Kitabı oku: «Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten», sayfa 8

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Selbstmitgefühl, Stress und Coping

Selbstmitgefühl hat sich als effektiver Weg erwiesen, schwierige und stressige emotionale Erfahrungen zu bewältigen (Allen und Leary, 2010). So scheint Selbstmitgefühl beispielsweise ein entscheidender Faktor bei der Bewältigung einer Scheidung zu sein. Die Forscher baten Personen, die in Scheidung lebten, ein vierminütiges Selbstgespräch über ihre Trennungserfahrung zu führen und auf Band aufzuzeichnen. Unabhängige Beurteiler bewerteten, wie selbstmitfühlend die Dialoge waren. Diejenigen, die mehr Selbstmitgefühl zeigten, wenn sie über ihre Trennung sprachen, kamen nicht nur zu diesem Zeitpunkt besser mit der Trennung zurecht, sondern auch in den folgenden neun Monaten (Sbarra et al., 2012). Darüber hinaus erwies sich Selbstmitgefühl auch als Hilfe bei der Eingewöhnung ins Studentenleben: Es zeigte sich, dass Studienanfänger mit einem höheren Maß an Selbstmitgefühl weniger unter psychischem Stress leiden, wenn sie mit akademischem Leistungsdruck und sozialen Schwierigkeiten konfrontiert sind (Kyeong, 2013), und auch weniger Heimweh während ihres ersten Semesters am College haben (Terry, Leary und Mehta, 2013). Eine Längsschnittstudie (Gunnell et al., 2017) stellte fest, dass Veränderungen im Selbstmitgefühl bei Collegestudienanfängern mit Veränderungen im Wohlbefinden korrelierten, was zum Teil darauf zurückzuführen war, dass durch Selbstmitgefühl in höherem Maße psychische Bedürfnisse erfüllt wurden.

Die Forschung zeigt, dass Selbstmitgefühl auch ein sehr wirkungsvolles Werkzeug bei der erfolgreichen Bewältigung (Coping) einer Reihe gesundheitlicher Herausforderungen ist. Es stellte sich beispielsweise heraus, dass selbstmitfühlende Menschen eher in der Lage sind, ihr emotionales Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, im täglichen Leben besser zurechtkommen und ihre Schmerzwahrnehmung bei chronischen Schmerzen subjektiv geringer ist (Costa und Pinto-Gouveia, 2011; Wren et al., 2012). In ähnlicher Weise wurde Selbstmitgefühl mit einer besseren Anpassungsfähigkeit in Verbindung gebracht, einschließlich eines geringeren Stresspegels, weniger Ängsten und Scham bei Menschen mit HIV (Brion et al., 2014) und solchen, die eine Krebsdiagnose erhalten hatten (Gillanders, Sinclair, MacLean und Jardine, 2015). Tatsächlich weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass Selbstmitgefühl Frauen hilft, mit ihrer Brustkrebsbehandlung klarzukommen: Sie litten weniger unter psychischem Stress und konnten sich besser an krebsbedingte körperliche Veränderungen anpassen (Przezdziecki et al., 2013). Darüber hinaus wurde ein Zusammenhang zwischen Selbstmitgefühl und Resilienz bei Erwachsenen mit Spina bifida (Hayter und Dorstyn, 2013) und Multipler Sklerose (Nery-Hurwit, Yun und Ebbeck, 2017) festgestellt. Ebenso scheint Selbstmitgefühl den mit Unfruchtbarkeit verbundenen Stress abzumildern (Galhardo, Cunha, Pinto-Gouveia und Matos, 2013). Sirois, Molnar und Hirsch (2015) fanden heraus, dass chronisch Kranke mit mehr Selbstgefühl weniger Stress erlebten, weil sie häufiger adaptive Coping-Strategien (positive Umdeutung [Reframing], Akzeptanz der Situation) und weniger maladaptive (Aufgabe oder Selbstanklage) anwendeten. Es zeigte sich außerdem, dass Selbstmitgefühl Paaren helfen kann, auf der psychischen, sexuellen und Beziehungsebene mit ­Vulvodynie umzugehen (Santerre-Baillargeon et al., 2018).

