Kitabı oku: «Eine Geschichte des Krieges», sayfa 9
Das Ende eines staatsbürgerlichen Modells
Als Frankreich 1914 ein weiteres Mal für einen großen europäischen Krieg gegen Deutschland mobil machte, zweifelte niemand daran, dass das Land seine Bürger einberufen würde. Das war schlicht die Art und Weise, in der Frankreich die modernen Kriege führte und in der sich die Französische Republik in Augenblicken nationalen Notstands verteidigte. Anders gesagt handelte es sich um eine spezifisch republikanische Form der Verteidigung. In Friedenszeiten sah die Situation anders aus: Die Armee hatte nicht den geringsten Bedarf an all den Soldaten, die die Wehrpflicht ihr verschaffte, noch brauchten die Offiziere Kontingente untrainierter Soldaten, um ihre Kolonialfeldzüge südlich der Sahara und in Nordafrika durchzuführen. Die konservativen Parteien und ein großer Teil der französischen Offiziere vertraten einen pragmatischen Ansatz, der der Armee erlaubte, eine beschränkte Zahl an Männern einzuziehen, sie aber über eine längere Periode von fünf bis sieben Jahren auszubilden. Die Radikalen hingegen sahen im Militärdienst einen demokratischen Prozess, der die große Mehrheit der jungen Männer jeder Altersklasse einbeziehen musste, um in ihren Herzen Patriotismus und Loyalität gegenüber der Republik zu verankern und sie auf ihr Erwachsenen- und Bürgerleben vorzubereiten. Es handelte sich also vor allem um eine Erziehungsfrage. Für die Radikalen war die Bindung an Frankreich und die Staatsbürgerschaft wichtig, mehr noch als die Vorbereitung der Streitmacht auf den Krieg. Gewisse Stimmen in der Armee führten an, dass eine Masse oberflächlich ausgebildeter Soldaten von nur sehr bedingtem Nutzen war. Außerdem kam eine solche Lösung dem Steuerzahler teuer zu stehen und nahm aufseiten der Ausbilder die Kapazitäten übermäßig in Beschlag. Diese Form der Rekrutierung war schlicht ineffizient, wie der Vergleich mit den anderen europäischen Armeen dieser Epoche zeigt.
Die Kritik daran wurde im 20. Jahrhundert immer heftiger, insbesondere nach 1945, als die Streitkräfte sich spezialisierten und die Ausrüstung komplexer wurde. Das Zeitalter der Panzer und Jagdflugzeuge, der U-Boote und Luft-Luft-Raketen forderte den Soldaten besondere Kompetenzen ab, die Wehrpflichtigen während ihrer kurzen Ausbildungsphase kaum zu vermitteln waren. Und wenn das schon die Auffassung der Offiziere in den 1940er und 1950er Jahren war, was müssen sie dann heute, im Zeitalter der Nuklearwaffen und Drohnen, denken? Die digitalisierten Waffen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben nicht mehr viel Ähnlichkeit mit der Bewaffnung der Infanterieregimenter der napoleonischen Heere oder auch der Einheiten, die in der Schlacht an der Somme kämpften. Die Kriegskunst ist zu einer Angelegenheit von Spezialist*innen geworden. Die Arbeitsteilung, die bereits in der Epoche George Washingtons verfochten wurde, entzieht der Idee, in der Wehrpflicht eine Übung in staatsbürgerlicher Erziehung zu sehen, den Boden.
