Kitabı oku: «Andreas Herzog - Mit Herz und Schmäh», sayfa 2
KAPITEL 1:
HILF DIR SELBST, SONST HILFT DIR KEINER – ODER DER GEIST VON ERNST HAPPEL
NATIONALTEAM 1992
Wie fühlt es sich wohl an, wenn dir eine nationale Legende, ein ehemaliger großer Spieler und noch größerer Trainer, plötzlich und unerwartet die Stirn bietet – allerdings keineswegs im klassischen Sinn Mann gegen Mann, Auge um Auge oder Zahn um Zahn, sondern vielmehr inspirierend und mit der festen Absicht und dem Glauben, aus dir das Beste herauszuholen? Einer, der es wissen muss, ist Andreas Herzog. Sein Sparringspartner im Ring oder in diesem Fall besser gesagt auf der Trainerbank: Ernst Happel.
Herzog, gerade mal 21 Jahre jung, noch bei Rapid Wien kickend und auf dem Sprung zu Werder Bremen, war zu diesem Zeitpunkt noch kein Großer – und auch nach dem Wechsel von den Grün-Weißen der Donaumetropole zu den Grün-Weißen an die Weser noch nicht, zumindest wenn man den Worten seines späteren Klubtrainers und Förderers Otto Rehhagel Glauben schenken mag –, doch dazu später mehr.
Und Ernst Happel? Er war in der Tat die bereits oben erwähnte Legende – und traurigerweise auf seiner finalen Trainerstation angekommen. Happel, authentisch, ehrlich und echt, verstand es wie kein Zweiter, Leichtigkeit, Weite und Menschenkenntnis mit Strategie und Vision zu verbinden – passgenaue Kompetenzen, die er sich am liebsten auf dem Spielfeld des Lebens aneignete, ein reichhaltiger Erfahrungsschatz garantiert. Nicht umsonst erdete sich der „Wödmaster“ aus dem 14. Wiener Gemeindebezirk Penzing zur Entspannung am liebsten im 16., in Ottakring, um hier im Café Ritter auf einen Verlängerten, eine Zigarette oder ein Glaserl Wein einzukehren, mit Freunden und Pensionisten zu plaudern oder sich am Kartenspiel „Schwarze Katze“ zu erfreuen – mittendrin, statt nur dabei. Dort der Stratege des Spielfelds, in Pressing, Raum-, statt Manndeckung denkend und seiner Zeit weit voraus, und hier der aus tiefstem Herzen liebende und lebende Mensch, mit der nötigen Intuition und dem Erfahrungswissen, wie man junge Menschen berühren und führen muss.
Doch zurück zu Andi Herzog und dessen Weg, ein Großer werden zu wollen, sowie der allgemein bekannten Tatsache, dass man im besten Fall aus Rückschlägen lernt. Jedenfalls war das Länderspiel gegen Litauen so eines im April 1992 – zumindest für Andreas Herzog, denn das eigentliche Spiel konnte das ÖFB-Team im Wiener Praterstadion erfolgreich und mit einem Kantersieg 4:0 für sich entscheiden. Vielleicht lag es daran, dass Herzog zu sehr mit seinem bevorstehenden Wechsel nach Bremen kokettierte, vielleicht an der Tatsache, dass Austria damals das bessere Team stellte – so war er neben Peter Schöttel der einzige Rapidler in der rot-weiß-roten Armee, die Violetten mit fünf, sechs Kickern in der Mannschaft vertreten. Für alle Statistiker sei erwähnt: Wohlfahrt, Zsak, Stöger, Prosenik, Ogris, Flögel …
Na, da war ich neben dem Schöttel Peter der einzige Rapidler und habe mit sechs oder sieben Austrianern zusammengespielt. Da habe ich es nicht leicht gehabt, und die haben immer zusammengehalten. Nichts jetzt gegen den Stöger Peter, aber es war so. Zsak, Stöger, Aigner, Ogris, Polster, Ex-Austrianer. Und der Zsak Manfred spielt einen Ball anderthalb Meter an mir vorbei, und ich erwisch ihn nicht, und er scheißt mich voll zusammen: „Na, was ist, willst dich nicht bewegen?“ Und ich sag: „Na, Zsaki, den Ball kann i ned dawischen“, und auf einmal gehen drei Austrianer auf mich los und fangen zu diskutieren an. Und der Happel hat mich sofort ausgetauscht. (Andreas Herzog)
Stinksauer stapfte Herzog vom Platz, zog vor der Bank provozierend sein Leiberl aus und wollte es weghauen.
