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Fragen zur Wiederholung

126


1) Wie lautet der Obersatz zur Begründetheitsprüfung der Kündigungsschutzklage?
2) Was ist für die Reihenfolge dieser Prüfung maßgeblich?
3) Warum ist der Satz „Das Kündigungsschutzgesetz findet nach §§ 1 I, 23 I 2 KSchG Anwendung.“ nicht korrekt?
4) Nennen Sie die Tatbestandsvoraussetzungen einer Analogie!
5) Wie erfolgt die Willensbildung des Betriebsrats? Durch wen und wie wird er vertreten?
6) Welche Fehler im Anhörungsverfahren nach § 102 I BetrVG führen zur Unwirksamkeit der Kündigung? Gibt es hiervon eine Ausnahme?
7) Gehört die Kündigungsfrist zum notwendigen Unterrichtungsinhalt bei der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 I BetrVG?
8) Wie lauten die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 1 KSchG?
9) Erläutern Sie Inhalt und Grundlage des Prognose- und des ultima-ratio-Prinzips!
10) Welche Funktionen erfüllt eine Abmahnung? An welcher Stelle ist sie im Rahmen der Begründetheit einer Kündigungsschutzklage anzusprechen?
11) Unter welchen Voraussetzungen ist eine Abmahnung entbehrlich? Welche Rechtsnormen geben Anhaltspunkte hierfür?
12) Nennen Sie die Tatbestandsvoraussetzungen für die Begründung einer betrieblichen Übung!
13) Warum ist eine betriebliche Übung keine Individualabrede i.S.d. § 305b BGB?
14) Unter welchen Voraussetzungen ist eine doppelte Schriftformklausel in AGB zulässig?

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Klausur 2 Alles klar mit 1a![1]

Inhaltsverzeichnis

Gliederung und Schwerpunktsetzung

Lösung

Fragen zur Wiederholung

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Die VanRep-GmbH (V) unterhält im Hamburger Hafen einen großen Reparaturbetrieb für hochtechnisierte Portalhubwagen, mit denen Container gestapelt und transportiert werden können („Van Carrier“). In diesem Betrieb – ihrem einzigen – beschäftigt V in der Verwaltung und den verschiedenen, jeweils auf einen Produktionsabschnitt spezialisierten Abteilungen insgesamt 240 Arbeitnehmer. Im Betrieb besteht auch ein Betriebsrat.

Im Zuge von Privatisierungsbestrebungen informiert der wichtigste Kunde der V – die Hamburger-Hafen-Verwaltungsgesellschaft – die Geschäftsführung von V im März 2007 darüber, dass sie die Reifenwartung der Hubwagen in Zukunft gemeinsam mit der privaten Wesermünder Lagerhausgesellschaft selbstständig betreiben werde. Für die Reifenwartung werde man daher ab spätestens August 2007 keine Aufträge mehr an V vergeben können. Die Geschäftsführung der V entschließt sich daraufhin, ab August 2007 keine Dienstleistungen im Bereich der Reifenwartung mehr anzubieten, diese Abteilung vielmehr zu schließen und die betroffenen Arbeitnehmer zu entlassen.

Mit dem Betriebsrat einigt sich V in längeren Verhandlungen am 2. Mai 2007 auf einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, um die Folgen für die Arbeitnehmer aus dem Bereich Reifenwartung abzufedern. Der Sozialplan enthält u.a. folgende Regelung:

„§ 3 Abfindung

Alle Arbeitnehmer, die keine Kündigungsschutzklage erheben, erhalten eine Abfindung von jeweils einem halben Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.“

Weitere Abfindungsregelungen enthält der Sozialplan nicht. Nach Abschluss des Sozialplans beginnt V damit, einigen Arbeitnehmern aus der Reifenwartung zu kündigen. Die Geschäftsführung stellt jedoch fest, dass zahlreiche Kündigungsschutzklagen anhängig gemacht werden. Sie sieht ihr Ziel gefährdet, die „Angelegenheit schnell abzuwickeln“. Deshalb nimmt die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat Nachverhandlungen mit dem Ziel auf, „weitere Anreize für einvernehmliches Ausscheiden“ zu setzen.

