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2. Exekutive als Grundrechtsverpflichtete
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Auch die Exekutive ist gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
a) Der Exekutive zurechenbare Stellen
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Bei der Exekutive ist allerdings problematisch, welche Stellen überhaupt zur vollziehenden Gewalt gehören. Anerkannt ist, dass der Begriff der „vollziehenden Gewalt“ i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG umfassend zu verstehen ist. Dass hierzu nicht nur die Verwaltung im eigentlichen Sinne gehört, ergibt sich daraus, dass Art. 1 Abs. 3 GG in seiner ursprünglichen Fassung nicht von vollziehender Gewalt, sondern (nur) von „Verwaltung“ sprach. Erst im Jahre 1956 wurde der Begriff der Verwaltung durch den Terminus „vollziehende Gewalt“ ersetzt. Nach dem Willen des verfassungändernden Gesetzgebers sollte hierdurch der Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 3 GG insbesondere auf die neu geschaffene Bundeswehr erstreckt werden.
Beispiele
Vollziehende Gewalt i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG sind daher insbesondere: Verwaltung im engeren Sinne, Regierung, Bundeswehr, Beliehene, Verwaltungshelfer, Träger der mittelbaren Staatsverwaltung wie etwa Gemeinden, Kreise, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. staatliche Hochschulen), Anstalten (z.B. öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten), auch in Sonderrechtsverhältnissen (z.B. Beamten-, Schul-, Strafgefangenenverhältnis). Die Kirchen gehören zur vollziehenden Gewalt nur, soweit sie hoheitliche Gewalt ausüben (z.B. im Friedhofsrecht, Kirchensteuerrecht, Ersatzschulrecht); im rein innerkirchlichem Bereich (z.B. Ämterhoheit der Kirchen) ist die Kirche dagegen nicht grundrechtsverpflichtet.
b) Formen exekutiven Handelns
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Ein anderes Problem stellt sich insoweit, als die Exekutive ihre Aufgaben in vielfältigen Formen wahrnimmt, denn sie ist nicht stets verpflichtet, in öffentlich-rechtlicher Form zu handeln. Vielmehr hat sie in bestimmten Fällen ein Wahlrecht. Damit stellt sich die Frage, ob die Exekutive unabhängig von der Form ihres Handelns immer an die Grundrechte gebunden ist.
aa) Öffentlich-rechtliche Formen
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Sofern die Exekutive bei der Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben öffentlich-rechtlich handelt (z.B. beim Erlass von Verwaltungsakten, Rechtsverordnungen oder Satzungen), ist sie unstreitig gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
bb) Privatrechtliche Formen
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Sofern die Exekutive privatrechtlich handelt, sind drei Handlungsformen zu unterscheiden: das Verwaltungsprivatrecht, die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung und die privatrechtlichen Hilfsgeschäfte der Verwaltung.[53]
(1) Verwaltungsprivatrecht
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Verwaltungsprivatrecht liegt vor, wenn ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger unmittelbar hoheitliche Aufgaben in privatrechtlicher Form erfüllt.
Beim Verwaltungsprivatrecht hat die Exekutive grundsätzlich die Wahl sowohl hinsichtlich der Organisationsform ihres Handelns (öffentlich-rechtlich organisierter Eigen- oder Regiebetrieb; AG, GmbH) als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistungs- und Benutzungsverhältnisse (Abschluss privatrechtrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Verträge).[54]
(2) Erwerbswirtschaftliche Betätigung
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Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Exekutive liegt vor, wenn die Exekutive eigene unternehmerische Tätigkeit entfaltet.
Dies ist dann der Fall, wenn sie in unternehmerischer Weise am Wirtschaftverkehr teilnimmt bzw. sich an einem im Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehenden privaten Unternehmen beteiligt.
(3) Hilfsgeschäft
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Ein privatrechtliches Hilfsgeschäft der Exekutive liegt vor, wenn die Exekutive Geschäfte zur Bedarfsdeckung tätigt.
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Es ist inzwischen wohl unstreitig, dass die Exekutive auch dann gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden ist, sofern sie verwaltungsprivatrechtlich, erwerbswirtschaftlich oder hilfsgeschäftlich tätig ist.[55] In allen drei Bereichen privatrechtlichen Handelns gilt jedoch übereinstimmend, dass ein privatrechtliches Unternehmen nur dann an die Grundrechte gebunden ist, wenn die Exekutive mehr als die Hälfte der Anteile an dem privatrechtlichen Unternehmen hält.[56] Andernfalls kann die Bindung an die Grundrechte für die Exekutive nur bedeuten, dass sie ihren rechtlichen Einfluss so ausüben muss, dass durch das privatrechtliche Unternehmen keine Grundrechtsverstöße begangen werden.[57]
c) Sonderstatusverhältnisse
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Grundrechtsverpflichtet ist die Exekutive auch im sog. Sonderstatusverhältnis. Bei einem Sonderstatusverhältnis handelt es sich um eine besondere Beziehung zwischen Bürger und Staat, die über das allgemeine Staats-Bürger-Verhältnis hinausgeht.