Ich wollt dem Happel zeigen: Ich pfeif auf dich. Ich war damals halt ein jähzorniger, junger Bua mit Anfang 20, ging gleich unter die Dusche und dachte mir: Lecko mio, das ist das Ende, der Happel stellt mich nie wieder auf. (Andreas Herzog)
Es ist halt immer so eine Sache mit dem Selbstvertrauen, gerade in jungen Jahren, wenn man am Anfang einer Karriere steht und sich zunehmend bewusster über seine vielleicht sogar einmaligen Fähigkeiten, Stärken und Talente wird. Schnell können Selbstüberschätzung auf der einen genauso wie Selbstzweifel auf der anderen Seite stete Begleiter in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung sein – und für zu hohe Flüge mit gegebenenfalls hartem Aufprall sowie wie im vorliegenden Fall für unkontrollierte Emotionsausbrüche sorgen.
So oder ähnlich muss es Andreas Herzog nach seinem Wutausbruch am Spielfeldrand gegangen sein, jedenfalls war er sich sicher: „Der Happel beruft mich nicht mehr ein.“ Doch weit gefehlt – und so stand er schon wenige Wochen später seinem Coach bei der nächsten Zusammenkunft des Nationalteams gegenüber.
„Zauberer? Na, was war das letztes Mal?“
„Naa, Trainer, i will da nicht irgendetwas Altes aufwärmen. I hab da Meinungsverschiedenheiten gehabt mit anderen Spielern, aber da will ich im Nachhinein nicht drüber reden. Da will i niemanden verpetzen.“
„Na, glaubst, i bin deppert? Ich hab’s genau gesehen! Und glaubst, soll ich dir helfen? Willst, dass ich dir helf?“
Und ich hab mir gedacht: Ja, bitte, ich bin fast der einzige Rapidler gegen sieben Austrianer (lacht im Nachhinein).
„Wirst du ja selber nicht glauben. So blöd bin i ja ned. Entweder du setzt dich allein durch oder es wird mit dir nichts.“ (Andreas Herzog)
Das hatte gesessen. Klar, kurz und prägnant – unnachahmlich Happel. Eines war Andi Herzog jedenfalls klar: Vonseiten des Grantlers war mit Unterstützung nicht mehr zu rechnen. Doch war die Message anscheinend ein Stück weit angekommen. Herzog musste sich selbst durchsetzen. Und auch wenn ihm bei dem folgenden Spiel gegen Wales kein Tor gelang und er abermals ausgewechselt wurde, hatte er doch einen Schritt gemacht: Die Nerven im Griff und freundlich nickend an der Trainerbank vorbei Richtung Duschkabinen. Happel mochte Herzog – und wusste um dessen Wichtigkeit für die Kreativität des österreichischen Spiels: die entscheidende Torvorlage, der Lupfer hinter die Abwehrreihen, der diagonale Steilpass in den freien Raum. Und vielleicht sah er ein wenig ja sogar sich selbst in ihm.
„Natürlich, Happel verkörperte den klassischen Libero – ein lässiger und kreativer Verteidiger, mit Vorausschau und Technik und seiner Zeit im österreichischen Fußball voraus“, meinte Herzog. „Aber durchaus auch ein Schlawiner und mit Schmäh bei der Sache.“ Hatte er doch angeblich einst einmal seinem eigenen Tormann beim Stand von 4:0 ein Tor reingeschossen mit den Worten: „Waßt, du hast gesagt, du kriegst kein Tor. Da hast eins!“
Doch mindestens genauso wichtig: Happel wusste Herzog zu führen, zu berühren und zu inspirieren. So verfügte der einstmals ebenfalls für Rapid kickende und spätere Meistercoach über die seltene Gabe wirklich großer Trainer, neben dem Spiel auch die Spieler lesen zu können. Zu spüren, was sie bewegt und für jede Situation in Wahlmöglichkeiten zu denken – eben den richtigen Schlüssel für den rechten Moment parat zu haben. Mal durch Hilfe zur Selbsthilfe, dann durch Überzeugung und Klarheit oder einfach nur durch stumme Impulse führend – intuitives Erfahrungswissen, über Jahrzehnte entwickelt.