Daraufhin schließen der Betriebsrat und V am 28. Mai 2007 eine zusätzliche „Betriebsvereinbarung Outplacement“ (BV-O), die ein umfangreiches Outplacement-Programm (Umschulungen, Fortbildungen etc.) für ehemalige Mitarbeiter der Reifenwartung vorsieht. Außerdem enthält die Betriebsvereinbarung folgenden Passus:

„§ 5 Sonderprämie

Alle Arbeitnehmer, die innerhalb von sieben Tagen nach Zugang der Kündigungserklärung schriftlich gegenüber der Geschäftsführung darauf verzichten, Kündigungsschutzklage zu erheben, erhalten eine zusätzliche Prämie von einem Bruttomonatsgehalt.“

Arbeitnehmer A, der seit 1994 als Schlosser in der Reifenwartung beschäftigt ist, erhebt einen Tag nach Zugang der an ihn gerichteten Kündigungserklärung Anfang Juni 2007 Kündigungsschutzklage. Trotzdem begehrt er sowohl eine Abfindung aus dem Sozialplan als auch aus der BV-O. Er macht geltend, dass er gegenüber anderen Arbeitnehmern, die keine Klage erhoben hätten, ohne sachlichen Grund schlechter gestellt und für die Geltendmachung seiner Rechte in unzulässiger Weise gemaßregelt würde, wenn man ihm die Abfindungen verweigerte. Was § 3 des Sozialplans anbelange, habe eine solche Klausel niemals vor der Einigungsstelle erzwungen werden können. Daher könnten die Betriebsparteien eine solche Regelung auch nicht freiwillig in die Welt setzen.

Die Geschäftsführung der V hält ihr Vorgehen dagegen für zulässig und verweigert die Auszahlung der Abfindungen an A. Schließlich habe A freiwillig auf die Kündigungsschutzklage verzichten oder zumindest von ihr absehen können. Eine unzulässige Maßregelung sei darin nicht zu sehen, weil A genau wusste, worauf er sich einließ. Ferner sehe bspw. § 1a KSchG den Verzicht auf Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung ausdrücklich vor. Halte man die Abfindungsregeln trotzdem für unwirksam, müsse man konsequenterweise allen Arbeitnehmern die Abfindungen verweigern bzw. diese ggf. zurückfordern.


Frage 1: Beansprucht A die Abfindungen aus dem Sozialplan und der BV-O zu Recht?

Der Betriebsrat nimmt die Argumentation des Arbeitgebers zum Anlass, die Kenntnis seiner Mitglieder über die vergleichsweise junge Regelung des § 1a KSchG aufzufrischen.

Die IG Metall bietet im Juli 2007 in Hamburg eine zweitägige Schulung zum Thema „Alles klar mit 1a!“ an. Um keine Zeit zu verlieren, melden sich sieben der neun Betriebsratsmitglieder für die Schulung, die 400,- EUR pro Teilnehmer kostet, an und nehmen an ihr teil. Auf der turnusmäßigen Betriebsratssitzung in der darauffolgenden Woche wird die Entsendung dieser Mitglieder zu der Schulung nachträglich beschlossen. Der Betriebsrat wendet sich daher an V, um die zunächst ausgelegten Teilnahmekosten erstattet zu erhalten.

Die Geschäftsführung der V ist über das Vorgehen des Betriebsrats entrüstet und verweigert die Erstattung. § 1a KSchG sei eine sehr spezielle Norm, die keine teure mehrtägige Schulung rechtfertige, jedenfalls nicht für „fast alle“ Betriebsratsmitglieder. Ferner rügt die Geschäftsführung, dass es in Bremen einen privaten Anbieter von vergleichbaren Schulungsveranstaltungen gebe, der – was zutrifft – im Schnitt ca. 5 % günstiger als die gewerkschaftliche Schulung sei. Schließlich ist man der Ansicht, dass „die internen Abläufe im Betriebsrat nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten.“ Der Betriebsrat verlangt trotzdem die Erstattung der angefallenen Kosten i.H.v. 2.800,– EUR.


Frage 2: Beansprucht er die Erstattung der Schulungskosten zu Recht?

Anmerkungen

[1]

Die Klausur wurde im Jahr 2007 als Nachschreibeklausur im Schwerpunktbereich Arbeitsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg gestellt.