Es überrascht vielleicht nicht, dass Selbstmitgefühl ein wichtiger Schutzfaktor im Hinblick auf posttraumatischen Stress ist (Beaumont, Galpin und Jenkins, 2012; Thompson und Waltz, 2008). Als man beispielsweise die psychische Verfassung von Kriegsveteranen untersuchte, die aus dem Irak oder Afghanistan heimgekehrt waren, fand man heraus, dass diejenigen mit mehr Selbstmitgefühl im Alltag besser zurechtkamen und weniger Symptome eines posttraumatischen Belastungssyndroms (PTBS) als Folge der Teilnahme an Kampfhandlungen (Dahm et al., 2015) zeigten. Tatsächlich stellte sich heraus, dass niedrige Selbstmitgefühls-Levels ein stärkerer Prädiktor für die Entwicklung eines PTBS waren als eine höhere Rate an Kampfeinsätzen an sich (Hiraoka et al., 2015). Ermutigend war, dass ein zwölfwöchiges Training in liebender Güte bei Veteranen zu einer Reduzierung von Depressions- und PTSD-Symptomen führte und dass die mit dem Training assoziierte Zunahme an Selbstmitgefühl zur Erklärung dieser Verbesserungen beitrug (Kearney et al., 2013). Eine Studie untersuchte den psychischen Gesundheitszustand von Jugendlichen kurz nach einem großen Waldbrand, der einen Teil ihrer Gemeinde zerstört hatte, und stellte fest, dass Jugendliche mit mehr Selbstmitgefühl sechs Monate später weniger Symptome von PTSD, Panik, Depression und Suizidalität zeigten (Zeller, Yuval, Nitzan-Assayag und Bernstein, 2015). Eine größere emotionale Steuerungsfähigkeit war anscheinend der Mechanismus, der Selbstmitgefühl zum Prädiktor für weniger PTSD-Symptome bei Frauen machte, die wiederholt schwere Traumata in Beziehungen erlitten hatten (Scoglio et al., 2018). Insgesamt bestätigt diese Forschung, dass Selbstmitgefühl eine Stärke ist, die uns hilft, die größten Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.

Selbstmitgefühl, Körperbild und Essstörungen

Eine systematische Auswertung der Literatur belegte, dass Selbstmitgefühl mit einem positiveren Körperbild und weniger Essstörungen assoziiert ist (Braun et al., 2016). Diverse Studien zeigten, dass höhere ­Selbstmitgefühls-Levels mit geringerer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, weniger Körperscham und weniger Befürchtungen in Bezug auf die eigene körperliche Erscheinung einhergehen (Daye, Webb und Jafari, 2014; Ferreira, Pinto-Gouveia und Duarte, 2013; Mosewich et al., 2011; Przezdziecki et al., 2013; Wasylkiw, MacKinnon und MacLellan, 2012; Webb Fiery und Jafari, 2016). Selbstmitgefühl scheint auch in negativer Relation zu Vergleichen des äußeren Erscheinungsbildes zu stehen, das heißt zur Tendenz, die soziale Attraktivität zu bewerten, indem man die eigene physische Erscheinung mit der anderer vergleicht (Duarte, ­Ferreira, Trindade und Pinto-Gouveia, 2015; Homan und Tylka, 2015). Darüber hinaus scheint Selbstmitgefühl eine entspanntere Reaktion auf Befürchtungen bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes zu sein als Selbstwertgefühl. Moffitt, Neumann und Williamson (2018) fanden heraus, dass eine Zunahme des Selbstmitgefühls nach einer Bedrohung des Körperbildes die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper verringerte und die Motivation, sich zu verbessern, steigerte – im Vergleich mit einer Zunahme des Selbstwertgefühls. Neben der Verringerung der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper scheint Selbstmitgefühl Frauen zu helfen, ihren Körper zu mögen und zu würdigen (Homan und Tylka, 2015; Marta-Simões, Ferreira und Mendes, 2016; Pisitsungkagarn, Taephant und Attasaranya, 2013; Wasylkiw et al., 2012). Die Wertschätzung des Körpers drückt aus, in welchem Maße Frauen ihren Körper unabhängig von Gewicht, Form und Unvollkommenheit mögen, akzeptieren und respektieren, und ist eine psychische Stärke, die mit Optimismus und Lebenszufriedenheit assoziiert wird (Avalos, Tylka und Wood-Barcalow, 2005). Indem ein Mensch seinen »unvollkommenen« Körper mitfühlend annimmt, kann er dankbarer für dessen Gaben sein.

