Kitabı oku: «Geschichten des Windes», sayfa 3

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Ebenso große Mengen fanden wir auch von Riesenkrebsen, die so groß waren, dass bei einer Mahlzeit vier hungrige Männer allein von einem Tier satt wurden. Sie wohnten an Land und hatten Baue so ähnlich wie Kaninchen. Wegen diesen Tieren nannten wir unseren derzeitigen Aufenthaltsort die Krebsinsel.

Aber die für mich erstaunlichsten Lebewesen waren leuchtende Würmer, die nachts als feuriger Schwarm durch die Luft flogen. Ich hatte vorher noch nie leuchtende Tiere gesehen und die glitzernde Pracht faszinierte mich…“

Hier hatte Sean etwas zu sagen: „Diese Würmer würde ich gern einmal sehen. Stell dir vor: sie fliegend und leuchten! Aber jetzt hör zu: es wird noch spannender.“

„…Nun komme ich zum interessantesten Teil meiner Reise. Als ich nämlich eines Tages wieder einmal beim Holz holen war, entdeckte ich eine Höhle am Meer. Mir hatte die Felsformation gut gefallen und deshalb bin ich etwas auf den Felsen herumgeklettert. Neugierig ging ich in die Höhle hinein, soweit das Tageslicht mir leuchtete. Ich wollte bereits umkehren, weil es doch zu dunkel wurde, da spürte ich etwas Hartes an meinem rechten Fuß. Erschrocken trat ich einen Schritt zurück. Doch da es sich nicht bewegte, näherte ich mich dem Gegenstand wieder. Es war eindeutig kein Felsen. Ich blinzelte, damit ich besser sehen konnte und erkannte schließlich, dass es sich um eine große Truhe handelte.

Ich machte mich gleich daran, sie zu öffnen. Zum Glück war das Schloss so verrostet, dass es nach einiger Mühe doch aufging. Als ich den schweren Deckel öffnete, erschrak ich. Die Truhe war bis oben hin mit Goldmünzen gefüllt! Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Automatisch fing mein Gehirn an zu arbeiten. Was sollte ich nur mit dem ganzen Gold machen?

Ich hatte keine Lust, es durch so viele Teile zu teilen, wie wir Männer auf dem Schiff waren. Also entschloss ich mich nach langem Hin und Her schweren Herzens, mir die Lage zu merken (1 Grad und 40 Minuten südliche Breite) und irgendwann noch einmal herzukommen. Ich war noch jung, meine Hoffnung darauf war groß. Ich versuchte, die Truhe noch ein Stück weiter in die Höhle zu schieben, aber sie war viel zu schwer! Nachdem ich mir eine Handvoll der Münzen in die Tasche gesteckt hatte und mir schwor, sie keinem Menschen zu zeigen, trat ich den Rückweg an, bei dem ich mich ständig umdrehte, um mir alles genau einzuprägen…“

Sean erinnerte sich an den Abend, als er das erste Mal von dem Schatz gelesen hatte und ein wohltuender Schauer durchfuhr ihn.

„Ein Schatz! Es wird ja immer besser!“, frohlockte Arthur. „Hat er die Lage der Höhle noch näher beschrieben?“

„Ja, ziemlich ausführlich sogar“, antwortete sein Freund und las ihm die Beschreibung vor. Arthur staunte und versuchte, sich die Felsen und die Höhle vorzustellen. Dann las Sean weiter.

„…Ich ließ mir bei meinen Kameraden wegen des Schatzes nichts anmerken, was eine große Herausforderung für mich war. Nachdem wir alles repariert und wieder das Nötigste geladen hatten, stachen wir erneut in See. Wir hatten eine lange Fahrt ohne Land vor uns, wir überquerten nämlich den Indischen Ozean. Zum Glück gelangten wir ohne größere Gefahren und Zwischenfälle zum Kap der Guten Hoffnung im Süden Afrikas. Dann segelten wir die Westküste des schwarzen Kontinents hinauf bis nach Sierra Leone. Und weiter ging es zu den Kanarischen Inseln.