Das auf Gleichheit und Bürgerpflicht gegründete Argument für den Bürgersoldaten ist letztlich immer moralisch-sittlicher Natur gewesen. Bevor der Bürgersoldat ein Soldat aus Fleisch und Blut ist, ist er ein Idealtypus, das Modell eines bestimmten Staatsbürgertums, dem die Männlichkeit und die kriegerischen Werte der Sittlichkeit eingeschrieben sind. Nach der traditionellen Argumentation lehrt der Militärdienst die Einzelnen die für einen republikanischen Bürger notwendigen Werte: Selbstlosigkeit, Mut, Brüderlichkeit, Patriotismus und Bürgertugend – das heißt den Willen, das Gemeinwohl jederzeit über das persönliche Interesse, den Schutz des eigenen Lebens eingeschlossen, zu stellen. Wer sich dem Ableisten seines Militärdienstes verweigerte – und bereits sehr früh erklärten bestimmte religiöse Gruppen wie die Quäker oder die Wiedertäufer, dass sie den Krieg aus Prinzip ablehnten –, wurde mit Verachtung gestraft und sowohl im Hinblick auf die eigene Manneskraft als auch hinsichtlich des Verhältnisses zu den nationalen Idealen als defizitär angesehen. Im 20. Jahrhundert entstanden unter Freidenkern, Agnostikern und Atheisten Antikriegsbewegungen, eine humanitäre Ablehnung des Krieges, die sich in Form des Pazifismus ausdrückte. Doch die Kriegs(dienst)verweigerung einer Minderheit bewirkte in der größeren Öffentlichkeit oder in der Regierungspolitik herzlich wenig. Der Pazifismus wurde weiterhin vor allem als eine Form von Feigheit und Verrat betrachtet. Es war gerade der Antimilitarismus des Sozialisten Jean Jaurès, beziehungsweise genauer sein Widerstand gegen das neue Wehrpflichtgesetz und sein Versuch, einen Arbeiterstreik gegen die Politik der Regierung zu organisieren, der zu seiner Ermordung am 31. Juli 1914 unweit des Sitzes seiner Zeitung, L’Humanité, führte. Erst sehr viel später, während des Vietnamkrieges, lockerte sich die Einstellung der Regierungen gegenüber dieser Art von Gegenwehr ein wenig, was auch darauf zurückzuführen ist, dass sie dieser Krieg, in einer Zeit, als die amerikanische Bevölkerung die Entwicklung des Konflikts auf den Fernsehschirmen verfolgen konnte, einen beträchtlichen Teil der öffentlichen Zustimmung gekostet hatte.
Als schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Ländern die Wehrpflicht wegfiel, geschah dies oft aufgrund der hohen Kosten oder der großen Ablehnung in der Öffentlichkeit. Großbritannien schaffte die allgemeine Wehrpflicht 1957 ab, da diese aus Sicht der Briten nur die Zeit und Energie der Jugend vergeudete. Andernorts hielt sich die Tradition des Bürgersoldaten länger. Ihre Stärke beruhte zum Teil auf dem geringen Vertrauen, das die Bevölkerung der Berufsarmee entgegenbrachte. In den Vereinigten Staaten wurde die Wehrpflicht mit dem Rückzug aus Vietnam 1973 von Richard Nixon abgeschafft.
In Frankreich, wo sich die Bevölkerung sehr gut an die Rolle der Armee im Algerienkrieg Anfang der 1960er Jahre erinnerte und wo es weiterhin große Furcht vor einem Staatsstreich gab, versiegte die emotionale Motivation der Bürger, für die Nation zu den Waffen zu greifen, langsamer, und die Linke wie die Rechte unterstützten die Wehrpflicht bis zu ihrer Abschaffung 1997 durch Jacques Chirac. Als die Nationalversammlung in den Debatten von 1996 die Vor- und Nachteile des Militärdienstes evaluierte, kam sie zu dem Schluss, dass er weder ökonomisch tragbar war noch seinen Zweck erfüllte und dass Frankreich eine gut ausgebildete Streitmacht brauchte, die zu Interventionen kleinerer Größenordnung außerhalb Europas in der Lage war. In diesem Kontext bremste das ideologische Bekenntnis des Landes zur Wehrpflicht die durch die Imperative militärischer Effizienz notwendig gewordene Modernisierung und Reformierung des Militärs.
