Kitabı oku: «Soladum - Suche des Sonnenpatrons», sayfa 2

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Aneinander gereihte Schüler – wie auch Sascha – gafften dem Mörder des skrupellosen Sebastian Schulz entsetzt, aber auch mit Genugtuung an.

Thomas selbst verzieh sogar seinem Vater, der im Gegensatz zu ihm nur sein eigener Mörder war. Seine Augen wurden glasig. Die Muskeln erschlafften. Bevor sie ihn in den Polizeiwagen drückten, blickte Thomas auf Christine zurück, die ihm aufgelöst nachsah. „Es tut mir Leid.“ Er hob den Kopf … und riss sich los, und hetzte davon!

Er war frei, trotz der Handschellen. Hinter sich hörte er die Schüler schreien und die Polizisten jaulen. Einer startete den Wagen, der andere setzte Thomas nach.

Er rannte zur – von einer langen Waldinsel geteilten – Hauptstraße; entgegen der Fahrtrichtung, wo ihm der Wagen mit heulender Sirene nicht folgen konnte. Der tat es dennoch. Die Autos hupten und ließ den Polizist stoppen.

Doch folgte ihm der andere noch und kam immer näher. „Bleib’ stehen!“

Ein Stau bildete sich. Thomas quetschte sich durch eine Lücke, um auf die andere Seite zu stürmen und bog in eine Gasse zum ‚Neumarkt’ ab. Der Beamte schaffte es nicht mehr. Rasch rannte dieser die Straße hinab und orderte einen Motorradfahrer von einer Suzuki.

Thomas drosselte seinen Lauf. Da röhrte ein Motor hinter ihm auf. Er weitete die Augen zum Motorrad, womit der Beamte auf ihn zuhielt.

Panisch nahm Thomas den Sprint auf. Schlimmer durfte es nicht werden.

Wie magisch angezogen, stürmte Thomas zur Baustelle am großen Parkplatz, den rot-weiße Absperrzäune abgrenzten. Er sprang darüber und stolperte über aufgerissenen Asphalt. Vor ihm lag ein Tümpel.

Thomas blickte nach hinten. Der Beamte schoss auf ihn zu. Thomas rannte schneller; zum Teich. ‚Wenn er darin rutscht, entwische ich und verschwinde.’

Noch wenige Meter Abstand lagen zwischen ihnen.

Als Thomas ins Wasser sprang, verlor der Polizist die Kontrolle und fiel auf den Schutt. Thomas rannte weiter durch das Nass.

Die Bauarbeiter brüllten und beobachteten, wie die Suzuki auf Thomas zuschlitterte, und ihn traf.

Der Polizist schaute verdutzt auf. Der Junge war im Teich verschwunden.

Thomas sprang weiter durch das Wasser. Ihm wurde heiß.

Erst als die Suzuki an ihm vorbeischrammte, hielt er inne und blieb stehen: Das Motorrad schlug über das Ufer hinaus, bis es im Sand zum erliegen kam. ‚Sand?!’ Schockiert blickte er sich um.

Rechts, links, vor und hinter ihm knisternde Sand. Mittendrin verharrte er in einem glasklaren, grünen Teich und umzingelt von wenigen Palmen.

Er begann zu keuchen, zu zittern und zu schreien: „Was zum …?!“ Er erinnerte sich an diese Wüste aus dem Traum. Er sah nirgends eine Seele, und keine Polizei! „Ein neues Leben“, flüsterte er hysterisch. Er konnte das Geschehen hinter sich lassen. Bloß: Wo war er?

Der Flüchtling watete halb durchnässt zum Ufer und ließ sich erschöpft auf den Sand sinken. Dieser brannte derart heiß, dass Thomas aufsprang.

Erneut blickte er sich um. „Ich träume doch. Oder die haben mich erschossen.“

„Nichts von beidem, Junge.“

Thomas schrak herum … und sah einem alten Mann mit schlohweißen, langem Haar an. Neben dem Schock nahm er kaum die dreckfarbene Kutte wahr, die den Alten umhüllte. Ein Krächzen entrann Thomas’ Kehle: „Wer sind Sie?“

Der Alte lächelte nur.

Kapitel 3

Legende

So standen sie sich gegenüber: Der Mentor mit dem im Wind wehenden, weißem Haar; und sein Schüler, grimmig und verkrampft zugleich. Beide – Laudanius und Thomas – trugen braune, bis zum Sandboden reichende Kutten, und je ein Schwert in der Linken.

