Kitabı oku: «Klausurenkurs im Arbeitsrecht II», sayfa 3

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7. Zitiergenauigkeit

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Ein weit verbreitetes Manko vieler Klausurbearbeitungen besteht darin, dass die angewandten Normen entweder gar nicht oder zu pauschal zitiert werden. Allein das exakte Zitat verdeutlicht aber dem Korrektor, welcher Teil eines Rechtssatzes überhaupt angewandt oder ausgelegt wird. Gleichzeitig ist der Bearbeiter durch ein exaktes Zitat – schon routinemäßig – dazu gezwungen, die einschlägige Norm nochmals ins Auge zu fassen und vermeidet damit die Gefahr, Einschränkungen oder Ausnahmen zu übersehen, die er nicht auswendig parat hat. Nicht zuletzt ist das Auffinden des einschlägigen Rechtssatzes auch Teil der Klausurleistung und fließt somit in die Benotung der Klausur ein.

Beispiele:

Soziale Rechtfertigung nach § 1 II 1 KSchG; Unwirksamkeit wegen mangelnder Betriebsratsanhörung gem. § 102 I 3 BetrVG; Rückforderung von Lohn nach § 812 I 1 Var. 1 BGB.

8. Verschiedenes

Ausführlich bzw. vertiefend hierzu: Fleck/Arnold, JuS 2009, 881, 884 ff.; Schütze, JURA Zwischenprüfungsklausur, 1, 2.

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Der Sachverhalt darf niemals ergänzt oder abgeändert werden. Was der Sachverhalt nicht mitteilt, ist nicht geschehen. Nur lebensnahe (eng zu verstehen!) Ergänzungen sind zulässig, d.h. es ist z.B. zu unterstellen, dass Personen volljährig und geschäftsfähig sind.

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Umgekehrt enthält ein Sachverhalt selten überflüssige Angaben. Wenn bestimmte Daten, Argumente in indirekter Rede oder Sachverhaltsausführungen in der eigenen Lösung keine Rolle spielen, sollte überlegt werden, ob etwas übersehen wurde. In jedem Fall gilt, dass der Sachverhalt mindestens zweimal gelesen werden sollte. Für längere Sachverhalte mit vielen Daten sollte darüber hinaus eine knappe Zeitleiste erstellt werden.

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Mit gleicher Sorgfalt sollte für die Fallfrage verfahren werden. Idealerweise wird sie noch vor dem Sachverhalt gelesen, um diesen von vornherein mit Blick auf die Fallfrage zu analysieren. Außerdem sollte man sich angwöhnen, vor der Bearbeitung die Fallfrage routinemäßig ein zweites Mal zu lesen. Denn in der (stressigen) Klausursituation wird häufig übersehen, dass möglicherweise nur die Begründetheit oder umgekehrt Zulässigkeit und Begründetheit zu prüfen sind, dass bestimmte Rechtsfragen ausgeklammert werden sollen oder umgekehrt besonders zu berücksichtigen sind.

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Elemente aus dem Sachverhalt sollten in ein sachlich verfasstes Gutachten nicht „erzählerisch“ eingebaut werden. Ebenso wenig sollten „flapsige Formulierungen“ verwendet oder aus dem Sachverhalt übernommen werden.

Falsche Beispiele:

„V führt an, dass A sehr schludrig gearbeitet hat. . . Insofern ist festzustellen, dass. . .“. „Laut Sachverhalt ist A lieber länger im Bett geblieben, als pünktlich zur Arbeit zu erscheinen.“

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Sog. Abtönungswörter – „ja“, „halt“, „eben“, „ruhig“, „bloß“ – sind unsachlich und sollten im Gutachten vermieden werden.

Beispiel:

Statt „da er ja widersprochen hat.“ einfach „da er widersprochen hat“.

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Ebenso wenig passen ausschweifende Kommentierungen der eigenen Prüfungsschritte (sog. „Märchenonkelstil“) zum sachlichen Charakter eines Rechtsgutachtens.

