Kitabı oku: «Soladum - Suche des Sonnenpatrons», sayfa 4

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„Was wollt ihr von uns? Reicht es euch nicht, die bewohnten Teile Soladums zu unterjochen? Das hier ist lebloser Grund.“

Plötzlich schoss Thomas ein Blitz durchs Gehirn: ‚Die drei Dominantoren?!’ Er musste ein Stoßatmen unterdrücken.

„Leblos?“, zischte einer der anderen Dominantoren und zeigte ringsherum. „Dieser Wald hat unsere Späher erst auf dich aufmerksam gemacht.“

„Verschwindet! Ihr wisst, dass wir drei Schamanen zusammen machtlos sind.“

„Ihr allein hattet damals auch genügend Macht, um uns in diese Welt fliehen zu lassen.“

Thomas stieß beinahe gegen den Deckel.

Laudanius ließ bitter den Kopf hängen. „Ja … gepeinigte Kreaturen ward ihr einst. Immer wieder hörte ich euer Flehen aus den Felsspalten, Baummulden und Quellen. Sogar im Traum hörte ich euch.“

„Du warst eben der einzige, der die Tore öffnen konnte“, wisperte ein anderer.

Schließlich riss Laudanius den Kopf hoch. Seine Augen glühten zornig. „Ihr wusstet, dass eine neue Übergangszeit in Soladum eintrat. Das habt ihr ausgenutzt! Zu Neujahr haben Cheviot und ich euch dummerweise eingelassen.“ In zerfransten Wildhäuten staken sie einst, kaum zum Sprechen fähig und verwundet durch die Folter ihres Königs, nur weil sie seine Tyrannei stürzen wollten. „Dann erkanntet ihr die Schwächen unseres Volkes, unserer sonnigen Ordnung.“

Der Dominantor zog Laudanius höher. „Du musst zugeben: Wir waren wie Freunde. Ihr habt uns diese Welt und ihr Gefüge erst erläutert. Welch schöne Zeit. Gib es zu, alter Mann!“

„Vergeudete Zeit!“, spuckte dieser. „Zu viel habe ich euch beigebracht.“

Ihre Reaktion war ein krächzendes, gurgelndes Gelächter.

„Lasse uns nicht mehr schwärmen.“ Der vordere Dominantor drückte seine Gurgel zu. „Unsere Weissagerin meinte, dass du wieder eine Kreatur eingeschleust hast. Jemand mit solcher Macht, dass er“, und schwang die freie Hand zu den lodernden Strünken, „diesen Wald wachsen ließ.“

„Angeblich ein Schamanenkind“, zischte der andere.

„Aha“, tat Laudanius. „Und wo soll dieser Schamane sein? Diesen Wald ließ ich durch meine Experimente so schnell wachsen, um euch mit der umgekehrten Technik aufzuhalten!

Er konnte die Ratlosigkeit hinter ihren Kapuzen spüren. Die Augen ihrer alles sehenden Maskenfibeln zuckten umher und suchten nach dem vierten Schamanen-Mal. Laudanius schmunzelte. ‚Fluch und Gabe zugleich, Thomas.’

„Damit wolltest du uns aufhalten?“, wisperte der dritte Dominantor.

Laudanius’ Hand glitt langsam in die Kuttentasche. „Damit … und mit dem Armreif des Sonnenpatrons!“

Abrupt verkrampften die Bestien. Die Erste stieß ihn meterweit davon. Kaum traf er auf, schnellten die Bestien zu ihm und rissen den Mantel von seinem Leib. „Bastard!“, wisperten sie. „Du hast unser Kommen vorausgesehen.“ „Aber nicht schnell genug.“ „Wo …?“ Sie zerfetzten die Kutte. „Wo ist er?!“, rief ein Dominantor.

„Weggeworfen … in den Fluss Richtung Ozean, damit ihr ihn nie bekommt. Der Anblick … hätte … euch verletzt, aber nicht genug.“ Trotz seiner Schmerzen hoffte Laudanius, dass Thomas alles genau verfolgte. Dann wurde seine Miene hart und kraftlos. „Ja … ich habe euer Kommen vorausgesehen … und … meinen Tod.“

Die Dominantoren bäumten sich auf. Einer nach dem anderen lachte: „Wohl wahr.“ „Dein Tod ist endgültig.“ „Sterbe hier in Schmach, wie die anderen Versager.“ „Welch schöne Zeit.“ Somit drehten sie sich um und überließen Laudanius seinem Schicksal.

Um ihre Risiken auszulöschen, streckten sie – ihre Rücken zu einem Dreieck gerichtet – die Arme aus.

