Kitabı oku: «Grundrechte», sayfa 11
bb) Folgen des umfassenden Begriffsverständnisses
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Der weite sachliche Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG hat vor allem zwei Folgen:[13]
1. | Art. 2 Abs. 1 GG ist gegenüber den speziellen Freiheitsrechten ein Auffanggrundrecht. Soweit der sachliche (und persönliche) Schutzbereich eines speziellen Freiheitsrechts eröffnet ist, tritt die allgemeine Handlungsfreiheit hinter diesem speziellen Freiheitsrecht zurück.[14] Art. 2 Abs. 1 GG ist somit nur subsidiär anwendbar. |
Beispiel 1
Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG garantiert. Im Anwendungsbereich dieser speziellen grundrechtlichen Verbürgung tritt das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG zurück.
Beispiel 2
Art. 11 Abs. 1 GG schützt die Einreise in das Bundesgebiet. Die Ausreise aus dem Bundesgebiet wird nicht von Art. 11 Abs. 1 GG, wohl aber von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet.[15] Art. 2 Abs. 1 GG ist hier ausnahmsweise nicht subsidiär.
Beispiel 3[16]
Gesetzliche Bestimmungen, die die Ausgestaltung der Arbeitsbeziehungen regeln, sind an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Die allgemeine Handlungsfreiheit gewährleistet allgemein die Vertragsfreiheit. Wenn die Vertragsfreiheit aber gerade im Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen Betätigung durch eine hoheitliche Maßnahme betroffen ist, ist Art. 12 Abs. 1 GG als lex specialis Prüfungsmaßstab und tritt Art. 2 Abs. 1 GG als nur subsidiäres Freiheitsrecht hinter Art. 12 Abs. 1 GG zurück.
JURIQ-Klausurtipp
Wegen der Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG beginnen Sie ihre Grundrechtsprüfung mit den speziellen Freiheitsrechten. Soweit der (sachliche und persönliche) Schutzbereich auch nur eines speziellen Freiheitsrechts eröffnet ist, tritt Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich dahinter zurück. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie den subsidiären Art. 2 Abs. 1 GG völlig unerwähnt lassen. Nach der Prüfung des speziellen Freiheitsrechts nennen Sie als weiteres mögliches verletztes Freiheitsrecht Art. 2 Abs. 1 GG und verneinen eine Verletzung dieses Grundrechts unter Hinweis auf seine nur subsidiäre Anwendbarkeit.
2. | Wegen seiner Funktion als Auffanggrundrecht und seiner großzügigen Schranken kann unter Berufung auf eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG im Wege der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG letztlich jede belastende Maßnahme der öffentlichen Gewalt angegriffen werden. Diese Folge ist v.a. in der Praxis von erheblicher Bedeutung, denn auf diesem Wege kann die Verfassungsbeschwerde z.B. auch darauf gestützt werden, dass eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt in formeller Hinsicht (z.B. Zuständigkeit, Verfahren, Form) zu beanstanden ist (s.u. Rn. 764). Diese Maßnahme ist dann nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung (s.u. Rn. 214). |
b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht
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Als Teilbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht richterrechtlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht entwickelt. Es wird auf Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gestützt. Die Wurzeln des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen in Art. 2 Abs. 1 GG, weil es – wie die allgemeine Handlungsfreiheit – in allen Lebensbereichen relevant ist. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht steht aber auch in Verbindung zur Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, weil es – wie dieses – den Menschen in seiner Qualität als Subjekt schützt.[17]
Hinweis
Unterscheiden Sie vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht als grundrechtliche Gewährleistung das allgemeine Persönlichkeitsrecht im BGB, das als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anerkannt ist und für dessen Verletzung entgegen § 253 BGB Entschädigung in Geld verlangt werden kann.[18]
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Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen, namentlich auch im Hinblick auf moderne Entwicklungen und die mit ihnen verbundenen neuen Gefährdungen für den Schutz der menschlichen Persönlichkeit.[19] Mittlerweile gibt es vier verschiedene Arten geschützter Entfaltungsweisen des Einzelnen: das Selbstbestimmungsrecht, das Selbstbewahrungsrecht, das Selbstdarstellungsrecht und das sog. Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.[20]
aa) Selbstbestimmungsrecht
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Als Selbstbestimmungsrecht gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Grundrechtsberechtigten, seine Identität selbst zu bestimmen. Hierzu gehört u.a. das Recht, sich der eigenen Identität zu vergewissern; ferner gehört hierzu die Freiheit, nicht in einer Weise belastet zu werden, die die Identitätsbildung und -behauptung massiv beeinträchtigt.