Beispiel:

Die Floskel „Nun ist zunächst einmal zu prüfen, ob…“ kann ersatzlos entfallen.

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Dass mit dem Sachverhalt gearbeitet wird, ist im Übrigen selbstverständlich. Im Gutachten haben daher die nicht nur stilistisch fragwürdigen und zeitraubenden, sondern auch gänzlich überflüssigen Worte „hier“, „vorliegend“ und „laut Sachverhalt“ nichts verloren.

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Ebenso wenig gehören abstrakte „Kommentierungen“ von Normen oder lehrbuchhafte Ausführungen ohne Bezug zum Sachverhalt in ein Gutachten.

Falsches Beispiel:

„Die Anweisung des G könnte gegen § 612a BGB verstoßen. Diese Norm soll verhindern, dass ein Arbeitnehmer seine Rechte nicht mehr geltend macht, weil er fürchtet, im Anschluss benachteiligt zu werden. . . [Diese Ausführungen haben noch keinerlei Bezug zur Lösung und sind daher – an dieser Stelle – gänzlich überflüssig].“

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Statt „Schachtelsätze“ zu verwenden, kann der Inhalt der Argumentation auch auf mehrere Sätze aufgeteilt werden. Das ist in der Klausursituation zum einen weniger fehleranfällig. Zum anderen erleichtert es die Arbeit des Korrektors, insbesondere wenn der Bearbeiter über keine mustergültige Handschrift verfügt.

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Für die Lösungsskizze ist es aus Zeitgründen zwar ratsam, Abkürzungen oder Sonderzeichen für Standardprüfungspunkte oder bestimmte Probleme zu verwenden. Umgekehrt dürfen in der ausformulierten Lösung aber keine unüblichen Abkürzungen (z.B. nicht „KV“ für „Kaufvertrag“; „AN“ für „Arbeitnehmer“; „AG“ für „Arbeitgeber“; „Kdg.“ für „Kündigung“ etc.) oder Sonderzeichen (Pfeile, Klammern etc.) verwendet werden. Erlaubt sind nur solche Abkürzungen, die allgemeinüblich sind, die man also bspw. auch in einem Zeitungsartikel lesen könnte (z.B. „d.h.“ für „das heißt“ oder „z.B.“ für „zum Beispiel“).

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Ein häufiger formaler Fehler besteht schließlich darin, die Gliederung nicht abzuschließen, d.h. es darf bspw. nicht „I. 1.; II.“ gegliedert werden (es fehlt „2.“). Notfalls kann nachträglich eine Schlussfolgerung als Zwischenergebnis formuliert werden, um auf diesem Weg die Gliederung noch abzuschließen (also z.B. „2. Zwischenergebnis“).

Anmerkungen

[1]

Kostenfrei abrufbar unter http://www.jura.uni-halle.de/lehrstuehle_dozenten/lehrstuhl_germann/lehre/, dort unter „Dokumente“.

[2]

Vgl. hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 276 f. mit dem nachfolgend übernommenen zweiten Beispiel.

[3]

Vgl. hierzu auch Germann, Leitsätze zur Subsumtionstechnik, 2010, S. 3.

[4]

Vgl. Schimmel, Juristische Klausuren und Hausarbeiten richtig formulieren, 11. Aufl. 2014, Rn. 330.

[5]

Vgl. die weiteren Formulierungsmöglichkeiten bei Germann, Leitlinien zur Subsumtionstechnik, 2010, S. 4.

[6]

Ebenso Germann, Leitsätze zur Subsumtionstechnik, 2010, S. 10. Mit viel gutem Willen lässt sich der Konjunktiv II in diesem Zusammenhang in seiner Funktion zur Wiedergabe einer Vermutung rechtfertigen; streng genommen liegt darin freilich eine unzulässige, subjektive Wahrscheinlichkeitsaussage, die vom Verfasser des Gutachtens in aller Regel gar nicht gewollt ist.

[7]

Der Urteilsstil unterscheidet sich von der Gutachtentechnik allein dadurch, dass das Ergebnis erst genannt und anschließend begründet wird.