Beispiel
Beamte, Strafgefangene, Soldaten und Schüler an öffentlichen Schulen befinden sich in einem solchen Sonderstatusverhältnis.
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Während nach früher herrschender Ansicht in den damals sog. besonderen Gewaltverhältnissen die Grundrechte keine Anwendung fanden, hat nach der grundlegenden Strafgefangenen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[58] ein Umdenken eingesetzt. Seit dieser Entscheidung ist anerkannt, dass die Exekutive auch in den Sonderstatusverhältnissen an die Grundrechte gebunden ist und der rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes hier ebenfalls gilt. Eingriffe in Grundrechte bedürfen daher auch in Sonderstatusverhältnissen einer formell-gesetzlichen Grundlage.[59]
3. Judikative als Grundrechtsverpflichtete
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Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG ist auch die Judikative an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Der Begriff der „Rechtsprechung“ ist im Sinne des Art. 92 GG zu verstehen und erfasst daher alle staatlichen Gerichte.[60] Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist die Bindung der Judikative an die Grundrechte eine Selbstverständlichkeit, denn in gerichtlichen Verfahren treten die Gerichte den Beteiligten gegenüber „formell und in unmittelbarer Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt“ auf.[61] Dementsprechend sind die Gerichte verpflichtet, bei der Anwendung und der Auslegung einfachen Rechts die Grundrechte zu beachten, insbesondere haben sie bei der Anwendung und der Auslegung privatrechtlicher Normen die Ausstrahlungswirkung bzw. die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte zu berücksichtigen.
Hinweis
Ob die Judikative ihre Grundrechtsbindung hinreichend beachtet hat, kann Gegenstand einer Urteilsverfassungsbeschwerde sein (s.u. Rn. 732).
Sittenwidrige Bürgschaftsverträge gehören im Zivilrecht zum Pflichtwissen im Examen. Nutzen Sie die Gelegenheit, um diese Problempunkte zu wiederholen!
Beispiel
T ist weitgehend vermögenslos. Als Arbeiter in einer Tuchfabrik verdient er lediglich knapp 700 € netto im Monat. Sonstiges Vermögen besitzt er nicht. Sein Vater V ist Immobilienmakler. Er möchte seinen Kreditrahmen bei der Sparkasse um einige hunderttausend Euro erhöhen. Die Sparkasse ist hierzu bereit, verlangt jedoch eine Bürgschaftserklärung des T, die dieser abgibt. Später wird T aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. T hält die Bürgschaftserklärung nach den gegebenen Umständen für sittenwidrig und erhebt Klage vor dem zuständigen Zivilgericht. – Ob die Bürgschaftserklärung des T sittenwidrig ist, hat das Zivilgericht anhand der zivilrechtlichen Generalklausel des § 138 BGB zu beurteilen. Bei der Anwendung und der Auslegung des § 138 BGB muss das Gericht die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte (hier insbesondere des Grundrechts auf Privatautonomie aus Art. 2 Abs. 1 GG) beachten. Wenn das Gericht zur Überzeugung gelangen sollte, dass es sich bei der Bürgschaftserklärung des T, die einen einseitig verpflichtenden Vertrag darstellt, um einen Vertrag handelt, der einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belastet und das Ergebnis von „strukturell ungleicher Verhandlungsstärke“ ist, ist das Gericht zur Überprüfung des Bürgschaftsvertrages verpflichtet.
Anmerkungen
[1]
Vgl. nur BVerfGE 27, 297. Hierzu Sachs Verfassungsrecht II – Grundrechte I 4 Rn. 4 ff.
[2]
Vgl. zur Vertiefung speziell für Nordrhein-Westfalen Dietlein/Hellermann-Dietlein § 1 Rn. 21 ff.; länderübergreifend Wermeckes Der erweiterte Grundrechtsschutz in den Landesverfassungen.
[3]
Vgl. BVerfGE 2, 237.
[4]
Vgl. auch Hufen Staatsrecht II § 4 Rn. 8.
