Kitabı oku: «Klausurenkurs im Arbeitsrecht II», sayfa 12
[66]
Vgl. etwa BeckOK-ArbR-Jacobs, § 306 BGB Rn. 9 ff.
[67]
BAG v. 26.3.1997, AP Nr. 50 zu § 242 BGB = NZA 1997, 1007, 1008 f.
[68]
Vgl. bereits oben Rn. 220.
[69]
Vgl. bereits oben Rn. 218 ff.
[70]
Zur Kritik vgl. ausführlich Thüsing, NZA 2005, 718, 720 f.
[71]
Vgl. MüKoBGB-Kieninger, § 308 Nr. 5 BGB Rn. 14.
[72]
Vgl. nunmehr BAG v. 18.3.2009, AP Nr. 83 zu § 242 BGB Betriebliche Übung = NZA 2009, 601, 602 (Tz. 12).
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Fragen zur Wiederholung
288
1) | Was ist ein Betrieb, was ein Betriebsteil i.S.d. § 613a I 1 BGB? |
2) | Welche Arbeitsverhältnisse gehen beim Betriebsteilübergang auf den Erwerber über? |
3) | Welche Kriterien gilt es im Rahmen der Identitätswahrung beim Betriebsübergang zu berücksichtigen? Wie ist die Prüfung zu gliedern? |
4) | Welches Problem stellt sich typischerweise bzgl. der Tatbestandsvoraussetzungen eines Betriebsübergangs, wenn die Identitätswahrung überwiegend auf der Übernahme des Personals beruht? |
5) | Unter welchen Voraussetzungen verwirkt das Widerspruchsrecht nach § 613a VI BGB? |
6) | Welche Rechtsfolge hat die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist? |
7) | An welcher Stelle ist die Wahrung der Kündigungsfrist im Rahmen der Begründetheit einer Kündigungsschutzklage zu prüfen? |
8) | Welche Normen kennen Sie, die ein Verbot der Altersdiskriminierung festsetzen? |
9) | Unter welchen Voraussetzungen kann eine Altersdiskriminierung gerechtfertigt sein? |
10) | Welchen Zweck hat § 4 S. 4 KSchG? |
11) | Nennen Sie die Tatbestandsvoraussetzungen einer teleologischen Reduktion! |
12) | Nennen Sie die Voraussetzungen für die Begründung einer betrieblichen Übung! |
13) | Unterliegen betriebliche Übungen der AGB-Kontrolle? |
14) | Was ist eine gegenläufige betriebliche Übung? |
2 › Klausur 4 Outsourcing und Videoüberwachung
Klausur 4 Outsourcing und Videoüberwachung[1]
Inhaltsverzeichnis
Gliederung und Schwerpunktsetzung
Lösung
Fragen zur Wiederholung
289
G betreibt in Nürnberg einen mittelständischen Betrieb, der Fahrwerkskomponenten fertigt, seit einigen Jahren aber auch Armaturen zuliefert. Im Betrieb sind 60 Arbeitnehmer beschäftigt; ein Betriebsrat besteht nicht. Aufgrund der schwierigen Lage in der Automobilindustrie beschließt G mehrere Maßnahmen:
Zum einen gestaltet er die Betriebsabläufe im Fahrwerksbereich so um, dass er mehrere Arbeitsplätze in der Montage einsparen kann. Unter anderem kündigt Personalleiter P daher auch dem 40jährigen D, der seit Anfang 1995 bei G beschäftigt ist. Den Brief mit der Kündigung zum 31. Oktober 2008 wirft der Postbote am Donnerstag, dem 26. Juni 2008, um 10.00 Uhr in den Briefkasten des D. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich D – wovon P Kenntnis hatte – im Italienurlaub. Aus diesem Grund nimmt er vom Inhalt des Schreibens erst nach seiner Rückkehr am Freitag, dem 4. Juli 2008, Kenntnis. Am Montag, dem 28. Juli 2008, reicht D vor dem Arbeitsgericht Klage auf Feststellung ein, dass sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26. Juni 2008 nicht zum 31. Oktober 2008, sondern erst zum 30. November 2008 aufgelöst worden ist. Die Klageschrift wird G am 30. Juli 2008 zugestellt.
