Kitabı oku: «Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten», sayfa 3

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MSC und Achtsamkeitstraining

MSC soll helfen, Achtsamkeit und Selbstmitgefühl zu kultivieren, weil wir ohne Achtsamkeit nicht wirklich mitfühlend sein können und umgekehrt Mitgefühl brauchen, um ganz achtsam sein zu können. In MSC kommen der Achtsamkeit vier wichtige Rollen zu: 1) den Schülern und Schülerinnen zu helfen, bewusst wahrzunehmen, wenn sie leiden; 2) sie zu befähigen, das Gewahrsein im gegenwärtigen Moment zu verankern, wenn Emotionen aktiviert werden; 3) das Wahrnehmen von Emotionen im Körper zu üben, um sie regulieren zu können, und 4) eine Haltung der Gelassenheit zu entwickeln, die Raum für mitfühlendes Handeln lässt.

Nun mag man sich fragen: »Worin ähnelt oder unterscheidet sich MSC von etablierten Achtsamkeitstrainings?«

Das bekannteste Achtsamkeitstraining ist heute MBSR, das ursprünglich von Jon Kabat-Zinn (1990) entwickelt wurde, um Patientinnen und Patienten einer Universitätsklinik, die unter chronischen Schmerzen und anderen schwer zu behandelnden Erkrankungen litten, Linderung zu verschaffen. Die drei Kernelemente von MBSR sind Atemmeditation, Bodyscan und achtsame Bewegung. MBSR-Lehrende vermitteln implizit liebevolle Güte und Mitgefühl, indem sie diese Qualitäten in der Interaktion mit ihren Gruppenmitgliedern verkörpern und zu einer freundlichen Haltung gegenüber allen Erfahrungen ermutigen. Während des einen Retreat-Tages wird auch die Liebevolle-Güte-Meditation gelehrt, aber der Hauptzweck von MBSR ist das Entwickeln von innerer Gelassenheit inmitten stressiger Lebensumstände durch urteilsloses Gewahrsein im gegenwärtigen Moment.

MBCT (Mindfulness-based Cognitive Therapy) ist eine verhaltenstherapeutische Adaption von MBSR zur Behandlung von wiederkehrenden Depressionen, die von Zindal Segal und Kollegen (2013) entwickelt wurde. Sowohl bei MBSR als auch MBCT hat sich gezeigt, dass die Praktizierenden mehr Selbstmitgefühl entwickelten (siehe Kapitel 4). Die Liebevolle-Güte-Meditation ist nicht Teil des MBCT-Protokolls, weil man vermeiden wollte, innerhalb dieser vulnerablen Population bestimmte Emotionen zu aktivieren: MBCT konzentriert sich mehr auf das Entwickeln eines dezentrierten achtsamen Gewahrseins depressiver Gedankengänge.

Drei Kernelemente von MBSR und MBCT wurden für das MSC-Programm adaptiert, wobei besonders Herzenswärme und Wohlwollen im Mittelpunkt stehen. Die Meditation Liebevolles Atmen ist bei MSC beispielsweise eine Form der Atemmeditation, die die Teilnehmenden dazu einlädt, den sanften Rhythmus des Atems zu genießen – insbesondere die Erfahrung, innerlich vom Atem gewiegt und liebkost zu werden.

Bei dieser Meditation steht nicht die Konzentration im Vordergrund, sondern das Gefühl, vom Atem gehalten und genährt zu werden – was unweigerlich zu einer erhöhten Konzentration beiträgt. Der »Bodyscan mit Mitgefühl« des Achtsamen-Selbstmitgefühl-Programms ähnelt dem MBSR-Bodyscan, konzentriert sich aber stärker darauf, zu würdigen, wie hart jeder Teil des Körpers für uns arbeitet, jedem Körperteil Gutes zu wünschen und dem Herzen zu erlauben, dass es weich und mitfühlend wird, wenn emotionales oder körperliches Leiden zutage treten. MSC enthält auch eine Bewegungspraxis – Compassionate Movement oder mitfühlende Bewegung –, bei der die Aufmerksamkeit bewusst auf gestresste Bereiche des Körpers gelenkt wird und die Teilnehmenden ermutigt werden, ihren Körper spontan frei zu bewegen, um den Stress abzubauen.