Unter den tiefen, kantigen Narben in seinem Gesicht wirkte Laudanius gelassen. Mit geschlossenen Lidern raunte er zum angespannten Thonas: „Am Anfang gab es weder Krankheit noch Tod … bis böse Geister sie dem Erdenleben brachten. Da sandten die Götter einen Adler zur Hilfe. Doch verstanden die Menschen weder seine Sprache, noch seine Absicht. Die Götter schickten den Adler zu einer Frau, die unter einer Lärche saß. Er schenkte ihr ein Kind, das zum ersten Schamane wurde.“ Laudanius atmete tief durch und schrie: „Bereit?!“

Die Stille verpuffte, als der Mentor nach vorn sprang. Mit gehobenem Schwert stürmte er auf Thomas zu. Der stemmte sich vor. Klingen klirrten. Kaum hat er den ersten Schlag pariert, erschütterte ein neuer Thomas' Glieder. Trotz des Alters seines Mentors war dieser stark wie ein Wrestler.

Der Lärm schallte weniger als hundert Herzschläge über die Wüstenebene, bis Thomas erschöpft in die Knie sank.

Laudanius legte ihm abfällig die Klingenspitze ans Herz. „Na ja. Besser als zuletzt. Mehr Konzentration beim nächsten Mal.“

Würden Thomas’ Sehnen nicht zerren, wäre er aufgesprungen und hätte den Alten zu Boden geschupst. Er hechelte ihm ein grimmiges „Mh“ zu.

Laudanius ließ das Schwert sinken und trat zu seinem nahen Zelt.

Während Thomas sich daraufhin auf einem verkohlten Holzstamm ausruhte, betrachtete er die Landschaft. Eine Frage verunsicherte ihn im glühenden Kopf. Denn es ergab alles keinen Sinn, sooft er es drehte und wendete:

Mitten in einer leicht hügeligen, von wehenden Sanddünen und Heide übersäten Ebene befand er sich nun. Das einzige Leben tummelte sich im quer hindurch fließenden Fluss Ranus. Ohne großartig anzuschwellen oder sich zu verzweigen, donnerte er im Südosten die Küste hinab. Selbst von hier hörte er das Peitschen des zwanzig Kilometer entfernten Ozeans, der tödlicher nicht sein konnte – wie Thomas bei einer Selbsterkundung vor zwei Wochen erfuhr. Den Geschmack konnte Laudanius nur mit einer leicht ätzenden Lauge lösen.

Wie lang meinte der Alte, sollte Thomas hier bleiben, ohne auch innerlich zu vertrocknen? Alles, was er sah, ekelte ihn an: Nur Berge des umkesselnden Definio-Gebirge, das sie von der West- zur Nordküste vom Rest des Landes abschnürte. Etwas Zerklüfteteres hatte Thomas nie in seiner Welt gesehen. Zudem warf dieses Stachelschwein – wie er es nannte – nicht einmal kühlenden Schatten!

Eine Flucht schien aussichtslos. Immerwährend raschelte der Sand; selbst in seinen Träumen. Dennoch befand er sich an einem Ort voll wilder Magie: Um die hundert Quadratmeter breite Oase, von der er sich vor einem Monat in diese Welt gerettet hat, hatten sich über Nacht verzweigte Wege von der Insel zu den Ufern gebildet. Danach konnte Thomas sogar zusehen, wie sich die Palmen über die Insel bogen, die Kronen darüber zusammensteckten und sich ein Wurzelgeflecht von einem zum anderen Baum hinauf zog.

Über Nacht war eine dichte Höhle aus Palmen um den Teich entstanden. Nicht einmal die beiden Eingänge, die Laudanius und er hineinhackten, reichten, um das Innere zu beleuchten.

Dennoch war Thomas fasziniert von der wilden Natur: Eine lebendige Grotte. Wie Laudanius sagte, passieren derartige Wunder in „Soladum“ öfters. Würde er nicht darüber nachdenken, könnte ihm diese Welt ein Zuhause werden.

Ihm fehlte das normale Wetter. Denn trotz des Ödlandes stoben oft und ohne Vorwarnung monsunartige Schauer, Hagelklumpen oder Schnee vom Himmel. Innerhalb von Herzschlägen waren die Wolken abgezogen. Dafür folgte umso drückendere, tagelange Hitze. Stürmen gelang es, selbst die Palmengrotte zu biegen.

Daneben gab es auf dem Wüstenplateau keinerlei Leben! Nichts zischte und fleuchte neben dem endlos rieselnden Sand. Die Kröten aus seinem Traum schienen nur Trugbilder gewesen zu sein. Gab es denn nur den alten Mann und ihn in dieser Trostlosigkeit?

Was ihm noch stärker ins Mark griff, war die Nacht, wenn die Stimmen wisperten.