Als weitere Maßnahme beschließt G, seinen Betrieb wieder auf das Kerngeschäft zurückzuführen und die Armaturenfertigung auszugliedern. Er verpachtet daher zum 1. Mai 2008 die neben den anderen Anlagen auf dem Werksgelände liegende Produktionshalle für die Armaturenfertigung mit sämtlichem Inventar an die Z-GmbH, die die Wirtschaftskrise zur Expansion nutzen will. Am 28. April 2008 teilt G auf einer Betriebsversammlung den bislang in der Armaturenfertigung eingesetzten Arbeitnehmern – insgesamt 16 – mündlich mit, dass die Arbeitsverhältnisse mit Wirkung zum 1. Juni wegen der Verpachtung auf die Z-GmbH übergehen werden.
Der 54jährige, verwitwete A ist seit 5 Jahren als Anlagenbetreuer in der Armaturenfertigung beschäftigt. Mit Schreiben vom 30. Juni 2008 widerspricht A dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Z-GmbH, weil er „anonymen Großunternehmen“ generell nicht über den Weg traue. Außerdem äußert er die Ansicht, die Verpachtung betreffe ihn eigentlich nicht, da er hin und wieder auch vertretungsweise als Anlagenbetreuer in der Fahrwerksfertigung gearbeitet habe. G meint zwar, er sei für A nicht mehr zuständig, spricht jedoch vorsichtshalber am 10. Juli 2008 eine schriftliche Kündigung mit der Begründung aus, der Arbeitsplatz des A sei aufgrund der Verpachtung weggefallen; eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht. A wendet ein, dass doch wohl eher den beiden anderen Anlagenbetreuern B und C, die von G weiterhin in der Fahrzeugfertigung eingesetzt werden, gekündigt werden müsse. Schließlich seien diese zeitgleich wie er eingestellt worden, aber erst 25 und 28 Jahre alt; aufgrund ihres Alters hätten sie deutlich bessere Aussichten als A, eine neue Anstellung zu finden. G erwidert, A sei selbst schuld, wenn er den sicheren Job bei der Z-GmbH ohne Grund ausschlage. Sein Anwalt habe ihm außerdem erklärt, dass die Berücksichtigung des Lebensalters bei Kündigungen mittlerweile verboten sei.
Frage 1: Sind die Klagen des D und des A begründet?
Bearbeitervermerk zu Frage 1:
Nach Art. 3 I lit. c RL 2000/78/EG gilt das Verbot der Altersdiskriminierung auch für Kündigungen.
Nach der jährlichen Inventur wird – wie bereits im Vorjahr – ein beachtlicher Fehlbestand an Einzelteilen festgestellt. G vermutet, dass diese von Mitarbeitern aus der Fertigungslinie entwendet wurden. Er wendet sich daraufhin an den – nach den Umstrukturierungsmaßnahmen gebildeten – Betriebsrat, um eine stationäre Videoüberwachungsanlage einzurichten. Nachdem sich der Betriebsrat und G nicht einigen können, kommt es zur Bildung einer Einigungsstelle, die folgenden Spruch fällt:
„§ 1 Geltungsbereich und Zweck
(1) Diese Betriebsvereinbarung gilt in räumlicher Hinsicht für die Produktions- und Fertigungshallen, nicht für Büro-, Aufenthalts- und Sozialräume.
(2) Die Videoanlage soll Verlust, Beschädigung oder Diebstahl von i.R.d. Fertigung verwendeten Einzelteilen vermindern und aufklären. Sie wird ausschließlich zur Aufklärung von Straftaten sowie zur Vorbeugung von weiteren Straftaten betrieben. Tonaufnahmen erfolgen nicht.
§ 2 Betrieb der Videoanlage
(1) Voraussetzung für den Betrieb ist ein auf konkrete Personen bezogener Verdacht einer strafbaren Handlung aufgrund von Beschädigungen, Verlusten oder Diebstählen von Einzelteilen im Rahmen der Fertigung.
(2) Die Durchführung der Videoüberwachung im Aufzeichnungsmodus soll abhängig vom ermittelten Sachverhalt zunächst auf den räumlichen Bereich, dem der Vorfall zugeordnet werden kann, beschränkt werden. Der Betriebsrat ist über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 sowie über den zu überwachenden Bereich umfassend zu informieren, unterliegt dabei aber der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG. Die Überwachung ist unverzüglich nach Ermittlung des Täters einzustellen.
