Kitabı oku: «Grundrechte», sayfa 4
bb) Unterscheidung zwischen institutionellen Garantien und Institutsgarantien
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Herkömmlich wird bei den Einrichtungsgarantien zwischen sog. institutionellen Garantien und sog. Institutsgarantien unterschieden.
(1) Institutionelle Garantien
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Institutionelle Garantien entziehen öffentlich-rechtliche Einrichtungen der Disposition des Gesetzgebers.
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Die institutionellen Garantien beziehen sich auf öffentlich-rechtliche Normenkomplexe.
(2) Institutsgarantien
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Institutsgarantien entziehen privat-rechtliche Einrichtungen der Disposition des Gesetzgebers.
Die Institutsgarantien beziehen sich auf privat-rechtliche Normenkomplexe. Zu den Institutsgarantien gehören z.B. die Ehe und die Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), die elterliche Sorge (Art. 6 Abs. 2 GG), die Privatschule (Art. 7 Abs. 4 GG), das Eigentum und das Erbrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG).
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Umstritten ist, ob Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG das Institut der freien Presse gewährleistet. Die Befürworter, zu denen auch das Bundesverfassungsgericht gehört,[32] vertreten die Auffassung, eine freie Presse, insbesondere eine freie politische Presse, sei ein Wesenselement der modernen Demokratie. Die Presse habe eine „öffentliche Aufgabe“, die keinesfalls von der öffentlichen Gewalt erfüllt werden könne. Mit der Anerkennung des Instituts der freien Presse erhalte diese eine Rechtsstellung in der Verfassung, die ihrer Funktion im demokratischen Staat entspreche. Dem wird aber entgegengehalten, die freie Presse sei weder ein privatrechtliches Institut noch eine öffentlich-rechtliche Institution, sondern ein rein gesellschaftlicher Befund, weshalb Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG kein Institut der freien Presse garantiere.[33]
JURIQ-Klausurtipp
In der Fallbearbeitung kommt es entscheidend darauf an, dass Sie den Meinungsstreit als solchen kennen und ihn fallbezogen darstellen. Welcher Meinung Sie folgen, entscheiden Sie selbst. Wichtig ist, dass Sie eigenständig und folgerichtig am konkreten Fall argumentieren. Wenn allerdings das Bundesverfassungsgericht – wie hier – bereits mehrfach entschieden hat, dass Art 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG die freie Presse als Institut garantiert, müssen Sie schon gute Argumente bringen, um dieser Ansicht überzeugend entgegenzutreten.
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Institutsgarantien können bei der Prüfung von Abwehrrechten relevant werden, nämlich dann, wenn der Staat derart schwerwiegend in das Abwehrrecht eingreift, dass von diesem Recht substantiell nichts mehr übrig bleibt. In unserem Beispiel oben (Rn. 31) bleibt wegen der drastischen Erhöhung der Erbschaftssteuer und der dadurch bedingten übermäßigen Belastung des Erben von der Privatrechtserbfolge, die Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als Bestandteil des Instituts Erbrecht an sich garantiert, substantiell nichts mehr übrig. Das Institut Erbrecht ist dadurch in seinem wesensmäßigen Kernbereich berührt. Deshalb ist das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verletzt.