Ein Klappern riss Thomas aus dem Wahn: Statt mit dem Schwert kam der Alte mit zwei Holzschalen, worauf der Dampf von Brennnessel-Tee Thomas’ Nase kitzelte.

Was wie eine Teepause aussah, wurde von Laudanius’ grimmigem Blick vereitelt. Er setzte sich im Schneidersitz seinem Lehrling gegenüber. Als er ihm das Gebräu reichte, vernahm er Thomas’ Schnauben. „Nimm, wenn du nun das Wissen aufarbeiten willst.“

Widerwillig fasste er die Schale und nippte kurz. Das Gebräu schmeckte herb.

„Zur Wiederholung“, rief Laudanius. „Was weißt du soweit über den Aufbau unserer Welt?“

„Vom Boden zum Himmel hinauf ist die Mittelwelt – das Diesseits. Darunter erstreckt sich die Unterwelt. Das Firmament ist das Zeltdach, über die sich die Oberwelt ausbreitet.“

„Hast du die Herkunft der Schamanen begriffen?“

Thomas spannte sich an. „Dass der erste Schamane … von einem Adler gezeugt wurde?“

„Genau. Um Krankheits- und Todgeistern ins Handwerk zu spielen.“ Seine Gesichtsfalten zogen sich zusammen. „Doch galt es immer mehr zu bewältigen.“ Er erläuterte seinem Adept nun langwierig die Aufgaben, Anschläge von Geistmächten zu verhindern, Zelte vor dem Bezug rituell zu reinigen, zu heilen und deren Verursacher zu beschwichtigen, gefährdete Seelen in die Oberwelt zu führen, sowie kinderlosen Frauen zur Seelenfindung ihres Embryos zu verhelfen. „Mit rituellen Opfergaben konnten wir Ren-, Elch- und andere Wildgeister milde stimmen oder ihnen helfen. Da wir einmal eins mit den Tierwesen waren, musste jeder Stamm das Verhältnis zu ihnen und deren Göttern bewahren. Ansonsten war der Stamm zum Hungern verurteilt. Soweit verstanden, Thomas?“

Er schreckte auf, nickte hastig und nahm einen Schluck Tee.

„All das wollen wir versuchen – soweit ich die Mittel aufbringe – in die Tat umzusetzen.“ Da hob er den Finger. „Um solche Aufgaben zu meistern, musst du aber Hilfsgeister im Jenseits aufspüren. Ohne sie nimmst du nie Kontakt zu den Oberweltmächten auf.“

Thomas versuchte ein Schielen zu unterdrücken. Seine Gedanken rasten. „Klingt ja interessant. Aber was hat das alles“, und zeigte auf das angelehnte Breitschwert, „mit Kämpfen zu tun. Ich begreife nicht mal, wozu ich mich ausbilden lasse. Zu welchen Zweck?! Verrate es mir, du Geheimniskrämer!“

Statt rot anzulaufen ließ Laudanius den Kopf fallen. „Na schön.“ Er musste die Hintergründe seiner Anwesenheit erfahren, bevor er sich weigern würde, das Schwert in die Hand zu nehmen.

„Soladum“, und breitete die Arme zu beiden Seiten aus, „ist gewaltiger als dieser Flecken zwischen Gebirge und Ozean.“ Rasch steckte er den Finger in den Sand und zog eine Elypsenlinie. „Es gibt etliche Welten, die durch Pforten verknüpft sind – nicht nur physisch. Soladum, deine Erde und weitere Welten synchronisieren miteinander. Geht es der einen schlecht, werden auch andere in Mitleidenschaft gezogen; ebenso wie wenn eine Welt aufblüht. ‚Uns’ geht es seit zwei Jahrhunderten ‚miserabel’.“

Thomas überlegte scharf. „Da begann bei uns die Industrialisierung ... und Umweltzerstörung.“

„Gut geschlussfolgert. Eure Welt platzt vor Kapitalausbeute – oder wie ihr das nennt – aus den Nähten. Bald sind alle Rohstoffe auf eurem Planeten ausgebeutet. Darum muss sich etwas verbessern: In meiner oder deiner Ebene.“