Ein offizieller Bericht über den Golfkrieg (1990–1991) zog hinsichtlich der Einsatzfähigkeit bittere Lehren, die zu denken gaben. Die französische Armee umfasste zu dieser Zeit 280 000 Personen, hauptsächlich Wehrpflichtige, während die britische Armee nur ein wenig mehr als die Hälfte zählte, nämlich 153 000 Soldat*innen. Doch die britische Armee setzte sich aus Berufssoldat*innen zusammen und konnte aus diesem Grund, so die Schlussfolgerung des Berichts, ihre Einsätze flexibler gestalten. So war es ihr gelungen, 35 000 Militärs auf den Kriegsschauplatz zu entsenden, während die französische Armee mit größten Schwierigkeiten 12 500 Mann zusammenbrachte. Kurz, selbst wenn es sicher soziale und politische Vorteile hatte, am Wehrdienst festzuhalten, ließen sich weder die Wehrpflicht noch die damit einhergehenden Kosten militärisch rechtfertigen. Die politische Debatte ging schnell von den Anforderungen der Armee als solcher zu dem angenommenen Nutzen über, den die Jugend hinsichtlich Bildung oder zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit aus einem Wehrdienst ziehen könne. Aus einer rein militärischen Frage war die Wehrpflicht zu einer sozialen und politischen Frage geworden. Frankreich war nicht das einzige Land, das in den 1990er Jahren beschloss, den Militärdienst abzuschaffen: Belgien, die Niederlande, Spanien und Italien verfuhren ebenso. In der Welt nach dem Kalten Krieg schien es zumindest in Europa möglich geworden, auf den Bürgersoldaten, Bollwerk der nationalen Armeen während der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts, zu verzichten. Die Militärführungen hatten ihre Prioritäten offensichtlich neu bestimmt.
Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts schafften zahlreiche Länder die Wehrpflicht ab und verließen sich auf Berufsarmeen, die in Krisenzeiten durch Appell an Freiwillige ihre Reihen auffüllen konnten. Die westlichen Länder, die eine Form von Wehrdienst behalten haben, wie etwa die Schweiz oder Österreich, bieten einen Zivildienst als Alternative zum Militärdienst. Einige erlauben Ausnahmen aufgrund von Gewissensgründen, erkennen also an, dass individuelle Gewissensentscheidungen oder religiöse Motive in bestimmten Fällen eine Kriegsdienstverweigerung rechtfertigen können. Trotz Gesetzen über die Gleichstellung der Geschlechter bieten nur wenige Länder einen Wehrdienst für Frauen an. Dazu gehört seit 2013 vor allem Norwegen. Doch nur wenige Norweger und Norwegerinnen werden tatsächlich einberufen. In den letzten Jahren haben sich auch zahlreiche Länder aus dem ehemaligen »Ostblock« für Berufsarmeen entschieden. Die größten europäischen Länder, die immer noch auf die Wehrpflicht zurückgreifen, sind Russland und die Ukraine; sie existiert aber auch in afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern. Im Nahen Osten mit seinen zahlreichen militärischen Konflikten stützen sich alle Regionalmächte – zum Beispiel der Iran, Ägypten und die Türkei – auf die Wehrpflicht; Jordanien, das 1999 die Wehrpflicht abgeschafft hatte, sah sich acht Jahre später zu ihrer Wiedereinführung gezwungen und rechtfertigte diese Entscheidung mit der politischen Instabilität der Region. Auch in Israel gibt es nur sehr wenige, die die Wehrpflicht infrage stellen. Doch dieses Land bildet vielleicht einen Sonderfall: Seit seiner Gründung 1948 hat es seine Verteidigungsstreitkräfte (Tsahal) auf der Grundlage einer Bürgerarmee formiert. Außerdem handelt es sich um eines der wenigen Länder auf der Welt, in denen der Militärdienst für Männer und Frauen gleichermaßen verpflichtend ist. Männer dienen drei Jahre, Frauen zwei Jahre; zudem müssen sie jedes Jahr einen Monat lang mit den anderen Reservist*innen – aktuell sage und schreibe rund 445 000 Personen – an Übungen teilnehmen. Dort vertritt niemand, dass die Wehrpflicht zu Qualitätseinbußen der Streitkräfte geführt hätte, die aus allen ihren Kriegen siegreich hervorgegangen sind und deren Ausstattung, von den Vereinigten Staaten bezogen, zu den modernsten der Welt gehört. Die Verbindung zwischen Staatsbürgerlichkeit und Militärdienst bleibt stark in dieser Gesellschaft, die jederzeit mit einem Angriff rechnet und in der die Regierung, wie in Frankreich während der Revolution, unablässig wiederholt, dass das Vaterland in Gefahr ist.