b) Staatliche Schutzpflichten
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Bei den in den einzelnen Grundrechten geschützten Rechtsgütern wie Leben, Gesundheit, Familie, Eigentum oder Beruf erschöpft sich der Grundrechtsschutz längst nicht mehr nur in der Abwehr staatlicher Eingriffe, also in der subjektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte. Vielmehr ist die öffentliche Gewalt selbst verpflichtet, die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter gegen Beeinträchtigungen durch private Dritte, durch nichtdeutsche staatliche Stellen, durch Naturgewalten etc. zu schützen.[34] Daneben hat die öffentliche Gewalt die durch die Grundrechte geschützten Rechtsgüter auch zu fördern, damit sie für den Einzelnen tatsächlich Wirkung entfalten. Die öffentliche Gewalt muss sich daher „schützend und fördernd vor die Grundrechte“ stellen (sog. staatliche Schutzpflichten).[35]
Beispiel
Die öffentliche Gewalt ist aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet, das werdende Leben auch im Mutterleib, ggf. durch Einsatz des Strafrechts, zu schützen.[36] Auch in anderen Fällen ist die öffentliche Gewalt aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zum Schutz des Lebens und der Gesundheit seiner Bürger verpflichtet.[37]
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Dass Grundrechte auch eine solche Schutzfunktion besitzen, kommt generell in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zum Ausdruck, nach dem alle staatliche Gewalt verpflichtet ist, die Würde des Menschen als höchstes Gut „zu achten und zu schützen“. Bei einigen Grundrechten erkennen Sie die Schutzfunktion bereits auch am Wortlaut des Grundrechts. Diese Grundrechte enthalten ausdrücklich objektive Schutzaufträge (z.B. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 4 GG). Ansonsten ist es inzwischen anerkannt, dass die öffentliche Gewalt verpflichtet ist, jedes in einem Freiheitsrecht garantierte Rechtsgut zu schützen und zu fördern.[38]
Beispiel
Beispiel betr. die friedliche Demonstration vor dem Brandenburger Tor (s.o. Rn. 4). Die öffentliche Gewalt ist aufgrund der ihr aus dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit erwachsenden Schutzpflicht (grundsätzlich) verpflichtet, die Ausübung des Grundrechts durch die Versammlungsteilnehmer so weit wie möglich zu schützen. Um eine möglichst ungehinderte Versammlung zu gewährleisten, muss die öffentliche Gewalt daher u.a. in erster Linie gegen diejenigen Personen vorgehen, die die friedliche Versammlung torpedieren wollen, d.h. in unserem Beispiel gegen die Autolobbyisten.
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Ist die öffentliche Gewalt nach dem bisher Gesagten zum Schutz und zur Förderung der grundrechtlich garantierten Rechtsgüter verpflichtet, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die öffentliche Gewalt diese Verpflichtung zu erfüllen hat. Insoweit ist anerkannt, dass die öffentliche Gewalt ein Minimum an Schutz und Förderung garantieren muss. Deshalb spricht man hier auch vom sog. Untermaßverbot, das die öffentliche Gewalt einzuhalten hat.
Hinweis
Das sog. Untermaßverbot bildet quasi das Gegenstück zum sog. Übermaßverbot (s. dazu unten Rn. 143). Beim Untermaßverbot darf der Staat bei seinem Verhalten nicht unterhalb eines gewissen Levels bleiben, andernfalls verletzt er seine Pflichten („er darf nicht untertreiben“); beim Übermaßverbot darf er nicht ein gewisses Level überschreiten, andernfalls verletzt er seine Pflichten („er darf nicht übertreiben“).
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Wie wird das erforderliche Minimum an Schutz und Förderung, das die öffentliche Gewalt gewährleisten muss, bestimmt? Anerkannt ist, dass die öffentliche Gewalt insoweit einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum besitzt. In der Regel ist die öffentliche Gewalt daher nicht verpflichtet, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen. Die öffentliche Gewalt verletzt ihre Schutzpflichten vielmehr nur, wenn die von ihr ergriffenen Maßnahmen vollkommen unzureichend sind. Für die Beurteilung der Frage, ob die getroffenen Maßnahmen ausreichend sind oder nicht, sind neben den Rechtsgütern des betroffenen Grundrechtsberechtigten auch sonstige Interessen (z.B. die Grundrechte Dritter) zu berücksichtigen.
Beispiel[39]
Der Industrielle und Arbeitgeberpräsident S wird in K auf offener Straße von Terroristen entführt. Sie fordern die Freilassung von Gesinnungsgenossen und drohen, S andernfalls zu töten. Die Bundesregierung bemüht sich vielfältig, S freizubekommen. Auf die Forderung der Terroristen, Gesinnungsgenossen freizulassen, will sie sich aber nicht einlassen. – Die Bundesregierung unterliegt der sich aus dem Grundrecht auf Leben erwachsenden Pflicht, das dort garantierte Rechtsgut Leben zu schützen. Durch die Entführung des S ist dieses Rechtsgut gefährdet. Fraglich ist, ob die Bundesregierung das Untermaßverbot beachtet hat. Die Bundesregierung hat grundsätzlich einen weiten Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Maßnahmen, die sie zur Erfüllung ihrer Schutzpflicht ergreift. Das Untermaßverbot verletzt sie daher nur, wenn sie vollkommen unzureichend handelt. Davon kann hier keine Rede sein, denn die Bundesregierung hat sich vielfältig bemüht, S freizubekommen. Der Forderung der Entführer, Gesinnungsgenossen freizulassen, muss die Bundesregierung nicht nachkommen.