Thomas grinste bitter. „Daran glaube ich kaum.“

Laudanius tippte barsch auf den Kreis vor sich. „Bei euch vielleicht“, und zeichnete eine einnehmende Landmasse darin ein. In der rechten, unteren Kante zog er Gebirgsgrate, aber ließ die unterste Ecke frei. „Dieser winzige Fleck ist unser Lager, umschlossen vom Definio-Gebirge.“ Dann zog er eine Schlängellinie von der östlichen Küste ins Landesinnere. „Das ist der Salmus-Meeresarm. Darüber erstreckt sich ein mächtiges Kiefernwaldgebiet bis zur Nordküste.“ Diese Küste wirkte wie abgehackt – als fehle ein Stück Land. Laudanius kratzte ein weiteres, kleines Gebirge an der Nordküste ein. „Hier hinein fließt der sich teilende Fluss Galonges ins … Meer.“ Eine weitere Linie zweigte sich südlich des Gebirges zu zwei weiteren. „Bis zur oberen Hälfte Soladums ist alles Ödland. Nach Süden zu folgt vorwiegend Steppe und“, wobei er seine spröden Lippen befeuchtete, „Ödland.“ Plötzlich zeichnete er von der mittleren Westküste aus eine starke Linie nach Südsüdost, bis sie vor der Südküste zu einem gewaltigen Rund anschwoll. „Er hat beinahe die halbe Größe vom Definio-Gebirge: Der Crudus-See; ungenießbar. In ihn mündet das Salzwasser des Ozeans. Über dem See“, und drückte einen dicken Punkt in den Sand, „liegt die ehemalige Imperialstadt unseres Landes.“

„Warum ehemalig?“

„Erfährst du früh genug.“

Thomas beugte sich näher an die Skizze. „Was liegt westlich des Zuflusses?“

Plötzlich zerschnitt der Alte mit der Hand wirsch die Luft. „Lasse mich ausreden!“ Sein Blick legte sich träge auf die von Thomas betrachtete Fläche. „Dort liegt der Rombos-Vulkan, auf den nur Dämonen oder Lebensmüde einen Fuß setzen.“

„Wegen der Ausbrüche?“

Laudanius zögerte. „Wie du sagst.“

„Noch einige astrologische Feinheiten: Nach dem Ozean folgt ein Abgrund in die Unterwelt.“ Thomas zuckte auf. „Richtig gehört. Soladum ist eine ‚Scheibe’. Was glaubst du, woher eure Mittelalter-Theorie stammt.“

Thomas aber wölbte sich der Magen. Er wollte nichts mehr über diese Welt wissen.

„Wie du bestimmt bemerkt hast, umkreisen drei Monde unsere Scheibe.“ Ganz langsam wurde Laudanius’ Blick leer. „In Soladum gab es einst keine Schatten, da zwei Sonnen gegenständig zueinander schienen, und immer zeitgleich am Horizont verschwanden. Das Klima war mild, der Himmel klar und mit Feuchtigkeit spendenden Nebelbänken bedeckt.“

„Kann das Wetter sich derart ändern? Was ist … mit der einen Sonne passiert?“

„Das ist der Knackpunkt, Thomas.“ Der Alte hob ruckartig den Kopf. „Unsere Welt wurde bis vor zweihundert Jahren von einem gottgleichen Wesen regiert, das wir ‚Sonnenpatron' nannten. Es besaß die Gabe, die Ordnung zwischen den Menschen zu wahren – allein durch seine lebensfrohe Mentalität. Sein allabendlicher Singsang drang über den ganzen Kontinent. Er konnte alles, wozu wir Schamanen auch in der Lage waren; nur weiträumiger. Mit dem Sonnenpatron war unser Dasein gesegnet. Es gab kaum düstere Tage, bis …“

„Bis was?“ Thomas’ Interesse an Soladum flammte wieder auf. „Vor zweihundert Jahren ...?“

Laudanius’ Kopf fiel auf die Brust, wobei er laut schnaubte. Die Erinnerung nagte schmerzhaft. „Vor zweihundert Jahren tauchten Kreaturen in unserer Welt auf: Drei Flüchtlinge mit großer Macht. Sie wollten den Sonnenpatron stürzen und das Land ausbeuten. Sie lotsten hunderte Dämonen in unsere Welt und verdrängten unseren Bauern- und Nomadenstaat. Da sie die Hitze der zwei Sonnen nicht ertrugen – und um den Sonnenpatron zu schwächen –steuerten sie einen Mond aus unserem Sternsystem aus der Bahn und schoben ihn mit gleicher Ellipse vor die südliche Sonne. Seither spielt unser Wetter verrückt und es gibt abnormale Naturkatastrophen. Genauso trockneten die Böden aus. Dieses Ungleichgewicht opferte über die Hälfte unserer Bevölkerung! Unser Blut wird sich nie daran gewöhnen. Dafür blühte das Heer der drei Bestien auf.