Thomas beugte sich vor Schreck hinter, und fiel plötzlich in ein Loch im Truhenboden.

Draußen bildeten sich Feuerzungen um die drei Dominantoren, vergrößerten sich … und stoben in einer Walze in alle Richtungen.

Hitze, Sand und Holzsplitter schlugen auf Thomas nieder. Er schwitzte rasch. Die Luft wurde knapp. Er hechelte, verlor fast das Bewusstsein. ‚Durchhalten’, rief Laudanius’ ihm im Geiste zu. Abrupt vollzog Thomas die Branajama-Atmung. ‚Eins … Zwei …Drei …

Vier …’ Einatmen, anhalten, ausatmen. Trotz der sich in den Schutt fressenden Flammen, beruhigte er sich und verharrte noch hunderte Herzschläge ... bis er nicht mehr einatmen konnte.

Ohne Rücksicht stieß er sich aus der Dreckschicht und sprang in die sengende Freiheit. Obwohl alles um ihn loderte, erloschen die Flammenmeere wieder. Woher sollten sie sich auch in einer Wüste nähren?

Hektisch blickte er sich um. Nirgends mehr war eine Spur von den Dominantoren. Dafür erstarrte er, als er die anderen vor sich auf dem gläsernen Boden sah: Achim, Cheviot und Laudanius waren halb verkohlt. Rasch eilte er zu ihnen. Jedoch atmete nur sein alter Mentor.

Zusammenfahrend hörte er die Stimme von Laudanius, der hauchte: „Ich wünschte … ich könnte dir mehr beibringen … aber nicht in diesem Leben.“

„Was soll ich tun?“ Erneut war eine Zukunft für Thomas zusammengebrochen, abrupt und ohne Respekt.

„Am … Nordwest-Rand des Definio-Gebirges … steht ein Hain … aus toten Lärchen. Darin wachsen … einige Lebende.“ Der Alte hüstelte. „Begrabe uns darauf, wie es für Schamanen würdig ist.“ Um ihn zu ermutigen keuchte Laudanius zu seinem zitternden Schüler. „Wenn du den Hain … am Definio-Gebirge entlang … verlässt … kommt hundert Fuß Richtung Norden … Schlucht … Ausgang der Wüste.“

Obwohl ihn die Erkenntnis erheitern sollte, resignierte er. „Und dann?“

Ein Blick auf Laudanius’ offen gebliebene Augen reichte, um nicht erneut zu fragen. Sein Mentor war tot – nach dreihundert Jahren des Lebens, Kämpfens und Leidens.

Um seinem Ableben Nachdruck zu verleihen, begann die Erde unter ihnen zu zittern. Thomas wollte aufspringen und fliehen, doch fiel er wieder hin. Alles schien zu wanken und zu donnern, selbst die Luft. Alle Sphären schienen dem Zerbersten nahe. Denn jeder Schamane verband die drei Welten mit den Menschen und hat sie zusammengehalten. Und Laudanius war ein wahrhaft Großer.

Das Beben währte noch bis in die Nacht hinein.

Als ihn die ersten Sonnestrahlen kitzelten, hatte Thomas sich wieder gefangen und zog die drei Schamanen auf einer steifen, selbst gefertigten Pritsche aus starken Ästen zum beschriebenen Hain. Nach vielen Pausen, einem Nachtlager in der offenen Wüste und mehrmaligem Übergeben, erreichte er den ebenso toten und vom Feuer verkohlten Rand des Lärchenwaldes. Innen aber standen ein Dutzend, wohl hundert Jahre alte Lärchen. Sie hatten derart dicke Stämme und Äste, die sogar Särge tragen konnten.

Thomas stöhnte und übergab sich beim Rückblick auf die drei toten Schamanen. Obwohl er sich fragte, wozu er den Aufwand betrieb (man konnte die Leichen einfach vergraben), zimmerte er am nächsten Tag aus herumliegenden Stämmen floßähnliche Särge. Um den Gestank von verkohlter Haut ertragen zu können, hat er die Toten in übrig gebliebene Zeltplanen gewickelt. Sie wieder auszuwickeln, kostete ihn die meiste Kraft.

Ja – er tat es vor allem für Achim. Die Vorstellung, bei ihm die Ausbildung weiterzuführen, hätte Thomas gefallen. Jetzt war er tot, ebenso wie Thomas’ Aussicht für eine Zukunft.

Als er die verschlossenen Särge mit den Schamanen darin mit Seilen in die starken Äste gezogen hatte, vertaute er sie mit seiner letzten Kraft. Jeder Sarg bekam seinen eigenen Baum.