Nach zwei Jahren, zehn Monaten sowie vielen Strapazen und Verlusten kamen wir am 26. September im Jahre 1580 wieder in unserem Heimathafen Plymouth an. Unser Kapitän wurde bei unserer Ankunft als Nationalheld gefeiert. Er genoss zu seiner großen Freude Ruhm in ganz Europa. Francis Drake wurde sogar 1581 Gastgeber der englischen Königin!

Ich hatte mich während der Fahrt vom Schiffsjungen zum 1. Steuermann des Kapitäns hochgearbeitet und bin ein guter Freund von Francis geworden. Dieser legte ein gutes Wort für mich beim Gesandten der Königin ein und so durfte ich zu meinem großen Erstaunen mit zu dem Treffen kommen. Ich war sehr aufgeregt!

Fast ohnmächtig vor Stolz betrat ich am 4. April mit Francis die Kapitänskajüte der Golden Hind und wartete auf Ihre Majestät, die Königin von England. Als Ihre Hoheit die Kajüte betrat, kniete ich mich etwas unbeholfen nieder, mein Freund weitaus geschickter neben mir. Königin Elisabeth I. sprach ein paar huldvolle Worte und zückte plötzlich ein Schwert. Sie schlug uns beide zum Ritter! Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte und stammelte irgendetwas Unverständliches. Mit zitternden Knien erhob ich mich wieder und traute mich nicht, in ihr Hohes Antlitz zu schauen. An diesem Abend haben wir ausgiebig gefeiert.

Sir Francis Drake, der durch seine Weltumseglung reich geworden war, (unter anderem weil wir unterwegs spanische Schiffe gekapert hatten), kaufte sich das Anwesen Buckland Abbey in Devonshire und wurde ein Landedelmann. Ich besuchte ihn einige Male dort und bin dann...“

Und dann ist eine Seite herausgerissen worden, ich würde so gern wissen, wie es weitergeht“, sagte Sean nachdenklich.

„Was? Es fehlt eine Seite? Zeig mal her.“

Sean reichte Arthur das Buch und dieser untersuchte es genau.

„Weiter hinten steht noch etwas geschrieben. Hast du das auch gelesen?“

Sean antwortete aufgebracht: „Natürlich! Aber das ist nicht so spannend. Irgendwelche Gedanken über das Leben.“

„Schade“ sagte Arthur und gab Sean das Buch zurück.

Dann schwiegen beide Jungen eine Weile betreten. Die Geschichte hatte sie vollkommen gefesselt. Viele Fragen schwebten im Raum, eine drängte sich dabei in den Vordergrund. Arthur sprach sie schließlich aus:

„Ob er den Schatz jemals geholt hat?“

„Ich weiß es nicht. Ich würde zu gerne zu dieser Insel fahren und danach suchen“, entgegnete Sean.

Arthur nickte und fragte: „Weißt du, wer das Buch geschrieben hat?“

„Keine Ahnung. Wie kommt ein handgeschriebenes Buch in die Bibliothek?“

„Hm, wie heißen denn deine Ahnen? Es muss jemand sein, der im 16. Jahrhundert gelebt hat“, entgegnete Arthur.

„Ich kenne niemanden mit diesen Initialen. Ein Rätsel, dass ich wohl nie lösen werde.“ Sean ließ enttäuscht den Kopf hängen.

„Wer weiß?“, sagte Arthur aufmunternd.

Die zwei Freunde hatten bei ihrem Ausflug in die Vergangenheit völlig die Zeit vergessen. Draußen wurde es bereits dunkel und Sean musste nach Hause. Behutsam steckte er das Buch in seine Jacke, verabschiedete sich von Arthur und seiner Familie, zog seine Wintersachen an und ritt heim zum Palais.

Beide Jungen träumten in dieser Nacht vom Seefahren und vom Schatz finden.

Vier

- 1690 -

Das neue Jahr begann genauso eisig wie das alte aufgehört hatte. Bis weit in den April hinein plagte der Winter die Bewohner der schottischen Highlands.