Bald beherrschten Fehden das ganze Land, auch von Mensch zu Mensch. Der Sonnenpatron verzweifelte mit dem Chaos und wurde so schwach, dass er die Angriffe nicht mehr aufhalten konnte. Knapp zehn Jahre nach dem Erscheinen der Bestien stürzten sie den Sonnenpatron und ernannten sich zu den Dominantoren – den ‚Allmächtigen’ Soladums. Seitdem beherrscht Tyrannei unser Land. Alles wird überwacht, außer abgelegene Orte.“ Er hob die Hand. „Wie auch das Definio-Gebirge und die Wüste hier. Seit dem Schreckensbeginn ist dies meine Zuflucht.“

„Haben die Dominantoren den Sonnenpatron getötet?“

Der Alte zuckte mit den Schultern. „Einige meinen Ja. Andere, dass der Sonnenpatron ihnen entkommen sei und sich verbirgt. Auch ich vertrete diese Meinung. Denn wenn ein Sonnenpatron stirbt, legen sich seine Energien spürbar über unsere Scheibe. Das ist damals nicht eingetreten.“ Er hob den Finger. „Außerdem wollten sie seine Macht einsaugen, um alle zu erreichenden Dimensionen einzunehmen; auch eure Erde. Das ist bis heute nicht passiert.“

Thomas grübelte kurz nach und hob abrupt den Kopf: „Wieso hast du mich nun hierher gelotst? Soll ich die drei Irren mit ein paar Geistern und Heilmethoden aufhalten?!“

„Nein!“, rief der Alte barsch, um anschließend ein Grinsen aufzusetzen. „Natürlich muss jemand diese Tyrannen vertreiben. Dazu ist nur der Sonnenpatron fähig, wenn er sich wieder gestählt hat. Dir soll die Aufgabe zuteil werden, die ich die Hälfte meines Lebens zubrachte.“

Thomas fielen die Kiefer auf. „Was? Ich soll doch nicht diesen Sonnenpatron finden?!“

Laudanius schnippte die Finger. „Dafür will ich dich ausbilden. Die Schamanen und der Sonnenpatron entstammen der gleichen Ader. Wir sind miteinander verknüpft, durch Ober- und Unterwelt. Kein anderer als ein Schamane wäre dazu fähig.“

Thomas' Herz klopfte. Hastig sprangen seine Blicke über die Karte im Sand. „Wenn er stark genug ist, warum handelt er nicht selbst? Was würde es bringen, den Sonnenpatron zu finden?!“

Laudanius hasste solche Fragen und wurde lauter: „Er soll nur durch den Verlust seines Gedächtnisses entkommen sein. Jemand muss ihm seine alte Bestimmung vor Augen führen.“

„Und wo soll ich suchen?!“

Laudanius legte einen Finger quer über die Skizze. „Ich habe sämtliche Winkel unterhalb der Linie durchforstet, ohne fündig zu werden. Ich hoffe, du bestreitest die obere Hälfte – mit Erfolg.“

Entsetzen erhitzte sein Blut. „Soll ich dafür auch zweihundert Jahre brauchen?! Mein Leben vergeuden für eine minimale Hoffnung?!“

Der Alte ignorierte die Auflehnung. „Ein Leben, das es in deiner Welt nicht mehr gibt. Du hast es dir selbst verbaut.“

„‚Du’ hast mir diese Hexerei eingeflößt. Ich bin keiner von euch!“

„Das wird sich herausstellen.“ Laudanius verwischte die Karte. „Nenne mir die Aufgaben des Schamanentums. Danach ist Schluss für heute.“

Thomas fletschte die Zähne, doch versuchte er sich zu beruhigen. Leider war ihm alles wieder entfallen. Seine Stirn kräuselte sich vor Anstrengung.

„Man nennt unser Gruppe auch ‚Träumer’. Und du bist der Unfähigste! Merkst du dir überhaupt was?!“

„Jetzt reicht’s!“ Thomas sprang auf und stampfte davon. „Rette deine Welt allein! Ich lass' mich nicht beleidigen; nicht von dir … Alter!“

Verspannt sah er dem Flüchtenden nach, wie er die Plane zu seinem Zelt aufriss und verschwand. Als von Innen ein langer, tiefer Schrei das Fell wellte, schrak Laudanius zusammen.

„Zweiundfünfzig! … Dreiundfünfzig! … Vierundfünfzig!“, keuchte Thomas, bevor er von den Liegestützen zu Boden sank. Seine Schläfen pulsierten. Der Atem schlug ihm heiß ins Gesicht zurück.

Wütend sprang er auf, um am Boden einige Rumpfbeuge zu heben. Da trat behutsam Laudanius herein. Seine leichte Furcht verwandelte sich zu Staunen.

Während der Alte ein abfälliges Schnauben hörte, hob er die Hände. „Ich weiß, dass solche Bürden schwer zu tragen sind. Eins aber solltest du wissen, bevor du mich verabscheust.“

Thomas sprang wieder auf und hob die Arme, um die Finger stetig zu den Fußzehen zu strecken.