[8]

Vgl. dazu statt vieler Gamillscheg, AcP 164 (1964), 385, 388.

2. Teil Klausurfälle

2 › Klausur 1 Das harte Musik-Business

Klausur 1 Das harte Musik-Business[1]

Inhaltsverzeichnis

Gliederung und Schwerpunktsetzung

Lösung

Fragen zur Wiederholung

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A ist seit Anfang 1999 „Product-Manager“ im Musikverlag PressToPlay (P), der im deutschsprachigen Raum über Zwischenhändler und per Internet Tonträger vertreibt. Am Sitz der P in Hamburg sind 56 Arbeitnehmer beschäftigt; ein Betriebsrat ist gebildet.

A ist großer Fan US-amerikanischer Fernsehserien. Weil er auf dem neuesten Stand bleiben möchte, lädt er sich von seinem Internet-Arbeitsplatz aus via DSL gelegentlich einzelne Folgen herunter, die in Deutschland erst anderthalb Jahre später ausgestrahlt werden. Er brennt diese dann auf mitgebrachte DVDs, um sie zu Hause anzuschauen. Auf seine Arbeitsleistung haben die Downloads keinerlei negative Auswirkungen. Die IT-Abteilung bei P kann die Downloads seit 2002 eindeutig dem Arbeitsplatz des A zuordnen. Als A im Januar 2007 während der Arbeitszeit die neueste „Friends“-Staffel in höchster Auflösung (720p, insgesamt 25 Gigabyte) herunterlädt, kommt es wegen des Downloads zu vorübergehenden Systembeeinträchtigungen von drei Mal etwa 20 Minuten. Während dieser Zeit ist der E-Mailserver bei P nicht erreichbar, so dass kein Mitarbeiter E-Mails empfangen oder versenden kann. Während des Downloads beklagen sich bei P außerdem mehrere Kunden über die extrem langen Ladezeiten der Verkaufs-Seite, die an das System gekoppelt ist.

Daraufhin wird A noch im Januar 2007 zu einem Personalgespräch geladen. In dem Gesprächsprotokoll heißt es: „Die Personalleitung teilte A mit, dass es arbeitsvertragswidrig ist, während seiner Arbeitszeit und von seinem Arbeitsplatz aus Datenmengen in derart großem Umfang herunterzuladen. A solle dies in Zukunft unterlassen.“ Weiteren Inhalt hatte das Personalgespräch nicht. Als Ende Februar 2007 die neue Staffel von „Grey‘s Anatomy“ im Internet angeboten wird, schlägt A jedoch wieder zu. Der Download (15 Gigabyte) an seinem Arbeitsplatz ruft erneut vorübergehende Störungen des E-Mailservers und Kundenbeschwerden hervor.

Darauf entschließt man sich bei P am 1. März 2007, das Arbeitsverhältnis des A zu kündigen. Der Betriebsrat bei P wird am 2. März 2007 umfassend informiert. Statt der einschlägigen Kündigungsfrist von drei Monaten teilt die Personalabteilung dem Betriebsrat aber versehentlich mit, diese betrage vier Monate. Am 5. März 2007 findet eine Betriebsratssitzung statt, auf der nur zwei Betriebsratsmitglieder anwesend sind, die der Kündigung jedoch beide zustimmen. Das Protokoll der Sitzung – aus welchem auch die geringe Teilnehmerzahl hervorgeht – wird vom Betriebsratsvorsitzenden umgehend an die Personalabteilung weitergegeben. Diese erstellt noch am selben Tag eine ordentliche Kündigung zum 31. Mai 2007, die A per Brief am 6. März 2007 zugeht. A erhebt form- und fristgerecht Kündigungsschutzklage.

Frage 1: Ist die Klage des A begründet?

Neben dem Betrieb in Hamburg unterhält P mehrere Niederlassungen im Ausland, um den Puls des internationalen Musikmarktes zu fühlen. C ist bei P seit August 2006 beschäftigt, um die Londoner Dependance zu führen. Praktisch hat er aber vor allem mit der Zentrale in Hamburg Kontakt und ist dort in sämtliche Abläufe (Meetings etc.) eingebunden.