Es scheint, dass man Menschen beibringen kann, mitfühlender gegenüber ihrem Körper zu sein. Man stellte beispielsweise fest, dass eine kurze Selbstmitgefühls-Schreibintervention Brustkrebsüberlebenden half, eine selbstmitfühlendere Haltung einzunehmen, wenn sie sich an ein als peinlich empfundenes Ereignis in Zusammenhang mit ihrem Körper ­erinnerten, und so weniger negative Auswirkungen zu erfahren (Przezdziecki und Sherman, 2016). Ein dreiwöchiges Training in ­Selbstgefühlsmeditation führte bei einer generationsübergreifenden Gruppe von Frauen zu einer Steigerung der Körperzufriedenheit (Albertson et al., 2015). Die Ergebnisse legten nahe, dass sich bei den Interventionsteilnehmerinnen im Vergleich zu einer Wartelisten-Kontrollgruppe die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie Körperscham und Abhängigkeit vom äußeren Erscheinungsbild deutlich stärker verringerten und dass die Wertschätzung des eigenen Körpers signifikant mehr zunahm als in der Kontrollgruppe. Bei einer Überprüfung nach drei Monaten waren diese Verbesserungen unverändert. Eine Studie, die die Auswirkungen der Selbstmitgefühlsmeditation auf das Körperbild untersuchte (mit den gleichen Methoden wie Albertson et al., 2015), ergab, dass bereits nach einer Trainingswoche die Wertschätzung des Körpers zunahm und körperbezogene Minderwertigkeitsgefühle sowie ständige Überwachung und Kontrolle des körperlichen Erscheinungsbildes im Vergleich mit einer Wartelisten-Kontrollgruppe abnahmen (Toole und Craighead, 2016). Die Verwendung einer Smartphone-App namens BodiMojo, die Jugendlichen helfen soll, selbstmitfühlend mit ihrem Körper umzugehen, steigerte das auf die äußere Erscheinung bezogene Selbstwertgefühl (Rodgers et al., 2018).

Selbstmitgefühl entfaltet auch eine Schutzwirkung gegen pathologisches Essverhalten. Es wurde mit einer Reduzierung von Binge-Eating (Esssucht) in Verbindung gebracht (Webb und Forman, 2013) sowie mit einem Rückgang von gestörtem Essverhalten bei Frauen mit klinischen Essstörungen (Ferreira et al., 2013). Eine Reihe von Längsschnittstudien (Kelly und Carter, 2014; Kelly, Carter und Borairi, 2014; Kelly, Carter, Zuroff und Borairi, 2013) belegte, dass eine Zunahme an Selbstmitgefühl im frühen Stadium der Behandlung von Essstörungen ein Prädiktor für die anschließende Verringerung gestörten Essverhaltens war. Eine Studie, die mithilfe des täglichen Führens eines Tagebuchs den Zusammenhang zwischen Selbstmitgefühl und gestörtem Essverhalten untersuchte, ergab, dass weniger gestörtes Essverhalten an den Tagen beobachtet wurde, an denen die Teilnehmenden von größerem Selbstmitgefühl in Bezug auf ihr Erscheinungsbild berichteten (Breines, Toole et al., 2014). So scheint Selbstmitgefühl Menschen zu helfen, ein gesünderes Essverhalten zu entwickeln. Und diese Fähigkeit kann gelehrt werden.