Günter Netzer, der Happel in seiner erfolgreichen Zeit beim Hamburger SV zu Beginn der 80er-Jahre als Vereinsmanager begleitete, nannte den Trainer sogar ehrfürchtig ein Phänomen: „Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Als Happel zum HSV kam, hatten wir sechs Wochen Vorbereitung. Beide Torhüter, Jupp Koitka und Uli Stein, haben gehalten wie die Weltmeister. Am Abend vor dem ersten Spiel fragte ich Happel, wer denn nun im Tor stehen würde. Er sagte: ‚Ich weiß es nicht. Aber wenn ich morgen früh die Augen aufmache, werde ich es wissen.‘ Am nächsten Tag stellte er den Stein ins Tor – und der wurde Nationalspieler.“
Da stellt sich die Frage, was all das mit Andi Herzog zu tun haben könnte, denn der kickte zur großen Zeit des HSV gerade mal in der Jugendabteilung bei Wacker Mödling in der Wiener Südstadt – oder zu Hause in Meidling mit Freunden gegen das Garagentor. Vielleicht verfügte der ehemalige Championtrainer Happel einige Jahre später und auf seiner letzten Station für den Österreichischen Fußball-Bund über eine ähnliche intuitive Eingabe am frühen Morgen des 28. Oktober 1992. Jedenfalls ging er unmittelbar vor dem entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Israel auf den auf der Spielerbank sitzenden Herzog zu, der sich gerade die Schuhe schnürte, presste seine Stirn an dessen Stirn und raunzte ihn in gewohnt kauziger Manier an: „Jetzt zeig ihnen, wie gut du bist, Zauberer.“
Eine Botschaft, die Herzog zutiefst berührte und deren Inhalt seine Karriere bis heute begleitet. Herzog wuchs über sich hinaus und schoss im folgenden Spiel beim 5:2-Sieg zwei entscheidende Tore. „Fast im Alleingang habe ich das Spiel gewonnen“, erzählt er heute noch stolz.
Und Ernst Happel? Er durfte das wenige Wochen später stattfindende Spiel des ÖFB gegen Deutschland im Praterstadion nicht mehr erleben – nur mehr seine legendäre Kappe weilte 90 Minuten lang verwaist auf seiner geliebten Trainerbank. Nach nur einem knappen Jahr als Nationaltrainer Österreichs verstarb er im November 1992 – schwer gekennzeichnet durch ein Krebsleiden.
Es wäre hochspannend zu wissen, wie sich wohl die Zusammenarbeit zwischen den beiden waschechten Wienern entwickelt hätte, wenn sie von längerer Dauer gewesen wäre. Hier der Grantler und das Genie, dort der Ballkünstler mit Herz und Schmäh. Langweilig oder besser gesagt fad wäre es wohl nie gewesen. Doch was bleibt, ist für Andi Herzog die Erkenntnis, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – auf und neben dem Platz. Eben getreu nach dem Motto: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner! Sowie mit ganzem Herzen dabei zu sein. Denn dann werden dir Weggefährten geschickt, die dich auch mal anschieben. Oder dich ins kalte Wasser stoßen. Oder dir mal in den Hintern treten. Übrigens ein roter Faden, der sich durch seine bisherige Karriere zieht – wie wir später noch feststellen werden.
Und da wären wir schon mittendrin, im Leben des Andreas Herzog: Von einem, der auszog, um im Ausland sein Glück zu suchen. Oder in anderen Worten vom „Schluchtenscheißer“ zum „Alpen-Maradona“, wie ihn die deutsche Presse ehrfürchtig bezeichnete.