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Dieses klassische Beispiel für eine staatliche Schutzpflicht erleichtert Ihnen nun das Verständnis dafür, wie Sie eine mögliche Schutzpflichtverletzung in der Fallbearbeitung prüfen. Es empfiehlt sich eine Prüfung in drei Schritten:
1. Im ersten Schritt untersuchen Sie, ob ein schutzfähiges Rechtsgut vorliegt. Da mittlerweile anerkannt ist, dass jedes in einem Freiheitsrecht garantierte Rechtsgut schutzfähig ist, können Sie diesen Prüfungspunkt schnell abhaken.
2. Liegt somit ein schutzfähiges Rechtsgut vor, prüfen Sie im zweiten Schritt, ob das geschützte Rechtsgut gefährdet ist.
3. Ist dies der Fall, gehen Sie im dritten Schritt der Frage nach, ob die öffentliche Gewalt das Untermaßverbot beachtet hat. Sie untersuchen, ob die öffentliche Gewalt ihre Schutzpflicht in ausreichendem Maße erfüllt hat. Beachten Sie dabei, dass die öffentliche Gewalt insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum hat und gegen das Untermaßverbot nur und erst dann verstößt, wenn sie völlig unzureichende Maßnahmen ergreift.
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Im Bereich der Schutzpflichten kann sich das Problem stellen, ob die öffentliche Gewalt auch verpflichtet sein kann, einen Grundrechtsberechtigten vor sich selbst zu schützen. Das Problem besteht darin, dass die staatliche Schutzpflicht hier mit dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG kollidieren kann. Bei der Lösung dieses Problems muss differenziert werden: Bei Selbstgefährdungen wird tendenziell das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und bei echten Gefahren (z.B. Suizid) tendenziell die staatliche Schutzpflicht (bei Suizid aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG – Rechtsgut Leben) Vorrang haben.
Beispiel[40]
Der erwachsene A ist kleinwüchsig. Als Artist hat er sich auf den sog. „Zwergenweitwurf“ spezialisiert. Bei seiner Berufsausübung ist er darauf angewiesen, vor Publikum aufzutreten, denn beim Zwergenweitwurf werfen Personen aus dem Publikum den Zwerg so weit wie möglich. Als A in München auftreten möchte, untersagt ihm die zuständige Behörde den Auftritt unter Berufung auf die Gewerbeordnung. Zu Recht? – Nach der Rechtsprechung ist die öffentliche Gewalt (hier die Exekutive) in einem derartigen Fall aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht gehalten, die Möglichkeiten, die sie bei ihrer Rechtsanwendung hat, auszuschöpfen, um einen derartigen Angriff auf die Würde des Menschen abzuwehren.[41] Hier besteht diese Abwehrmöglichkeit in der gewerberechtlichen Untersagung des Auftritts des A durch die zuständige Behörde.
c) Ausstrahlungswirkung (mittelbare Drittwirkung)
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Die Grundrechte binden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an sich nur die öffentliche Gewalt. Die öffentliche Gewalt ist danach grundrechtsverpflichtet, während die Bürger grundrechtsberechtigt sind (sog. vertikale Geltung der Grundrechte). Gleichwohl ist anerkannt, dass die Grundrechte auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern ausstrahlen (sog. horizontale Geltung der Grundrechte); dies folgt aus der Funktion der Grundrechte als objektiv-rechtliche Wertentscheidung (s.o. Rn. 12). Dabei ist zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren horizontalen Geltung der Grundrechte zu unterscheiden: Die Grundrechte gelten horizontal nur ausnahmsweise unmittelbar. Ausdrücklich im Grundgesetz vorgesehen ist eine solche Geltung der Grundrechte nur in Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG sowie wohl auch in Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 20 Abs. 4 GG. Im Übrigen strahlen die Grundrechte auf das Privatrecht aus und wirken zwischen den Bürgern lediglich mittelbar über die sog. zivilrechtlichen Generalklauseln und die unbestimmten Rechtsbegriffe (sog. Ausstrahlungswirkung bzw. mittelbare Drittwirkung).[42] Hierzu gehören z.B. § 138 BGB (gute Sitten), § 242 BGB (Treu und Glauben), § 826 BGB (sittenwidrige Schädigung); § 23 Abs. 2 KUG (berechtigtes Interesse). Die Generalklauseln und die unbestimmten Rechtsbegriffe sind jeweils im Lichte der einschlägigen Grundrechte auszulegen und anzuwenden.