Während die Liebevolle-Güte-Meditation bei MBSR in der Regel nur am Retreat-Tag praktiziert wird, wurde sie in MSC zu einem Kern­element. (MSC enthält eine zusätzliche Praxis, die den Teilnehmenden hilft, ihre eigenen Sätze der liebevollen Güte und des Selbstmitgefühls zu entdecken.) Andererseits ist der Bodyscan eine Hauptpraxis von MBSR und wird in MSC nur beim Retreat-Tag gelehrt. Diese Unterschiede zwischen MSC und MBSR spiegeln die jeweiligen Schwerpunkte der beiden Programme wider: ein weites Gewahrsein im gegenwärtigen Moment bei MBSR und Herzenswärme und Wohlwollen gegenüber sich selbst bei MSC. MBSR und MSC vermitteln Qualitäten, die einander ergänzen.

Nach unserer Erfahrung können erfahrene MBSR- und MBCT-Lehrerinnen und Lehrer relativ einfach lernen, MSC zu lehren, wenn sie die Prinzipien und Praktiken von MSC verstehen. Zu den Skills, die sie in der Regel bereits erworben haben, zählen eine stabile persönliche Meditationspraxis, das Wissen um den Unterschied zwischen »Fixierung« auf das Leiden und »Sein mit« dem Leiden, das Wissen um die zentrale Bedeutung der Güte und Freundlichkeit in Lehre und Praxis sowie die Fähigkeit, eine Gruppe so anzuleiten, dass ein offener, urteilsfreier Raum entsteht.

Wir haben festgestellt, dass unsere besten Mitgefühlstrainer und -Trainerinnen oft voller Achtsamkeit sind und unsere besten Achtsamkeitslehrer und Lehrerinnen voller Mitgefühl. Das Selbstmitgefühlstraining bringt allerdings eine neue Perspektive ins Achtsamkeitstraining. Wenn ein Praktizierender Probleme hat, könnte eine Achtsamkeitslehrerin fragen: »Kannst du in dir etwas Raum für diese Erfahrung schaffen?« Oder: »Kannst du diese Erfahrung freundlich im Gewahrsein halten?« Ein Selbstmitgefühlslehrer könnte hinzufügen: »Kannst du dir selbst in diesem Moment etwas Freundlichkeit entgegenbringen?« Oder: »Was würdest du deiner Meinung nach jetzt brauchen?« Achtsamkeit konzentriert sich auf die Erfahrung des Augenblicks, während sich Mitgefühl auf die leidende Person oder das »Selbst« fokussiert.

Achtsamkeitslehrer und -lehrerinnen mögen Fragen oder Bedenken hinsichtlich MSC haben, die die Unterschiede zwischen diesen beiden Ansätzen widerspiegeln. Einige dieser Fragen wollen wir im Folgenden aufgreifen und klären:

Ist es nicht eine subtile Art des Widerstands gegen die Erfahrung des Augenblicks, wenn man Gewahrsein mit liebevoller Güte und Mitgefühl »anwärmt«?

Das ist tatsächlich eine inhärente Gefahr in der Praxis des Selbstmitgefühls. Anfangs versuchen Schülerinnen und Schüler oft, Mitgefühl wie eine Decke über das Leiden zu breiten, um es zum Verschwinden zu bringen, wodurch ein subtiles Element des Strebens und des Widerstands in die Erfahrung des Augenblicks hineinkommt. Im Lauf der Zeit entdecken sie aber die eigentliche Bedeutung von Selbstmitgefühl, nämlich zuzulassen, dass das Herz in der Hitze des Leidens weich wird, indem man Streben und Widerstand aufgibt. Während man beim Selbstmitgefühl bewusst Herzenswärme in die Achtsamkeit hineinbringt, ist das nicht mit mehr Mühe oder Streben verbunden. Achtsamkeit und Selbstmitgefühl sind beides Qualitäten, die es den Praktizierenden ermöglichen, ihren instinktiven Widerstand gegen das Leiden loszulassen.

