Kitabı oku: «Grundrechte», sayfa 7

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aa) Jedermann-Grundrechte

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Die meisten Grundrechte stehen allen Personen zu. Deshalb nennt man sie auch „Jedermann-Grundrechte“. Die Jedermann-Grundrechte erkennen Sie im Grundgesetz bereits am Wortlaut eines Grundrechts. Bei den Jedermann-Grundrechten ist z.B. von „jeder“, „jedermann“ oder „niemand“ die Rede (z.B. Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1, Art. 4 Abs. 3 S. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).

bb) Persönlich beschränkte Grundrechte

102

Es gibt jedoch auch Grundrechte, deren persönlicher Schutzbereich beschränkt ist.

(1) Deutschen-Grundrechte

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Hierzu gehören vor allem die sog. Deutschengrundrechte (auch Bürgergrundrechte genannt). Grundrechtsberechtigt sind hier nur Deutsche i.S.d. Art. 116 GG. Die Deutschengrundrechte erkennen Sie in aller Regel bereits am Wortlaut des Grundgesetzes. Diese Grundrechte beziehen sich ausdrücklich nur auf „alle Deutschen“ (z.B. Art. 8, Art. 9 Abs. 1, Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG). Dass das Wahlrecht gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG auch nur Deutschen zusteht, ergibt sich dagegen zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung, folgt aber aus der Natur der Sache. Die Wahlen sind Ausdruck des Demokratieprinzips und der Volkssouveränität und damit ein Recht des Staatsvolks der Bundesrepublik Deutschland, das von den Deutschen i.S.d. Art. 116 GG gebildet wird.[29]

104


Bei den Deutschengrundrechten stellt sich die Frage, auf welche Grundrechte sich Staatenlose und Nicht-EU-Ausländer berufen können, wenn sie sich nicht auf die den Deutschen i.S.d. Art. 116 GG vorbehaltenen Deutschengrundrechte berufen können.

Beispiel

M ist iranischer Staatsangehöriger und lebt seit seiner Geburt in Deutschland, wo er seit einigen Jahren als erfolgreicher Geschäftsmann arbeitet. Weil Geschäftsbeziehungen zum Iran zunehmend durch bürokratische Behinderungen erschwert werden, beschließt er zusammen mit einigen anderen Betroffenen, für ungehinderte Geschäftsbeziehungen zum Iran zu demonstrieren.

In unserem Beispiel ist M nicht Deutscher i.S.d. Art. 116 GG. Er kann sich daher nicht auf das an sich thematisch und sachlich einschlägige Freiheitsrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen, da es allein Deutschen i.S.d. Art. 116 GG vorbehalten ist. Fraglich ist daher, ob und ggf. auf welches Freiheitsrecht sich M berufen kann. – Dies ist streitig. Das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Meinung in der Literatur nehmen an, Staatenlose und Nicht-EU-Ausländer könnten sich zwar nicht auf ein spezielles, nur Deutschen gewährleistetes Grundrecht, statt dessen aber auf das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen; grundrechtlicher Schutz werde nach Maßgabe der allgemeinen Handlungsfreiheit gewährleistet.[30] Für unseren Beispielsfall bedeutet dies, dass sich M zwar nicht auf das spezielle Freiheitsrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG, aber auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann. – Nach anderer Ansicht kommt dies gerade nicht in Betracht. Diese Ansicht beruft sich darauf, es gehöre gerade zum Regelungsgehalt der Deutschengrundrechte, Nichtdeutschen einen entsprechenden Grundrechtsschutz nicht zu gewährleisten.[31] Unter Zugrundelegung dieser Auffassung könnte sich M weder auf Art. 8 Abs. 1 GG noch auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Er würde somit keinen grundrechtlichen Schutz genießen.

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Bei den Deutschengrundrechten ist ferner problematisch, auf welche Grundrechte sich EU-Ausländer berufen können. Im Gegensatz zu den Staatenlosen und den Nicht-EU-Ausländern (s.o. Rn. 104) genießen sie insofern Privilegien, als für sie gemäß Art. 18, 20 AEUV ein allgemeines Diskriminierungsverbot und zusätzlich besondere Diskriminierungsverbote (etwa Art. 45 und 56 AEUV) gelten. Diese Bestimmungen sind wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts vor mitgliedstaatlichem Recht auch bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu beachten.