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Gliederung und Schwerpunktsetzung

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Frage 1: Ansprüche auf Abfindung

A.Anspruch auf Abfindung nach § 3 des Sozialplans (i.V.m. § 75 I BetrVG)

I.Anwendbarkeit

II.Erfüllung der Voraussetzungen aus dem Sozialplan

III.Unwirksamkeit der Beschränkung auf nicht klagende Arbeitnehmer

1.Überschreitung der Regelungsbefugnis

2.Verstoß gegen § 75 I BetrVG

Standardproblem: Prüfungsaufbau bei unzulässiger Ungleichbehandlung

a)Ungleichbehandlung

b)Keine Rechtfertigung

Schweres Problem: Zulässige Zwecke eines Sozialplans

aa)Zulässigkeit als Milderung oder zur Befriedigung der Belegschaft

bb)Unzulässigkeit der Bereinigung von Streitigkeiten

cc)Zulässigkeit mit Blick auf § 1a KSchG

Mittleres Problem: Sinn und Zweck von § 1a KSchG

dd)Zwischenergebnis

3.Verstoß gegen § 612a BGB

a)Anwendbarkeit

b)Benachteiligung

c)Verhältnis zwischen Rechtsausübung und Nachteil

Mittleres Problem: Anwendungsbereich von § 612a BGB

IV.Rechtsfolge der Teilunwirksamkeit von § 3 des Sozialplans

Mittleres Problem: Ergänzende Auslegung bei Teilnichtigkeit

V.Ergebnis

B.Anspruch auf die Sonderprämie nach § 5 BV-O

I.Anwendbarkeit

II.Erfüllung der Voraussetzungen aus der Betriebsvereinbarung

III.Unwirksamkeit des Erfordernisses eines Klageverzichts

1.Verstoß gegen § 75 I BetrVG

Schweres Problem: Differenzierung zwischen BV-O und Sozialplan

a)Ungleichbehandlung

b)Keine Rechtfertigung

c)Zwischenergebnis

2.Verstoß gegen § 612a BGB

3.Keine unzulässige Umgehung

Schweres Problem: Verhältnis der Dotierung von BV-O und Sozialplan

IV.Unangemessenheit der Frist zur Verzichtserklärung

V.Ergebnis

C.Ergebnis zu Frage 1

Frage 2: Erstattung der Schulungskosten

A.Erstattungsanspruch aus § 40 I BetrVG i.V.m. § 37 VI 1 BetrVG

I.Schulungsteilnahme als Betriebsratstätigkeit

1.Schulungsteilnahme als Betriebsratstätigkeit

Standardproblem: Ersatz von Schulungskosten

2.Beschluss als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Schulungsteilnahme

Schweres Problem: Zeitliche Reihenfolge von Beschluss und Maßnahme

a)Vorliegen eines Betriebsratsbeschlusses

b)Erforderlichkeit eines vorhergehenden Beschlusses

3.Erforderlichkeit von Kenntnissen zu § 1a KSchG

II.Verhältnismäßigkeit des Kostenaufwands

Standardproblem: Verhältnismäßigkeitsaspekte bei Schulungskosten

1.Teilnahme von sieben der neun Mitglieder des Betriebsrats

2.Mehrtägige Schulung

3.Auswahl eines zu teuren Angebots?

III.Teleologische Reduktion für gewerkschaftliche Schulungen?

Schweres Problem: Besondere Grenzen für gewerkschaftliche Schulungen

B.Ergebnis

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Lösung
Frage 1: Ansprüche auf Abfindung

129

Hinweis zur Bewertung:

Für eine erfolgreiche Bearbeitung des ersten Teils ist entscheidend, dass zwischen möglichen Ansprüchen auf Abfindung aus dem Sozialplan und der zusätzlichen BV-O genau differenziert wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG beurteilt sich die Wirksamkeit sog. Turboprämien nämlich danach, ob sie in erzwingbaren Sozialplanleistungen enthalten sind oder in freiwilligen Betriebsvereinbarungen, mit denen andere Leistungszwecke verfolgt werden.[1] Diese Unterscheidung wird den Bearbeitern durch die Gestaltung des Sachverhalts und die Prüfung zweier Ansprüche auch nahe gelegt.