Beispiel
K besucht regelmäßig die Spielbank in Baden-Baden und spielt dort Automatenspiele. Er beantragt bei der Spielbank eine „Eigensperre“. Danach soll die Spielbank ihn vom weiteren Spielen ausschließen, wenn er 5000 € verloren hat. Die Spielbank akzeptiert seinen Antrag. Als an einem Abend diese Verlusthöhe bei K erreicht ist, reagiert die Spielbank nicht, sondern lässt ihn weiterspielen. Am Ende des Spielabends hat K 8000 € verloren. – Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann eine Spielbank bei einer antragsgemäß verhängten Spielsperre Schutzpflichten haben, die auf Wahrnehmung der Vermögensinteressen ihrer Gäste gerichtet sind.[43] Dies folge aus der Auslegung einer entsprechenden vertraglichen Abrede zwischen Spieler und Spielbank (§§ 133, 157 BGB). Sinn der vertraglichen Abrede, dass die Spielbank ab einer bestimmten Verlustsumme den Abschluss weiterer Spielverträge ablehne, sei, dass der zur Spielsucht neigende Gast sich selbst schützen wolle, indem er sich mit Hilfe der Spielbank den für ihn als gefahrträchtig erkannten Zugang verstellen wolle.
4. Verfahrens- und organisationsrechtliche Funktionen der Grundrechte
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Die verfahrens- und organisationsrechtlichen Funktionen der Grundrechte liegen quer zu den subjektiv- und objektiv-rechtlichen Funktionen der Grundrechte.[44] Man kann sie deshalb als Hilfsfunktionen bezeichnen.[45]
a) Verfahrensrechtliche Funktion
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Die verfahrensrechtliche Funktion der Grundrechte beinhaltet, dass die Grundrechte bereits im Entscheidungsprozess durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen abgesichert sind. Verfahren müssen demnach so gestaltet sein, dass eine Entwertung materieller Grundrechtspositionen ausgeschlossen ist.[46] Um dies zu gewährleisten, stehen einige Grundrechte ausdrücklich unter einem Verfahrensvorbehalt (z.B. Art. 2 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 S. 4 GG). Auch die Grundrechte, die nicht ausdrücklich unter einem Verfahrensvorbehalt stehen, verpflichten die öffentliche Gewalt, Gerichts- und Verwaltungsverfahren so auszugestalten und zu organisieren, dass der Einzelne die Möglichkeit hat, sich effektiv am Verfahren zu beteiligen, damit er die ihm zustehenden Grundrechtsgewährleistungen verwirklichen kann.
Beispiel
Vgl. den Mühlheim-Kärlich-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts[47] als klassisches Beispiel: In diesem Verfahren hatte das Bundesverfassungsgericht über Verfahrensfehler im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu entscheiden. Es stellte fest, dass das Grundrecht auf Leben und Gesundheit im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren eine besondere Stellung erfordert. Die öffentliche Gewalt erfülle ihre Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG auch durch Verfahrensvorschriften. Eine Verletzung des Grundrechts könne darin liegen, wenn die öffentliche Gewalt lebensschützende Verfahrensvorschriften außer Acht ließe.
b) Organisationsrechtliche Funktion
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Die organisationsrechtliche Funktion der Grundrechte wird besonders in den Fällen relevant, in denen sich die Grundrechte in einer staatlichen Institution entfalten.