Sean und Arthur nutzten die Zeit im Haus, indem sie gemeinsam Bücher lasen, denn das Thema Meer und Seefahrt ließ sie nicht mehr los. Sie suchten alle Bücher aus der Bibliothek heraus, die irgendetwas damit zu tun hatten. Sean war wieder einmal fasziniert davon, welche Vielzahl an Büchern sein Vorfahre gesammelt hatte.

Beiläufig fragte er seinen Freund eines Tages: „Was ist das nun eigentlich für ein Stein an deinem Hals? Warum machst du so ein großes Geheimnis darum?“

Der glänzende, rötliche Stein war Arthur immer wieder einmal aus dem Kragen gerutscht und Sean hatte ihn dann kurzzeitig bewundern können. Wenn er ihn danach fragte, wich Arthur immer aus oder antwortete mit einer Gegenfrage, so auch jetzt: „Warum willst du das wissen?“

„Es interessiert mich eben!“, entgegnete Sean schmollend. „Bitte, Arthur! Wir wollten doch keine Geheimnisse voreinander haben.“

„Wer sagt das? Nur weil dein Leben langweilig ist, muss ich dir alles erzählen?“

Das war gemein. Arthur bemerkte zwar, dass er etwas Ungerechtes gesagt hatte, wollte aber nicht nachgeben.

„Mein Leben soll langweilig sein? Wenn du wüsstest!“, entgegnete Sean entrüstet. „Wenn du mir nichts über deinen blöden Stein sagen willst, bitte.“

Sean schaute beleidigt aus dem Fenster.

„Er ist nicht blöd!“, sagte Arthur schnippisch und machte sich abrupt daran, nach Hause zu gehen.

Sean wollte ihn daran hindern, ließ es dann jedoch resigniert bleiben und schaute seinem Freund traurig zu, wie dieser seinen Mantel anzog und zur Tür ging. Arthur hielt kurz inne, mit der Klinke in der Hand, doch dann schlüpfte er ohne einen Gruß oder Blick hinaus.

Dies war das erste Mal, dass sich Sean und Arthur richtig gestritten hatten. Stur, wie sie beide waren, herrschte die nächste Zeit Funkstille. Sean fragte sich ständig, warum Arthur so eigenartig reagiert hatte. Um nicht an Arthur denken zu müssen, las Sean weiter fleißig Bücher und flüchtete in seine Fantasiewelt.

Zu seiner großen Freude fand er Texte zur Geschichte von Dunnottar Castle. Zu gerne hätte er sie seinem Freund gezeigt oder vorgelesen, aber sein Stolz ließ nicht zu, dass er den ersten Schritt auf Arthur zuging. Also studierte Sean die Schriften allein.

Er fand heraus, dass die Burg im Jahr 1296 vom englischen König Edward I. eingenommen wurde. Ein Jahr später eroberte sie der schottische Nationalheld William Wallace zurück. Danach kam es auf der Burg immer wieder zum Herrschaftswechsel zwischen Engländern und Schotten, bis nach der Schlacht von Bannockburn im Jahr 1314 durch einen weiteren schottischen Helden - Robert the Bruce - endlich Ruhe einkehrte, da er als Robert I. schottischer König wurde.

Sean war überrascht, dass im 16. Jahrhundert die schottischen Reichsinsignien auf Dunnottar Castle aufbewahrt wurden, also das Schwert, das Zepter und die Krone des Königs. So wichtig war sein Zuhause! Außerdem konnte das Castle zwei Besuche schottischer Könige verzeichnen. 1562 hielt sich Königin Maria Stuart auf Dunnottar Castle auf und 1580 König James I.

1651 herrschte Bürgerkrieg auf den Britischen Inseln und der Feldherr des Parlamentsheeres Oliver Cromwell belagerte die Burg mit seinen Truppen. Erst nach acht Monaten konnte sie eingenommen werden. Doch die Reichsinsignien wurden zur Freude Seans gerettet, da eine mutige Pfarrersfrau sie aus der Burg geschmuggelt und unter einer nahen Kirche vergraben hatte.