Beispiel

Dasselbe Beispiel wie oben Rn. 104; M ist hier jedoch belgischer Staatsangehöriger.

Auf welche Grundrechte sich EU-Ausländer berufen können, ist streitig. Nach einer Ansicht sind die Deutschengrundrechte gemeinschaftsrechtskonform auszulegen mit der Folge, dass sich die EU-Ausländer auf die Deutschengrundrechte berufen können.[32] Legt man – dieser Ansicht folgend – in unserem Beispielsfall Art. 8 Abs. 1 GG gemeinschaftsrechtskonform aus, müssten sich auch EU-Ausländer auf das Deutschengrundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen können. Im Beispielsfall könnte sich M demnach auf das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG berufen.

Nach anderer Ansicht ist dies nach dem Wortlaut der Deutschengrundrechte ausgeschlossen. Hiernach können sich EU-Ausländer auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen. Bei der Anwendung und der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG müssten wegen der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote und des Prinzips der praktischen Anwendbarkeit („effet utile“) aber die strengen Maßstäbe des speziellen Freiheitsrechts angelegt werden, so dass im Ergebnis derselbe Schutzumfang zu gewährleisten sei.[33] Auf der Grundlage dieser Ansicht könnte sich M zwar formell nur auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen; hinsichtlich des materiellen Schutzumfangs wäre er aber Deutschen gleichzustellen.

(2) Weitere Grundrechte

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Zu den Freiheitsrechten, deren persönlicher Schutzbereich beschränkt ist, gehören ferner die Grundrechte, die wegen ihres jeweiligen Sachzusammenhangs eine Sonderstellung einnehmen.

Beispiel

Art. 16 Abs. 1 GG schützt die deutsche Staatsangehörigkeit. Auf dieses Grundrecht können sich dementsprechend nur deutsche Staatsangehörige i.S.d. Art. 116 Abs. 1 Var. 1 GG und somit nicht alle Deutschen i.S.d. Art. 116 GG berufen.

c) Grundrechtsmündigkeit

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Grundrechtsmündig ist jeder, der fähig ist, ein Grundrecht, dessen Träger er ist, entsprechend seiner Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit selbständig auszuüben.

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Auf Grundrechte soll sich nur derjenige berufen können, der grundrechtsmündig ist. Während die Grundrechtsmündigkeit bei geschäftsfähigen Personen unproblematisch gegeben ist, stellt sich die Frage der Grundrechtsmündigkeit bei nicht geschäftsfähigen, vor allem bei minderjährigen Personen.[34]

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Wiederholen Sie die Geschäftsfähigkeit im Zivilrecht!

Im Zivilrecht sind Minderjährige im Alter unter 7 Jahren nicht geschäftsfähig sowie im Alter zwischen 7 und 18 Jahren beschränkt geschäftsfähig (vgl. §§ 104, 106 BGB). Das BGB knüpft die Geschäftsfähigkeit von Personen damit an bestimmte Altersgrenzen. Das Grundgesetz enthält Altersgrenzen dagegen nur in Art. 12a Abs. 1 GG und Art. 38 Abs. 2 GG. Andere Altersgrenzen finden sich im einfachen öffentlichen Recht (vgl. z.B. § 5 S. 2 RelKErzG).

Beispiele

Kann sich der achtjährige B auf die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 14 Abs. 1 und Art. 12a GG berufen?