Beispiel
Eine staatliche Hochschule muss so organisiert sein, dass eine freie Wissenschaft in ihr möglich ist.[48]
c) Subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz durch Verfahren und Organisation
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Das Bundesverfassungsgericht und – ihm folgend – die wohl überwiegende Meinung im Schrifttum nehmen an, die verfahrens- und organisationsrechtliche Funktion der Grundrechte könne ein subjektiv-öffentliches Recht auf angemessenen Schutz durch Verfahren und Organisation begründen.[49] Sie folgern diese Möglichkeit aus zwei Umständen: Zum einen sei es erforderlich, den objektiv-rechtlichen Funktionen der Grundrechte möglichst auch eine subjektiv-rechtliche Komponente zuzuordnen; zum anderen betrachten sie die Grenzen zwischen den objektiv-rechtlichen und den subjektiv-rechtlichen Funktionen der Grundrechte als Leistungsrechte als fließend. Daraus folgern sie, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein wehrfähiges Recht auf den Ausbau von Verfahrenspositionen bestehen müsse.
Beispiel[50]
Aus dem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG folgt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keine Bestandsgarantie für aus öffentlichen Mitteln finanzierte wissenschaftliche Einrichtungen.[51] Das schließt nicht aus, dass eine Fakultät im Verfahren zur Aufhebung eines Studiengangs in angemessener Weise zu beteiligen ist und Anspruch auf eine zumindest willkürfreie Entscheidung hat. Das Verfahren und die Qualität der Entscheidung müssen daher bestimmten Anforderungen genügen.
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Besteht ein subjektiv-öffentliches Recht auf angemessenen Schutz durch Verfahren und Organisation, kann es in Konkurrenz zu anderen verfahrensrelevanten Grundrechten wie etwa Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG oder Art. 103 Abs. 1 GG stehen.
2. Teil Grundlagen › A. Allgemeine Grundrechtslehren › V. Grundrechtsverpflichtete
V. Grundrechtsverpflichtete
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Die Grundrechte binden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die gesamte (deutsche)[52] Staatsgewalt, also die Legislative, die Exekutive und die Judikative, als unmittelbar geltendes Recht (s.o. Rn. 5, 9).
Hinweis
Art. 1 Abs. 3 GG nimmt durch die Aufzählung der drei Staatsgewalten auf Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG Bezug.
Die Grundrechtsverpflichteten nennt man übrigens auch Grundrechtsadressaten, weil die Grundrechte an sie gerichtet, d.h. adressiert sind.
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Die Hervorhebung „als unmittelbar geltendes Recht“ bringt zum Ausdruck, dass es sich bei den Grundrechten um wirksames Recht handelt. Dadurch unterscheiden sich die grundgesetzlich garantierten Grundrechte von vielen Grundrechten, die die Weimarer Reichsverfassung von 1919 verbürgte. Viele Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung waren bloße Programmsätze, bei deren Nichtbeachtung keine Sanktionen zu befürchten waren.
1. Legislative als Grundrechtsverpflichtete
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Im Gegensatz zu vergangenen Zeiten in der deutschen Verfassungsgeschichte, in denen die Legislative nicht an die Grundrechte gebunden war, ist unter der Geltung des Grundgesetzes auch die Legislative gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden.
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Der Begriff „Gesetzgebung“ in Art. 1 Abs. 3 GG umfasst jede Art staatlicher Normsetzung. Erfasst sind damit nicht nur die Akte des parlamentarischen Gesetzgebers, sondern auch solche des Verordnung- und Satzunggebers, obgleich dieser staatsorganisationsrechtlich der Exekutive zuzuordnen ist.
Beispiel
Die Gemeinde H betreibt ein Schwimmbad. Die Benutzungsordnung wird durch Satzung geregelt. Kürzlich ist die Benutzungsordnung dahingehend geändert worden, dass zukünftig nur noch Personen ohne körperliche Behinderung Zutritt erhalten. Der gehbehinderte Rentner W, der seit Jahrzehnten regelmäßig früh morgens in dem Schwimmbad seine Bahnen zieht, will dies nicht hinnehmen. – Dies wird er auch nicht müssen, denn H wird bei der Änderung ihrer als Satzung erlassenen Benutzungsordnung als Normsetzerin in ihrem eigenen Wirkungskreis tätig. Auch bei ihrer gesetzgeberischen Aktivität gehört sie staatsorganisationsrechtlich zur Exekutiven. Die Änderung der Benutzungsordnung ist gleichwohl „Gesetzgebung“ i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG, so dass H an die Grundrechte (und damit auch an Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG) gebunden ist.