Kitabı oku: «Zu Fuß und mit Esel durch halb Europa», sayfa 2

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Kapitel 5

Der Sand der Niederlande

Juni 2009> In der Niederlande marschierte ich nun westlich an ‚Eindhoven’ (Provinz Noord-Brabant) vorbei.

Auf den vorwiegend sandigen Wegen rutschte mein Stiefelprofil oft, sodass ich mühsam vorankam. Neben dem vielen Sand aber entdeckte ich morastige Seen, Flüsse und Kanäle, auf denen das Leben lauthals schnatterte. Aber auch mächtige Windmühlen (die als umgebaute Restaurants die Flügel nur noch zur Dekoration drehen ließen), Bauernhöfe (mit viel Maschinerie) und Agrarfelder bestimmten die Landschaft. In den Orten prunkten meist stark umzäunte Villen oder auch sichtlich private Schlösser, die ich nur von Außen betrachten durfte.

Da durch die nährstoffarme und dominierende Kiefern- und Heidelandschaft wenig essbare Wildpflanzen wuchsen, glänzten dafür saftig blaue und süße Heidelbeeren am Wegesrand. Verhungern sollte ich also nicht, obwohl das Pflücken der kleinen Beeren zeitraubend war.

Alsbald führten die Freizeit- und Radwege an oft stark befahrenen Straßenrändern entlang. Darum versuchte ich mich, vor Frust durch die knapp vorbeirauschenden Raser, von den Wegen zu entfernen: Indem ich auf Feldern nach Arbeit fragte. Größtenteils schlug dies fehl und ich fragte mich, warum. Bis ich erkannte, dass die Hofproduktion auf Masse ‚modernisiert’ und von zwei bis drei Leuten bewältigt werden konnte.

Dafür fiel mir hier die Kommunikation durch das Plattdeutsch (dutsch) wieder leichter. Auch, wenn ich nur langsam und deutlich reden musste. Als mich so auch ein Rentnerpaar auf ihr kleines Segelschiff zum Mittag einlud, mundete mir neben der Gastlichkeit ihr Käse so sehr, dass ich glaubte, das beste in meinem Leben gegessen zu haben. In Wahrheit hatten sich meine Geschmacksnerven nur von der stark aromatisierten Konsumnahrung erholt, wodurch seither jedes Gericht intensiver und köstlicher denn je schmeckte. Darum begann ich auch langsamer und genüsslicher zu essen, wenn es auch nur Willdpflanzenbrot war.

Immer noch fasziniert von diesem Phänomen besorgte ich mir in ‚Leerdam’ (Provinz Zuid-Holland) einen Kilo des besagten Käses. Die Stücke lagen mir derart schwer im Bauch, dass ich nach einer Woche froh war, ihn verbraucht zu haben.

Schließlich prallte die Hitze wochenlang auf meine Haut. Ich kam zum Glück in das riesige Utrechter Waldgebiet in der Mitte des Landes. Trotz des Schattens blieb es aber schweißtreibend heiß. Mit der Zeit und vielen Schattenpausen gewöhnte sich meine Haut an die stechende Sonne. So brauchte ich nicht einmal mehr Sonnenmilch, da meine Haut durch die langsame Gewöhnung selbst resistent gegen die UV-Strahlung geworden war.

Gegen den vom Schweiß durchnässten Rücken half mir: So oft wie möglich im Wasser abkühlen, was in der Niederlande schwer war. Das Wasser hier ist derart dreckig (von hoher Agrarwirtschaft), dass ich manchmal verzweifelt nach etwas anderem suchte.

In der Nähe der Stadt ‚Doorn’ (Provinz Utrecht) kam ich wieder auf die Straßenwege zurück. Dafür erspähte ich eine Reihe von prächtigen Schlossanwesen, die aber größtenteils unbetretbar waren. Hier stand das ‚Haus Doorn’, ein kleines Schloss, das seit 1920 der Wohnsitz des exilierten deutschen Kaisers Wilhelm II. war.