Wozu brauchen wir überhaupt Mitgefühlstraining? Sind Mitgefühl und Selbstmitgefühl nicht schon im Achtsamkeitstraining enthalten?

Wenn volle Achtsamkeit da ist, ist sie von Güte und Mitgefühl durchdrungen. Es ist jedoch sehr schwierig, vollkommen achtsam zu bleiben, wenn man mit intensiven und belastenden Gefühlen wie beispielsweise Scham konfrontiert ist. Wenn wir Scham empfinden, verengt sich unser Bewusstseinsfeld vor Angst, und unsere Aufmerksamkeit wendet sich ­angewidert ab. Scham bewirkt auch eine Abspaltung vom Körper und untergräbt das beobachtende Selbst. Dann müssen wir das beobachtende Selbst durch Mitgefühl explizit wiederaufbauen. Wenn wir uns in der Umarmung des Mitgefühls sicherer fühlen, können wir wieder achtsam sein.

Umgehen wir, indem wir uns trösten, wenn wir leiden, nicht wichtige Lebenslektionen wie Vergänglichkeit, Leiden und Selbstlosigkeit?

Es ist wahr, dass Selbstmitgefühl dazu benutzt werden kann, schwierige Erfahrungen mit Zuckerguss zu überziehen, was uns am Lernen hindern kann. Jede Praxis kann missbraucht werden. Deshalb müssen wir uns zuerst achtsam für das Leiden öffnen, bevor wir uns mitfühlend trösten. Mit wie viel Leiden wir uns konfrontieren, bevor wir Mitgefühl hineinbringen, hängt teilweise davon ab, was wir als Praktizierende suchen: Weisheit oder Mitgefühl? Praktizierende, die Weisheit suchen, werden sich vielleicht länger mit dem Leiden beschäftigen wollen, um Einsichten – beispielsweise in die Vergänglichkeit des Leidens - zu gewinnen, während jemand, der Mitgefühl praktiziert, es vielleicht vorzieht, Herzensqualitäten wie Freundlichkeit und Spontaneität zu entwickeln, um sich unmittelbar und spontan der Linderung des Leidens zu widmen.

Selbstmitgefühl aktiviert alte Verletzungen, die aus Beziehungen herrühren. Ist es nicht gefährlich, dies in einem Acht-Wochen-Programm zu tun?

Ein Gefühl der Sicherheit ist die Basis des Selbstmitgefühlstrainings (siehe Kapitel 8). MSC-Schüler und -Schülerinnen werden angehalten, auf ihre emotionale Sicherheit zu achten, und ihnen wird während des gesamten Programms gezeigt, wie sie das tun können. Das kann bedeuten, dass sie an einer Übung nicht teilnehmen, wenn sie sich zu verletzlich fühlen, oder einfach Selbstmitgefühl praktizieren, indem sie eine Tasse Tee trinken oder einen Spaziergang machen. Wir alle öffnen oder verschließen uns den ganzen Tag über für unsere Erfahrungen, und wenn Gruppenmitglieder das Gefühl haben, sich verschließen zu müssen, dann ermutigen wir sie dazu. Wenn wir uns zwingen, uns in ­Situationen zu öffnen, in denen es besser wäre, sich zu verschließen, kann uns das emotional schaden und ist sicher kein Ausdruck von Selbstmitgefühl. Zu lernen, über einen längeren Zeitraum formelle Meditation zu praktizieren (was manche Teilnehmende emotional überfordern kann), ist daher bei MSC weniger wichtig, als bewusst wahrzunehmen, wenn wir leiden (Achtsamkeit), und mit Freundlichkeit darauf zu antworten (Selbstmitgefühl).

Womit beginnen?

Viele fragen sich, ob sie zuerst Achtsamkeit lernen oder mit Selbstmitgefühlstraining beginnen sollten. Das ist eine wichtige empirische Frage, mit der wir uns in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Bisher gibt es einige vorläufige Leitlinien:

 Präzise Informationen: Potenzielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen ihre eigenen Bedürfnisse normalerweise sehr gut, und wenn sie präzise Informationen erhalten, können sie in der Regel selbst entscheiden, welches Training für sie am besten ist. Eine Orientierungssitzung kann diesen Prozess erleichtern.