A. Anspruch auf Abfindung nach § 3 des Sozialplans (i.V.m. § 75 I BetrVG)

130

A könnte gegen die V-GmbH einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr aus § 3 des Sozialplans (i.V.m. § 75 I BetrVG) haben.

I. Anwendbarkeit

131

Der Sozialplan genügt dem Schriftformerfordernis aus § 112 I 1 u. 2 BetrVG und findet auf das Arbeitsverhältnis des A als betriebsangehörigem Arbeitnehmer nach § 112 I 3 BetrVG i.V.m. § 77 IV 1 BetrVG Anwendung.[2]

II. Erfüllung der Voraussetzungen aus dem Sozialplan

132

Allerdings hat A Kündigungsschutzklage erhoben und somit die Voraussetzungen, die gem. § 3 des Sozialplans für einen solchen Anspruch vorliegen müssen, nicht erfüllt.

III. Unwirksamkeit der Beschränkung auf nicht klagende Arbeitnehmer

133

In Betracht kommt jedoch, dass diese Vorschrift in Bezug auf diese Einschränkung unwirksam ist, so dass A trotz Erhebung der Kündigungsschutzklage ein Abfindungsanspruch zusteht.

1. Überschreitung der Regelungsbefugnis

134

Möglicherweise ist die Einschränkung des Anspruchs in § 3 des Sozialplans deshalb unwirksam, weil sie außerhalb der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien liegt. Im Umkehrschluss zu § 112 I 2 BetrVG könnte das der Fall sein, wenn sie weder auf den Ausgleich noch die Milderung wirtschaftlicher Nachteile abzielt.[3]

135

Bei der zwischen dem Betriebsrat und der V-GmbH geschlossenen Vereinbarung handelt es sich um einen Sozialplan i.S.d. § 112 I 2 BetrVG, der dem Ausgleich oder der Abmilderung der mit einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 S. 1 BetrVG für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dient.

136

Hinweis zur Klausurtechnik:

An dieser Stelle kann in gebotener Kürze auf die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Sozialplans eingegangen werden (mehr als 20 Arbeitnehmer; Bestehen eines Betriebsrats; Betriebsänderung; wesentliche Nachteile). Da eine Betriebsänderung nach § 111 S. 3 Nr. 1 Var. 1 BetrVG unproblematisch vorliegt, wäre es jedoch z.B. verfehlt, zu diesem Punkt längere Ausführungen zu machen und bspw. den Meinungsstreit um den Regelungsgehalt von § 111 S. 3 BetrVG darzustellen, nur weil man diesen gelernt hat.

137

Die Einschränkung des Abfindungsanspruchs auf Arbeitnehmer, die keine Kündigungsschutzklage erheben, dient einzig der Planungssicherheit des Arbeitgebers. Sie könnte als unzulässiger Gegenstand eines Sozialplans somit unwirksam sein. Zwar begrenzt der Umfang der erzwingbaren Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auch die Regelungsbefugnis, wenn es um einen Spruch der Einigungsstelle geht. Gegen den Willen des Arbeitgebers kann die Einigungsstelle somit keine Regelungen über einen Gegenstand treffen, welcher nicht der erzwingbaren Mitbestimmung unterfällt. Bei einvernehmlichen Betriebsvereinbarungen ist dagegen die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien selbst nicht auf die Gegenstände des § 112 I 2 BetrVG oder etwa des § 88 BetrVG beschränkt. Grundsätzlich steht den Betriebsparteien in den Schranken des § 77 III BetrVG vielmehr eine umfassende Regelungskompetenz zu.[4] Daher können die Betriebsparteien in einvernehmlich vereinbarten Sozialplänen grundsätzlich[5] Regelungen treffen, die auch anderen Zwecken als dem Ausgleich oder der Milderung wirtschaftlicher Nachteile dienen.[6] Die Betriebsparteien haben ihre Regelungsbefugnis somit nicht überschritten, so dass die Begrenzung des Anspruchs in § 3 des Sozialplans nicht aus diesem Grund unwirksam ist.

138

Hinweis zur Bewertung:

Diese eher fern liegende Argumentation, die das BAG lediglich einer früheren[7] gegenläufigen Entscheidung wegen anspricht, müssen die Bearbeiter nicht zwingend erkennen.