Von der Prozedur erschöpft, lag er nun am Fuß der drei Lärchen, sinnierte und schlief ein.

Vor ihm stand plötzlich Laudanius aufrecht und ohne eine Verletzung. Er schien vor Jugendlichkeit zu strahlen. Um sie herum herrschte Finsternis.

Trotz insgeheimer Freude schrie Thomas: „Verschwinde! Du bist tot. Und ich auch bald.“

„Gebe nicht auf, Adept!“ Laudanius schüttelte den Kopf. „Mit meinem Tod kann ich dir immerhin deine erste Aufgabe erleichtern, indem ich dein Schutzgeist werde.“

„Dich, als Schutzgeist?“ Leichter Ekel wölbte Thomas’ Magen.

„Ja. Mein letztes Geschenk und vielleicht Ermutigung genug, um weiterzumachen und den Sonnenpatron zu suchen.“

„Wenn es sein muss.“

„Du musst nicht zustimmen. Bedenke aber: Mein Opfer ist der Verlust ‚meines’ Seelenfriedens, und meiner ganzen Erinnerung. Ich werde ein helfendes Tier, wie jeder andere Geist. Glaube ja nicht, dass mir dieses Opfer leicht fällt“, aber für den Sonnenpatron und die Rache seiner getöteten Frau!

Obwohl er sich sträubte, den Alten in seiner Seele zu verankern, nickte Thomas. Was hatte er zu verlieren? „Gut. Lasse es schnell gehen“, und öffnete ihm seine Freiseele.

„So sei es, unserer Aufgabe Willen.“

Wie Nebel verschwamm der Schamane vor ihm, während plötzlich Licht vor Thomas aufleuchtete. Schemen kristallisierten sich.

Kaum verschwand das Stechen in seinem Herzen, sah er ein altes, einstöckiges Backsteinhaus in einer lila blühenden und wehenden Heidelandschaft. Alles war umsäumt von glitzernden Bächen und kuppigen Bergen.

Bevor er auf das Haus zutrat, raschelten die weißen Kiesel des Weges. Erschrocken sah er weiße Hände, die sich aus dem Boden streckten. Innerhalb von Sekunden gruben sich gleichfarbene, gesichts- und faltenlose, menschliche Gestalten aus der Erde. Sie besaßen nur Augen und je einen Speer in den Händen. Bei seinem Anblick traten sie beiseite und verneigten sich vor dem neuen Schamanenadept.

‚Dies war mein Territorium im Jenseits, wo sich deine Seele zurückziehen und stärken kann. Es soll dein sein.’ So verklang Laudanius’ letzter Gedanke – vorerst.

Kapitel 6

Der Aufgabe Willen

Als er wieder wach war, bemerkte er, dass sich die Rinde der Lärchen um die drei Särge geschlossen hatte. Nur die menschengroßen Knorpel erinnerten an die Begräbnisstätte.

Von den Wundern allmählich überdrüssig geworden, suchte Thomas den Ausgang der sengenden Wüste. Kurz vor dem Zenit trat er den Weg zum ehemaligen Schamanenlager an.

„Raus hier!“, rief Thomas laut. Er setzte sich eine improvisierte Holzkappe auf und drehte den Zündschlüssel. Die Suzuki jaulte auf, obwohl das Motorrad beinahe zwei Monate im Sand lag. Laudanius hatte es vergraben, da „Teufelsgerät nichts in unserer Welt verloren hat“. Obwohl Thomas gern ein paar Ablenkungsrunden gedreht hätte, war er froh über die Sturheit des Alten. Ansonsten wäre die Maschine mit den Feuerwalzen der Dominantoren explodiert.

Er stak wieder in seinen alten Klamotten, der Schamanenkutte, hatte das Breitschwert an der Hüfte, und Verpflegung und Zeltfetzen im Rucksack.

Mit einem letzten Blick auf die Wüste mit dem Fluss und der halb verbrannten Palmenhöhle, warf er den Gedanken daran fort. „Endlich!“ Sandwehen stoben nach hinten.

Trotz des peitschenden Fahrtwindes lehnte Thomas sich zurück und genoss das weiche Polster, die Schnelligkeit, sein aufloderndes Temperament und die Vorfreude. Leider huschte alles zu schnell an ihm vorbei sodass er die Einzelheiten am Weg nicht aufnahm. Auch schien seine Seele ihm nicht rasch genug folgen zu können da er sich mit der Zeit völlig leer fühlte.

Nach kurzer Zeit hielt er sich nördlich am Rand der spitzen Felsen, bis sich eine gut drei Meter breite Lücke offenbarte. Mit einem Grinsen schoss Thomas hinein.