Bevor mich die Melancholie (Dank Hitze, Straßenlärm und klebendem Schweiß) wieder ergriff, begegnete ich in der Provinz Noord-Holland vielen gesprächigen Menschen: Zum einen interessierte Radfahrer, eigenartige Hippiefrauen (die von Obama, dem Grenzfall Deutschlands und – wohl vom Haschisch zu viel – vom „mit dem Rad ins Wasser springen“ redete) oder auch Nordicwalker, für die ich auch eine Rast zum Plausch einlegte. Viele belobigten mich, dass ich so der malträtierten Natur (durch weniger Ansprüche und Konsum) half; und gaben mir noch sehenswerte Tipps ihrer Region.

Außerdem hatte sich unverhofft ein deutscher Begleitinteressent gemeldet, der in England einen Monat mit mir wandern wollte. Für ihn stand es angeblich fest, das Ticket hole er sich bald. Darum ließ ich sämtliche einst vorbestellte Wanderkarten und weitere Ausrüstung nach ‚Amsterdam’ schicken, wo ich mit Müh hinein marschierte. In einem Vorpark musste ich spätabends ein verstecktes Lager suchen. Ein eigenartiger, deutschsprechender Mann wies mich zwar zu einem guten Platz, wo die Parkwächter nicht hinsehen würden (FKK-Zone am Teich); dennoch traute ich ihm nicht und versteckte mich gut. Mir geschah nichts.

Erwartungsvoll betrat ich Anfang Juli die niederländische Hauptstadt, die von Kanälen nur so durchzogen war. Auch freute ich mich auf die Parks und angeblich schönen Frauen. ‚Amsterdam’ liegt in der Provinz Nordholland, an der Mündung der Amstel und des Jsselmeeres; ist durch den Noordzeekanaal mit der Nordsee verbunden und durch die zahlreichen Grachten weltberühmt.

Zum anderen wurden in Amsterdam die Häuser früher auf Holzpfählen gebaut. Diese sind im Laufe der Jahrhunderte langsam vermodert. Daher machen die historischen Stadtteile Amsterdams einen leicht „schiefen“ oder „verzerrten“ Eindruck. Amsterdam steht auf rund fünf Millionen Holzpfählen, die wegen des feuchten, sandigen Untergrundes notwendig sind. Heute werden wegen längerer Haltbarkeit, einfacherer Baumethoden und größerer Tiefe Betonpfähle verwendet. Der Hauptbahnhof steht auf rund 8.600 Pfählen; der Königliche Palast auf rund 13.659 Pfählen.

Die Stadt ist berühmt durch die vielen Gärten und Parks, Sakralbauten, Museen, Konzertsäle, Theater, Märkte und dem Wachsfigurenkabinett der Madame Tussauds.

Rasch fiel mir auf, wie teuer doch ‚Amsterdam’ war. Gerade die Herberge war überteuer: zwei Waschmaschinen für 500 Gäste war das beste Beispiel dafür. Dennoch wollte ich hier einige Tage rasten und auf meinen Begleiter warten, bevor ich mich unerwarteten Konflikten stellen musste.

Kapitel 6

Planlos durch niederländische Dünen

Juli 2009> In ‚Amsterdam’ kämpfte ich mich nun ins Zentrum zur Post durch. Die Straßen und Gassen waren von Menschenmassen und unübersichtlich aufgebauschten Geschäften samt Musikanlockung eingequetscht. Am Postschalter nahm ich ‚tatsächlich’ ein Postlagernd-Paket meiner Eltern an, was in Deutschland nie funktioniert hätte.

Bevor ich am Abend die Englandkarten darin betrachten wollte, teilte mir plötzlich mein Begleitinteressent wie nebenbei mit, dass sich sein Urlaub verschoben hatte. Danach: Funkstille. Erneut hatte jemand die Rute eingezogen. Zu allem Trotz behandelten mich die Einheimischen als Deutschen wie den widerwärtigsten Ausländer.

Aufgelöst und planlos schlenderte ich durch den von Cannabis süchtigen Jugendlichen besetzten Herbergspark und verbrachte unangenehm die Nacht mit laut schnarchenden Brasilianern im Zimmer. Meine Gedanken rasten.

