die einfachste Erklärung ist, dass der Vogel immer am Nestrand sitzt und eine Reihe stereotyper Flecht- und Drehbewegungen ausführt. Entfernt man den Teil des Nestes, der als letzter hinzugefügt wurde, setzt sich das Männchen wieder an den untersten Rand und führt dieselben stereotypen Bewegungen aus. Somit lässt sich ein komplexes Resultat mit einfachen genetisch fixierten neuronalen Programmen erklären.

Abb. 4-6 |

Das Nestbauverhalten bei Webervögeln folgt einem genetisch fixierten neuronalen Programm. A) Webervogel, B) Webervogelnest. Foto: C. Randler.


Damit ein Tier der Situation entsprechend «richtig» auf einen Reiz reagieren kann, muss es aus der Fülle der eintreffenden Außenreize die relevanten Reize bzw. die relevante Information herausfiltern. Dies geschieht durch die sensorischen Filter. Diese entsprechen den Angeborenen Auslöse-Mechanismen (AAMs) der klassischen Ethologie (→ Kap. 3.1). Ein Beispiel für das Herausfiltern der relevanten Information ist das Reiz-Reaktions-Schema bei Glühwürmchen: Glühwürmchen (Photinus macdermotti) senden regelmäßige Lichtblitze aus, damit die Paarungspartner zueinander finden. Während die Weibchen meistens auf niedrigen Pflanzen oder am Boden sitzen, fliegen die Männchen herum. Das Weibchen antwortet auf die Lichtblitze des Männchens, um seine Paarungsbereitschaft zu zeigen, und zwar mit einer Zeitverzögerung von 1,1 Sekunden nach dem zweiten Blitz des Männchens. Dadurch wird vermieden, dass das Weibchen auf jeden Lichtblitz (z.B. durch Gewitter etc.) reagiert. Erst wenn ein zweiter Lichtblitz mit definiertem zeitlichem Abstand erfolgt (Reiz), reagiert das Weibchen (Reaktion). Diese Reaktion wiederum signalisiert dem Männchen, dass es ein paarungsbereites Weibchen (Reiz) vor sich hat, worauf sich das Männchen dem Weibchen nähert und sich in dessen Nähe niederlässt.

Nicht jede äußere Reizsituation führt auch zu einer entsprechenden Reaktion. Manches Verhalten wird auch vom physiologischen Zustand des Tieres sowie von Umweltfaktoren moduliert. Ein solches Wechselspiel wurde bei Fliegen untersucht: Fliegen der Gattung Phormia messen mit ihren Geschmacksrezeptoren (sensorische Filter) die Konzentration einer Zuckerlösung und saugen umso stärker, je höher die Konzentration ist. Rezeptoren am Kropf messen den Spannungszustand und beenden den Saugvorgang, wenn der Kropf maximal gefüllt ist. Dabei wird diese Information über einen Nerv an das Gehirn gesendet. Wird dieser Nerv durchtrennt, saugt die Fliege so lange weiter, bis sie platzt (Gelperin 1967).

4.2.2 | Homöostase

Die Homöostase dient dazu, verschiedene physiologische Parameter gleich bzw. konstant zu halten, auch wenn die Außen- oder Innenreize variieren. Homöostase findet beispielsweise statt

• zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur bei gleichwarmen Tieren,

• zum Ausgleich der Energiebilanz (Nahrungsaufnahme),

• zur Erhaltung des Integuments (der Körperhülle).

Beispiele:

• Ist ein Tier hungrig (Innenreiz), sucht es nach Nahrung, um den Hunger zu stillen resp. seinen Energiebedarf zu stillen.

• Bei wechselwarmen (poikilothermen) Tieren findet eine Regulation der Körpertemperatur durch die Außentemperatur statt (Außenreiz). Ein Beispiel: Wenn eine Eidechse am Morgen ihren Körper auf höhere Temperaturen bringen muss, sucht sie oft Stellen auf, auf die die Sonne scheint. Dadurch steigt ihre Körpertemperatur. Wird es zu heiß, sucht sie Schatten. Sie hält damit ihre Körpertemperatur auf einem bestimmten Niveau.

Die Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts wird durch Hormone und Neurotransmitter gesteuert. Dazu dienen Feedback-Schleifen bzw. Regelkreise. Wenn innere Stimuli ein Verhalten beeinflussen, welches die Homöostase erhält, wird dies auch als Motivation bezeichnet.