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Ob bzw. wann ein Minderjähriger in der Ausübung seiner Grundrechte beschränkt ist, ist umstritten. Nach einer Ansicht ist die individuelle Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit der konkret betroffenen Person maßgeblich (sog. gleitende Altersgrenze). Danach ist ein Minderjähriger grundrechtsmündig, wenn er fähig ist, die Tragweite der Grundrechte zu erkennen. Indizien ergeben sich dabei aus den oben (Rn. 109) genannten normierten Altersgrenzen. Unter Zugrundelegung dieser Ansicht wird sich B je nach seiner individuellen Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit jedenfalls auf die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG berufen können. – Eine andere Ansicht stellt demgegenüber auf die Grenzen ab, die der Gesetzgeber generell gezogen hat (sog. starre Altersgrenze). Dies führt dazu, dass ein Minderjähriger hinsichtlich der Grundrechte, die an die menschliche Existenz anknüpfen, stets, hinsichtlich solcher Grundrechte, deren Ausübung mit privatrechtlichen Regelungen verbunden ist, entsprechend den Altersgrenzen für die Geschäftsfähigkeit im BGB (§§ 2, 104 ff. BGB) und hinsichtlich der Grundrechte, die erst ab einem bestimmten Alter relevant werden, erst ab dem festgelegten Zeitpunkt (z.B. Art. 12a, Art. 38 Abs. 2 GG; § 5 S. 2 RelKErzG) grundrechtsmündig ist. Auf der Grundlage dieser Ansicht kann sich B auf jeden Fall nur auf die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Hinsichtlich der anderen Grundrechte hat B demgegenüber noch nicht die jeweiligen Altersgrenzen erreicht.

JURIQ-Klausurtipp

Wie Sie sehen, unterscheiden sich die beiden Ansichten nur in der Begründung, nicht aber im Ergebnis. In der Fallbearbeitung können Sie daher an sich regelmäßig offen lassen, welcher Ansicht zu folgen ist, wenn der Minderjährige in den Bereich einer gesetzlichen Altersbestimmung fällt.

3. Grundrechtskonkurrenzen

a) Begriff

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Auf der Ebene des Schutzbereichs können sich Grundrechtskonkurrenzen ergeben. Grundrechte können miteinander konkurrieren, wenn derselbe Lebenssachverhalt den Schutzbereich mehrerer Grundrechte desselben Grundrechtsträgers eröffnet.

Beispiel

G ist ordentlicher Professor und Inhaber eines naturwissenschaftlichen Instituts an einer staatlichen Universität. Zur Verbesserung der Lehre in den Naturwissenschaften beschließt der zuständige Landesgesetzgeber, die in Vorlesungen angewendete Methodik zu vereinheitlichen. Für G bedeutet die Neuregelung, dass er zukünftig nicht mehr frei entscheiden kann, wie er seinen Studenten den Vorlesungsstoff vermittelt, sondern dass er detaillierten gesetzlichen Vorgaben folgen muss, die jede Flexibilität vermissen lassen. G ist mit diesem Beschluss überhaupt nicht einverstanden und fühlt sich in seinen Grundrechten verletzt, zumal die Kollegen der anderen Fachbereiche nach wie vor frei lehren dürfen. Dies sieht G überhaupt nicht ein und hält die Neuregelung für willkürlich.

Hinweis

Unterscheiden Sie den Begriff der Grundrechtskonkurrenz, den wir sogleich näher behandeln werden, von dem Begriff der Grundrechtskollision. Die Grundrechtskollision ist erst bei der Schrankenprüfung von Bedeutung (s.u. Rn. 156 ff.).

112

Die Frage, welches Grundrecht einem anderen Grundrecht vorgeht, welches Grundrecht von einem anderen Grundrecht verdrängt wird oder welches Grundrecht neben einem anderen Grundrecht steht, ist allein wegen der unterschiedlichen Schranken, denen die einzelnen Grundrechte unterliegen (einfacher oder qualifizierter Gesetzesvorbehalt; schrankenlos gewährleistetes Grundrecht), von erheblicher Bedeutung. Schließlich richtet sich nach der jeweiligen Schranke, ob und ggf. wie weit die öffentliche Gewalt in ein Grundrecht zulässigerweise eingreifen darf.

JURIQ-Klausurtipp

In der Fallbearbeitung empfiehlt es sich, in einem allerersten Schritt den Sachverhalt grob daraufhin zu überprüfen, welche Grundrechte überhaupt thematisch einschlägig sein könnten (s.o. Rn. 69). Ist der Schutzbereich mehrerer Grundrechte desselben Grundrechtsträgers eröffnet, haben Sie einen Fall der Grundrechtskonkurrenz und müssen das Verhältnis der Grundrechte zueinander bestimmen.