C nimmt sich in South Kensington eine Wohnung, die im Monat umgerechnet 1.200,– EUR kostet. Am Ende der Monate August, September, Oktober, November und Dezember 2006 schickt er jeweils eine Auflistung seiner Ausgaben in London, inklusive Mietkosten, an die Hamburger Zentrale. P erstattet dann nachträglich jeweils den vollen Betrag. Dieses Verfahren ist bei P für alle Auslandsbüros üblich; schriftliche Vereinbarungen hierüber gibt es aber nicht.

Der Vertrag, den P und C in Hamburg unterzeichnet haben, enthält in § 22 folgende Klausel, die P in sämtlichen Arbeitsverträgen verwendet:

„Alle Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrags bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis.“

Im November 2006 besucht C im Auftrag von P ein Konzert der britischen Nachwuchsband „Bloody Hairies“, von der C wenig überzeugt ist, weil er Gitarrenbands für aus der Mode gekommen hält. Auf Anraten von C schlägt P die Möglichkeit aus, mit der Band einen Plattenvertrag abzuschließen. Als Anfang 2007 die von einem anderen Label vertriebene erste Single der „Bloody Hairies“ sämtliche Verkaufsrekorde bricht, kündigt P dem C am 7. Januar 2007 außerordentlich wegen „schwerwiegender Unterschiede in der Auffassung über die Entwicklung des Künstlerportfolios“.

C erhebt daraufhin vor dem Arbeitsgericht Hamburg Kündigungsschutzklage. Im März 2007 vergleichen sich P und C darauf, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen zum 31. März 2007 endet. Den ausstehenden Lohn zahlt P umgehend aus. Weiteren Inhalt (etwa eine Erledigungsklausel) hat der Vergleich nicht. C verlangt von P daraufhin auch die Erstattung der Miete, die er in London für die Monate Januar bis März 2007 in Höhe von 3.600,– EUR zahlen musste.

Frage 2: Hat C Anspruch auf Ersatz der Mietkosten?

Bearbeitervermerk:

Es ist davon auszugehen, dass auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung findet.

Anmerkungen

[1]

Die Klausur wurde am 14.12.2007 als Aufsichtsarbeit im Schwerpunktbereich Arbeitsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg gestellt.

2 › Klausur 1 Das harte Musik-Business › Gliederung und Schwerpunktsetzung

Gliederung und Schwerpunktsetzung

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Frage 1: Kündigungsschutzklage des A