Trotz des Echos vom jaulenden Motor konzentrierte sich Thomas auf den Pfad. Er war halbwegs eben, von fester Erde, Kies und selten auch Geröll gezeichnet.

Obwohl er bei unübersichtlichen Stellen und Kurven das Tempo drosselte, pendelte der Tacho zwischen sechzig und achtzig Kilometer je Stunde. Ihm blieb genug Konzentration, um die Formen der Berge zu mustern, sich nach Sonne und Monden umzuwenden und um durchzuatmen.

Abends vom drückenden Hintern und tränenden Augen mürbe geworden, schob er das Motorrad unter einen Felsvorsprung. Es war genau rechtzeitig, da eisiger Gegenwind durch den Spalt des Gebirgspfades zu pfeifen begann.

Kaum hat er ein Feuer mit den Holzreserven entzündet, aß er den Rest von Achims Suppe. Während er in die Flammenzungen sah, verloren sich seine Gedanken. Er war froh, aus der toten Wüste heraus zu sein. Doch wohin sollte er jetzt?

Da fiel ihm Laudanius Kartenskizze im Sand ein. Wenn seine Orientierung nicht zu sehr in der Irre lag, hielt er auf die Imperialstadt zu. Sie liegt hinter dem Gebirge. Da der Tank seines Motorrades halb voll war, käme er noch einige hundert Kilometer voran. Bloß fehlte ihm der Maßstab. Wie lang würde er noch durch das Gebirge fahren: Tage oder Wochen? Bevor er zu tief in Grübeleien versank, schüttelte er den Kopf. Er genoss seine Suppe.

Nach der Gymnastik meditierte er eine Stunde und wickelte sich in die Felle. Die Nacht blieb ungewohnt warm.

Im Sonnenschein erwacht, fuhr er weiter nach Nordwesten. Der Gegenwind rüttelte so stark an ihm, dass er die Schamanenkutte fester um seinen Leib band.

Auf einmal wurden die Pfadränder breiter, die Felsen wichen zurück und machten üppig wachsenden Wiesen Platz. Schmetterlinge in jeglicher Farbe flogen auf, Eidechsen huschten und Adler schwangen sich durch die Lüfte. Einer schien mit Thomas Gefährt um die Wette zu fliegen.

„Wow!“ Er beschleunigte und der Adler holte auf! Zudem galoppierte ein weises Pferd aus dem Gebüsch und an Thomas’ Seite entlang. Verblüfft erkannte er eine Spitze an dessen Stirn. „Ein Einhorn. Wahnsinn!“ Da plötzlich: Eine Riesenkröte … sprang mitten auf die Fahrbahn.

Thomas bremste mit aller Kraft. Er wich aus und stob zwischen Einhorn und Kröte ins Brombeergebüsch. Nur Gras sehend, schlitterte er durch Rinnsale und Matsch, bis er derart schlingerte, dass er stürzte. Thomas selbst federte im Matsch ab und hörte ein lautes Scheppern. Noch etliche Herzschläge lang blieb er liegen.

Halb durchnässt stolperte er durch die Schneise im Grasgebüsch. Keine zehn Meter vor ihm lag dann die zerschellte Suzuki an der Felswand. Kopfschüttelnd trat er darauf zu. Mit jedem Schritt versteifte sich seine Miene.

Am Wrack tastete er daran herum: Über den verbeulten Tank, geknickten Lenker, platten Reifen und die gebrochenen Spiegel. Als er aus der Leitung tropfenden Benzin roch, ballte er die Fäuste. „Verflucht!“, und boxte auf den Sattel, bis er entkräftet niedersank.

Das Motorrad war unrettbar zerstört. Seine Klamotten waren vom Schlamm durchnässt. Ihm schien auch sein klapperndes Kochgeschirr im Rucksack gebrochen zu sein. Als er den Kopf in den Nacken werfen wollte hielt er inne: Eine Wolkenfront ballte sich von Westen aus zusammen.

Von schüttelnden Regengüssen in der einbrechenden Nacht wach gehalten, zeichnete Thomas in einer Höhle die Karte des Meisters in die Erde. Sooft er die Maße drehte: Er hat höchstens die Hälfte des Gebirges hinter sich. Wofür er mit dem Motorrad eineinhalb Tage gebraucht hatte, würde er nun mindestens zehn benötigen. Seine Verpflegung ging zur Neige!

Während er sein rotes Haar zerwühlte, besprühte ihn nasser Regen. Er konnte in andere Höhlenecken flüchten, wie er wollte: Sie war zu klein und lag auf der dem Wind zugewandten Seite. Er würde keinen Schlaf finden, selbst wenn er die Felle vor sich spannte.