b) Grundsatz

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Bei der Lösung von Grundrechtskonkurrenzen geht es im Grunde um die konkrete Anwendung des Grundsatzes, dass das speziellere Grundrecht dem allgemeineren Grundrecht vorgeht („lex-specialis-Regel“). Sind die Merkmale des Schutzbereichs eines Grundrechts vollständig in einem anderen Grundrecht enthalten und enthält dieses andere Grundrecht darüber hinaus zumindest ein weiteres Tatbestandsmerkmal (sog. logische Spezialität) bzw. ist dieses andere Grundrecht – bei nur unvollständiger Überdeckung der Schutzbereiche der beiden Grundrechte – sachnäher (sog. normative Spezialität), geht dieses Grundrecht vor.[35]

aa) Grundrechtskonkurrenz innerhalb der Freiheitsrechte

114

Dies gilt insbesondere für die Konkurrenzen zwischen den Freiheitsrechten. So könnte in unserem Beispielsfall oben (Rn. 111) G in seinem Grundrecht auf Lehrfreiheit, in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit, in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit und in seinem Grundrecht auf allgemeine Gleichbehandlung verletzt sein. Bei den Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2, Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG handelt es sich um Freiheitsrechte und bei Art. 3 Abs. 1 GG um ein Gleichheitsrecht. Die universitäre Lehrtätigkeit kann an sich unter alle drei genannten Freiheitsrechte subsumiert werden: Einschlägig ist aber Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG als lex specialis gegenüber den anderen beiden Freiheitsrechten. Die Lehrfreiheit steht zur allgemeinen Handlungsfreiheit im Verhältnis einer logischen Spezialität und zur Berufsfreiheit im Verhältnis einer normativen Spezialität.

JURIQ-Klausurtipp

In der Fallbearbeitung gilt daher folgende Prüfungsreihenfolge: spezielle Freiheitsrechte vor dem allgemeinen Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Art. 2 Abs. 1 GG ist ein Auffanggrundrecht und greift nur, wenn der Schutzbereich eines speziellen Freiheitsrechts nicht eröffnet ist (s.u. Rn. 190). In unserem Beispiel (Rn. 111) ist der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG eröffnet. Art. 2 Abs. 1 GG tritt daher hinter diesem speziellen Freiheitsrecht als subsidiäres Freiheitsrecht zurück.

bb) Exkurs: Grundrechtskonkurrenz innerhalb der Gleichheitsrechte

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Bei den Gleichheitsrechten, bei denen zwischen dem allgemeinen Gleichheitsrecht und den speziellen Gleichheitsrechten zu unterscheiden ist (s.o. Rn. 26 und s.u. Rn. 675), gilt ebenfalls die lex specialis-Regelung, d.h. spezielle Gleichheitsrechte verdrängen in ihrem Anwendungsbereich das allgemeine Gleichheitsrecht.

Beispiel

Der Gesetzgeber erlässt ein Gesetz, nach dem behinderten Menschen der Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen (z.B. Schwimmbädern) untersagt werden kann. – Das Gesetz kann behinderte Menschen sowohl in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG als auch in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verletzen. Da Art. 3 Abs. 1 GG vollständig in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG enthalten ist und Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG darüber hinaus ein weiteres Tatbestandselement enthält, ist Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG wegen logischer Spezialität vorrangig gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG anwendbar und damit Prüfungsmaßstab der gesetzlichen Regelung.

cc) Grundrechtskonkurrenz im Verhältnis zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten

116

Freiheits- und Gleichheitsrechte stehen grundsätzlich nebeneinander (sog. Idealkonkurrenz).[36] In unserem Beispiel oben (Rn. 111) ist daher neben dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG auch das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen.

c) Ausnahme

117

Wie gesehen, kommt für die Lösung von Grundrechtskonkurrenzen grundsätzlich die lex specialis-Regelung zur Anwendung. Abgesehen von der im Verhältnis zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten gegebenen Idealkonkurrenz (oben Rn. 116) gilt dieser Grundsatz vor allem bei den speziellen Freiheitsrechten allerdings nicht ausnahmslos. Wenn derselbe Lebenssachverhalt den Schutzbereich mehrerer Grundrechte desselben Grundrechtsträgers eröffnet, müssen die Grundrechte nicht immer im Verhältnis lex specialis/lex generalis stehen. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Lebenssachverhalt den Schutzbereich mehrerer Grundrechte desselben Grundrechtsträgers eröffnet, die in Idealkonkurrenz zueinander stehen.