Das war sein letztes Länderspiel. Das macht mich heute noch stolz, dass ich quasi in seinem letzten Länderspiel a Wahnsinnspartie gespielt habe, zwei Tore geschossen, wir haben 5:2 gewonnen. Und damals hat mich auch der israelische Teamchef, damals der Shlomo Scharf, bei der Weltfußballerwahl auf den dritten Platz gewählt – und drum bin ich 40. geworden (lacht herzhaft). Danke, Shlomo Scharf (lacht wieder). Aber ich hab die im Alleingang fast zerschossen, ein Tor mit dem Rechten, mit einer Wucht, und das, weil mir der Happel vorher gesagt hat: „Und jetzt zeig ihnen, wie gut du bist.“ Und das war für mich a Message: Du bist gut genug, du brauchst von mir keine Unterstützung, zeig einfach, was du kannst. Und … Attacke! (Andreas Herzog)
Herzog unter Happel: Ein kurzer gemeinsamer Weg – sieben Länderspiele
KAPITEL 2:
„MAMA, DAS VERZEIH ICH DIR NIE!“
ADMIRA WACKER 1974–1983
Macht man sich über ein Leitmotiv in Sachen „Andi Herzog“ Gedanken, über ein unsichtbares Band, das ihn ein Stück weit durch sein bisheriges Leben führte und für die Ausbildung seines Charakters zuständig war und ist, diesen prägte und entwickelte, wird schnell ein erster roter Faden sichtbar. Beginnend mit seiner Zeit im Kindergarten – denn eben die gab es für den späteren Rekordnationalspieler gar nicht. „Ein Paradoxon“, wird sich mancher Leser auf den ersten Blick denken, denn wie kann eine Zeit, die gar nicht stattgefunden hat, für eine Karriere prägend sein? Doch mehr dazu später und rein in die Kinderschuhe und die damit verbundenen ersten fußballerischen Gehversuche des Andreas Herzog – sozusagen der Punkt null im Fußballleben des noch ganz jungen Kickers.
Ich war nie im Kindergarten, weil meine Schwester ist in den Kindergarten gekommen und hat Probleme mit der Kindergartentante bekommen. Das dürfte eine strenge Nonne gewesen sein oder so. Dann hat meine Mutter gesagt: „Dann kann ich meinen Sohn gleich gar nicht vorbeibringen (lacht), weil das wird noch schlimmer“ (lacht noch lauter), und so war ich immer schon als kleiner Bua mit meinem Vater auf dem Platz. (Andreas Herzog)
Anton „Burli“ Herzog kickte zu der Zeit noch für Admira Wacker. Und da der damals noch kleine Andi eben nicht in den Kindergarten gehen durfte oder sollte, schulterte sein Vater neben Trainingstasche und Fußballschuhen auch noch den drei, vier Jahre alten Sohn, um sich auf den Weg zu machen – hinaus aus der Enge der Wohnung mitten im 12. Wiener Gemeindebezirk, vorbei am Bahnhof Meidling und hinein in die damals noch fast autofreie Wiener Südstadt. Denn da, wo heute endlose Autokarawanen langsam und schwerfällig durch die Straßen ziehen, um Möbelhäuser, Gewerbegebiete und Shopping City möglichst bequem und vor der Tür parkend zu erreichen – schnell hin, alles drin –, herrschte Anfang der 70er-Jahre noch eine fast wundersame Idylle. Zahllose Teiche und große Seen mit einer noch größeren Artenvielfalt an Wasser- und Singvögeln, Fröschen, Kröten, Schlangen und Insekten müssen das Bild des südlichen Wiener Beckens geprägt haben, wenn man den Erzählungen älterer Einheimischer Glauben schenken mag. Der städtische Wiener hingegen kam im Allgemeinen nur aufs platte Land, um dort zu baden oder im eigenen Kleingarten Marillen zu pflücken – und im Besonderen natürlich an den Wochenenden.