4.2.3 | Hormone und Verhalten

Hormone sind Substanzen, die an einem Ort des Körpers produziert werden (Bildungsort) und an einem anderen Ort Änderungen hervorrufen (Wirkort). Hormone werden von endokrinen Drüsen oder Nervenzellen abgesondert (Neurohormone) und in die Blutbahn ausgeschüttet. Die Auswirkungen von Hormonen auf das Verhalten können vier Bereichen zugeschrieben werden (Barnard 2004):

• dem Nervensystem,

• den Sinneswahrnehmungen,

• den Effektorsysteme sowie

• der Entwicklung des Tieres.

Abb. 4-7 |

Rückkoppelung (Feedback) zwischen Testosteron und Aggression. (Verändert und neu gezeichnet nach Dugatkin 2014.)


| Abb. 4-8

Einfluss verschiedener Playback-Situationen auf den Hormonspiegel von Laubfröschen. Den Laubfröschen wurden jeweils keine Rufe (Kontrollgruppe), Einzelrufe und ein Reigen paarungsrufender Laubfrösche vorgespielt. (Neu gezeichnet nach Burmeister 2000.)


Hormone und Verhalten beeinflussen sich gegenseitig. (→ Abb. 4-7). Eine Beeinflussung von Hormonen durch Verhalten wurde an männlichen Laubfröschen (Hyla cinera) experimentell getestet. Die Laubfrösche wurden drei verschiedenen akustischen Reizen ausgesetzt (Burmeister 2000): (i) der Kontrollgruppe wurden keine Rufe vorgespielt, (ii) einer Experimentalgruppe wurden einfache artspezifische Rufe/Laute vorgespielt und (iii) einer zweiten Experimentalgruppe ein Reigen (Chorus) paarungsrufender Männchen vorgespielt. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Anstieg im Testosteron- und im Corticosteronspiegel in Abhängigkeit zur Experimentalgruppe. Am höchsten waren die Hormonspiegel bei der Gruppe (iii). In diesem Falle bestimmten entsprechend Außenreize den Hormonspiegel der Tiere (vgl. Abb 4-8).

Hormone können sowohl kurzzeitig als auch längerfristig wirken. So wird beispielsweise beim Erscheinen eines Prädators eine Fight-or-Flight-Reaktion ausgelöst, die durch Adrenalin verursacht wird. Dieses wirkt nur sehr kurzfristig. Der Anstieg der Sexualhormone zur Brutzeit dagegen wirkt über einen Zeitraum von einigen Wochen.

Hormone sind nicht unbedingt artspezifisch: Testosteron findet man sowohl bei Säugetieren als auch bei Vögeln. Hormone sind aber wirkungsspezifisch, d.h., sie erzielen bei unterschiedlichen Tierarten ähnliche Wirkungen.

An den meisten Vorgängen im Tierverhalten sind Hormone als Mittler zwischen der Steuerung durch Außenreize und den endogenen neuronalen Mechanismen beteiligt. Bei der Analyse der Wirkzusammenhänge von Hormonen und Verhalten handelt es sich überwiegend um proximate Fragestellungen, die häufig experimentell untersucht werden. Studien an Hormonen sind sowohl korrelativ als auch kausal (→ Kap. 2.3). Man kann beispielsweise die Hormonkonzentration bei verschiedenen Tieren messen und in den Bezug zum Verhalten setzen.

Abb. 4-9 | Viele Beutetiere reagieren auf Rufe ihrer Beutegreifer mit entsprechend angepassten Verhaltensänderungen. Dies zeigt sich an der Plasma Cortisol-Konzentrationen bei Golf-Krötenfischen (Opsanus beta), denen Laute von Prädatoren (Delfinen) und Kontrolllaute vorgespielt wurden. Der Anstieg des Plasma-Cortisols wurde nach den Playbacks gemessen. (Neu gezeichnet nach Remage-Healey et al. 2006.)


Abb. 4-10 |

Abb 4-10: A) Testosteronspiegel bei Knochenfischen in verschiedenen Phasen des Brutzyklus. (Neu gezeichnet nach Knapp et al. 1999.)