„Hör auf!“, rief Laudanius. Derartige Ignoranz war ihm sein ganzes Leben nicht untergekommen. „Höre mir zu.“

Endlich hielt Thomas inne und starrte ihn grimmig an.

„Sei gewarnt. Atme durch und verarbeite es …“

„Worauf willst du hinaus, Alter.“

Laudanius legte den Kopf auf die Brust. „Dann eben so“, und starrte ihn an. „Eigentlich hättest du bei deiner Geburt sterben müssen.“

„Was?!“, keuchte Thomas verwirrt.

„Deine Seele wäre nach dem Erdentod bei einer Tiermutter – hier – im Soladischen Jenseits aufgezogen und – in Soladum – als Schamanenkind wiedergeboren worden. Eure Ärzte haben zu gute Arbeit geleistet.“

Thomas schnaubte. „Bestimmt war es besser so, dass ich auf der Erde blieb!“

Laudanius schüttelte den Kopf. „Ach ja? Denke nach: Hättest du nach der Schule eine erstrebenswerte Bestimmung gehabt, Aussichten für das spätere Leben? Antworte mir ehrlich.“

Bevor sein Schüler innerlich zu kochen begann, schnaubte er durch zusammengebissene Zähne: „Eben nicht. Mir fehlte der Plan.“

„Warum denkst du, ist das so? Du bist bestimmt, Schamane zu sein, in dieser Welt. Auf Erden hättest du nie eine Zukunft aufbauen können, egal, wie stark du dich angestrengt hättest. Wie letzteres Geschehen beweißt.“

Thomas’ Züge erschlafften. ‚Auch ohne die Magie dieser Welt hätte ich Schulz umgebracht? Vielleicht hätte ich mich auch nie von den Schrammen erholt?!’ Sein drangsalierter Arm schmerzte heute noch, wenn er ihn hob.

Laudanius sorgte sich um etwas anderes. „Da du leider keine Tiermutter hattest, fehlt sie dir nun als erster Schutz- und Hilfsgeist. Dir würden die Jenseitsreisen besser von der Hand gehen. Du trägst eine schwere Bürde, Thomas. Aber sobald du den ersten auf deine Seite ziehst, gelingt dir jeder Schritt besser.“

„Dennoch ist diese Reise Selbstmord!“

Da begann der Alte aufzulachen. „Nicht unbedingt. Ein Vorteil birgt deine Mutterlosigkeit: Dir fehlt das Schamanen-Mal.“ Er krempelte den Ärmel hoch und zeigte ihm ein Zeichen am Ellbogen, dass einem Angelhaken ähnelte. „Auch verdeckt würden es die Dominantoren von weit her orten. Ohne das Mal öffnen sich dir Möglichkeiten, die anderen Magiekundigen verwehrt bleiben. Denke darüber nach, Thomas. Diese Reise ist kein Selbstmord, sondern machbar. Dein Temperament wird dich unterstützen – glaube mir.“

Bevor er alles verarbeiten konnte, wandte Laudanius ihm den Rücken zu. „Vergiss nicht: Du bist die einzige Hoffnung, dass Soladum wieder aufblüht“, und verschwand hinter der Plane. So ließ er Thomas allein mit seinen Gedanken.

Kapitel 4

Albträume

Neben ihm plätscherte der Fluss in geschwungenen Schleifen. Der Eichenwald, der sein Zelt seit dieser Nacht umgab, ließ Laudanius hoffen. Mittendrin atmete er die moosige Würze der Erde ein und lauschte dem Rascheln der Blätter. Selbst einige grün und goldbraun schimmernde Libellen surrten an ihm vorbei.

Plötzlich spürte er den kühlen Windhauch durch sein Haar streifen, gemischt mit der Wärme der Wüste. Trotz des Widerstrebens des Jungen und seines Egoismus’, entfachte sein Adept das Temperament dieses Landes von neuem. Laudanius öffnete die Augen und schritt an einen Eichenast und strich sanft über eine Knospe, um einen klaren Tautropfen aufzunehmen. Er schmeckte süß.

Da schlug der Geschmack plötzlich ins Bittere um. Das Baum-Geäst begann sich zu schütteln und bog sich unter nicht vorhandenem Wind. Bog sich und knarrte, bis die Krone mit einem Hieb den Boden berührte!