Beispiele
Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung;[21] Bestimmung der eigenen Fortpflanzung;[22] Recht auf selbstbestimmte Sexualität;[23] Recht auf sexuelle Selbstbestimmung;[24] Recht auf einen der Sexualität entsprechenden Personenstand[25] und Vornamen[26] sowie auf Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft;[27] Recht auf geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen;[28] Recht des Vaters auf Kenntnis, ob ein rechtlich ihm zugeordnetes Kind tatsächlich von ihm abstammt;[29] Recht eines Strafgefangenen auf Förderung seiner sozialen Integration.[30]
bb) Selbstbewahrungsrecht
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Als Selbstbewahrungsrecht gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Grundrechtsberechtigten, für sich und allein zu bleiben. Als Selbstbewahrungsrecht sind das Recht auf Rückzug und Abschirmung in erster Linie sozial, aber auch räumlich zu verstehen.
Beispiele
Schutz von Krankenakten;[31] Vertraulichkeit von Tagebüchern;[32] Verweigerung des Umgangs mit den eigenen Kindern;[33] Rückzug an abgeschiedene Orte;[34] dauerhafte polizeiliche Observation.[35]
cc) Selbstdarstellungsrecht
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Als Selbstdarstellungsrecht gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Grundrechtsberechtigten, herabsetzender, verfälschender, entstellender und unerbetener öffentlicher Darstellung, aber auch unerbetener heimlicher Wahrnehmungen seiner Person entgegenzutreten.
Beispiele
Schutz der persönlichen Ehre;[36] dazu gehört Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken;[37] Recht am eigenen Bild[38] und Wort;[39] dazu gehört Schutz vor einem heimlichen Mit- oder Abhören und Aufnehmen;[40] Schutz vor technischen Manipulationen;[41] Recht auf Gegendarstellung[42] und Berichtigung;[43] rechtliche Beurteilung von mehrdeutigen Meinungsäußerungen;[44] Anforderungen an die Wiedergabe von Zitaten.[45]
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In Anknüpfung an das Recht auf Selbstdarstellung hat das Bundesverfassungsgericht ein umfassendes Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt.[46] Dieses Recht folgt aus der dem Selbstbestimmungsgedanken entspringenden Befugnis des Einzelnen, „grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“.[47] Das informationelle Selbstbestimmungsrecht enthält sowohl ein Recht auf Abwehr staatlicher Datenerhebungen und -verarbeitungen als auch ein Recht auf deren Kenntnis.[48]
Beispiele
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist z.B. in folgenden Zusammenhängen relevant geworden: bei der offenen Videoüberwachung öffentlicher Orte;[49] bei dem Zugriff auf personenbezogene Verbindungsdaten nach Abschluss des Telekommunikationsvorgangs;[50] bei der automatisierten Kennzeichenerfassung;[51] bei einer präventiven polizeilichen Rasterfahndung nach islamischen Terroristen;[52] bei der Bewertung von Lehrern im Internet (www.spickmich.de);[53] bei der Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu ihren Anschlussinhabern;[54] bei der Errichtung einer Antiterrordatei;[55] bei der Speicherung von Daten für behördliche Aufgabenerfüllung;[56] bei der Identitätsfeststellung bei Versammlungen.[57]
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Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stellt ein Auffangrecht dar. Es stellt den informationsbezogenen Umgang der öffentlichen Gewalt mit den Bürgern umfassend unter einen Rechtfertigungszwang. Dies hat eine umfangreiche informations- und datenschutzrechtliche Gesetzgebung ausgelöst.[58]
dd) Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
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Als eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrachtet das Bundesverfassungsgericht das „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.[59] Diese Ausprägung und Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2008 neu geschaffen. Das Bundesverfassungsgericht sah sich zu der Entwicklung einer weiteren Fallgruppe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts veranlasst, weil nach seiner Auffassung die bisher anerkannten Gewährleistungen zur Sicherung und Bewahrung der Privatheit des Einzelnen[60] nicht ausreichen, um die Persönlichkeit des Einzelnen beim Umgang mit informationstechnischen Systemen, in denen persönliche Verhältnisse, soziale Kontakte und ausgeübte Tätigkeiten der Nutzer enthalten sind (z.B. Personalcomputer, Laptops, Tablets, Smartphones etc.), insgesamt umfassend zu schützen. Der Einzelne sei bei diesen Systemen der Gefahr einer heimlichen Infiltration ausgesetzt.