[5]
Vgl. BVerfGE 84, 212.
[6]
Vgl. BVerfGE 96, 345.
[7]
Vgl. Hufen Staatsrecht II § 4 Rn. 4 („Gesetze nur im Rahmen grundrechtlicher Freiheit“).
[8]
Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 2.
[9]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 95 ff.
[10]
Vgl. Ipsen Staatsrecht II Rn. 71.
[11]
Seit BVerfGE 5, 85.
[12]
Vgl. Hufen Staatsrecht II § 5 Rn. 3.
[13]
Vgl. BVerfGE 49, 89 – Kalkar.
[14]
Vgl. BVerfGE 7, 198 – Lüth.
[15]
Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 3.
[16]
In NRW gilt – mangels eines eigenen Landesgaststättengesetzes – das Gaststättengesetz (GastG) des Bundes i.d.F. der Bekanntmachung vom 20.11.1998 (BGBl. I, S. 3418 mit Änderungen).
[17]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 97.
[18]
Vgl. Ipsen Staatsrecht II Rn. 92.
[19]
Vgl. BVerfGE 75, 40.
[20]
Vgl. BVerfGE 33, 303 – Numerus clausus.
[21]
Vgl. BVerfGE 33, 303 – Numerus clausus.
[22]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 160.
[23]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 155.
[24]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 97.
[25]
Vgl. BVerfGE 33, 303 – Numerus clausus.
[26]
Vgl. auch BVerfGE 147, 253 – Numerus clausus Humanmedizin.
[27]
Vgl. BVerfGE 75, 40.
[28]
Vgl. BVerfGE 6, 55.
[29]
Vgl. BVerfGE 24, 367.
[30]
Vgl. BVerfGE 93, 165.
[31]
Vgl. Manssen Staatsrecht II Rn. 48.
[32]
Vgl. BVerfGE 20, 162 – Spiegel.
[33]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 105.
[34]
Vgl. Manssen Staatsrecht II Rn. 50.
[35]
Vgl. Hufen Staatsrecht II § 5 Rn. 5.
[36]
Vgl. BVerfGE 39, 1; 88, 203 – Abtreibungsurteile.
[37]
Vgl. etwa BVerfGE 49, 89 – Kalkar; 53, 30 – Mülheim-Kärlich; 77, 381; BVerfGK 14, 402.
[38]
Vgl. Manssen Staatsrecht II Rn. 50.
[39]
Vgl. BVerfGE 46, 106 – Schleyer.
[40]
Vgl. VG Neustadt/Wstr. NVwZ 1993, 98.
[41]
Vgl. BVerwG NJW 1982, 664.
[42]
Herkömmlich als grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts angesehen: BVerfGE 7, 198 – Lüth; abl. aber Manssen Staatsrecht II Rn. 127 f. Vgl. zur Ausstrahlungswirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes in das Privatrecht BVerfG NJW 2018, 813 – Stadionverbot.
[43]
Vgl. BGH NJW 2006, 362.
[44]
Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 12.
[45]
Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass Vorb. vor Art. 1 Rn. 12.
[46]
Vgl. BVerfGE 63, 131.
[47]
BVerfGE 53, 30 – Mülheim-Kärlich.
[48]
Vgl. BVerfGE 35, 79 – Niedersächsisches Hochschulgesetz.
[49]
Vgl. BVerfGE 33, 303 – Numerus clausus.
[50]
Nach BVerfGK 5, 135.
[51]
Vgl. BVerfGE 85, 360.
[52]
Vgl. BVerfGE 66, 39; hierzu näher Manssen Staatsrecht II Rn. 94 ff.
[53]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 234.
[54]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 234.
[55]
Vgl. BVerfG (K) NJW 2016, 3153; BGH NJW 2015, 2892 (anders noch BGHZ 154,146); Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 235; Sodan/Ziekow-Sodan Grundkurs Öffentliches Recht § 23 Rn. 1; Hufen Staatsrecht II § 7 Rn. 11.
[56]
Vgl. BVerfGE 128, 226.
[57]
Vgl. Kingreen/Poscher Grundrechte Rn. 235.
[58]
BVerfGE 33,1 – Strafgefangene.
[59]
Vgl. Manssen Staatsrecht II Rn. 107.
[60]
Vgl. Jarass/Pieroth-Pieroth Art. 92 Rn. 2 ff. (6).
[61]
Vgl. BVerfGE 52, 203.