 Selbstkritik: Achtsamkeitspraktizierende, die selbstkritisch sind, können es als schwierig empfinden, konsequent Achtsamkeit zu praktizieren, solange sie nicht ihren inneren Kritiker bemühen. Daher könnte es für selbstkritische Menschen von Vorteil sein, zunächst mit der Praxis des Selbstmitgefühls zu beginnen, bevor sie am Achtsamkeitstraining teilnehmen. Umgekehrt haben Menschen, die wenig Selbstkritik üben, vielleicht ein geringeres Bedürfnis nach Selbstmitgefühl und profitieren eher davon, sich eine solide Grundlage in Achtsamkeit zu schaffen, bevor sie Selbstmitgefühl einfließen lassen.

 Commitment: Zweifellos ist für jeden Menschen die beste Praxis diejenige, die ihm oder ihr am meisten am Herzen liegt. Nachdem die Schüler und Schülerinnen verschiedene Achtsamkeits- und Selbstmitgefühlsübungen ausprobiert haben, liegt es daher in ihrer Verantwortung, selbst ihr bester Lehrer, ihre beste Lehrerin zu werden. Das bedeutet zu wissen, welche Praktiken für sie am wohltuendsten, wichtigsten und effektivsten sind, und diese regelmäßig zu praktizieren.

Selbstmitgefühl und Mitgefühl für andere

Manch einem ist es unangenehm, dass der Schwerpunkt bei MSC auf Selbstmitgefühl und nicht auf dem Mitgefühl für andere liegt. Es folgen ein paar Fragen, die häufig zu diesem Thema gestellt werden, und unsere Antworten darauf:

Schafft die Fokussierung auf das »Selbst« beim Selbstmitgefühl nicht mehr Leiden, als sie lindert?

Wir stimmen völlig darin überein, dass ein rigides, getrenntes »Selbst« die Hauptquelle von unnötigem emotionalen Leiden in unserem Leben ist, insbesondere hinsichtlich unserer Bemühungen, unser Ego ständig vor realen oder eingebildeten Bedrohungen zu schützen. Wenden wir uns aber mitfühlend uns selbst zu, wenn wir leiden, beginnt sich unser Gefühl des Getrenntseins paradoxerweise aufzulösen. Was geschieht beispielsweise, wenn es uns schlecht geht und wir uns die Hände auf den Herzbereich legen, um uns selbst zu trösten und zu unterstützen? Dieser Akt der Freundlichkeit ermöglicht es uns normalerweise, uns vom egozentrierten, grüblerischen Denken zu lösen und die Welt mit neuen Augen zu sehen.

Gibt es kein besseres Wort als »Selbstmitgefühl«?

Unsere Sprache tendiert dazu, Vorstellungen zu verfestigen. Ein gleichwertiger Ausdruck für »Selbstmitgefühl« ist »inneres Mitgefühl«. Wir verwenden den Ausdruck »Selbstmitgefühl«, weil er Anfängern einleuchtet, die vielleicht Probleme mit sich selbst haben. Wenn Praktizierende durch meditatives inneres Forschen entdecken, dass es kein festes »Selbst« gibt, wird »inneres Mitgefühl« zu einem passenderen Ausdruck.

Kann ein Selbstmitgefühlstraining nicht zur Aktivierung von Emotionen beitragen?

Wir alle haben problematische Erinnerungen, die beim Selbstmitgefühlstraining wieder ins Bewusstsein treten können. MSC wurde ­entwickelt, um alten Verletzungen auf eine gesunde, neue Art und Weise begegnen zu können: mit Achtsamkeit und Mitgefühl. Emotionale Aktivierung ist ein wesentlicher und unvermeidbarer Teil des Transformationsprozesses. Die Stabilisierung des Gewahrseins inmitten heftiger Emotionen ist einer der Hauptgründe, weshalb neben dem Selbstmitgefühl gleichzeitig Achtsamkeit gelehrt wird. Die Unterstützung durch die Gruppe ist ein weiterer wichtiger Teil des Selbstmitgefühlstrainings: das Leiden in einem freundlichen Umfeld da sein lassen.