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Die neu entwickelte Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistet zweierlei: zum einen (und vor allem) Vertraulichkeitsschutz, indem das Interesse des Nutzers daran geschützt wird, dass die Erwartung hinsichtlich der Nutzung eines informationstechnischen Systems, das vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst wird, nicht enttäuscht wird und die vom System erzeugten, verarbeiteten und gespeicherten Daten vertraulich bleiben;[61] zum anderen Integritätsschutz, indem das Interesse des Nutzers daran geschützt wird, dass auch die Integrität des Systems gewahrt bleibt und dieses nicht beschädigt wird, Datenbestände nicht manipuliert werden und auf das System nicht so zugegriffen wird, dass dessen Leistungen, Funktionen und Speicherinhalte durch Dritte genutzt werden können.[62]
2. Persönlicher Schutzbereich
a) Allgemeine Handlungsfreiheit
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Nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG hat „jeder“ ein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Bei dem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit handelt es sich somit um ein Jedermann-Grundrecht. Demgemäß können sich zunächst alle lebenden[63] natürlichen Personen auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen.[64] Dazu gehören daher z.B. auch Kinder, Behinderte und Geisteskranke. Als Jedermann-Grundrecht steht Art. 2 Abs. 1 GG auch Ausländern zu.[65] Besondere Bedeutung hat dies im Bereich der Deutschengrundrechte (dazu bereits oben Rn. 103 ff.).
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Neben natürlichen Personen können sich auch juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG auf die allgemeine Handlungsfreiheit berufen.[66] Dies gilt insbesondere dann, wenn sachbezogene Entfaltungsmöglichkeiten in Rede stehen. Dazu gehört etwa der Schutz vor Zwangsmitgliedschaften oder der Schutz der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit.
b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht
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In den persönlichen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen alle natürlichen Personen.
Ob und ggf. inwieweit sich juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können, ist noch nicht abschließend geklärt.[67] Zivilrechtlich erkennt der Bundesgerichtshof ihnen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.[68] Das Bundesverfassungsgericht hat ihnen das Recht am gesprochenen Wort zuerkannt.[69] Auf verfassungsrechtlicher Ebene scheidet eine einheitliche Beantwortung der Frage ohnehin aus, weil wegen der vielfältigen Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine generelle, einheitliche Antwort nicht möglich ist. Gewisse Schutzwirkungen wie z.B. das Recht am eigenen Bild oder der Anspruch auf Resozialisierung können juristischen Personen jedenfalls wesensmäßig nicht zustehen.
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In der Fallbearbeitung sollten Sie daher zunächst darauf hinweisen, dass die Frage der Anwendbarkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf juristische Personen i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG ungeklärt ist, und sich sodann je nach den gegebenen Umständen im Einzelfall für oder gegen einen grundrechtlichen Schutz entscheiden. Hier wird es weniger auf Ihr Ergebnis, als vielmehr auf Ihre Argumentation ankommen!
3. Teil Freiheitsrechte › B. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) › III. Eingriff in den Schutzbereich
III. Eingriff in den Schutzbereich
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Ist der Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet, prüfen Sie in zwei Schritten, ob ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt:
1. Allgemeine Handlungsfreiheit
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Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit liegt unproblematisch vor, wenn es sich um einen Eingriff i.S.d. klassischen Eingriffsbegriffs (s.o. Rn. 121) handelt.
Beispiel
Die Stadt K hat kürzlich eine Satzung erlassen, nach der das Füttern von Enten im öffentlichen Gelände verboten ist und als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. O schert sich nicht um dieses Verbot und füttert weiterhin jeden Morgen „ihre“ Enten im städtischen Weiher. Dies bemerken Mitarbeiter des Ordnungsamtes, verbieten ihr das Füttern und verhängen ein Bußgeld in Höhe von 25 €. – Da das hobbymäßig betriebene Füttern von Enten nicht unter ein spezielles Freiheitsrecht subsumiert werden kann, ist der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit eröffnet. Das Verbot und die Verhängung des Bußgeldes (jeweils ein Verwaltungsakt) stellen klassische Eingriffe dar, denn bei ihnen handelt es sich um Eingriffe, die final, unmittelbar, durch Rechtsakt und mit Befehl und Zwang gegenüber O angeordnet bzw. durchgesetzt werden.
205
Umstritten ist aber, ob auch Eingriffe i.S.d. neuen Eingriffsbegriffs (s.o. Rn. 122 ff.) die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigen.
Beispiel
K, ein passionierter Radfahrer, fühlt sich durch die staatliche Zulassung von Pkws in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt.