2. Teil Grundlagen › B. Grundrechte als Freiheitsrechte in der Fallbearbeitung
B. Grundrechte als Freiheitsrechte in der Fallbearbeitung
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Verletzung von Freiheitsrechten durch ein formelles Gesetz oder durch eine Maßnahme der Exekutive oder Judikative
I.Eröffnung des Schutzbereichs
1.Sachlicher Schutzbereich
2.Persönlicher Schutzbereich
a)Grundrechtsfähigkeit
aa)Begriff
bb)Grundrechtsfähige Personen
(1)Natürliche Personen
(a)Dauer der Grundrechtsfähigkeit
(b)Personenmehrheiten
PersonenmehrheitenRn. 81 f.
(2)Juristische Personen des Privatrechts
(3)Juristische Personen des öffentlichen Rechts
(a)Grundsatz
(b)Ausnahmen
(aa)Justizgrundrechte
(bb)Juristische Personen des öffentlichen Rechts im formellen Sinne
(cc)Grundrechtsdienende juristische Personen des öffentlichen Rechts
LandesmedienanstaltenRn. 98
b)Grundrechtsberechtigung
aa)Jedermann-Grundrechte
bb)Persönlich beschränkte Grundrechte
(1)Deutschen-Grundrechte
Staatenlose und Nicht-EU-AusländerRn. 104
EU-AusländerRn. 105
(2)Weitere Grundrechte
c)Grundrechtsmündigkeit
MinderjährigeRn. 110
3.Grundrechtskonkurrenz
a)Begriff
b)Grundsatz
aa)Grundrechtskonkurrenz innerhalb der Freiheitsrechte
bb)Exkurs: Grundrechtskonkurrenz innerhalb der Gleichheitsrechte
cc)Grundrechtskonkurrenz im Verhältnis zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten
c)Ausnahme
II.Eingriff in den Schutzbereich des Freiheitsrechts
1.Vorliegen eines Eingriffs
a)Klassischer Eingriffsbegriff
b)Neuer Eingriffsbegriff
c)Besonderheit: Grundrechte mit normgeprägtem Schutzbereich und Grundrechte unter Regelungsvorbehalt
2.Grundrechtsverzicht
III.Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
1.Freiheitsrechte unter Gesetzesvorbehalt
a)Beschränkbarkeit des Freiheitsrechts („Schranke“)
aa)Einfacher Gesetzesvorbehalt
bb)Qualifizierter Gesetzesvorbehalt
b)Verfassungsrechtliche Grenzen der Beschränkung des Freiheitsrechts („Schranken-Schranken“)
(Formelle und materielle) Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, insbesondere – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Welche Gesetzeszwecke dürfen berücksichtigt werden?Rn. 144
– Wesensgehalt
Ermittlung des WesensgehaltsRn. 150 ff.
c)Grundrechtsverwirkung
2.Vorbehaltlos gewährleistete Freiheitsrechte
3.Maßnahme der Exekutive oder Judikative
a)Grundrechtsschranke
b)Verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage für die Maßnahme der Exekutive oder Judikative
c)Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme der Exekutive oder Judikative
aa)Verfassungskonforme, vor allem grundrechtskonforme, Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Grundlage
bb)Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Exekutive oder Judikative
cc)Bestimmtheitsgrundsatz
2. Teil Grundlagen › B. Grundrechte als Freiheitsrechte in der Fallbearbeitung › I. Vorbemerkung und Obersatz
I. Vorbemerkung und Obersatz
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Prüfungsschemata zu den Freiheitsrechten gibt es bekanntlich viele. Neben dem dreistufigen Aufbau, der sich durchgesetzt hat[1] und daher auch diesem Skript zugrunde liegt, wird häufig auch ein zweistufiger Aufbau vorgeschlagen. Bei diesem Aufbau werden die Eröffnung des Schutzbereichs und der Eingriff in einem Prüfungspunkt zusammengefasst und als „Eingriff in den Schutzbereich“ überschrieben. Vorgeschlagen wird außerdem ein vierstufiger Aufbau. Bei ihm wird die Prüfung des Übermaßverbotes bzw. der praktischen Konkordanz in einen eigenständigen Prüfungspunkt verlagert. Denken Sie stets daran: Prüfungsschemata sind nur gedankliche Stützen und sollen Ihnen lediglich als Orientierung bei der Fallbearbeitung dienen. Deshalb dürfen Sie in der Fallbearbeitung keinesfalls immer alle Punkte des Prüfungsschemas in der Fallbesprechung ansprechen, sondern nur auf die Punkte (näher) eingehen, die tatsächlich Probleme aufwerfen.