Familie Herzog muss ihrer Zeit damals ein Stück weit voraus gewesen sein – oder sich besser gesagt der Entwicklung und den entsprechenden Gegebenheiten zwangsläufig angepasst haben. Denn während Andis Vater noch in den 60er-Jahren in den 21. Bezirk pendelte, einen nördlich der Donau gelegenen Stadtteil Wiens, um dort beim damals sehr erfolgreichen und in Jedlesee in Floridsdorf beheimateten SK Admira Wien zu kicken, zog es ihn Anfang der 70er-Jahre in den Süden der Stadt. Grund dafür war der finanzkräftige Sponsor des Klubs, selbst an der Stadtgrenze südlich vor Wien bei Maria Enzersdorf beheimatet. Der Energieversorger holte den traditions- wie erfolgreichen SK Admira zu Beginn der 70er-Jahre auf seinen Grund und bestimmte zudem die spätere Fusion mit Wacker Wien – Admira Wacker war im Jahr 1971 geboren.
Doch schon damals waren die ersten Ansätze der Kommerzialisierung des Fußballsports anscheinend vielen Fans ein Dorn im Auge – und der Spagat zwischen Tradition und Zukunft, Lokalpatriotismus und Vision, Gewohnheit und Veränderung ein zu großer: Die Anhänger spielten nicht mit. Denn während 1966 noch 17.000 Zuschauer im Wiener Praterstadion den legendären Sieg von Admira über Rapid feierten, bei dem ausgerechnete Burli Herzog das entscheidende Tor gegen den späteren Herz-Klub seines Sohnes schoss, kamen zu Beginn der 70er-Jahre nur noch wenige Zuschauer ins neue Südstadt-Stadion.
Natürlich möchte der allgemeine Fußballfreund, in der Regel eher traditionsbehaftet, lieber nur die Straßenseite wechseln, um zum Match und anschließend ins Beisl gehen zu können, statt die ganze Stadt zu durchqueren, um sein Team in einem damals noch eher sterilen Schmuckkästchen, zwischen Kleingärten und einer Seenlandschaft gelegen, zu unterstützen – absolut nachvollziehbar durch die Brille des Fans betrachtet.
Für Andreas Herzog dagegen muss die neue Umgebung, das großzügige Trainingsareal, die damals noch vorhandene Weite vor den südlichen Toren Wiens genauso wie die Möglichkeit, den Papa immer zur Arbeit begleiten zu dürfen, eine große Bereicherung gewesen sein – und der Grundstein für den Verlauf seiner außergewöhnlichen Karriere. Zumindest auf der einen Seite. Doch bekanntlich hat ja alles zwei Seiten – und so wirkten sich die fehlenden Kindergartentage möglicherweise ein wenig auch auf seine damalige Charakterbildung aus: Er zeigte sich anfangs eher zurückhaltend, schüchtern und vorsichtig, nicht draufgängerisch oder à la „Platz da, jetzt komme ich!“.
Immerhin und trotz aller Introvertiertheit – einen treuen Freund hatte er zur damaligen Zeit schon.
Durch das war ich halt oft mit meinem Vater in der Südstadt damals, und der Zeugwart, der hat einen Schäferhund gehabt, den Rolfi, mit dem bin ich halt da die ganze Zeit herumgelaufen, und der Hund hat auch so ein Gefühl gehabt, der hat die ganze Zeit auf mich aufgepasst. Ich war noch relativ klein, und trotzdem war die sportliche Heimat die Südstadt, wo Admira Wacker spielt, und ich war jahrelang schon draußen, und alle Leut haben immer gesagt, weil ich damals schon sehr gut Fußball spielen konnte, alle haben gesagt: „Andi, warum fangst nicht an?“ (Andreas Herzog)
Aber Andi wollte nicht – und so zog der junge Herzerl, während Papa fleißig trainierte und an den Wochenenden spielte, mit Rolfi weiter um das Trainingsgelände – Stunde um Stunde und Tag für Tag.
Und irgendwie, weil ich am Anfang immer ein bisserl Anschlussschwierigkeiten hatte, vielleicht dadurch, dass ich nicht im Kindergarten war, habe ich am Anfang mit den Kontakten ein bisserl Schwierigkeiten gehabt, und dann vergess ich es nie, sind die Trainer immer gekommen, zum Beispiel der Herr Boff, und er hat gesagt: „Komm, Andi, trainier einmal mit.“ (Andreas Herzog)
Doch Andi ließ sich weiterhin nicht überzeugen, blieb beim obligatorischen „Na, na, na!“ und schaute sich stattdessen stoisch und gemeinsam mit Freund Rolfi das Training von außen an. Das Trainerteam rund um Herrn Boff schien ratlos, und ein Ernst Happel, der ihm – wie dann Jahre später passiert – die Stirn hätte bieten können, war weit weg beziehungsweise zu dieser Zeit irgendwo zwischen Sevilla, Brügge und den Niederlanden unterwegs. Was also tun? Anscheinend bedurfte es anderer Wege, Mittel und Möglichkeiten, um den kleinen Minikicker mit dem talentierten linken Fuß im Herzen zu berühren und zu seinem Glück zu zwingen. Wobei wir wieder beim intuitiven Erfahrungswissen wären, um den kleinen „Buam“ auf seinen Weg zu bringen.