(3) Hat die Videoüberwachung des Bereichs i.S.d. Abs. 2 zu keiner Überführung des Täters geführt, kann die Aufzeichnung auf weitere Bereiche oder ggf. den kompletten Produktions- und Fertigungsbereich erstreckt werden, wobei die Aufzeichnung insgesamt 4 Wochen nicht überschreiten darf.“
Der Betriebsrat fasst den Beschluss, den ihm am 16. November 2009 zugestellten Spruch der Einigungsstelle anzufechten. Am 30. November 2009 erhebt der Vorsitzende für den Betriebsrat daher beim Arbeitsgericht Nürnberg den Antrag festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle unwirksam ist.
Frage 2: Hat das Vorgehen des Betriebsrats Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk zu Frage 2:
Vorschriften des BDSG sind nicht zu prüfen.
Anmerkungen
[1]
Die Klausur wurde im Wintertrimester 2008 als Aufsichtsarbeit im Schwerpunktbereich Arbeitsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg gestellt.
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Gliederung und Schwerpunktsetzung
290
Frage 1: Kündigungsschutzklagen
A.Begründetheit der Klage des D
I.Kündigungserklärung
II.Wirksamkeitsfiktion
Mittleres Problem: Umfang der Fiktionswirkung
III.Auslegung der Kündigungserklärung: Eintritt der Kündigungswirkung
1.Länge der Kündigungsfrist
2.Lauf der Frist
Standardproblem: Zugangsverzögerung während des Urlaubs
3.Möglichkeit der Auslegung oder Umdeutung
IV.Ergebnis
B.Begründetheit der Klage des A
I.Arbeitsverhältnis zwischen A und G
Standardproblem: Saubere Prüfung eines Betriebsübergangs
1.Betrieb oder Betriebsteil
2.Zuordnung des Arbeitsverhältnisses des A
3.Identitätswahrender Übergang durch Rechtsgeschäft
4.Kein wirksamer Widerspruch
5.Zwischenergebnis
II.Kündigungserklärung
III.Keine Wirksamkeitsfiktion
IV.Kein Verstoß gegen § 613a IV 1 BGB
V.Allgemeiner Kündigungsschutz
1.Anwendbarkeit
2.Kündigungsgrund
3.Sozialauswahl
a)Vergleichbare Arbeitnehmer
Schweres Problem: Personenkreis bei Teilbetriebsübergang
b)Soziale Auswahl
aa)Berücksichtigung des Widerspruchs zum Nachteil des A?
bb)Keine Berücksichtigung des Lebensalters wegen Verstoßes gegen das AGG?
(1)Anwendbarkeit des AGG: Bedeutung von § 2 IV AGG
Schweres Problem: Folgen von § 2 IV AGG
(2)Rechtfertigung
cc)Unanwendbarkeit des Lebensalterkriteriums wegen Verstoßes gegen Primärrecht
VI.Ergebnis
Frage 2: Videoüberwachung im Betrieb
A.Zulässigkeit
I.Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
II.Richtige Verfahrensart
III.Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nürnberg
IV.Beteiligten-, Prozess- und Postulationsfähigkeit
V.Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis und Feststellungsinteresse
VI.Antragsbefugnis
VII.Zwischenergebnis
B.Begründetheit
I.Kein Überschreiten der Regelungsbefugnis
II.Verstoß gegen § 75 II 1 BetrVG
1.APR als Regelungsschranke
2.Eingriff
3.Rechtfertigung
a)Zweck, Eignung und Erforderlichkeit
b)Angemessenheit
Mittleres Problem: Auswertung Sachverhalt, Differenzierung
4.Rechtsfolge der Teilnichtigkeit
C.Ergebnis
2 › Klausur 4 Outsourcing und Videoüberwachung › Lösung
Lösung
Frage 1: Kündigungsschutzklagen
A. Begründetheit der Klage des D
291
Die allgemeine Feststellungsklage des D ist begründet, wenn die von G ausgesprochene ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.10.2008, sondern erst zum 30.11.2008 aufgelöst hat.
292-
294
Wiederholung und Vertiefung:
Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage wird neben der Wirksamkeit der Kündigung stets auch der in ihr genannte Beendigungstermin geprüft, vgl. bereits Klausur 3, Rn. 206.