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Bevor Sie in der Fallbearbeitung Ihre eigentliche Prüfung beginnen, müssen Sie vorab klären, welche Freiheitsrechte überhaupt thematisch einschlägig sein könnten. Hierfür ist es notwendig, den Sachverhalt in groben Zügen gedanklich unter die einzelnen Grundrechte zu subsumieren. Behandelt Ihr Fall z.B. eine Versammlung, kommen als möglicherweise einschlägige Freiheitsrechte insbesondere die Grundrechte aus Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. Kommen Sie nach dieser Vorabprüfung zu dem Ergebnis, dass mehrere Grundrechte thematisch einschlägig sein könnten, beginnen Sie Ihre Prüfung grundsätzlich mit dem sachnächsten Freiheitsrecht, im o.g. Beispiel also mit Art. 8 Abs. 1 GG (vgl. zu einer Ausnahme unten Rn. 117). Jedes Freiheitsrecht prüfen Sie danach getrennt nacheinander. In diesem Rahmen werden auch die Grundrechtskonkurrenzen besprochen.
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Jede Grundrechtsprüfung beginnt mit einem Obersatz, der allgemein wie folgt formuliert werden könnte: „Der Hoheitsakt des/der . . . (hier den Hoheitsträger nennen) könnte . . . (hier den/die möglicherweise verletzten Grundrechtsträger nennen) in seinem/ihrem Grundrecht auf . . . aus Art. . . . GG (hier möglicherweise verletztes Freiheitsrecht nennen) verletzen.“
JURIQ-Klausurtipp
Formulieren Sie den Obersatz möglichst präzise. Dies erleichtert nicht nur Ihnen den Einstieg in die Prüfung, sondern dient auch dem Korrektor als Orientierung.
2. Teil Grundlagen › B. Grundrechte als Freiheitsrechte in der Fallbearbeitung › II. Eröffnung des Schutzbereichs des Freiheitsrechts
II. Eröffnung des Schutzbereichs des Freiheitsrechts
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Ihre eigentliche Prüfung beginnen Sie mit der Untersuchung, ob der Schutzbereich des möglicherweise verletzten Freiheitsrechts eröffnet ist. Innerhalb des Schutzbereichs wird herkömmlich zwischen dem sachlichen und dem persönlichen Schutzbereich unterschieden; außerdem können Grundrechtskonkurrenzen relevant werden. Ob der Schutzbereich eines Freiheitsrechts tatsächlich eröffnet ist, prüfen Sie durch Auslegung der thematisch einschlägigen Grundrechte zunächst anhand ihres Wortlauts, danach anhand ihrer systematischen Stellung sowie ihres Sinns und Zwecks; ergänzend können die historische Auslegung und die genetische Auslegung herangezogen werden.
1. Sachlicher Schutzbereich
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Zunächst prüfen Sie, ob der sachliche Schutzbereich des Freiheitsrechts eröffnet ist. Freiheitsrechte schützen Tätigkeiten, Verhaltensweisen, Rechtsgüter etc. Indem Sie ein Freiheitsrecht auslegen, werden Sie erkennen, ob der sachliche Schutzbereich des Grundrechts eröffnet ist. Bei diesem Prüfungspunkt ist es unverzichtbar, die wichtigsten Definitionen der Begriffe, die zum sachlichen Schutzbereich der Freiheitsrechte gehören, zu kennen.
Beispiel
Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt u.a. die freie Meinungsäußerung. Ob der sachliche Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG in einem konkreten Fall eröffnet ist, hängt entscheidend davon ab, ob eine „Meinung“ geäußert wurde.
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Manche Freiheitsrechte enthalten sachliche Begrenzungen des Schutzbereichs, die Sie ebenfalls beachten müssen, weil das Grundrecht in diesem Falle zwar thematisch einschlägig, aber wegen der sachlichen Begrenzung nicht in seinem Schutzbereich eröffnet sein kann.
Beispiel
Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet die Versammlungsfreiheit. Vom sachlichen Schutzbereich erfasst sind jedoch nur solche Versammlungen, die „friedlich und ohne Waffen“ durchgeführt werden. Unfriedliche und bewaffnete Versammlungen fallen daher nicht in den sachlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG. Grundrechtlicher Schutz kann in diesem Falle nur über das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG begehrt werden.
Hinweis
Im Zweifel legen Sie den sachlichen Schutzbereich weit aus. Auch das Bundesverfassungsgericht legt den Schutzbereich im Zweifel extensiv aus, um einen möglichst weit reichenden Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Es gilt also: „In dubio pro libertate“ („im Zweifel zugunsten der Freiheit“).