In einer Studie wurden Patienten mit einer Binge-Essstörung nach dem Zufallsprinzip einem von drei Settings zugeordnet: einem Selbstmitgefühls-Training oder kognitiver Verhaltenstherapie oder einer Warteliste-Kontrollgruppe (Kelly und Carter, 2015). Die Selbstmitgefühls-Intervention war am effektivsten im Hinblick auf die Verringerung des gestörten Essverhaltens, der pathologischen Beschäftigung mit dem Gewicht oder der Nahrungsaufnahme. Eine weitere Studie macht deutlich, wie Selbstmitgefühl ein gesünderes Essverhalten fördert. Menschen, die Diäten anwenden, zeigen oft eine widersprüchliche Tendenz: Wenn sie ihre Diätregeln brechen und kalorienreiche Nahrungsmittel essen, neigen sie dazu, danach noch mehr zu essen, um die schlechten Gefühle über ihren Fehltritt loszuwerden (Heatherton und Polivy, 1990). Adams und Leary (2007) führten eine Studie durch, bei der Studentinnen (unter dem Vorwand der Erforschung von Essgewohnheiten) einen Donut essen mussten. Nach dem Essen des Donuts bekam die Hälfte der Teilnehmerinnen zusätzlich folgenden Hinweis: »Einige von euch haben mir gesagt, dass sie sich schlecht dabei fühlen, während dieser Studie Donuts zu essen. Also hoffe ich, dass Sie nicht zu hart zu sich sein werden. Jeder von uns isst manchmal etwas Ungesundes, und alle essen hier bei dieser Studie dieses Zeug. Und deshalb gibt es meiner Meinung nach überhaupt keinen Grund, sich deswegen schlecht zu fühlen.« Den Teilnehmenden der Kontrollgruppe wurde nichts gesagt. Die Forscher stellten fest, dass diejenigen Frauen im Kontrollsetting, die normalerweise eine Diät einhielten, von Schuld- und Schamgefühlen berichteten. Darüber hinaus aßen diese Frauen, wenn sie später die Möglichkeit bekamen, als »Testesserinnen« so viele Süßigkeiten zu essen, wie sie wollten, mehr als die Teilnehmenden der anderen Gruppen (sogar mehr als diejenigen, die nicht auf Diät waren). ­Diätikerinnen, die ermutigt wurden, in Bezug auf den Verzehr des Donuts selbstmitfühlend zu sein, gingen andererseits freundlicher mit sich um und hatten weniger negative Gefühle, ­nachdem sie den Donut gegessen hatten. Sie aßen auch weniger Süßigkeiten während der »Verkostung« als andere. Selbstmitfühlend zu sein hilft Menschen anscheinend, am Ziel einer gesunden Ernährung festzuhalten.

Gruppenspezifische Unterschiede beim Selbstmitgefühl

Es scheint, dass das Ausmaß an Selbstmitgefühl alters-, geschlechts- oder kulturabhängig variieren kann. So ergab eine Metaanalyse (Yarnell et al., 2015), dass Selbstmitgefühl mit fortschreitendem Alter zunahm und dass Frauen weniger selbstmitfühlend waren als Männer. Die Effektstärken waren jedoch recht gering. Obwohl die Gründe für diese Unterschiede unklar sind, könnte es sein, dass Menschen in jüngeren Jahren (die meisten jüngeren Studienpopulationen, die in diese Analyse einbezogen wurden, waren Collegestudenten) weniger Selbstakzeptanz haben, während sie versuchen, ihren Platz in der Welt zu finden. Der geschlechtsspezifische Unterschied könnte auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Frauen einen stärkeren Hang zur Selbstkritik haben und bei der Problembewältigung eher zum Grübeln neigen als Männer (Leadbeater, Kuperminc, Blatt und Hertzog, 1999; Nolen-Hoeksema, Larson und Grayson, 1999). Die Metaanalyse offenbarte jedoch auch eine signifikante Wechselwirkung zwischen Alter, Geschlecht und Selbstmitgefühl, sodass geschlechtsspezifische Unterschiede in jüngeren Jahren, aber nicht in höherem Alter erkennbar waren. Es kann also sein, dass Frauen mit zunehmendem Alter und wachsender Reife die Fähigkeit zur Selbstfreundlichkeit entwickeln, die ihrer Neigung zur Selbstkritik entgegenwirkt.