Wird allerdings – wie hier – ausschließlich die Einhaltung der Kündigungsfrist gerügt, nicht aber die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht, liegt keine Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG vor, sondern eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO.[1]
Geht es schließlich um die Frage, ob eine Kündigungsfrist überhaupt eingehalten werden musste, ob also eine fristlose oder (hilfsweise) nur eine ordentliche Kündigung zulässig ist, muss der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben. Wendet er sich dabei nur gegen die fristlose Kündigung, nicht aber gegen die (hilfsweise oder im Wege der Umdeutung gewonnene) ordentliche Kündigung, entscheidet das Gericht allein über die außerordentliche Kündigung. Ist sie unwirksam, wird der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet wurde.[2]
I. Kündigungserklärung
295
Eine der Form des § 623 BGB genügende Kündigungserklärung liegt auf Seiten von G – abgegeben durch dessen Personalleiter P (vgl. § 164 I 1 BGB) – vor. Diese ist D spätestens mit Kenntnisnahme am 4.7.2008 zugegangen und damit gem. § 130 I 1 BGB wirksam geworden.
296
Hinweis zur Klausurtechnik:
An dieser Stelle kann (und sollte) der genaue Zeitpunkt offen gelassen werden, da es nur darauf ankommt, ob die Erklärung überhaupt zugegangen ist.
II. Wirksamkeitsfiktion
297
Allerdings könnte die Kündigung nach §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam gelten. Das ist der Fall, wenn D nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erhoben hat. Selbst wenn man vom Zugang der Kündigung erst mit Kenntnisnahme am 4. Juli 2008 ausginge, wäre die Dreiwochenfrist nach §§ 46 II 1 ArbGG, 222 I ZPO, 187 I, 188 II Var. 1 BGB bereits am Freitag, dem 25. Juli 2008, um 24.00 Uhr verstrichen. Klage hat D aber gem. §§ 253 I, 167 ZPO erst mit Eingang der Klageschrift bei Gericht am 28. Juli 2008 erhoben. Die Frage nach dem genauen Zugangszeitpunkt kann somit dahinstehen, ist doch die Klagefrist von drei Wochen jedenfalls verstrichen.[3] Die Wirksamkeitsfiktion nach §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG greift somit ein.
298
Wiederholung und Vertiefung:
Erhoben i.S.d. § 4 S. 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nach § 253 I ZPO i.V.m. § 46 II 1 ArbGG zwar grundsätzlich erst mit Zustellung der Klagschrift an den Klagegegner. Soll durch die Zustellung allerdings eine Frist gewahrt werden, tritt die fristwahrende Wirkung nach § 167 ZPO schon mit Eingang des Schriftsatzes bei Gericht ein, sofern der Schriftsatz vom Gericht an den Gegner demnächst zugestellt wird.
299
Fraglich ist jedoch, ob es D folglich auch verwehrt ist, die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist geltend zu machen. Der Wortlaut von § 4 S. 1 KSchG – „rechtsunwirksam“ – spricht auf den ersten Blick für eine umfassende Wirksamkeitsfiktion. Andererseits ist der Antrag nach § 4 S. 1 KSchG auf die Feststellung zu richten, dass das Arbeitsverhältnis „nicht aufgelöst ist“; die „Nichtauflösung“ des Arbeitsverhältnisses entspricht aber nicht dem Klageziel desjenigen, der die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist rügt.
300
Auch die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 4 S. 1 KSchG zum 1. Januar 2004 zeigen, dass es dem Gesetzgeber nur darum ging, eine rasche Klärung der Frage herbeizuführen, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hat oder nicht.[4]
301
Ratio des § 4 S. 1 KSchG ist die Herstellung von Rechtssicherheit bezüglich der Wirksamkeit einer Kündigung. Teilweise[5] wird argumentiert, die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung sei aus diesem Grund unwirksam: Zwar wirke sie zum nächst zulässigen Kündigungstermin, doch gelange man zu diesem Ergebnis nur über § 140 BGB, der tatbestandlich die Unwirksamkeit der erklärten Kündigung voraussetzt. Nach anderer Auffassung,[6] der sich auch der Zweite Senat des BAG[7] angeschlossen hat, folgt die Wirksamkeit der Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt nicht aus einer Umdeutung gem. § 140 BGB, sondern aus sachgerechter Auslegung, da die Angabe des Kündigungstermins in der Regel nicht Bestandteil der Willenserklärung ist.[8] Selbst wenn man aber § 140 BGB bemühen möchte, ist es mit Blick auf den Wortlaut von § 4 S. 1 KSchG („aufgelöst ist“, nicht „aufgelöst wurde“) überzeugender, dass die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist von der Fiktionswirkung nicht umfasst ist.[9]
302
Wiederholung und Vertiefung:
Anders ist nach Auffassung des Zweiten Senats des BAG[10] dann zu entscheiden, wenn die Erklärung des Arbeitgebers so auszulegen ist, dass er nur zu einem ganz bestimmten Termin kündigen will und andernfalls von der Kündigung Abstand nehmen möchte, vgl. ausführlich Klausur 3, Rn. 229.