Sollte sich MSC nicht darauf konzentrieren, neben Selbstmitgefühl auch Mitgefühl für andere zu vermitteln?

MSC war nie als komplettes Mitgefühlstraining konzipiert. Wenn Mitgefühl umfassend und vollständig sein soll, sollte es nach unserem Verständnis sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet sein. Leider kann man überall auf der Welt die Tendenz beobachten, Mitgefühl für andere über das Mitgefühl für sich selbst zu stellen. Deshalb soll unsere besondere Betonung des Selbstmitgefühls helfen, dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Unser Anspruch ist eigentlich sehr bescheiden: Wir wollen uns selbst in den Kreis derer aufnehmen, denen Mitgefühl entgegengebracht wird. MSC lehrt auch Mitgefühl für andere, verknüpft es aber mit Selbstmitgefühl, weil das unser Hauptfokus ist. Diverse Studien zeigen, dass MSC-Training hilft, Mitgefühl für andere zu entwickeln (Neff und Germer, 2013), dass aber auch die Zunahme des Mitgefühls für andere uns hilft, zunehmend Selbstmitgefühl zu entwickeln (Breines und Chen, 2013).

Können wir beginnen?

Sie werden nun durch das MSC-Programm geführt. Der weitere Text von Teil I widmet sich den theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen des Selbstmitgefühls und des Selbstmitgefühlstrainings (Kapitel 2 bis 4). Teil II beschreibt die Didaktik des Selbstmitgefühlstrainings. Kapitel 5 befasst sich mit der Struktur und dem Curriculum von MSC. Kapitel 6 fasst zusammen, wie didaktische Themen vermittelt und Meditationen und Gruppenübungen angeleitet werden. In Kapitel 7 geht es darum, Selbstmitgefühl zu verkörpern und mitfühlende Lehrende zu werden. Kapitel 8 bietet Einblicke in und Vorschläge für den Umgang mit Gruppenprozessen, und in Kapitel 9 wird der Weg des Lernens und Lehrens auf der Basis des Inquiry-Prozesses beschrieben.

Teil III bietet einen detaillierten Einblick in jede der acht Sitzungen des MSC-Programms (ein Kapitel pro Sitzung) sowie ein separates Kapitel über das halbtägige Retreat. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick über die Sitzung (oder das Retreat), gefolgt von der Beschreibung eines didaktischen Themas, vollständigen Anleitungen für jede Meditation, informelle Übung und Gruppenübung sowie Beispielen des Inquiry-Prozesses, der im Anschluss an die bei den Übungen gemachten Erfahrungen stattfindet. (In den Anhängen des Buchs finden Sie zusätzliche Quellen und Ressourcen für Studium, Praxis und Lehre.)

Teil IV befasst sich speziell mit der Integration von Selbstmitgefühl in die Psychotherapie, zeigt Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen MSC und Therapie auf und beschäftigt sich ausführlicher mit besonderen Themen wie »Trauma« und »Scham«.

Wir nennen meist weibliche und männliche Form, wechseln manchmal aber zwischen beiden, wenn wir uns auf eine einzelne Person beziehen, oder nennen beide. Eine hundertprozentig genderneutrale respektive inkludierende Wortwahl ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit in diesem Buch nicht realisiert. Obwohl wir die grammatisch maskuline und/oder feminine Form gewählt haben, sind jeweils beide und alle, die sich nicht in das gesellschaftlich hegemoniale Zweigeschlechtersystem einordnen lassen (möchten), selbstverständlich mitgemeint. Wir hoffen aufrichtig, dass sich so auch alle einbezogen fühlen.

Wir sind dankbar, dass Sie sich auf die innere Reise des Selbstmitgefühls begeben, und hoffen, dass Sie das in diesem Buch enthaltene ­Material in Ihren persönlichen und beruflichen Bemühungen unterstützen wird. Wenn Sie nach der Lektüre des Buches das achtwöchige MSC-Programm selbst unterrichten möchten, finden Sie weitere Informationen über das Lehrertraining auf www.arbor-seminare.de/msc-teacher-training.