Alan Forrest ist Prof. Emeritus an der University of York. Er ist Autor zahlreicher Arbeiten zum revolutionären Frankreich und der napoleonischen Zeit, insbesondere von Napoleon’s Men. The Soldiers of the Revolution and Empire (London 2002).
Literaturhinweise
Die Bedeutung, die der Bürgersoldat für die Kriegführung und den Aufbau der Nationen gehabt hat, ist bereits weitreichend erforscht worden, insbesondere in zwei hochwertigen Sammelbänden, dem von Maurice Vaïsse (Hg.), Aux armes, citoyens! Conscription et armée de métier, des Grecs à nos jours (Paris 1998), und dem von Lars Mjøset und Stephen Van Holde (Hg.), The Comparative Study of Conscription in the Armed Forces (Amsterdam 2002). Manche Forscher erachten den Bürgersoldaten als ein Produkt der Moderne und einer demokratischeren und repräsentativeren Gesellschaft. Dazu siehe Margaret Levi, Consent, Dissent and Patriotism (Cambridge 1997). Die Zeit der Revolutionskriege und der Napoleonischen Kriege ist mit der Entwicklung von Massenarmeen verbunden, die sich aus Bürgersoldaten zusammensetzten. Zu dem Thema, wie sich die Natur des Krieges auf beiden Seiten des Atlantiks veränderte, siehe Roger Chickering und Stig Förster (Hg.), War in an Age of Revolution (1775–1815) (Cambridge 2010). Eine Analyse der Verbindungen zwischen Wehrpflicht und Revolution findet sich in Thomas Hippler, Soldats et citoyens. Naissance du service militaire en France et en Prusse (Paris 2006; englisch: Citizens, Soldiers and National Armies, London 2008), sowie in Donald Stoker, Frederick Schneid und Harold Blanton (Hg.), Conscription in the Napoleonic Era (London 2009). Die größten Veränderungen hat die französische Armee in der Revolution erfahren. Die Klassiker zu diesem Thema sind Jean-Paul Bertaud, La Révolution armée. Les soldats-citoyens et la Révolution française (Paris 1979; englisch: The Army of the French Revolution, Princeton 1988), und auf operationaler Ebene John Lynn, The Bayonets of the Republic. Motivation and Tactics in the Army of Revolutionary France (Urbana 1984). Zur Tradition des Bürgersoldaten in Frankreich wird man das Buch von Annie Crépin, La Conscription en débat, ou le Triple Apprentissage de la Nation, de la Citoyenneté, de la République (Arras 1998), mit Gewinn lesen und zur Erfahrung der französischen Wehrpflichtigenarmee Alan Forrest, Napoleon’s Men. The Soldiers of the Revolution and Empire (London 2002). Für Deutschland siehe Ute Frevert, Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland (München 2001), und Karen Hagemann, Revisiting Prussia’s Wars against Napoleon. History, Culture and Memory (Cambridge 2015). Für die Vereinigten Staaten siehe Ricardo Herrera, For Liberty and the Republic. The American Citizen as Soldier (1775–1861) (New York 2015), und Lawrence Cress, Citizens in Arms. The Army and the Militia in American Society to the War of 1812 (Chapel Hill 1992). Für die Sowjetunion siehe Anna Krylova, Soviet Women in Combat. A History of Violence on the Eastern Front (Cambridge 2010). Den Kontext des britischen Weltreichs untersucht Ian Beckett (Hg.), Citizen Soldiers and the British Empire (1837–1902) (London 2012). Die chinesischen Militärtraditionen betrachtet Charles Hucker, China’s Imperial Past. An Introduction to Chinese History and Culture (Stanford 1975). Die Frage nach der Verknüpfung von Männlichkeit und Waffendienst hat kürzlich neues Interesse geweckt. Siehe dazu George Mosse, Das Bild des Mannes (Frankfurt am Main 1997); Paul Higate, Military Masculinities. Identity and the State (Westport 2003); und schließlich R. Claire Snyder, Citizen-Soldiers and Manly Warriors. Military Service and Gender in the Civic Republican Tradition (Lanham 1999).