Er tat es dennoch und hielt sich über die Nacht durch Gymnastik warm. Dabei zog er die halbnassen Klamotten an, damit sie an seinem warmen Körper trockneten.

Mit dem ersten dämmrigen Morgenrot packte er die Sachen und marschierte im Nebel los. Augenringe legten sich auf seine Wangen.

Die undurchsichtigen Schleier klarten nach und nach auf. Sonnenlicht ließ ein Lächeln auf Thomas’ Antlitz erstrahlen. Trotzdem fühlte er sich ausgelaugt. Seine Schritte traten schwer nach dem nächsten. Immer häufiger versperrten Geröllbrocken den Pfad. Hat er diese bestiegen, folgten Schlamm und Pfützen. Manchmal stolperte er über zwar herrlich blühende, aber wild verrankte Heidesträucher. Am ersten Tag legte er höchstens zwanzig Kilometer im Zickzack zurück.

Der zweite verlief kaum besser. Immer wieder fluchte er, brüllte seine Energien unnötig heraus, blieb minutenlang im Schlamm liegen, um sich aufzugeben.

Seine Nahrung war verbraucht. Von den wenigen Brennnesseln, die aus den Felsen ragten, knurrte sein überdehnter Magen ächzend weiter. Wasser hatte er im Überdruss, da sich die Wolken seit dem dritten Tag im Gebirge über ihm türmten.

Der Regen strömte glitzernd die Felswände hinab, um sich in der engen Schlucht zu sammeln. Thomas versank – trotz zwei stützender Wanderstöcke aus Ästen – knietief in den Rinnsalen. An Schlaf war auf den feuchten Böden und Höhlen kaum zu denken.

Am fünften Tag brachen zur Mittagsrast plötzlich einzelne Sonnenstrahlen durch die Wolken. Wie geläutert sog seine einfallende Haut die Wärme auf. Er legte sich auf den Fels, aalte sich … und schlief prompt ein.

Statt sich zu entspannen, verkrampfte er … durch Schläge auf die Schulter!

Als er herumsah, peitschen zwei Seile gegen sein Gesicht. Er schrie und fiel mit den Händen zu Boden. Die zwei stämmigen, mensch-pferdhufigen Minotauren hieben weiter die Peitschen gegen Thomas’ Freiseele. „Was ist deine Bestimmung?!“, rief einer.

Thomas stöhnte gequält: „Zu sterben …“

„Was ist deine Bestimmung?“, wiederholte der andere.

„Lasst mich!“ Thomas riss sich hoch und wollte den Geistern ihre Geiseln entreißen, doch peitschten sie ihn unbarmherzig zu Boden.

„Was bist du?!“

„Hört auf!“, flehte Thomas.

„Gebe dich endlich deiner Bestimmung hin!“

„Suche deine Geister.“

„Oder willst du diese Qual ohne Schutz ertragen?“, grinste ein Minotaurus.

Da rief er bei einem Hieb auf die Stirn: „Laudanius!“

Jedoch ertrug er die ins Fleisch fressenden Hiebe weiterhin.

Kurz vor der Ohnmacht hörte er aus entrückter Ferne das Scharren von Hufen. „Schluss jetzt! Oder soll ich euch aufspießen?“, drohte unverhofft Laudanius’ Stimme. Nur klang sie kräftiger als die des alten Mannes.

Als Thomas mühsam aufblickte hörten zwar die Hiebe auf, doch schrak er zusammen: Ein Zwei-Mann großer Hirsch – mit der Hälfte davon Geweih – bäumte sich neben ihm auf, scharrte und schnaubte wild: „Wird’s bald?!“

Ein letzter Peitschenhieb knallte und erlöste Thomas’ Geist.

Mit einem Prickeln im Gesicht schnellte er hoch. Es war nicht der Regen, der auf ihn hinabfegte, sondern stechender Schmerz.

Noch glaubte er, in Trance zu sein. Als er seine Glieder streckte, schrie er auf. Alles zog und brannte. Rote Striemen, sogar Blutergüsse zogen sich über seine Arme, Beine und wer wusste, wo noch. Mit jeder Betastung stach seine Haut umso heftiger. Nicht einmal der Regen kühlte.

Sich der Realität bewusst, sprang er vom Fels, über Pfützen und unter einen Felsvorsprung, schrie mit jedem Tritt auf. Wie war das möglich? Dennoch prangten die Peitschenhiebe der Minotauren auf seinem Leib. Was waren das für Geister? Was war das für eine Bestimmung?!

Wie zur Folter streckten ihn die Schmerzen zu Boden. Er begann zu brüllen, die Fäuste zu ballen und zu schluchzen. Er presste sich an die Felsen und weinte mit den Wolken.