Sean staunte. Wie gerne hätte er das alles Arthur erzählt. Sean vermisste ihn schmerzlich.

Plötzlich fiel ihm ein, dass die Belagerung noch nicht so lange her gewesen war, erst 39 Jahre. Aufgeregt räumte er die Bücher auf und eilte zu den Gemächern seiner Großmutter. Diese war jetzt schon seit einiger Zeit im Palais untergebracht, damit sich die Familie besser um sie kümmern konnte. Kendra hatte das stolze Alter von 71 Jahren erreicht und im letzten halben Jahr körperlich deutlich abgebaut. Seans Eltern wollten ihrem Sohn zwar verheimlichen, dass sie sich Sorgen um sie machten, aber Sean merkte es ihnen trotzdem an.

Kendras geistige Fähigkeiten hatten allerdings noch kein bisschen nachgelassen. Um seiner Großmutter Freude und Abwechslung zu bereiten, besuchte Sean sie nun häufig und sie unterhielten sich viel. Kendra erzählte ihrem Enkel Geschichten aus der Vergangenheit und andere Dinge, die sie beschäftigten und Sean ließ sie an den Dingen teilhaben, die er erlebte und vor allem las.

Sean trat näher an Kendras Bett und begrüßte sie. Die blasse alte Frau lag zusammengesunken auf ihrem Lager. Dann nahm er ihre Hand und sagte:

„Guten Tag, liebe Großmutter. Wie geht es Euch?“

„Ach, es geht, mein Junge. Schön, dass du mich besuchst.“

Sean kam direkt zur Sache. „Ich habe in einem Buch die Aufzeichnung gefunden, dass Dunnottar Castle vor 39 Jahren belagert wurde. Könnt Ihr mir etwas davon erzählen?“

Seans Augen glänzten vor Aufregung und er schaute Kendra erwartungsvoll an.

„Ja, mein Junge, ich erinnere mich, sehr lebhaft sogar. Das war eine schlimme Zeit damals, und ich denke nicht gern daran.“

„Bitte, liebe Großmutter! Ihr müsst es mir erzählen!“

Kendra schaute skeptisch. „Bist du denn schon alt genug für solche Geschichten, mein Kind?“

Sean nickte aufgeregt. „Ich bin schon elf und habe Einiges über Schlachten und Kriege gelesen. Ich fürchte mich nicht.“

Kendra lächelte. „Gut, mein Junge. Dann will ich es dir erzählen, damit die Geschichte unserer Familie nicht verloren geht.“

Die alte Frau rückte sich in ihrem Bett zurecht und schaute nachdenklich in die Ferne, wobei ihre Stirn in Falten lag.

„Es begann damit, dass Mitte November im Jahre 1651 plötzlich die Glocke der Burgkapelle läutete. Da sonst nur am Sonntag die Glocke erklang, wusste jeder, dass es sich um ein Notsignal handeln musste. In den letzten Monaten kamen immer wieder Nachrichten von Kämpfen zwischen den Engländern unter dem Parlamentarier Oliver Cromwell und den königstreuen Schotten, so dass die Bewohner der Burg bereits Vorräte an Proviant und Munition einlagerten, falls sie von der Umgebung abgeschnitten werden sollten. Die Leute auf der Burg befanden sich in Alarmbereitschaft und waren auf das Schlimmste gefasst.