Und dann hat meine Mutter mich einmal geschultert und hat gesagt: „Herr Boff, der Andi will heute mittrainieren“, und hat mich mitten in die Gruppe hineingestellt. Ich habe sie böse angeschaut und gesagt: „Mama, das verzeih ich dir nie!“ Doch ab diesem Zeitpunkt habe ich es geliebt, bei der Admira Fußball zu spielen. (Andreas Herzog)
Intuitives Erfahrungswissen, der berühmt berüchtigte Wurf ins kalte Wasser, ein Kaltstart mit Folgen – wie Jahre später auch unter Happel. So oder so: Der Junge war in der Spur. Und er lief los.
Drei Faktoren sind dem französischen Naturalisten Émile Zola zufolge dafür zuständig, wie sich ein Mensch in seinem Leben entwickelt: das Milieu, der Zeitpunkt und der Ort, in den man hineingeboren wird beziehungsweise an dem man seinen Beruf ausüben darf. Während der österreichische Genforscher Dr. Markus Hengstschläger davon ausgeht, dass Erfolg immer das Produkt aus Genetik und Umwelt ist, aus individuellen Leistungsvoraussetzungen und harter Arbeit. All das wiederum trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei.
Fragt man den „Zauberer“ heute, ob er denn in Sachen „Milieu, Zeitpunkt und Ort“ wie auch in „Gene und Umwelt“ die gleiche Wahl treffen würde, wenn er es denn könnte, lächelt er spitzbübisch: „Passt eh“ – und meint damit das damalige Wohnumfeld und die Enge der Meidlinger Wohnung sowie den daraus resultierenden Wunsch, einmal in einem Haus mit Garten leben zu dürfen; genauso wie seine resolute Mutter, die ihn einfach aus einer Eingebung heraus schulterte und in den erhabenen Kreis der Südstadt-Minikicker stellte, und sein hochtalentierter Vater mit Fußballsach- und machverstand als Unterstützer und Experte sowie seine Schwester, die ihn vor dem Kindergarten bewahrte und somit früh für die nötige Erdung auf dem Fußballfeld sorgte. Und vielleicht und unbewusst dadurch auch für die Tatsache, dass Herzog durch eine gewisse Zurückhaltung immer er selbst bleiben durfte – eben weniger Darsteller, Influencer oder Schauspieler, stattdessen aber authentisch, ehrlich, echt.
Bei meiner persönlichen Entwicklung war es so, dass ich es als junger Spieler immer allen Menschen recht machen wollte und dadurch immer auch ein bisserl Kompromisse gemacht hab, mir viel Gedanken gemacht habe, warum mich die gegnerischen Fans so beschimpft haben, obwohl sie mich doch gar nicht kennen, das ist jetzt alles vielleicht auch ein Blödsinn, aber weil du geschrieben hast, authentisch, ehrlich, echt. Das hat sich dann erst nach meinem Meistertitel in Deutschland und vor allem auch jetzt mit zunehmenden Erfolgen in der Karriere verändert, da hast du eine andere Persönlichkeit entwickelt. Jetzt bin ich so, wie ich bin, und mir ist das mittlerweile egal, was die Leute über mich denken. Ich möchte authentisch bleiben. Und das ist das Wichtigste. Diese Entwicklung – von es vorher jedem recht machen hin zu einfach der sein, derman ist, wenn man authentisch ist –, darum geht es. Danke, ciao! (Andreas Herzog)
Andi Herzog (schlafend) mit Mama, Papa und Schwester Claudia