Unabhängig von bisher erworbenen Qualifikationen oder Erfahrungen ist es notwendig, eine formelle MSC-Lehrerausbildung zu absolvieren, um ausreichend darauf vorbereitet zu sein, das Programm zu unterrichten. Da MSC Emotionen aktivieren kann, sind persönliches Training und Anleitung im Hinblick auf das Lehren des Programms unverzichtbar – insbesondere wenn Schwierigkeiten auftauchen –, um die Sicherheit der Teilnehmenden zu gewährleisten.

Wichtige Punkte, an die wir uns erinnern sollten

 Wenn Achtsamkeit vollständig ist, ist sie von den Herzensqualitäten der liebevollen Güte und des Mitgefühls durchdrungen. Herzensqualitäten sind besonders inmitten schwieriger Emotionen wichtig für achtsames Gewahrsein, und sie können durch regelmäßige Praxis kultiviert werden.

 MSC ist Achtsamkeitsbasiertes Selbstmitgefühlstraining.

 MSC ist ein Programm zum Aufbau innerer Ressourcen, das für die breite Öffentlichkeit entwickelt wurde. Der Schwerpunkt des Programms liegt mehr auf der Entwicklung einer achtsamen und mitfühlenden Beziehung zu emotionalem Schmerz – und zu uns selbst – als auf der Heilung alter Verletzungen. Alte Verletzungen neigen jedoch dazu, im Laufe des Selbstmitgefühlstrainings an die Oberfläche zu kommen und sich zu transformieren.

 Das Curriculum enthält eine Vielzahl von formellen Meditationen sowie informellen Praktiken und Übungen und liefert Erläuterungen zu allen Praktiken. Mit diesen Skills und diesem Verständnis werden die Teilnehmenden ermutigt, ihre eigenen Lehrer und Lehrerinnen zu werden. MSC hat die achtwöchige Trainingsstruktur und den auf Inquiry basierenden Ansatz von MBSR entlehnt. Darüber hinaus wurden drei weitere Praktiken von MBSR übernommen: die Atemmeditation, der Bodyscan und die achtsame Bewegung.

 MSC ist das erste strukturierte Programm, das speziell entwickelt wurde, um Selbstmitgefühl zu kultivieren.

 Die formale MSC-Lehrerausbildung ist erforderlich, um das in diesem Buch beschriebene Programm sicher und effektiv unterrichten zu können.

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Was ist Selbstmitgefühl?

Wenn ich aber nun entdecken sollte, dass …ich selber des Almosens meiner Güte bedarf –dass ich mir selbst der zu liebende Feind bin, was dann?

C. G. Jung (1971)

Selbstmitgefühl unterscheidet sich nicht wirklich vom Mitgefühl für andere. Die Gefühle sind die gleichen, die Erfahrung ist die gleiche. Der Unterschied besteht darin, dass Menschen in der Regel sich selbst ausschließen aus dem Kreis derer, denen ihr Mitgefühl gilt – sie sind viel eher bereit, anderen Mitgefühl entgegenzubringen als sich selbst (Knox, Neff und Davidson, 2016). Aus diesem Grund kann es uns helfen, zunächst allgemeiner zu untersuchen, was Mitgefühl ist, um zu verstehen, was es bedeutet, Mitgefühl mit sich selbst zu haben.

Mitgefühl wird definiert als »mitfühlendes Wahrnehmen der Not anderer, gepaart mit dem Wunsch, sie zu lindern«. Goetz, Keltner und Simon-Thomas (2010) definieren Mitgefühl als »das Gefühl, das entsteht, wenn man das Leiden eines anderen miterlebt und dies daraufhin den Wunsch zu helfen auslöst«. Ein zentraler Aspekt der Definition von Mitgefühl ist auch ein Gefühl der Verbundenheit mit der leidenden Person (Cassell, 2002). Blum (1980) schreibt: »Mitgefühl impliziert ein Bewusstsein der gemeinsamen menschlichen Daseinserfahrung; das heißt, man betrachtet den anderen als Mit-Menschen.« Wenn wir Mitgefühl empfinden, sind wir also bereit, beim Leiden anderer präsent zu sein und eine menschliche Verbundenheit zu spüren. Ihr Leiden löst bei uns auch fürsorgliche Gefühle und den Wunsch zu helfen aus.