III. Auslegung der Kündigungserklärung: Eintritt der Kündigungswirkung
303
Zu klären bleibt somit, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung des D Wirkung entfaltet. Zwar hat P als Vertreter des G nach § 164 I BGB die Kündigung zum 31.10.2008 erklärt. In Betracht kommt jedoch, dass der Kündigungserklärung im Wege der Auslegung oder Umdeutung ein anderer Termin zu entnehmen ist. Das ist dann der Fall, wenn der 31.10.2008 kein zulässiger Kündigungstermin ist und der erkennbare Wille des P nicht dahin geht, dass der Bestand der Kündigung davon abhängen soll, dass sie das Arbeitsverhältnis gerade zum 31.10.2008 beendet.
1. Länge der Kündigungsfrist
304
Mangels vertraglicher Regelung richtet sich die Kündigungsfrist nach § 622 BGB. D war seit Anfang 1995 bei G beschäftigt, wobei eine Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten gem. § 622 II 2 BGB ausscheidet (D war zu Beschäftigungsbeginn mind. 26 Jahre alt). Mithin ist D mehr als zwölf, aber weniger als fünfzehn Jahre Arbeitnehmer bei G, so dass die Kündigungsfrist gem. § 622 II 1 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats beträgt.
2. Lauf der Frist
305
Fraglich ist jedoch, ob die Kündigungserklärung des G durch Zugang gem. § 130 I 1 BGB rechtzeitig wirksam geworden ist. Was unter Zugang zu verstehen ist, ist zwar nach wie vor umstritten.[11] Nachdem das Kündigungsschreiben in den Briefkasten des A gelangte, der als Empfangseinrichtung zu seinem Machtbereich zählt, kann eine Entscheidung jedoch dahinstehen, da es in diesem Fall nach allen drei vertretenen Auffassungen darauf ankommt, wann mit seiner Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen zu rechnen gewesen ist.
306
Dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht es grundsätzlich, dass jemand einmal täglich den Briefkasten leert und an ihn adressierte Post alsbald liest. Demnach ist der Zugang am 26.6.2008, spätestens jedoch am 27.6.2008 erfolgt. Dass D zu diesem Zeitpunkt im Urlaub war und den Brief daher nicht lesen konnte, ist als Vorgang innerhalb des allein von D beherrschten Machtbereichs im Rahmen der „gewöhnlichen Verhältnisse“ außer Betracht zu lassen.
307
Allerdings lässt sich eine Ausnahme erwägen, wenn der Arbeitgeber hiervon Kenntnis hat. Zwar hat nur P gewusst, dass sich D im Urlaub befand, doch muss G sich dies analog § 166 I BGB zurechnen lassen (sog. Wissensvertretung).[12] Zu fragen bleibt daher, ob eine derartige Ausnahme überzeugt. Einerseits darf ein Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass sich während einer Urlaubsreise an seinem Arbeitsverhältnis nichts ändert, insbesondere weil er gem. §§ 1, 7 BUrlG einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgewährung hat.[13] Andererseits ändert die Kenntnis des Arbeitgebers nichts am Beherrschbarkeitsvorsprung des Arbeitnehmers in seinem Machtbereich. Der Arbeitnehmer darf den fristgerechten Zugang an ihn gerichteter Erklärungen nicht einfach dadurch verhindern können, dass er seinen Arbeitgeber darüber informiert, sie vor Fristablauf nicht zur Kenntnis nehmen zu können. Für – einseitig rechtsgestaltende – Kündigungserklärungen sprechen hierfür auch der Grundsatz der Rechtssicherheit, die hinreichende Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen i.R.d. § 5 KSchG sowie der Umstand, dass eine Differenzierung danach, ob ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber zuvor von seinen Reisevorhaben unterrichtet hat oder nicht, nicht überzeugend wäre.[14]
308
Unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse hätte D daher am 26., spätestens am 27.6.2008 von der Kündigung Kenntnis erlangt, so dass ihm die Erklärung an diesem Tag i.S.d. § 130 I 1 BGB zugegangen ist. Fristablauf ist somit gem. §§ 187 I, 188 II Var. 1, 622 II 1 Nr. 5 BGB der 30.11.2008, so dass die Kündigungsfrist für eine Kündigung zum 31.10.2008 nicht gewahrt ist.
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