Als ich die Glocke vernahm, wusste ich, was zu tun war. Schon als ich im Jahre 1636 auf das Castle kam, wurde mir erklärt, dass sich alle bei einem Notfall in der Kapelle zu versammeln hatten. Also schickte ich sofort nach meinen Kindern Alistair, deinem Vater, und Ennis, deinem Onkel und wir eilten in die Kapelle. Dein Großvater Aidan musste sich bei seinem Vater Hamish einfinden, dem damaligen Laird von Dunnottar Castle, um ihm zu helfen, die Bedrohung oder was es auch immer war, abzuwenden. Als wir in der Kapelle ankamen, hatte sich schon der Großteil der Burgbewohner versammelt.“

„Wie alt war mein Vater damals?“

„Alistair hatte dein Alter und Ennis war acht Jahre alt, soweit ich weiß.“

„Und die anderen aus unserer Familie? Wer war noch da?“

„Dein Urgroßvater Hamish hatte schon ein stolzes Alter erreicht, ich denke, so Mitte 60. Er war noch sehr rüstig, kann ich mich erinnern. Seine Frau Ivera hingegen, die ein ähnliches Alter hatte, war sehr schwach und wurde auf einer Trage in die Kapelle gebracht. Die Brüder deines Großvaters waren etwas älter als ich, so um die 40 Jahre.“

„Wie hießen diese Brüder? Hatten sie Familie?“, wollte Sean wissen.

„Du willst es ganz genau wissen, mein Junge.“ Kendra lächelte. „Das waren Gawyn, der ältere, mit seiner Frau Cailin. Sie hatten vier Kinder. Und der zweite, Dusten mit Sinann und drei Kindern. Dein Großvater war der Jüngste“, erklärte Kendra.

„Großmutter! Ihr habt ein fabelhaftes Gedächtnis! Darf ich noch etwas fragen?“

„Ja, mein Kind.“ Und wieder zeigte sich ein Lächeln auf ihrem faltigen Gesicht.

„Wie viele Menschen versammelten sich damals in der Kapelle? Ich weiß, ich bin neugierig. Aber ich möchte mich in die Geschichte hineinversetzen können.“

Seans Großmutter überlegte: „Die genaue Zahl kann ich dir nicht sagen. Hm, wer war alles da? Also: der Pfarrer, der Bäcker, die Köchin und ihre Küchenhilfen, der Gärtner, … der Schmied, … der Stallmeister, der Hausverwalter … und natürlich mehrere Zofen und Diener. Und dazu die Familien der Bediensteten.“

Sean staunte. „Eine Menge Leute. Das war bestimmt eng in der Kapelle.“

Kendra nickte. „Ja, es entwickelte sich zu einer sehr unangenehmen Situation, besonders, weil wir nicht wussten, was passiert war.“

„Habt Ihr es bald herausgefunden?“

„Eine gewisse Zeit mussten wir schon warten, bis wir erfuhren, was der Grund für das Läuten war. Dein Großvater kam schließlich mit seinem Vater und seinen Brüdern zu uns und erzählte, dass zum Zeitpunkt des Glockenläutens eine Reitergruppe gesichtet worden war, die mit der englischen Flagge auf Dunnottar Castle zugeritten kam.“

Seans Spannung stieg. Er erinnerte sich, einmal diese Flagge in einem Buch gesehen zu haben. Sie bestand aus einem roten Kreuz auf weißem Grund.

„Aidan musste mit seinem Vater und seinen Brüdern zum Torhaus gehen, da sie sahen, dass eine kleine Abordnung Engländer bereits die Stufen emporstieg. Sie fluchten über den beschwerlichen Aufstieg und begrüßten den Burgherren barsch. Es folgte eine kurze Verhandlung, in der der Befehlshaber der Reiter die kampflose Übergabe der Burg forderte und verkündete, dass eine große Anzahl weiterer Soldaten bereits auf dem Weg war.

Als Hamish die Kapitulation verweigerte, drohte der Engländer mit der Zerstörung des Castles und der Ermordung aller Bewohner. Hamish erwiderte, dass er sich niemals ergeben würde. Daraufhin sind die Soldaten wutentbrannt abgezogen und riefen, dass es Hamish bald leidtun werde.