Nehmen wir beispielsweise an, Sie begegnen auf Ihrem Weg zur Arbeit einem Obdachlosen, der um Geld bettelt. Anstatt an ihm vorbeizueilen oder ihn als wertlosen Trunkenbold zu verurteilen, könnten Sie innehalten und überlegen, wie schwierig das Leben dieses Menschen wohl sein muss. Was ist seine Geschichte? Bekommt er die psychosoziale Versorgung und Unterstützung, die er braucht? In dem Moment, in dem Sie diesen Mann tatsächlich als leidendes menschliches Wesen sehen, wird sich Ihr Herz mit ihm verbinden. Anstatt ihn zu ignorieren, stellen Sie fest, dass Sie von seinem Schmerz berührt werden, und verspüren den Wunsch, auf irgendeine Weise zu helfen. Wichtig ist: Wenn Sie Mitgefühl empfinden, anstatt bloß Mitleid zu haben, sagen Sie sich: »Er ist genau wie ich ein Mensch. Wäre ich in andere Umstände hineingeboren worden oder hätte ich einfach nur Pech gehabt, müsste ich vielleicht auch so ums Überleben kämpfen. Wir sind alle verwundbar.«

Es könnte natürlich auch ein Moment sein, in dem Sie Ihr Herz völlig verschließen. Ihre Angst, vielleicht selbst einmal auf der Straße zu landen, kann dazu führen, dass Sie sich distanzieren und den Mann »entmenschlichen«. Doch diese Verhärtung des Herzens, die oft mit einem Überlegenheitsgefühl gegenüber dem Obdachlosen einhergeht, führt wahrscheinlich nur dazu, dass man sich isoliert und abgeschnitten fühlt. Nehmen wir aber einmal an, Sie empfinden wirklich Mitgefühl mit dem Mann. Wie fühlt es sich an? Eigentlich fühlt es sich ziemlich gut an. Es ist wunderbar, wenn sich das Herz öffnet – man fühlt sich sofort verbundener, lebendiger, gegenwärtiger.

Was wäre jedoch, wenn er nur um Geld bettelte, um sich etwas Alkoholisches zu kaufen? Sollten Sie ihm trotzdem Mitgefühl ­entgegenbringen? Ja. Sie müssen ihm sicherlich kein Geld geben, wenn Sie das für unverantwortlich halten, aber er hat dennoch Mitgefühl verdient – wie wir alle. Mitgefühl ist nicht nur für diejenigen, die schuldlose Opfer sind, sondern auch für die, deren Leiden auf persönliches Versagen, Schwächen oder schlechte Entscheidungen zurückzuführen ist – solche, die wir alle jeden Tag fällen. Allein die Tatsache, dass wir bewusste, menschliche Wesen sind, die das Leben auf diesem Planeten erfahren, bedeutet, dass wir grundsätzlich wertvoll sind und Fürsorge verdienen. Dem Dalai Lama (1984/2012a) zufolge »wollen die Menschen von Natur aus glücklich sein und nicht leiden. Mit diesem Grundgefühl versucht jeder Mensch, Glück zu erreichen und das Leiden hinter sich zu lassen, und alle haben das Recht, danach zu streben … grundsätzlich sind wir, wenn wir den wahren Wert des Menschen betrachten, alle gleich.«

Ein Recht auf Mitgefühl müssen wir uns nicht verdienen; es ist unser Geburtsrecht. Wir sind Menschen, und unsere Fähigkeit, zu denken und zu fühlen – gepaart mit unserem Wunsch, glücklich zu sein und nicht zu leiden –, rechtfertigt Mitgefühl um seiner selbst willen.

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