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Nach wohl überwiegender Ansicht schützt die allgemeine Handlungsfreiheit grundsätzlich nicht gegen Eingriffe i.S.d. neuen Eingriffsbegriffs. Zur Begründung beruft sich diese Ansicht darauf, dass andernfalls die Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, ausufern würde. Um dieser Gefahr zu begegnen, plädiert diese Ansicht dafür, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nur dann zu bejahen, wenn eine rechtliche (nicht faktische!) Maßnahme vorliegt, die gegenüber dem betroffenen Einzelnen (nicht gegenüber einem Dritten!) ergeht.[70] In unserem Beispiel oben (Rn. 205) bedeutet dies, dass die Zulassung von Pkws zwar eine rechtliche Maßnahme darstellt, diese aber nicht gegenüber K ergeht. Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des K aus Art. 2 Abs. 1 GG liegt demnach nicht vor.
2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
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Beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist anerkannt, dass alle beeinträchtigenden staatlichen Maßnahmen Eingriffe darstellen. Im Gegensatz zur allgemeinen Handlungsfreiheit erfolgen hier die meisten Eingriffe durch faktische Beeinträchtigungen. Faktische Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind z.B. die Erhebung, die Speicherung und die Weitergabe von personenbezogenen Daten. Ein klassischer Eingriff liegt dagegen etwa in der staatlichen Anordnung, Schuluniformen zu tragen; hier wird das Recht der Selbstdarstellung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beeinträchtigt.
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In das vom Bundesverfassungsgericht neu geschaffene Grundrecht auf „Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ kann die öffentliche Gewalt sowohl aus präventiven als auch aus repressiven Gründen eingreifen.[71]
3. Grundrechtsverzicht
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Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht liegt nicht vor, wenn der Grundrechtsberechtigte im konkreten Fall auf seinen grundrechtlichen Schutz verzichtet hat, also in den Eingriff eingewilligt hat.
Beispiel
Die vierte Ehe des prominenten Ex-Sportlers D ist schon nach wenigen Wochen zerbrochen. D verkauft die „Story“ exklusiv an einen privaten deutschen TV-Sender.
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In unserem Beispiel gilt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht unmittelbar, weil der private deutsche TV-Sender nicht grundrechtsverpflichtet ist. Die Grundrechte binden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG nur die öffentliche Gewalt als unmittelbar geltendes Recht. In das Verhältnis zwischen dem privaten deutschen TV-Sender und D strahlt das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber über die zivilrechtlichen Generalklauseln aus (Ausstrahlungswirkung!). Da D mit der Vermarktung seiner „Story“ einverstanden ist, verzichtet er insoweit auf den Schutz, den ihm das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Recht der Selbstdarstellung) an sich gewähren würde.
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Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Grundrechtsberechtigte unter Druck oder in einer Zwangslage gehandelt hat oder wenn die Veröffentlichung in einer Form erfolgt, die durch die Einwilligung nicht gedeckt ist.[72] – Erklärt sich D in unserem Beispiel oben (Rn. 209) nur deshalb mit der Vermarktung seiner „Story“ einverstanden, weil ihm zuvor damit gedroht wurde, ansonsten pikante private Fotos zu veröffentlichen, genießt er den Schutz des Rechts der Selbstdarstellung, da ein wirksamer Grundrechtsverzicht nicht vorliegt.
3. Teil Freiheitsrechte › B. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) › IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
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Liegt ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG vor, untersuchen Sie nun in zwei Schritten, ob der Grundrechtseingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.
1. Beschränkbarkeit (Schranken)
a) Überblick
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Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG steht unter Schrankenvorbehalten, die sowohl für die allgemeine Handlungsfreiheit als auch für das allgemeine Persönlichkeitsrecht gelten.[73] Als Schrankenvorbehalte nennt Art. 2 Abs. 1 GG die „verfassungsmäßige Ordnung“, die „Rechte anderer“ und das „Sittengesetz“ (sog. „Schrankentrias“).[74]
b) Verfassungsmäßige Ordnung
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Verfassungsmäßige Ordnung bedeutet verfassungsmäßige Rechtsordnung, d.h. die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen.
Die verfassungsmäßige Ordnung bildet in der Praxis – und damit auch in Ihrer Fallbearbeitung – den wichtigsten Schrankenvorbehalt. Bedingt durch die Ausweitung des sachlichen Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 GG (s.o. Rn. 187 ff.), wird der Schrankenvorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung weit gefasst. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „nicht nur die vom Normgeber gesetzten verfassungsmäßigen Vorschriften, sondern auch deren Auslegung durch den Richter und ebenso die im Wege zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung getroffenen Entscheidungen“.[75]