A.Begründetheit der Kündigungsschutzklage

I.Wirksame Kündigungserklärung

II.Keine Fiktion

III.Wirksame Betriebsratsanhörung, § 102 I 3 BetrVG

1.Analogie zu § 102 I 3 BetrVG bei Fehlerhaftigkeit

Kurzes Standardproblem: Unwirksamkeit auch bei fehlerhafter Anhörung

2.Fehlerhaftigkeit wegen Angabe einer falschen Kündigungsfrist

Schweres Problem: Relevanz der Information über die Kündigungsfrist

3.Fehlerhaftigkeit wegen mangelnder Besetzung

a)Mangelnde Besetzung

b)Beachtlichkeit im Außenverhältnis

c)Sphärenabgrenzung

Mittleres Problem: Abgrenzung von Verantwortungsbereichen

d)Ausnahme bei Kenntnis des Arbeitgebers

Mittleres Problem: Ausnahme bei Kenntnis

e)Zwischenergebnis

IV.Allgemeiner Kündigungsschutz / soziale Rechtfertigung

1.Anwendbarkeit

2.An sich geeigneter Kündigungsgrund

3.Negativprognose

4.Ultima-ratio-Grundsatz

a)Form der Abmahnung

b)Inhalt der Abmahnung

c)Generelle Erforderlichkeit der Abmahnung

d)Entbehrlichkeit der Abmahnung im vorliegenden Fall

Mittleres Problem: Entbehrlichkeit wegen ausdrücklichen Verbots

V.Ergebnis

Hilfsgutachten

5.Interessenabwägung

a)Verteilung der Begründungslast in der Interessenabwägung

b)Zu berücksichtigende Umstände

Standardproblem: Auswertung der relevanten Umstände

V.Ergebnis des Hilfsgutachtens

Frage 2: Ersatz der Mietkosten

B.Anspruch auf Ersatz der Mietkosten

I.Voraussetzungen der betrieblichen Übung

1.Keine anderweitige Anspruchsgrundlage

2.Wiederholtes, gleichförmiges Verhalten

3.Kollektiver Bezug

4.Vorbehaltlose Leistung

5.Zwischenergebnis

II.Keine Formnichtigkeit

1.Einbeziehung in den Vertrag

2.Vorrangige Individualabrede

Mittleres Problem: Betriebliche Übung keine Individualabrede

3.Unwirksamkeit nach § 307 I 1 BGB

a)Verstoß gegen § 307 II Nr. 1 BGB

Schweres Problem: Bedürfnis für Formerfordernis wegen betrieblicher Übung

b)Verstoß gegen § 307 I 2 BGB

Schweres Problem: Intransparenz bzgl. Individualabreden

4.Rechtsfolge

5.Zwischenergebnis

III.Keine negative betriebliche Übung

IV.Ergebnis

2 › Klausur 1 Das harte Musik-Business › Lösung

Lösung
Frage 1: Kündigungsschutzklage des A
A. Begründetheit der Kündigungsschutzklage

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Die Kündigungsschutzklage des A ist begründet, wenn die von P ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 5. März 2007 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen A und P daher nicht aufgelöst hat, vgl. § 4 S. 1 KSchG (sog. punktuelle Feststellungsklage).

51-

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Wiederholung und Vertiefung:

Der Begriff punktuelle Feststellungsklage erklärt sich daraus, dass Gegenstand der Kündigungsschutzklage als spezieller Feststellungsklage nicht – wie bei der allgemeinen Feststellungsklage – das Bestehen eines Rechtsverhältnisses ist (vgl. § 256 ZPO), d.h. das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses insgesamt. Vielmehr beschränkt sich der Streitgegenstand (ausnahmsweise) auf die Prüfung, ob die konkret angegriffene Kündigung als (eigentlich nicht feststellungsfähiges) Rechtsgeschäft unwirksam ist.

Daneben ist aber auch zu prüfen, ob zwischen den Parteien überhaupt (noch) ein Arbeitsverhältnis bestand, vgl. § 4 S. 1 KSchG a.E. Nach Ansicht des BAG[1] wird bei stattgebendem Urteil auch festgestellt, dass dies im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sowie zum in der Kündigung genannten Beendigungstermin der Fall war (sog. erweiterter punktueller Streitgegenstandsbegriff).[2] Der Arbeitgeber kann daher in einem späteren Verfahren keine (andere) frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr geltend machen. Sofern am Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses keinerlei Zweifel bestehen,[3] kann dieser Prüfungspunkt freilich knapp bejaht oder auch übersprungen werden.

I. Wirksame Kündigungserklärung

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Eine der Form des § 623 BGB genügende Kündigungserklärung liegt auf Seiten des P – abgegeben durch dessen Personalabteilung (§ 164 I 1 BGB) – vor. Diese ist durch Zugang an A gem. § 130 I 1 BGB auch wirksam geworden.

II. Keine Fiktion

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A hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben, so dass keine Fiktion der sozialen Rechtfertigung und der sonstigen Wirksamkeit der Kündigung nach §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG eingetreten ist.