Laudanius sprang erschrocken zurück, als der Stamm über den Grund fegte und ihn beinahe traf. Dann bildeten sich ein Mund in der Rinde und aufbrechende Augen darüber, die ihn zornig anstarrten. Ein knackendes Gebrüll der Eiche stieß sich in Laudanius Ohren. Er krümmte sich, während er tief ein- und ausatmete. Was er da sah, war allein die Reflexion aus einer anderen Welt. In Soladum war es ein harmloses Trugbild.

„Wie hältst du das nur aus?!“, rief der heran kommende Thomas über das Brüllen und Knacken von Geäst hinweg.

„Weil es dir keinen Schaden zufügen kann“, antwortete Laudanius ruhig, ohne sich umzuwenden. „Nicht auf dieser Ebene.“ Dann tastete er am Gürtel herum, kramte in einem befestigten Säckchen und warf ein Pulver zur bebenden Eiche. Abrupt verwandelte sie sich zum stillen Baum zurück.

Als der Mentor sich aber zum Adept wandte, riss er die Augen auf, keuchte und lief rot an. „Was hast du getan?“

Thomas kratzte sich am morgens kahl geschnittenen Kopf. „Es hat gejuckt.“

„Du bist des Teufels, Junge!“ Laudanius fuhr sich angestrengt durchs Gesicht. „Das Haar ist für uns Schamanen heilig, da es die meisten Vitalkräfte besitzt. Es sollte nie geschnitten werden! Und du scherst es ab?!“

„Soll ich etwa herumrennen wie du?“, wobei er auf Laudanius’ lendenlangen, silbrigen Zopf deutete.

„Du begreifst den Schamanismus wohl nie?“, und strich seinen Arm durch die Luft. Rasch beruhigte er sich. ‚Aus jedem Fehler lernt er.’ „Egal nun, jetzt lässt du es eben wachsen. Bürste es jeden Tag durch, dann vergeht das Jucken. Wir haben uns vorzubereiten.“

„Auf was?“

„Du wirst dich wieder in die Oberwelt begeben. Ohne einen Hilfsgeist können wir mit der Ausbildung nicht fortfahren.“ Er hörte Thomas’ Grunzen. „Ich weiß … aber wenn du ihn gefunden hast, fällt dir alles leichter.“

„Das sagst du jedes Mal!“

Sein Mentor wandte sich zu dem Jurtenzelt inmitten der wehenden Eichen. „Lasse uns endlich beginnen.“

Thomas folgte ihm lahmen Schrittes. Als er das Zelt betrat, stach ihm beißender Weihrauchgeruch in die Nase.

In der Mitte ragte ein mächtiger, kahler, aber mit Rinde versehener Lärchenstamm bis zum Deckenabzug. Drum herum standen kleine Holzfiguren (Elche, Eulen, Otter, Fuchs und Rene), die Hilfsgeister darstellten. Etliche Decken waren ausgebreitet. Einiges an Schamanenwerkzeug lag darauf.

Der Alte setzte sich im Schneidersitz davor und nahm eine mit Dellen verzierte, vergilbte Handtrommel mit Stößel. „Setze dich“, und er begann rhythmisch im Dreiviertel-Takt auf die gespannte Wildtierhaut zu schlagen. „Höre genau hin und du findest die Wesen.“

Schnaubend gab Thomas nach und setzte sich dem Schamanen gegenüber. Verkrampft lauschte er den dumpfen Schlägen. Nebel umgab seinen sich wieder entspannenden Geist; seine Umgebung löste sich darin auf. Er vernahm nur seinen Atem und die Laudanius’ Schläge.

Dann riss er die Augen auf: Diesmal hat er mit beiden Füßen auf einem verwucherten Pfad. Ihm graute vor der Erkundung des Jenseits.

Behutsam setzte er einen Schritt nach dem anderen über verwucherte, steinige, aber auch schlammige Pfade. Bei jedem Geräusch lauschte er und betrachtete jede Ecke. Nach jedem Blick und Innehalten jedoch riss Thomas die Geduld. Seine Bewegungen wurden hektischer. Er stolperte ständig, fluchte und ballte die Fäuste. Die Sonne blähte seine pulsierenden Schläfen. Nicht einmal die Bäche, an denen er sich abkühlte, brachten Linderung. Zudem verlor er die Orientierung! Seine Augen zuckten hin und her. Nach tausenden Pulsschlägen eilte er durch raschelnde Buchenwälder. Das Spiel aus Schatten und Licht raubte ihm die Nerven.

Er wollte brüllen und auf einen Baum einschlagen … da hörte er plötzlich ein Zischen. Wirr sah er nach links. Eine Schlange lag smaragdgrün schimmernd im braunen Laubboden.

Vorsichtig näherte er sich ihr. Er wusste: Jede Tiergestalt im Jenseits war ein Hilfsgeist. Er musste ihn bloß auf seine Seite locken.