Solche beschreibenden Studien sind sehr wichtig, werden aber in der Regel durch Experimente ergänzt. Experimentelle Studien zu Hormonen verwenden verschiedene Techniken, z.B. das Entfernen des jeweiligen Organs, welches das Hormon produziert.

Beim Entfernen des hormonproduzierenden Organs wird das Verhalten mit zwei Kontrollgruppen verglichen; nämlich einer Gruppe, bei der kein Eingriff erfolgte, und einer zweiten Gruppe, die sich einem Eingriff unterziehen musste (mit Narkose), bei dem die Hormondrüse aber nicht entfernt wurde. Die Durchführung des Experiments mit zwei Kontrollgruppen ist wichtig, um nachzuweisen, dass die Veränderung im Verhalten nicht allein durch den Eingriff (oder gar durch die Narkose) bedingt ist.

In einer Studie wurden bei Männchen des Mosambik-Buntbarschs (Oreochromis mossambicus) die Gonaden (Geschlechtsdrüsen) entfernt. Dies führte zu drastisch gesunkenen Werten an Androgenen im Blut, und damit auch zu einer «Abschaffung» von Nestbauverhalten, Balz und Balzfärbung. Allerdings zeigten sich keine Auswirkungen auf das Aggressionsverhalten. Möglicherweise wird das Aggressionsverhalten also durch andere Mechanismen gesteuert (Almeida et al. 2014).

4.2.4 | Neurotransmitter

Neurotransmitter sind Stoffe, die zwischen den Nervenzellen im synaptischen Spalt als Informationsträger fungieren. Dabei kann die Wirkung der Neurotransmitter von verschiedenen Aspekten abhängen:

• der Menge/Dosis des Neurotransmitters,

• der Anzahl der Rezeptoren und

• den Enzymen, die diese Transmitter aktivieren oder deaktivieren.

Die Neurotransmitter GABA (γ-Aminobuttersäure), Dopamin und Serotonin wurden bei Säugetieren und Vögeln bislang am besten untersucht. GABA ist mit Aggression verknüpft; Experimente konnten belegen, dass die Agression mit steigendem GABA-Spiegel sinkt. Serotonin kommt in fast allen Nervensystemen vor und beeinflusst die Stimmung von Tieren (und Menschen). Je aufmerksamer ein Tier ist, desto höher ist die Aktivitätsrate serotonerger Neuronen. Sinkt der Serotoninspiegel im Gehirn, nehmen Sexualverhalten, Nahrungsaufnahme und Angst-bedingte Aggression zu; bei Primaten führt ein höherer Spiegel auch zu ausgeprägterem Sozialverhalten und damit zu einem höheren Rang in der Gruppe (Heldmaier & Neuweiler 2004).

4.3 | Verhaltensontogenie

Die Verhaltensontogenie ist die individuelle Entwicklung des Verhaltens. Wichtige Fragen dieser Forschungsrichtung sind, ob

• ein bestimmtes Verhalten generell angeboren ist,

• nur das Grundmuster des Verhaltens angeboren ist und im Laufe der Ontogenese verfeinert/optimiert wird oder

• das Verhalten erlernt werden muss.

Instinkt ist ein Konzept der Ethologie (→ Kap. 3), das ein angeborenes Verhalten oder ein vorgegebenes Set an Verhaltensweisen und Reaktionen bezeichnet. Ein solches instinktives Verhalten benötigt weder Reifung noch Lernen, sondern wird bereits beim ersten Mal korrekt ausgeführt. Neben Instinkten gibt es aber noch weitere Verhaltensweisen, die angeboren sind und im Laufe des Lebens oft kaum noch verändert werden («geschlossene Programme»). Ein angeborenes Verhalten zeigt meist relativ geringe Varianz zwischen verschiedenen Individuen und unterliegt damit eher einer stabilisierenden Selektion. Dies kann man durch «Kaspar-Hauser-Experimente» testen. Benannt sind sie nach dem Jugendlichen Kaspar Hauser, der am 26.5.1828 in den Straßen Nürnbergs auftauchte. Er erschien mental zurückgeblieben und man vermutete, dass er in völliger Isolation aufgewachsen war. Bei Kaspar-Hauser-Experimenten werden Tiere entsprechend in vollständiger Isolation aufgezogen. Das Verhalten, das sie dann zeigen, muss folglich angeboren sein. Ein Beispiel dafür sind die Grillengesänge, die bei isoliert aufgewachsenen Grillen genauso klingen, wie bei Grillen, die in natürlichen Verhältnissen aufwachsen. Grillen entwickeln demnach ihr Zirpen auch ohne Erfahrung/Nachahmung von anderen Artgenossen. Solche geschlossenen Programme sind vor allem bei Arthropoden (Gliederfüßer) bekannt, es gibt sie aber auch anderswo. Bei Wirbeltieren beispielsweise sind die Grundmuster der Bewegung angeboren (Laufen, Fliegen). Auch der Gesang des Kuckucks (Cuculus canorus) ist angeboren und wird weitervererbt (Fuisz & de Kort 2007).