55-

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Wiederholung und Vertiefung:

Für den richtigen Prüfungsaufbau der Begründetheit einer Kündigungsschutzklage bzw. der Wirksamkeitsprüfung einer Kündigung ist das Verständnis der §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG entscheidend:


1)
2)
3) §§ 4 S. 1, 7 Hs. 1 KSchG finden auch dann Anwendung, wenn ein Arbeitsverhältnis nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz nach § 1 I KSchG unterfällt, weil die Wartezeit von 6 Monaten noch nicht verstrichen ist oder der Betrieb nicht die erforderliche Größe hat, vgl. § 23 I 2 u. 3 KSchG: „mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und 13 I 1 u. 2 KSchG“. Es wäre daher falsch, bereits hier diese Punkte oder gar die „Anwendbarkeit des KSchG“ zu prüfen (s. auch weiter unten Rn. 79).

III. Wirksame Betriebsratsanhörung, § 102 I 3 BetrVG

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P hat den Betriebsrat zwar zur Kündigung des A angehört, die Anhörung ist also nicht gänzlich unterblieben. Es fragt sich aber, ob eine fehlerhafte Anhörung nicht analog[6] § 102 I 3 BetrVG zur Unwirksamkeit der Kündigung führen muss.

1. Analogie zu § 102 I 3 BetrVG bei Fehlerhaftigkeit

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Voraussetzung einer Analogie ist das Vorliegen einer Lücke. Eine Lücke ist eine Unvollständigkeit des positiven Rechts, die sich – gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung – als planwidrig erweist.[7]

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Wiederholung und Vertiefung:

Die herrschende Meinung in der Methodenlehre definiert eine Lücke als Voraussetzung richterlicher Rechtsfortbildung im Anschluss an Canaris als planwidrige Unvollständigkeit.[8] In der Praxis, aber auch in der universitären Lehre ist dagegen häufig von einer „planwidrigen Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage“ die Rede.[9] Das ist aus mehreren Gründen ungenau: Erstens ist die Wendung „planwidrige Lücke“ eine Tautologie, zweitens ist die Begrenzung auf Regelungslücken[10] zu eng und drittens ist die Vergleichbarkeit der Interessenlage bei näherem Hinsehen zwar der wichtigste, aber doch nur ein Unterfall der Planwidrigkeit. Im Methodenschrifttum hat sich diese Definition daher zu Recht nicht durchgesetzt.

Gleichwohl wird die Wendung von vielen Prüfern und Korrektoren erwartet. Es bietet sich daher an, sie aus taktischen Gründen in der Klausur zu bringen, sodann aber im Einklang mit der ganz herrschenden Lehre zu prüfen, ob eine Unvollständigkeit („Regelungslücke“) vorliegt und ob sie planwidrig ist (was u.a. dann der Fall ist, wenn eine „vergleichbare Interessenlage“ gegeben ist). Formulieren lässt sich bspw. wie folgt: „Voraussetzung einer Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage. Erforderlich ist mithin eine Unvollständigkeit im positiven Recht, die sich gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung als planwidrig erweist.“

Sofern Anhaltspunkte hierfür ersichtlich sind, ist abschließend zu prüfen, ob ihre Ausfüllung noch innerhalb der Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung möglich ist, ob also der Analogie oder Reduktion ggf. eine vorrangige Wertung des Gesetzgebers entgegensteht (vgl. ausführlich Klausur 5, Rn. 485).

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Eine Rechtsfolge für eine fehlerhafte Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung sieht das positive Recht nicht vor, so dass eine Unvollständigkeit zu bejahen ist. Planwidrig ist diese Unvollständigkeit u.a., wenn die ratio von § 102 I 3 BetrVG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz die Erstreckung der Unwirksamkeitsfolge auch für fehlerhafte Anhörungen verlangt, weil eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Zweck des Anhörungsverfahrens ist es, dem Betriebsrat zumindest die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers (auf fundierter Basis) Einfluss zu nehmen, um ihn ggf. von seinem Kündigungsentschluss abzubringen. Dieser Zweck wird aber auch bei unrichtiger Anhörung verfehlt. Der Gleichheitssatz gebietet somit, dass eine Kündigung nicht nur dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt anzuhören, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat,[11] v.a. wenn er seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 I 2 BetrVG nicht ausführlich genug nachgekommen ist.

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