„Ich suche schon den ganzen Tag nach dir, edles Tier. Und suche deine Nähe hier.“

Die Schlange züngelte nur.

„Begehrest du etwas Vulgäres?“

„Wassserpelzz bei diessem dampfenndem Blätterrwerk“, zischte das Tier.

„Hä, Wasser?“ Neben ihm floss ein Rinnsal den Weg hinab. Verwirrt schöpfte er und hielt ihr die tropfende Hand hin.

Das Tier fauchte nur: „Niccht tröpflich. Pelzzig.“

„Was meinst du?“ Thomas platzte die Geduld. „Soll ich’s tagelang aufbewahren, bis es schimmelt und stinkt?!“

Die Schlange schrak auf und bleckte sichtbar vier spitze Zähne. „Dummess Hautgeschöpff. Erklimm die Nebelspitzzen auffwärtss dess Rasschelgeistss, und bring mir Wassserpelzz!“

Thomas schnaubte und warf die Blicke wild umher. Er sah neben Wald nur Flüsse, Heide und einen Berg, den Eis bedeckte. Nebel umsäumte den Gipfel. ‚Nebelspitze.’ „Was – ich soll da rauf? Und dann?!“

„Wassserpelzz!“, zischte der Geist verächtlich.

„Was meinst du damit, du … du Vieh?!“ Kochend warf er ihr das Wasser zu.

Die Schlange fauchte kurz, schnellte vor und biss ihm in die Hand.

Bevor der Schmerz ihn ereilte, schoss der Geist ins Gestrüpp. Schockiert betrachtete er die Bisse. Er begann zu hecheln. Sein Herz flatterte vor Furcht. Er wollte rennen – nur wohin?!

Rasch sprenkelten bunte Punkte seine Netzhaut. Er übergab sich und fiel.

„Ich habe nicht daran gedacht“, drang Laudanius’ Stimme dumpf in seinen Geist. Thomas wollte antworten, doch fehlte ihm die Kraft. Allein etwas Weiches unter sich wahrnehmend, fielen seine verschwommenen Blicke auf den Alten. Er saß entspannt neben ihm.

Die fragenden Augen reichten ihm zur Antwort. „Jeder Geist spricht auf seine eigene Weise. Ich habe es vergessen, da ich mit ‚meinen’ Hilfsgeistern gewohnt bin, so zu sprechen.“

Thomas wollte zornig auffahren, doch lag er starr am Boden.

„Ich habe versucht, das Gift aus dir zu räuchern. Es gelang mir nicht ganz.“

Trotz der hörbaren Reue in Laudanius’ Stimme, öffnete Thomas die klebrigen Lippen auf. „Wie lang war ich weg? ... Wie lang bleibe ich so?“

Der Kopf des Alten fiel hinab. „Zwei Tage musste ich dich heilen. Dass du nicht gestorben bist, verdanke ich meiner Renmutter.“

„Wie lang … noch?“, presste Thomas.

„Vielleicht einen Tag, eine Woche oder …“

Das ‚oder’ ließ ihn resigniert entspannen. Nichts war ihm jetzt interessanter als der Tod.

„Selbst erkrankte Schamane heilen sich normalerweise selbst“, begann Laudanius zu seufzen. „Aber nur mit Geistmächten. Umso mehr, umso besser.“

Wollte er Thomas etwa ermutigen, weiterzusuchen – mit Fehlinformationen und Verwirrung?

„Sterben die Hilfsgeister, ziehen sie auch den Schamanen mit sich. Du musst lernen, besser mit ihnen umzugehen, auch wenn sie noch nicht an deiner Seite stehen. Du musst ein Verhältnis zu ihnen entwickeln. Deine Ungeduld ist falsch.“

Wann hörte er endlich auf, ihn zu bevormunden. „Lass mich einfach in Ruhe.“ Mit letzter Kraft drehte er sich zur Seite und schloss die Augen. „Ich kann nicht mehr.“ Er vernahm Laudanius Seufzen. Um ihn wurde es wieder dunkel und still – himmlisch still.

Knurrend versuchte er sich aufzustemmen. ‚Hoch mit mir!’ Er war des Liegens, des Grübelns und Nichtstuns müde.

Mit ächzenden Knochen drückte er sich hockend auf. Jeder Muskel schmerzte. Umso länger er dalag, desto schlechter würde es ihm fallen, aufzustehen.

Endlich schwankte er zum Zeltausgang. Er fühlte sich weder auf dem Boden stehend, noch in der Luft schwebend. Zitternd hob er die Plane … und wurde durch das Zucken eines gleißendes Blitzes zurück gestoßen.

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