Viele Verhaltensweisen sind jedoch nur im Grunde angeboren und müssen verfeinert werden, reifen selbstständig oder werden durch Lernen optimiert («offene Programme»). Bei der Reifung (Maturation) ist das Verhalten an sich zwar schon vorhanden, aber die neuromuskuläre Koordination muss erst noch ausreifen. Dies ist oft bei Bewegungen der Fall: Grillen der Art Teleogryllus commodus zum Beispiel zeigen bereits in einem Stadium, in dem sie noch keine Flügel besitzen, dieselben Bewegungsmuster, wie die ausgewachsenen, flügeltragenen Tiere (Bentley & Hoy 1970).

Besonders bei Tieren mit einer sehr kurzen Lebensdauer, die keine Brutfürsorge kennen und die solitär (einzeln) leben, scheint die angeborene Komponente überlebenswichtig zu sein. Bei langlebigen, sozialen Arten mit langer Brutpflege kommt hingegen der erworbenen Komponente eine wichtige Bedeutung zu. Das ist beispielsweise bei Säugetieren, wie Elefanten oder Menschenaffen, der Fall, bei denen das Lernen eine sehr wichtige Rolle spielt (→ Kap. 9). Man würde also vermuten, dass erworbenes Verhalten eher stereotyp und rigide abläuft, während erlerntes Verhalten eher flexibel und variantenreich erscheinen sollte. Ganz so einfach und offensichtlich ist die Unterscheidung allerdings nicht: Wasserspitzmäuse (Neomys fodiens) z.B. erlernen ihre Umgebung sehr schnell und springen beispielsweise über Hindernisse hinweg, zeigen dieses Verhalten aber auch noch relativ stereotyp eine Zeit lang, wenn das Hindernis aus dem Weg geräumt wurde. Auch bei relativ flexiblen Programmen sind die individuellen Modifikationsmöglichkeiten durch artspezifische Lerndispositionen beschränkt und meistens nur in einer bestimmten Phase der Verhaltensontogenese «eingeplant» (Wehner & Gehring 2007).

Angeboren versus erlernt

Die heutige Sicht der Verhaltensbiologen trennt nicht mehr so deutlich zwischen «angeboren» und «erlernt», sondern vertritt den Standpunkt, dass keine Verhaltensweise nur angeboren und keine ausschließlich erlernt wird. Man geht generell von einer angeborenen Basis (Disposition) aus und von flexiblen/erlernbaren Komponenten. Auch die Quantifizierung des angeborenen und erlernten Anteils eines Verhaltens wird von manchen Autoren grundsätzlich in Frage gestellt und kritisiert (Wehner & Gehring 2007).