Tagelang hielten ihn der Regen und die Schmerzen unter dem Vorsprung fest. Oft brachen Geröllmassen von den Hängen und verschütteten den Weg. Thomas plagten Hunger, zunehmende Schwäche und eine angehende Grippe, wie auch in jeder Nacht Albträume, in denen ihm Geistwesen weitere Verletzungen zufügten.

Schließlich überzogen neben den roten Striemen Pusteln und offene, eiternde Ekzeme seinen Körper. Immer häufiger versteiften seine Arme. Oft erwachte er am Morgen in strömendem Regen, hunderte Meter vom Felsvorsprung entfernt und mit durchweichten Klamotten. Er hatte geschlafwandelt! Dazu warf er sich – wie unter Anfällen – unwissentlich hin, schlug den Kopf in den Schlamm, um kurz vorm Ersticken aufzutauchen.

Er brauchte Hilfe. Neben dem Schutzgeist Laudanius stand ihm keiner bei. Er war allein, krank verweilend auf einem Pfad, den niemand entlang ging. Die Einsamkeit und Überlastung erdrückten ihn in verregneter Melancholie. Seine Sachen zu trocknen wurde ihm gleichgültig, genauso wie zu trinken und sich zu bewegen. Die oftmals einschlafenden Glieder löschten den Schmerz aus, wie auch ihn bald.

Trotzdem zuckten bei jedem Geräusch seine Ohren. Nach wirrem Umherblicken fiel er resigniert in sich zusammen. Das Alleinsein hatte ihn nie etwas ausgemacht. Er liebte die Einsamkeit, die Stille des Insich-Kehrens. Oft hat er sich nichts sehnlicher gewünscht; auch bei Laudanius. Jetzt sah er ein, dass der Mensch ein Herdentier war. Ohne Hilfe, Worte und Gemeinschaft verzweifelte er. Anfangs halfen Zwiegespräche. Diese verstummten nach den ersten Tagen im Gebirge. Wer sollte ihn in dieser Trostlosigkeit stützen. Am liebsten hätte er zum Messer gegriffen. Ihm fehlte selbst dazu die Kraft. Er würde sterben – qualvoll und langsam. Vorher aber wurde ihm schlecht, er erbrach einige Liter Wasser und schlief ein.

Diesmal duckte er sich instinktiv vor einer Attacke. Doch stand er plötzlich mit seinem Zwei-Meter-Hirschgeist auf einem Jenseitspfad. Der Bach vor ihm plätscherte gar friedlich im herbstlichen Buchenwald.

„Diesmal“, raunte Laudanius, „habe ich dich sofort vor Dämonen bewahren können. Bloß schwinden meine Kräfte auch mit deinen. Bitte“, flehte er, „nimm deine Suche nach weiteren Hilfsgeistern auf. Allein mit mir wirst du die ‚Schamanenkrankheit’ nicht los.“

„Ich werde sterben – so oder so“, antworte Thomas erschöpft. „Wozu sich noch abmühen?“

Der Hirsch legte sich vor den Bach. „Dieses Wasser birgt einige Fisch-Geister. Sie sehen mich neugierig an. Knie dich zu mir. Wir können mit ihnen sprechen.“

Thomas schüttelte den Kopf. Ihm fehlte die Kraft, seine Beine zu knicken. Er schloss die müden Augen.

„So einfach wie ich macht es dir kein anderer Schutzgeist. Verstehe doch.“

Endlich fiel Thomas an den Bachrand, riss die Augen auf und musterte das Wasser. Kurz vorm Einschlafen versteifte sich sein Hals. Vor ihm schwamm ein großer, kugeliger Laternenfisch im Wasser und beäugte ihn und Laudanius abwechselnd.

Als der Fisch die Stimme erhob, glomm seine Kugel milchig auf. „Wat guck-uckst du?“

„Wat begehrest du, Schimmerschpp-upp?“, flüsterte Laudanius rasch und abgehackt.

„Ah bi-bislle Teischlinsen.“ Wieder glühte die Laterne auf.

Endlich wusste Thomas, was ‚dieses’ Geistwesen meinte. ‚Eine Pflanze auf Teichoberflächen.’ „Wartet. Ich kom-omme bald zu-ück!“ Neues Feuer wallte in ihm auf.

Mit aufwallendem Adrenalin sprang er durch den Buchenhain und suchte nach lichten Stellen. Er fand den Rand und spähte über eine weite, morastige Hügellandschaft.

Rasch, aber vorsichtig, sprang er zwischen den Sümpfen auf Grasbüscheln umher. Dabei spähte er an jedes Ufer der Sümpfe.