2. Verstoß gegen § 75 I BetrVG

139

Möglicherweise verstößt die Einschränkung des Abfindungsanspruchs in § 3 des Sozialplans aber gegen das in § 75 I BetrVG verankerte betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot.[8] Das ist der Fall, wenn eine Ungleichbehandlung vorliegt, die nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist.

a) Ungleichbehandlung

140

Zunächst muss eine Ungleichbehandlung gegeben sein. Das ist der Fall, wenn vergleichbare Personengruppen in wesentlicher Hinsicht ungleich behandelt werden. Durch die Bestimmungen des Sozialplans werden Arbeitnehmer des zu schließenden Betriebsteils (tertium comparationis), die Kündigungsschutzklage erheben, hinsichtlich der Sozialplanabfindung schlechter gestellt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen. Damit liegt eine relevante Ungleichbehandlung vor.

b) Keine Rechtfertigung

141

Gleichheitswidrige Maßnahmen können allerdings durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Als sachlicher Grund für die Schlechterstellung von Arbeitnehmern, die Kündigungsschutzklage erheben, kommt das Interesse des Arbeitgebers an Planungs- und Rechtssicherheit in Betracht. Fraglich ist jedoch, ob dieser Zweck[9] in einem Sozialplan (als Hauptzweck einer Vereinbarung) verfolgt werden darf.

aa) Zulässigkeit als Milderung oder zur Befriedigung der Belegschaft

142

Nach § 112 I 2 BetrVG hat ein Sozialplan den Zweck, wirtschaftliche Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, auszugleichen oder zu mildern. Darauf stellt das BAG bei der Auslegung sowie der rechtlichen Überprüfung von Sozialplänen entscheidend ab.[10] Daneben kommt Sozialplänen auch eine Befriedungsfunktion zu.[11] Es ist aber fraglich, ob der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage Ausgleich, Überbrückung oder Befriedung der Belegschaft dient. Die wirtschaftlichen Nachteile derjenigen Arbeitnehmer, die nach einer verlorenen[12] Kündigungsschutzklage ihren Arbeitsplatz verlieren, sind nicht geringer als die Nachteile derjenigen Arbeitnehmer, die gar keinen Kündigungsschutzprozess führen. Die Zahlung einer Abfindung für einen Klageverzicht steht damit – jedenfalls im Regelfall – in keinem Zusammenhang zu den wirtschaftlichen Nachteilen, die den betroffenen Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen. Sie bezweckt mithin weder Ausgleich oder Abmilderung wirtschaftlicher Nachteile noch Befriedung der Belegschaft.

bb) Unzulässigkeit der Bereinigung von Streitigkeiten

143

Es bleibt damit zu fragen, ob einem Sozialplan eventuell auch eine „Bereinigungsfunktion“ zukommt, die den Klageverzicht als Anspruchsvoraussetzung gestatten würde. Ein Sozialplan soll nach der gesetzlichen Konzeption die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer aus einer rechtmäßig durchgeführten Betriebsänderung ausgleichen oder mildern. Rechtswidrige Maßnahmen braucht der Arbeitnehmer dagegen ohnehin nicht hinzunehmen; gegen sie kann er sich gerichtlich zur Wehr setzen und ihre nachteiligen Folgen abwenden. Nachteile einer rechtswidrigen Kündigung gehören somit nicht zum Sozialplan. Eine „Bereinigungsfunktion“ zur Herbeiführung von Planungssicherheit kommt einem Sozialplan daher nicht zu.[13] Seine Funktion besteht nicht darin, allein die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung von Betriebsänderungen zu reduzieren oder gar zu beseitigen.[14]

144

Vor diesem Hintergrund ist es unzulässig, im Rahmen eines Sozialplans das Interesse des Arbeitgebers an Planungs- und Rechtssicherheit als sachlichen Grund für die Ungleichbehandlungen von Arbeitnehmern heranzuziehen.[15]

145

Hinweis zur Bewertung:

Ein anderes Ergebnis ist vertretbar, wenn darauf abgestellt wird, dass durch bereinigende Maßnahmen unter gewissen Umständen die Folgen einer Betriebsänderung für die Belegschaft insgesamt abgemildert werden können (vgl. außerdem Rn. 174 f.).

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