Interessanterweise wurde auch eine Wechselwirkung zwischen Alter, Geschlecht und dem Maß an Selbstmitgefühl bei Heranwachsenden gefunden (Bluth und Blanton, 2015). Ältere weibliche Heranwachsende in der Highschool hatten tendenziell weniger Selbstmitgefühl als ­jüngere weibliche Heranwachsende in der Mittelschule, und nur die Älteren offenbarten weniger Selbstmitgefühl als die männlichen Heranwachsenden (Bluth, Campo, Futch und Gaylord, 2016). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die späte Adoleszenz für Frauen im Hinblick auf Selbstmitgefühl besonders herausfordernd ist – eine Situation, die vielleicht mit den Unsicherheiten und Befürchtungen in Bezug auf Beliebtheit und Körperbild zusammenhängt, die in dem Film »Mean Girls« thematisiert werden (Michaels und Waters, 2004). Glücklicherweise verschwinden diese Unterschiede normalerweise im Laufe der Zeit.

Außerdem ist es wichtig, die Komplexität der Geschlechtseigenschaften zu berücksichtigen, wenn man geschlechtsspezifische Unterschiede beim Selbstmitgefühl betrachtet. So leiden Frauen, die eher androgyne Geschlechterrollennormen befürworten, anscheinend nicht unter geringeren Selbstmitgefühls-Levels als Männer. Es sind vor allem feminine Frauen, die den Unterschied ausmachen (Yarnell, Neff, Davidson und Mullarkey, 2018). Es ist wahrscheinlich, dass weibliche Normen der Aufopferung für andere Menschen Frauen dazu bringen, weniger auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten. Ebenso haben Männer, die sich stärker an den männlichen Rollennormen orientieren, ein geringeres Maß an Selbstmitgefühl, was darauf hindeutet, dass das Festhalten an traditionellen Erwartungen an männliches Verhalten wie emotionale Kontrolle und Dominanz die Fähigkeit von Männern, selbstmitfühlend zu sein, untergraben kann (Reilly, Rochlen und Awad, 2014). Heath, Brenner, Vogel, Lannin und Strass (2017) fanden heraus, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem Festhalten an männlichen Rollennormen und inneren Widerständen, sich Hilfe durch psychologische Beratung zu suchen. Im Vergleich dazu besteht bei Männern mit mehr Selbstmitgefühl eine geringere Wahrscheinlichkeit, sich selbst dafür zu verurteilen, dass man Hilfe sucht, und sie haben weniger Angst, sich dem psychologischen Berater zu offenbaren. Die Interaktion zwischen ­Selbstmitgefühl und Geschlechterrollennormen ist komplex und wahrscheinlich bidirektional.

Es gab nur sehr wenige Forschungsarbeiten, in denen unterschiedliche Selbstmitgefühls-Levels auf der Basis anderer demografischer Merkmale untersucht wurden. Eine Studie mit Collegestudenten, die die psychologische Beratungsstelle ihres Colleges konsultierten (die Teilnehmenden kamen von zehn verschiedenen Universitäten aus sechs verschiedenen Staaten der USA), belegte, dass es keine Unterschiede im Maß des Selbstmitgefühls aufgrund von Herkunft/Ethnie, sexueller Orientierung oder dem Collegejahr gab (Lockard, Hayes, Neff und Locke, 2014). Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Queers (LSBTQ), die ihr Coming-Out hinter sich haben, haben jedoch ein höheres Maß an Selbstmitgefühl (Crews und Crawford, 2015), und Selbstmitgefühl ist in dieser Gruppe mit größerem Glücksempfinden verbunden (Greene und Britton, 2015).