Plötzlich kniete er sich auflachend nieder … und fischte eine Hand der grünen, wie zusammenklebende Linsen aussehende Oberfläche heraus. Erfreut eilte er zum Hain zurück.

Dort versuchte Laudanius den Fisch mit einem Gespräch hinzuhalten. Als Thomas sich niederließ und den Fund zum Bach hinstreckte, erschrak er: Vor Übermut waren ihm die Teichlinsen aus der Hand gerutscht. Es klebten nur noch wenige mit den Wurzeln darin.

Die Kugel des Fisches leuchtete auf. „Welsch Köst-lischkeit. Gub-gub.“

Thomas sah irritiert auf die fünf übrigen Linsen in der Hand, schob sie je auf eine Fingerspitze und hielt sie an die fließende Wasseroberfläche. Die Schwanzspitze des Glimmfisches zitterte, während sein Kopf aus dem Wasser lugte und die grünen, bewurzelten und klebrigen Linsen abnippte.

Mit heller werdender Kopfkugel zog er sich ins Wasser zurück und schwamm zitternd einige Kreise, bis seine gesamten Schuppen durchsichtig wurden. Genau wie Laudanius, der zufrieden lächelte. „Glückwunsch“, und sich wie der Fisch in Licht auflöste.

Planlos sah sich Thomas um. Alles verschwamm. Das Plätschern des Baches begann zu pochen, bis es ihn zu seinem echten Pulsschlag zurückführte.

Trotz der körperlichen Schwäche biss sich Thomas während der Gymnastik die Zähne zusammen. Mental pulsierte jede Zelle in ihm. Wenn, musste er jetzt weiter, solang die Sonne schien. Seine Haut tankte die Wärme regelrecht auf.

Noch einmal umgeblickt, dass er nichts vergessen hat, marschierte er los. Obwohl die ersten Kilometer an seinen Beinsehnen zerrten, gewöhnte er sich wieder ans Gehen. Hinzu kam, dass seine zwei Hilfsgeister seine Striemen und andere Wunden begannen, zu heilen. Ebenso linderten sie die Kopfschmerzen und Anfälle mit jedem tiefen Atemzug, bis sie im Verlauf des Tages ganz nachließen.

Auch drangsalieren ihn keine bösen Geister mehr in seinen Träumen.

Mitten in der ersten Nacht nach der Geistfindung gelangte er erneut ins Jenseits. Zum Glück war er an diesem Platz schon einmal gewesen. Nichts hat sich verschoben.

Ihn packte das Verlangen, es erneut zu versuchen.

Genau im selben Dickicht stöberte er die Schlange auf, die ihn vor längerem gebissen hatte. Sie schlief. Er wollte sie nicht wecken.

Stattdessen rief er Laudanius. „Wasserpelz“, erinnerte er sich an das verfluchte Wort und deutete zum steilen Berg mit den weißen Gipfeln.

Laudanius schnaubte: „Steige auf. Ich bringe dich hinauf, bis der Schnee beginnt.“

Prompt galoppierten sie los. Das Hirschfell übertrug Thomas unnatürliche Wärme, die ihn entspannen ließ. Sie ritten tausende Herzschläge und sprangen die zerklüfteten Grate hinauf. Oft holperten die Steine in die Tiefe. Es war schwer, sich an Laudanius’ Hals fest zu klammern.

Kaum haben sie die Schneefallgrenze erreicht, grub Thomas einen kalten Brocken Eis aus der Schneedecke. Er maß knapp einen Meter. Laudanius brach ihn mit dem Geweih heraus.

Mit dem Eis vor der Brust, galoppierten sie rasch zurück. Der Schamanenadept verdrängte die Kälte mit einem Adrenalienschub. Mit dem zur Hälfte geschmolzenem Eis gelangten sie in den Wald zurück.

Zum Glück war die Schlange nun wach. Beim Anblick des tropfenden Klumpens in Thomas’ Hand zischte sie: „Wassserlpelzz. Welch Freude bei dieser walllenden Sonnne.“

Kaum legte er mundgerechte Stücke vor sie hin, schlang sie diese hinunter. Die Stücke dehnten ihren Leib, als hätte sie Blähungen.

Zufrieden streckte sie sich vor ihnen aus und bedankte sich zischend. Damit gesellte sich ein weiterer Schutzgeist an seine Seite. Die Nacht war vorbei.

Beschwerlich stampfte er über den Pfad weiter. Das Geröll, das Thomas übersteigen musste, war mit Rissen bedeckt. Seine Füße blieben oft in den Spalten hängen sodass er aufschrie.