Querverweise
Den Krieg denken45
Die Söldner*innen, outgesourcte Soldat*innen95
Nie wieder Krieg!203
Die Mythen des britischen Imperialismus216
Die »Fabrikation« von Soldat*innen301
Die Freiwilligen350
Ist der Krieg reine Männersache?369
Bedarf an Held*innen408
1Dekret des Nationalkonvents vom 23. August 1793, zit. n. Théophile Lavée, Histoire des Français, Bd. 2, Paris 1845, S. 445.
2Zit. n. Annales historiques de la révolution française 27, 1955, S. 131.
3Brief General Lees an James Bowdoin, 30. November 1776, in: Peter Force (Hg.), American Archives, Fifth Series, Bd. 3, Washington 1853, S. 934.
4Zit. n. Debates and Proceedings in the Convention of the Commonwealth of Massachusetts Held in the Year 1788, Boston, 1856, S. 376.
5William B. Skelton, »Samuel P. Huntington and the Roots of the American Military Tradition«, zit. n. Michael S. Neiberg, Making Citizen-Soldiers, Cambridge, MA u. a. 2000, S. 3.
Christopher Kinsey
Die Söldner*innen, outgesourcte Soldat*innen
Im 21. Jahrhundert akzeptieren die demokratischen Gesellschaften immer weniger die Vorstellung, dass ihre Soldat*innen im Kampf getötet werden. Daher greifen sie auf Söldner*innen zurück, die für finanzielle Vergütung bereitwillig ihre Dienste anbieten.
Am 16. September 2007 verübten Mitglieder des für das US-Außenministerium arbeitenden Sicherheitsunternehmens Blackwater, die einen Konvoi der amerikanischen Botschaft eskortierten, ein Massaker an siebzehn irakischen Zivilist*innen auf dem Nisour-Platz in Bagdad. Panzerbrechende Munition und Dutzende Kugeln wurden innerhalb von Sekunden auf Fahrzeuge abgefeuert, die keine ernsthafte Bedrohung darstellten. Der Angriff wurde international massiv verurteilt und erweckte das Bild des Wandersöldners zu neuem Leben, der in den 1960er und 1970er Jahren Afrika heimgesucht hatte. Doch die Lage hat sich seit der Zeit des Kalten Krieges deutlich gewandelt. Im Gefolge der Anschläge vom 11. September 2001 und mit den amerikanischen Interventionen im Irak und in Afghanistan ist eine neue Generation postmoderner Söldner*innen entstanden. Im Folgenden wird die Entwicklung der Rolle der Söldner*innen seit den 1960er Jahren, insbesondere in Afrika und im Nahen Osten, untersucht, um anhand dessen einige praktische Fragen zu erörtern, die im Zentrum der heutigen Debatten um ihren Einsatz stehen. Welche Art Soldat*innen sind die Söldner*innen? Was motiviert sie zu kämpfen und wie werden sie rekrutiert? Warum verlassen sich die Staaten auf sie und wie sind die kontrastierenden Reaktionen, die sie hervorrufen, zu erklären?
Die Exzesse des Colonel Callan in Angola
Treffen wir zunächst eine Unterscheidung zwischen Berufssoldat*innen und denjenigen, die gelegentlich auch als »Wandersöldner« bezeichnet werden, also beispielsweise zwischen den Söldnern, die in den 1960er Jahren im Jemen kämpften, professionelle Soldaten, die von Geld, Politik und Abenteuer angetrieben waren, und jenen, die zur gleichen Zeit im Kongo kämpften und die im Grunde Kleinkriminelle waren, die vom Krieg nicht viel verstanden.