Entwicklung des Sozialverhaltens

Über die Entwicklung des Sozialverhaltens sind wir durch eine Reihe klassischer Studien von Harlow gut informiert, der mit Rhesusaffen (Macaca mulatta) arbeitete (Harlow & Harlow 1962, Harlow et al. 1971). Dabei wurden Jungtiere einzeln in vollkommener sozialer Isolation aufgezogen (Kaspar-Hauser-Versuche). Sie hatten keinerlei optischen, akustischen oder körperlichen Kontakt zu anderen Tieren und das über 3, 6 oder 12 Monate. Die Tiere entwickelten stereotype Bewegungsmuster und bissen sich zum Teil selbst. Wenn sie nach einem Jahr zu anderen, sozial aufgewachsenen Tieren ins Gehege gesetzt wurden, zeigten sie entweder große Angst oder waren sehr aggressiv; sie hatten also kein Sozialverhalten entwickeln können. Wurden die weiblichen Tiere aus der Experimentalgruppe selbst Mutter, so zeigten sie oft keinerlei Kontakt zu und Interesse an ihrem Nachwuchs. In einer weiteren Studie wurden die Tiere nun wieder in Isolation gehalten, erhielten dann aber eine künstliche Modellmutter mit einem Holzkopf mit großen Augen, an die sich die Jungtiere auch ankuschelten. Sie entwickelten zwar weniger auf sich selbst gerichtetes Verhalten, ihr Sozialverhalten war aber dennoch nicht ausgeprägt. In einem dritten Versuchsansatz wurden die Jungtiere in einem Drahtkäfig gehalten, sodass sie Muttertiere und Altersgenossen sehen und hören, nicht jedoch berühren konnten. Auch in dieser Situation entwickelten die Jungtiere nur ein unvollständiges Verhaltensrepertoire. Wenn die Jungtiere allerdings mit einer Modellmutter aufwuchsen und täglich 20 Minuten Kontakt zu Altersgenossen hatten, entwickelte sich ihr Sozialverhalten normal. Außerdem war der physische Kontakt zu Altersgenossen wichtiger als derjenige zur Mutter.

4.3.1 | Spiel bei Tieren

Spielen ist bei einigen Tierarten weit verbreitet. Die Ursprünge sind weitgehend unbekannt. Viele Vögel und die meisten Säugetiere spielen, für andere Tiergruppen ist es nicht sicher nachgewiesen (z.B. bei Reptilien). Folgende drei Typen werden unterschieden:

• Selbstspiel mit unbelebten Objekten,

• lokomotorisches Spielen und

• soziales Spielen.

Die Grenzen sind fließend, da ein Spiel mit Objekten und lokomotorisches Spiel sowohl im Selbstspiel als auch im sozialen Spiel stattfinden kann. Beim Spielen handelt es sich um Verhalten ohne einen erkennbaren äußeren Zweck und ohne einen direkten Überlebensvorteil. Es sind aber oft Verhaltensweisen, die einen Bezug zum Überleben der Tiere haben, sodass Spielen wohl einen adaptiven Zweck hat. Viele Raubtiere spielen als Jungtiere Anschleichen und Jagen, was ihnen später Vorteile bringt. Spielen beinhaltet allerdings auch Risiken, da die Tiere sich dabei verletzen können oder sie beim Spielen weniger aufmerksam sind und daher leichter Opfer von Beutegreifern werden. Verletzungen durch Spiel wurden bei Blaubrustpavianen (Theropithecus gelada) beobachtet: Die Paviane fallen beim Spielen oft einige Meter über ein Kliff hinab und ziehen sich dabei Verletzungen zu. Für das Prädationsrisiko gibt es Belege bei Südamerikanischen Seebären (Arctocephalus australis): Junge Seebären spielen während etwa 6 % ihrer Zeit. In diesen Zeitraum fallen 86 % aller erfolgreichen Angriffe von Seelöwen (Otaria byronia). Beide Beispiele belegen, dass Spielen Kosten mit sich bringt (Überblick Bekoff & Byers 1998).

Generell wird die Evolution des Spielens mit zwei Überlegungen in Verbindung gebracht. Die eine Hypothese sieht Spielen als ein Relikt aus der evolutiven Vergangenheit an. Wenn beispielsweise Kinder spielen und dabei Stöcke werfen, erinnert dies an die evolutive Vergangenheit als Jäger. Die andere Hypothese sieht Spielen als eine Vorbereitung auf die Zukunft. Wenn nun Spielen eine Vorbereitung für die Zukunft ist, können zwei weitere Hypothesen formuliert werden: die Übungshypothese und die Trainingshypothese. Gemäß der Übungshypothese dient Spielen dazu, Bewegungen zu verfeinern, die für das Überleben notwendig sind. Dies wird dadurch belegt, dass Spielen hauptsächlich bei Jungtieren vorkommt. Eine andere Hypothese ist die Trainingshypothese, gemäß der das Spielen die Muskulatur, das Herz und die Koordination trainiert, um diese für das weitere Überleben zu optimieren.