Obwohl die Schutzgeister die Wunden seines Körpers heilten, reichte ihre Kraft nicht für alles: Was er ihnen an Nahrung beschafft hatte, fehlte ‚ihm’ in der Realität.

„Wann ist das vorbei?!“, schrie er den monotonen Bergen zu. Er begann zu Hyperventilieren. Die Enge in der Felsspalte erdrückte ihn. Der Pfad war eine Katastrophe. Neue, diesige Nebelwolken züngelten bereits um die Bergspitzen.

Also kletterte er, kletterte und kletterte über den Tag weiter den Geröllpfad entlang. Nach Wutausbrüchen folgten innere Stille, Gleichgültigkeit und Grübeleien.

Nach wenigen Meilen ohne Geröll stoppte er plötzlich. „Hä?“ Durch seine eingefallenen Lider blickte er zu beiden Seiten und ersah, dass die Grate des Gebirges kleiner wurden, umso näher sie sich zum Horizont erstreckten! Ebenfalls wichen sie neben dem Pfad zur Seite.

Von innerer Unruhe gepackt, hob Thomas die Beine … und eilte los.

Das Ende schien nah. Rasch wurde er langsamer. Ihm fehlte der Plan. Gut; er hatte drei Hilfsgeister. Aber wie ging es nach dem Gebirge weiter? Ja – erst einmal Nahrung finden; wenn es nach dem Gebirge überhaupt Wälder und Tiere gab.

Mit leichter Bange folgte er dem Pfad gen Nordwesten. Wenigstens blieb er halbwegs eben, wurde breiter und weiter. Die Berge wichen zurück. Spähte Thomas darüber hinweg, erblickte er Frühabends andere Hügel und erhöhte Landschaften, die über dem Definio-Gebirge hinaus lagen. Selbst einen Vulkankrater machte er in westlicher Ferne aus.

Plötzlich schwoll der Weg an wie ein Fluss, der ins Meer mündete. Genauso wurde das Land ebener und zog sich zurück. Zur Dämmerung wurde die Sicht derart klar, dass Thomas den Kopf schüttelte. Denn hinter vereinzelten, rot betupften Eiben und Meilen voller Steppe, thronte ein fahles Gemäuer. Es wirkte derart groß, dass es die Imperialstadt Soladums sein mochte. Für heute genügte ihm der von der abendlichen Sonne beschienene Anblick. Thomas war erschöpft und musste seine Kräfte für Morgen sparen.

Er spannte sein Fell wie Planen an einen Baumast, aß einzig das entkernte Fruchtfleisch der Eibenfrüchte und legte sich schlafen.

Frühzeitig und ohne Träume erwachte er und rannte los. Er sprang kräftig durch Bäche, Heide und karge, aufgeheizte Steppenlandschaft. Leider erspähte er, wie im Schamanenlager, kein Tier. Von ein paar Beeren und Käfern wird er nicht satt. ‚Zur Siedlung hin!’, jagte er sich voran. Geschirr und Schwert klapperten im Rucksack. Er sah aus wie ein Flüchtling. Auch fühlte er sich so, wäre er nicht schon einmal vor dem Gesetz geflohen.

Umso näher er der breiter werdenden, mit Schießscharten beschlagenen Sandsteinmauer kam, desto mehr beschlich ihn Bange. Wie würde man ihn aufnehmen? Zerrüttet und bärtig, wie er aussah, würde man ihn einsperren. Das Spiegelbild der morgendlichen Bachwäschen erschrak ihn selbst. ‚Noch eine Meile.’

Ohne Trampelpfad und dem festgebrannten Blick folgend, sprintete er näher zur Stadt. Allein die Mauern erdrückten ihn. ‚Noch eine halbe Meile!’ Abgebrochene Fahnenstangen staken auf den massiven Ecktürmen des Tores. ‚Eine viertel Meile!’

Vor dem Tor erkannte er einen einführenden, zwanzig Meter langen und aus Granit geschlagenen Säulengang ohne Dach. Den breiten Anfangssäulen waren eine zugespitzte Stirn, auseinander stehende Augen, Nase, sowie ein breit grinsender Fratzenmund eingemeißelt. Unter dem Kinn legten sich zwei dicke Hände um den Steinleib. Der Rest war von Querlinien durchzogen, eingraviert mit Wellen, Dreiecken und Kreisen. Füße gab es nicht.

‚Noch hundert Meter!’ Da die letzten Säulen je einen Block obenauf hatten, erkannte er durch die Schatten nicht, was sich hinter dem Eingang verbarg. Die Anfangssäulen schienen die einzigen Wächter der Stadt zu sein.

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