Nun, in der Kapelle, forderte Hamish alle Männer auf, die Burg zu verteidigen. Viele waren begeistert, endlich ihrem Groll gegen die Engländer Luft machen zu können und ihren Kampfgeist zu beweisen. Doch andere hatten noch nie gekämpft und fürchteten sich. Es half jedoch nichts, sie mussten ihr Zuhause und ihre Familien vor den Angreifern schützen. Die kampffähigen Männer hielten einen kurzen Kriegsrat in der Kapelle ab und verteilten die Aufgaben. Zuerst mussten alle Waffen und die Munition aus dem Lagerhaus geholt und auf die Verteidigungsposten verteilt werden. Außerdem war es nötig, die Kanonen im nordwestlichen und südöstlichen Teil der Burg auszurichten und zu bewaffnen. Wäre das geschafft, sollte jeder Mann auf einen Posten gehen und weitere Befehle abwarten. Ich wollte damals gut informiert sein und hatte versucht, alles genau zu verstehen.

Als Aidan sich kurz bei uns verabschiedete, sagte er mir, dass er bei den nordwestlichen Kanonen eingeteilt wäre. Ich konnte Verbitterung, Entschlossenheit und zu meinem Entsetzen auch Angst in seinem Gesicht erkennen. Das letzte verunsicherte mich noch mehr, doch ich musste Ruhe ausstrahlen, damit sich unsere Kinder und auch die anderen Burgbewohner nicht noch mehr fürchteten.

Bevor die Männer die Kapelle verließen, ordnete Hamish an, dass wir Frauen mit den Kindern und den Alten im Gotteshaus bleiben sollten, bis die Gefahr vorüber wäre. Er betonte, dass wir völlig sicher seien und bald wieder in unser Zuhause gehen könnten. Doch ich bemerkte eine leichte Unsicherheit in seiner Mimik und auch die anderen Bewohner sahen sehr besorgt aus. Wir versuchten, uns auf eine längere Zeit in diesem Raum einzustellen und die Angst, besonders um das Leben unserer Männer, zu verdrängen.“

Kendra leckte sich die Lippen und bat um ihren Becher mit Wasser. Während Sean ihr diesen vom Nachttisch reichte und schweigend beobachtete, wie seine Großmutter vorsichtig einige Schlucke trank, erinnerte er sich an die Aufzeichnungen über William Wallace und daran, dass dieser alle englischen Soldaten, die damals auf der Burg stationiert waren, lebendig in der damaligen Kapelle verbrannt hatte. Unwillkürlich entwickelte sich vor seinem geistigen Auge eine Szene, in der brennende Leiber sich schreiend gegen die verschlossene Kapellentür warfen und elendig verbrannten. Sean schüttelte diesen Gedanken ab und blickte wieder zu seiner Großmutter. Sie reichte ihm den Becher und er stellte ihn wieder ab. Leicht erfrischt und mit etwas geschmeidigeren Stimmbändern setzte die alte Dame ihre Erzählung fort.

„Diese Ungewissheit war schrecklich. Wir lauschten angestrengt, doch lange Zeit konnten wir nichts Bedrohliches wahrnehmen. Es war zu ruhig, schien mir. Die Kinder wurden quengelig und konnten nicht verstehen, warum wir nicht nach Hause gehen durften. Einige Alte dösten in den Bänken ein oder fingen ebenfalls an zu nörgeln. Deine Urgroßmutter schlief auf ihrer Trage tief und fest.

Doch dann ging es plötzlich los. Wir hörten Schüsse, Musketenschüsse, Dutzende gleichzeitig, und es war laut, trotz der dicken Mauern um uns. Die Kinder fingen an zu weinen und die größeren von ihnen hielten sich die Ohren zu. Die Alten wachten zu Tode erschrocken auf, ein paar rutschten vor Schreck von der Bank. Ich wusste nicht, von welcher Seite die Schüsse kamen. Dann trat eine kurze Pause ein und wir atmeten erleichtert auf. War der Feind schon besiegt?

Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, setzte eine neue Beschusswelle ein. Doch diesmal war es noch lauter und ich hatte das Gefühl, dass die Erde bebte. Die Angreifer hatten mit dem Kanonenbeschuss begonnen und warfen anscheinend auch Granaten. Ich hörte die Schreie unserer Männer, die sich Befehle zuriefen, und noch andere Geräusche. Die Pferde in den Ställen wieherten in Todesangst und traten gegen die Boxen. Die Mauern wurden getroffen, Steine bröckelten und fielen mit Krach zu Boden. Es war schrecklich. In der Kapelle breitete sich Panik aus und wir wollten unbedingt wissen, was da draußen vor sich ging.“

Kendra machte eine Pause und Sean stellte sich entsetzt die armen Pferde vor, die eingeschlossen in den Ställen Todesangst erlitten. Dann blickte er zu seiner Großmutter und sah ihr verkrampftes Gesicht. Das Erzählen dieses bedrückenden Ereignisses machte ihr offenbar schwer zu schaffen.

„Sollen wir eine Pause machen, Großmutter? Ich kann ein anderes Mal wieder vorbeikommen.“

„Nein, mein lieber Junge, es geht schon wieder. Wo war ich? Ach ja. Dein Großvater kam bald völlig erschöpft zu uns. Nachdem er sich aus der stürmischen Umarmung von mir und seinen Söhnen befreit hatte, berichtete er kurz die Lage.

Er erzählte, dass die ungefähr 700 Soldaten ein Zeltlager errichtet und sofort mehrere Geschütze auf dem südlichen Hügel gegenüber der Burg aufgebaut hatten. Am Anfang versuchten einige, an den Klippen emporzuklettern, um so auf die Halbinsel zu gelangen, doch sie wurden von unseren Männern abgeschossen. Da das Torhaus und der Pfad zum Festland bestens beschützt waren, konnten die Angreifer nicht auf das Burggelände kommen. Doch der Kanonenbeschuss war schlimm und fing an, die Burg zu zerstören. Auch vor den Musketenschüssen mussten sich unsere Männer in Acht nehmen, schließlich kann ein sehr guter Schütze ein Ziel treffen, das knapp 1000 Fuß10 entfernt ist. Natürlich ist das sehr selten und zum Glück gab es in unseren Reihen noch keine Verluste.“

„Wurden die Engländer getroffen?“

„Einige waren schon gestorben, aber die Soldaten hatten ein enormes Kanonenlager. Hamish erwartete sogar, dass sie Nachschub bekamen. Doch unser Vorrat würde nicht ewig halten. Die Lage sah schlimm aus. Deswegen, so berichtete Aidan uns, hatte Hamish die Entscheidung getroffen, dass alle außer den Kämpfern in derselben Nacht noch nach Stonehaven11 fliehen sollten.“

„Aber wie soll das gehen?“, fragte Sean überrascht.

„Du kennst doch den steilen Pfad zum Meer hinunter?“

„Ja.“

„Dort ist eine Höhle am Wasser.“

„Ja, genau, die Höhle! Und dort sind Boote! Eine brillante Idee. Doch ist es weit bis Stonehaven?“

„Es ist zu schaffen.“

Seans Augen leuchteten und er schaute seine Großmutter an. Sie wirkte blasser als zu Beginn der Erzählung und lag schwach mit gequältem Blick in ihrem Bett. Kendra war beim Erzählen immer leiser geworden und Sean hatte zunehmend Mühe, sie zu verstehen. Es kostete ihn einige Überwindung, doch dann sprach er:

„Wollt Ihr nicht doch lieber nächstes Mal weitererzählen? Ich finde das alles sehr interessant und äußerst spannend, doch Ihr seht sehr müde aus, Großmutter.“

Sean nahm mitfühlend ihre Hand. Sie war wieder ein bisschen schmaler und knochiger als beim letzten Mal, wurde ihm bewusst. Er spürte einen Kloß im Hals und Tränen traten in seine Augen.

„Nun gut, du hast Recht, ich muss mich ausruhen. Du kommst doch bald wieder, oder?“

„Ja, Großmutter. Ich wünsche Euch eine gute Besserung.“

Sean küsste sacht ihre Stirn und ging beklommen aus dem Raum. Musste seine Großmutter wirklich bald sterben?

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