Die 1962–1967 im Jemen durchgeführte Operation ist ein gutes Beispiel dafür, was eine kleine Gruppe gut ausgebildeter ehemaliger Soldaten, in diesem Fall achtundvierzig an der Zahl, darunter dreißig Franzosen und Belgier und achtzehn Briten, in einem Bürgerkrieg bewirken kann. Der Konflikt brach im September 1962 infolge des Staatsstreichs Abdullah as-Sallals gegen den König Muhammad al-Badr aus, der gezwungen war, nach Saudi-Arabien ins Exil zu gehen. Unterstützt wurden die zwei Lager – die republikanischen Kräfte der Jemenitischen Arabischen Republik und die royalistischen Kräfte – auf der einen Seite von Nassers Ägypten und der UdSSR, die Jagdflugzeuge und Bomber bereitstellte, und auf der anderen Seite von Saudi-Arabien und den Westmächten, vor allem Frankreich und Großbritannien. Schnell blieb der Konflikt in einem Abnutzungskrieg stecken (1965–1967), in dem das ägyptische Militär nicht davor zurückscheute, chemische Waffen, vorzugsweise »Senfgas«, einzusetzen. Die royalistischen Truppen belagerten die Hauptstadt Sanaa von November 1967 bis Februar 1968, ohne dass es ihnen gelang, sie einzunehmen. Als Saudi-Arabien und die Westmächte 1970 schließlich die republikanische Regierung anerkannten, hatte der Konflikt je nach Schätzung zwischen 100 000 und 200 000 Menschenleben gekostet.
Die britische Regierung stritt, während die Söldneroperation stattfand, jegliche Kenntnis ab, obwohl mehrere ihrer Minister in die Organisation eingebunden gewesen waren. Die Rolle der westlichen Söldner bestand darin, die Kommandeure der Royalisten zu beraten, ihre Truppen zu trainieren und die Funkgeräte zum Laufen zu bringen, die zur Koordinierung der Angriffe gegen die republikanischen und ägyptischen Kräfte eingesetzt wurden. Diese Männer erwiesen sich unter dem Strich als hochprofessionell, wenngleich es ihnen auch nicht gelang, die jemenitische Monarchie, die direkt nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden war, wiederherzustellen.
In Kongo-Kinshasa hingegen scheint keine europäische Regierung wirkliche Kontrolle über die dort aktiven Söldner gehabt zu haben, deren Exzesse übrigens bald zur Folge hatten, dass diese Profession in den Augen der Öffentlichkeit nachhaltig diskreditiert war. In diesem vor dem Hintergrund des Kalten Krieges stattfindenen Konflikt sammelten sich die Söldner, darunter die Männer Bob Denards, um die katangische Sezessionsbewegung Moïse Tschombés gegen die kongolesische Regierung, die von Streitkräften der Vereinten Nationen unterstützt wurde. Später, in einem dieser in Afrika so häufigen politischen Umschwünge, engagierte Tschombé dieselben Männer, um ihm, nachdem er im Juli 1964 Premierminister des Kongo geworden war, bei der Unterdrückung der Simba-Rebellion zu helfen.
Selbst nach dem Abzug weißer Söldner aus dem Kongo 1967 blieb Afrika zahlreichen Übergriffen ausgeliefert. Die Operation, die es in dieser Zeit zu traurigster Berühmtheit brachte, war der Einsatz in Angola, bei dem Holden Roberto und die Frente Nacional de Libertação de Angola (FNLA) 1975 britische Söldner anheuerten, um gegen die von der Sowjetunion unterstützte Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA) zu kämpfen. Der Anführer der Söldnertruppe, der aus Zypern stammende Brite Costas Georgiou, mit Kampfnamen »Colonel Callan«, ließ vierzehn seiner eigenen Männer wegen Rebellion hinrichten. Die internationale Gemeinschaft begann daraufhin nach Wegen zu suchen, das Söldnertum mittels internationaler Übereinkommen zu verbieten, obwohl bestimmte Staaten sich entschieden dagegen wandten, weil sie einen solchen Ansatz als unrealistisch erachteten. Anfang der 1970er Jahre tauchte eine neue Bedrohung in Form des internationalen Terrorismus auf. Die neue Generation von Söldner*innen hütete sich, die Fehler ihrer Vorgänger, die die Interessen der Staaten ignoriert hatten, zu wiederholen. Diese Interessen wurden selbst zu ihrer Daseinsberechtigung.