Es scheint auch kulturell bedingte Unterschiede im Hinblick auf Selbstmitgefühl zu geben, aber das ist nicht einfach ein »Ost-West-Gefälle«. Eine Studie untersuchte Selbstmitgefühls-Levels in Thailand, Taiwan und den Vereinigten Staaten und stellte fest, dass das Maß an Selbstmitgefühl in Thailand am höchsten und in Taiwan am niedrigsten war, während die Vereinigten Staaten dazwischen lagen (Neff et al., 2008). Das liegt möglicherweise daran, dass die Thais stark vom Buddhismus beeinflusst sind und die Bedeutung von Mitgefühl bei der Kindererziehung und im täglichen Leben im Vordergrund steht. Dagegen sind die Menschen in Taiwan mehr vom Konfuzianismus beeinflusst, bei dem eher Beschämung und Selbstkritik als Mittel der elterlichen und sozialen Kontrolle im Vordergrund stehen. Vielleicht hatten die Amerikaner bei dieser Studie nur ein moderates Maß an Selbstmitgefühl aufgrund der widersprüchlichen Botschaften, die die amerikanische Kultur in Bezug auf positive Selbstwahrnehmung vermittelt (mit einer starken Betonung des Selbstwertgefühls, aber auch einem isolierenden, wettbewerbsorientierten Ethos). Tatsächlich waren die Selbstwertgefühls-Levels bei den Amerikanern signifikant höher als in den beiden anderen Gruppen. In allen drei Kulturen war jedoch ein höheres Maß an Selbstmitgefühl ein Prädiktor für deutlich weniger Depressionen und eine größere Lebenszufriedenheit, was darauf hindeutet, dass Selbstmitgefühl trotz der unterschiedlichen Prävalenz in verschiedenen Kulturen universell positive Auswirkungen hat.

Selbstmitgefühl in Beziehungen

Während Selbstmitgefühl erwiesenermaßen dem Individuum psychisch zugute kommt, gibt es auch Hinweise darauf, dass es sich positiv auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirkt. In einer Studie mit heterosexuellen Paaren (Neff und Beretvas, 2013) wurden selbstmitfühlende Personen von ihren Partnern als emotional verbunden, akzeptierend und autonomiefördernd beschrieben und als weniger distanziert, kontrollierend und verbal oder physisch aggressiv als jene, denen es an Selbstmitgefühl mangelte. Selbstmitgefühl wurde auch mit größerer Beziehungszufriedenheit und Bindungssicherheit assoziiert. Da selbstmitfühlende Menschen gut für sich sorgen und sich unterstützen, scheinen sie mehr emotionale Ressourcen zur Verfügung zu haben, um ihren Partnern etwas geben zu können. Selbstmitgefühl ist ein negativer prädiktiver Faktor für Eifersucht in Beziehungen, ein Zusammenhang, der teilweise mit einer größeren Bereitschaft, dem Partner zu vergeben, erklärt wird (Tandler und Petersen, 2018). Selbstmitgefühl scheint auch Paaren zu helfen, bei denen ein Partner die Diagnose Lungenkrebs bekam: Eine Studie belegte, dass Personen mit mehr Selbstmitgefühl weniger unter der Diagnose ihres Partners litten und von einer besseren Kommunikation über den Krebs berichteten (Schellekens et al., 2016). Auf der partnerschaftlichen Ebene war Selbstmitgefühl darüber hinaus mit weniger Leiden assoziiert, wenn der Partner ein hohes Maß an Selbstmitgefühl angab. Mit anderen Worten: Wenn ein Partner weniger Selbstmitgefühl zeigt, kann der andere Partner das möglicherweise kompensieren, indem er mehr Selbstmitgefühl aufbringt, was dazu beiträgt, das Leiden beider Partner zu verringern.