4.4 | Außenreize und Innenreize wirken bei der Steuerung des Verhaltens zusammen

Außenreize und Innenreize wirken bei Tieren gemeinsam auf das Verhalten ein, was sich leicht am Schlaf-Wach-Rhythmus illustrieren lässt: Phasen der Ruhe/des Schlafens wechseln sich mit Phasen der Aktivität ab. Dabei gibt es Tiere, wie den Menschen (oder viele Vogelarten), die in der Regel innerhalb von 24 Stunden eine längere Schlaf- und eine längere Wachphase haben. Die innere Uhr sitzt über der Kreuzung der Sehnerven im sogenannten Suprachiasmatischen Nucleus (SCN) im Gehirn und bildet den angeborenen (endogenen) Reiz. Eine innere Uhr wurde bei fast allen Tierarten gefunden. Sie folgt jedoch nicht perfekt dem 24-Stunden-Rhythmus, sondern ist etwas länger. Da die innere Steuerung nur in etwa einem 24-Stunden-Rhythmus folgt, wird sie als circadian (circa = etwa, dies = Tag) bezeichnet. Um korrekt zu funktionieren, benötigt die innere Uhr daher Außenreize. Solche zyklischen Außenreize werden als Zeitgeber bezeichnet. Bei den meisten Lebewesen bilden die Photoperiode, d.h. die Phase zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang den Reiz, der die innere Uhr auf die richtige Zeit einstellt. Dies ist der Grund, warum es Menschen gelingt, sich nach einiger Zeit des Jetlags auf die neuen Umweltbedingungen einzustellen – obwohl die innere Uhr eine andere Zeit kennt, passt sie sich zeitverzögert an die Außenreize an. Der Schlaf-Wach-Rhythmus ist typisch für viele biologische Rhythmen, da diese in der Regel durch die Kombination einer inneren Uhr mit einem äußeren Zeitgeber bestimmt werden. Bei vielen Lebewesen erfolgt auch eine Rhythmisierung im Jahreslauf (circannualer Rhythmus). Diese Rhythmen sind allerdings bedeutend schlechter erforscht als die circadianen. Circannuale Rhythmen steuern beispielsweise den Aufbau von Depotfett bei Säugetieren zur Vorbereitung auf den Winterschlaf. Bei der Erforschung von Rhythmen und Außenreizen liegt der Schwerpunkt auf der Erfassung der proximaten Ursachen, d.h. jener Mechanismen, die das jeweilige Verhalten auslösen. Dies liegt vor allem daran, dass die ultimaten Gründe recht offensichtlich sind (Winterschlaf – um den Winter zu überstehen, Vogelzug – um in nahrungsreichere Gefilde zu fliegen).

Außenreize wirken auch auf die Fortbewegung. Die einfachsten Mechanismen sind Kinese und Taxis. Kinese bezeichnet die Änderung der Fortbewegungsrate auf einen Reiz hin. Asseln beispielsweise bevorzugen eine feuchtere und dunklere Umgebung als Lebensraum. Deswegen bewegen sie sich in trockener und heller Umgebung mehr, um wieder in eine für sie besser geeignete Umgebung zu gelangen. Reize, die dabei wirksam sind, sind Helligkeit und Luftfeuchtigkeit. Die Kinese ist ungerichtet, das bedeutet, dass die Asseln so lange umherlaufen, bis die Umweltbedingungen wieder besser sind (Fraenkel & Gunn 1961). Taxien sind automatisch ablaufende, gerichtete Bewegungen als Reaktion auf einen Reiz.Bewegt sich ein Tier auf einen Reiz hin, spricht man von positiver Taxis, bewegt es sich davon weg, von negativer Taxis. Einige Nachtschmetterlinge werden vom Licht (beispielsweise Straßenlaternen) angelockt. Dies ist eine positive Phototaxis. Viele Fischarten in Fließgewässern sind rheotaktisch, d.h., sie richten sich mit dem Kopf in Richtung Strömung aus und schwimmen gegen den Strom, um nicht abgetrieben zu werden.

Auch soziale Reize kommen als Außenreize infrage. Wanderheuschrecken (Locusta migratoria) beispielsweise können von einer solitären Lebensweise auf Schwarmverhalten «umschalten». Auslöser sind mehrfache unintentionale Berührungen der Hinterbeine zwischen den Tieren. Die Verhaltensumstellung erfolgt innerhalb kürzester Zeit (Simpson et al. 1999).

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