Beispiel

Bei einer Versammlung ist das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG selbständig neben Art. 8 Abs. 1 GG anwendbar, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die versammlungsspezifischen Tätigkeiten des Art. 8 GG zwingend auf den Zweck der (öffentlichen) Meinungsbildung und Meinungskundgabe gerichtet sind.[37] Wird ein Versammlungsverbot erwogen, muss es somit auch am Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG gemessen werden (s. auch unten Rn. 325, 456).

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Stehen mehrere Grundrechte nebeneinander, beginnen Sie Ihre Prüfung mit dem Grundrecht, das den stärksten Schutz bietet. Welches der möglicherweise verletzten Grundrechte den stärksten Schutz bietet, erkennen Sie an den Schranken der betreffenden Grundrechte. Ein schrankenlos gewährleistetes Grundrecht (z.B. Art. 4 Abs. 1 GG) genießt stärkeren Schutz als ein nur unter Gesetzesvorbehalt garantiertes Grundrecht (z.B. Art. 12 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 GG). Ein hoheitlicher Eingriff ist bei mehreren einschlägigen Grundrechten nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er die Anforderungen erfüllt, die das am stärksten geschützte Grundrecht aufstellt. Stehen z.B. die Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG nebeneinander, ist eine staatliche Maßnahme nur dann gerechtfertigt, wenn sie den Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 GG genügt. Ihre Prüfung beginnen Sie demnach mit Art. 4 Abs. 1 GG. Bei nebeneinander stehenden und mit unterschiedlichen Schranken ausgestatteten Grundrechten prüfen Sie ausnahmsweise das Grundrecht mit dem stärksten Schutz zuerst, auch wenn es vielleicht nicht das sachnächste Grundrecht ist (vgl. hierzu oben Rn. 69).

2. Teil Grundlagen › B. Grundrechte als Freiheitsrechte in der Fallbearbeitung › III. Eingriff in den Schutzbereich des Freiheitsrechts

III. Eingriff in den Schutzbereich des Freiheitsrechts

118

Ist der Schutzbereich eines Freiheitsrechts eröffnet, prüfen Sie nun, ob die Maßnahme der öffentlichen Gewalt in den Schutzbereich des Freiheitsrechts eingreift. Dabei gehen Sie in zwei Schritten vor:

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Beachten Sie in der Fallbearbeitung unbedingt zwei Punkte:


1. Sprechen Sie unter dem Prüfungspunkt „Eingriff“ nicht bereits von einer Verletzung eines Grundrechts! Ob eine Grundrechtsverletzung vorliegt, ist erst das Ergebnis Ihrer gesamten Prüfung. Eine Verletzung ist gegeben, wenn und soweit ein hoheitlicher Eingriff in ein Grundrecht verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt und daher unzulässig ist.
2. Benennen Sie den möglichen Eingriffsakt konkret.

1. Vorliegen eines Eingriffs

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Nicht jede belastende Maßnahme der öffentlichen Gewalt stellt einen Eingriff in den Schutzbereich eines Freiheitsrechts dar. Ein Eingriff liegt vielmehr nur dann vor, wenn er eine bestimmte Qualität aufweist. Sog. „Bagatelleingriffe“ weisen diese Eingriffsqualität nicht auf.

Beispiel

Die Stadt A verstärkt die Polizeipräsenz auf ihren Straßen in der Innenstadt, um die Kleinkriminalität effektiver zu bekämpfen. Zu diesem Zwecke setzt sie verstärkt Streifenbeamte zu Fuß, auf dem Fahrrad und auf dem Pferd ein. Der Rentner T, der in der Innenstadt wohnt und sich oft draußen aufhält, fühlt sich durch die sichtbar verstärkte Polizeipräsenz in seinen Grundrechten verletzt. – In Betracht käme allenfalls eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit des T. Der Schutzbereich dieses Grundrechts ist zwar eröffnet; es liegt aber kein relevanter Eingriff in dieses Grundrecht vor, so dass eine Grundrechtsverletzung zu verneinen ist. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass sich T persönlich belästigt fühlt.

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Beim Begriff des Eingriffs ist zwischen dem klassischen Eingriffsbegriff und dem neuen Eingriffsbegriff zu unterscheiden.

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