Forscher fanden auch heraus, dass selbstmitfühlende Collegestudenten tendenziell mehr mitfühlende Ziele in Beziehungen mit Freunden und Mitbewohnern haben, was bedeutet, dass sie dazu neigen, anderen Menschen Unterstützung zu geben und in Beziehungen Vertrauen aufzubauen (Crocker und Canevello, 2008; Wayment, West und Craddock, 2016). Andere Studien (Yarnell und Neff, 2013) ergaben, dass selbstmitfühlende Menschen in Konfliktsituationen mit Müttern, Vätern und Beziehungspartnern eher bereit sind, Kompromisse zu suchen, während Menschen, denen es an Selbstmitgefühl mangelt, dazu neigten, ihre eigenen Bedürfnisse denen des Partners unterzuordnen. Dieses Muster ist plausibel, wenn man bedenkt, dass Menschen mit einem hohen Maß an Selbstmitgefühl von sich sagen, sie neigten dazu, sich selbst genauso freundlich zu behandeln wie andere, während Menschen mit wenig Selbstmitgefühl angeben, sie würden andere normalerweise besser behandeln als sich selbst (Neff, 2003a). Die Studie zeigte auch, dass sich selbstmitfühlende Menschen bei der Lösung von Beziehungskonflikten authentischer fühlten und weniger innere Erschütterung erlebten. Sie berichteten darüber hinaus von höherem Wohlbefinden in ihren Beziehungen. Selbstmitgefühl ist auch mit weniger pathologischer Fürsorge für andere assoziiert, die definiert wird als eine »Überinvestition« in die Befriedigung der Bedürfnisse anderer und die Tendenz, die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken oder zu leugnen (Gerber, Tolmacz und Doron, 2015). Schließlich wurde Selbstmitgefühl auch mit der Tendenz in Verbindung gebracht, sich für schädliches Verhalten in Beziehungen zu entschuldigen und es wiedergutzumachen (Breines und Chen, 2012; Howell, Dopko, Turowski und Buro, 2011; Vazeou-­Nieuwenhuis und Schumann, 2018), was die Harmonie in Beziehungen fördert.

Eine zwei Studien umfassende Studienreihe veranschaulicht ebenfalls, wie sich Selbstmitgefühl auf die Art und Weise auswirkt, sich in Beziehungen zu entschuldigen und Entschuldigungen anzunehmen, (Allen, Barton und Stevenson, 2015). Die erste Studie untersuchte imaginierte Reaktionen auf hypothetische Szenarien, in denen die Teilnehmenden unabsichtlich jemanden »hängen ließen« (zum Beispiel 45 Minuten zu spät, um das Kind einer engen Freundin von der Schule abzuholen aufgrund eines Notfalls bei der Arbeit). Es stellte sich heraus, dass selbstmitfühlende Personen angaben, sie würden gegenüber der versetzten Freundin wahrscheinlich eher Aussagen machen, die Selbstmitgefühl dafür widerspiegelten, dass sie den Fehler gemacht hatten (zum Beispiel »Manchmal entstehen Situationen, die einen daran hindern zu tun, was man tun wollte«) im Gegensatz zu selbstkritischen Aussagen (zum Beispiel »Ich fühle mich wie ein ganz schrecklicher Mensch, der dich im Stich gelassen hat, als du mir vertraut hast«). Die zweite Studie untersuchte, welche Reaktion sich Menschen, die unabsichtlich im Stich gelassen wurden, idealerweise von einem anderen wünschten, – mit selbstmitfühlenden oder selbstkritischen Aussagen über den Fehler –, wobei ein ähnliches hypothetisches Szenario vorgegeben wurde wie in der ersten Studie. Die Forscher fanden heraus, dass selbstmitfühlende Teilnehmende auch selbstmitfühlende Reaktionen bevorzugten und mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit dem anderen verzeihen würden, unabhängig von der Art der Reaktion. Personen mit weniger Selbstmitgefühl bevorzugten jedoch selbstkritische Reaktionen und waren auch eher bereit, jemandem zu verzeihen, der selbstkritische Aussagen machte. Das deutet darauf hin, dass, obwohl Selbstmitgefühl eine positive innere Antwort sein kann, wenn man andere »hängen lässt«, es tatsächlich besser funktionieren kann, nach außen hin selbstkritisch in Bezug auf Fehler zu sein, wenn man mit Menschen zu tun hat, die selbstkritisch sind.

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