Am nächsten Tag verließ ich unverhofft über einige Bordellgassen Amsterdam. Einzig durch den ‚wilden’ Hinweis eines Ausrüstungsberaters in einem Laden folgte ich dem Ruf der Möwen zum Nordseestrand bei ‚Haarlem’. Die peitschende Strömung und der leicht kühlende Wind lenkten mich etwas ab, sowie ein Gespräch mit einem Paar am Strand. Sie klärten mich auf, dass die meisten Niederländer die Deutschen (wegen Kriegsgeschichten der Normandie-Besetzung) nicht gerade mögen; und ebenso ungern Deutsch oder Englisch sprechen, obwohl sie dies können. Dafür seien einige derart sprachbegabt, dass sie Unmengen von Filmen synchronsprechen.

Abends, als die meisten Strandanbeter gegangen waren, zeigte plötzlich ein Wachmann auf mein Zelt. Meine Muße verflog mit den Worten: „Sie dürfen hier über Nacht feiern, aber nicht schlafen“, war seine Drohung, die er mehrfach wiederholte. Für das Grundbedürfnis des Menschen soll man also in teure Hotels wechseln? Für oftmals Dreck verursachende Partys am Strand dafür nicht? Ich fragte mich immer mehr, in welch unnatürlicher Gesellschaft wir lebten. Ich baute also mein Zelt ab und biwakierte auf einer Düne.

Vom rutschigen Sandmarsch die Nase voll, driftete ich ins Landesinnere und ein grasiges Dünengebiet ab, Richtung Südwesten. Hier kam kaum ein Strandtourist her. Hier war ich umgeben von Einsamkeit, die der rauschende Wind bestärkte. Und plötzlich begegneten mir hier frei umher flitzende Kaninchen und sogar Damhirsche, die mitten am Tag herum grasten. Obwohl ich in dieser unfruchtbar wirkenden Einöde kaum mit Leben gerechnet hatte, faszinierte mich diese wilde Schönheit, wodurch ich einige Rasttage hier einlegte (dabei musste ich mein ach so teures Zelt derart umbauen und die Fliegengitter darin umwechseln, da es bereits in Deutschland im Innern zu schimmeln begann).

Beim Weitermarsch befiel mich plötzlich ein permanenter Fersenschmerz, der sich bis in die Wade zog. Dann begriff ich wie durch einen Instinkt, dass es an meinen seit ‚Amsterdam’ vernachlässigten Streckübungen lag, die ich sofort wieder einlegte.

In einem Wasserreservoir kurz vor ‚Den Haag’ (Provinz Zuid-Holland) breitete ich für eine Woche mein Lager aus, nahm meine Gymnastik intensiv wieder auf, kochte, las und versuchte eine Lösung für meinen Weitermarsch zu finden. Denn ich hatte meinen Verwandten versprochen, nicht ohne Begleiter nach England überzusetzen. Ich war in einer Zwickmühle. Sollte ich diese Reise, für die ich derart viel geopfert hatte, einfach abbrechen? Wegen der großen Versprechen feiger Interessenten? Sollte das also der Endpunkt meiner Westeuropawanderung sein und ich meine Leben in der Massenindustrie fristen?

Ich bewältigte anschließend einen Stadtgang in ‚Den Haag’. Es ist der Parlaments- und Regierungssitz der Niederlande und die Hauptstadt der Provinz Südholland. Seit 1831 ist es die Residenz des Königshauses. Den Haag ist die drittgrößte Stadt der Niederlande.

Es bietet Besuchern vordergründig den Friedenspalast, eine Miniaturstadt namens Madurodam, ein Foltermuseum, das Alte Rathaus, eine bedeutende Sammlung niederländischer und französischer Werke sowie die seit dem vierzehnten Jahrhundert existierende Stadtkirche Grote Kerk.

Ich entschied mich, nach ‚Rotterdam’ zu marschieren. In der Nähe stark verbreiteter Schwerindustrie am ‚Europort’ löste ich am Hafen ein Ticket, das den Verlauf der nächsten fünf Monate bestimmen sollte.

Als ich damit am 21. Juli 2009 mit der Fähre in englische See stach, beschwichtigte ich meine Familie damit, dass ich seither jeden zweiten Tag eine Lage-Nachricht via Handy an meine Schwester sandte. So konnten sie sich alle beruhigen.

Und als würde meine Entscheidung belohnt, gab mir mein englischer Kabinengenosse Neil (Deutschlehrer und Wanderführer) nützliche Tipps auf meinen Karten, die meine weitere Wanderung in ganz Großbritannien beeinflussten.

Kapitel 7

Englands Wanderpfade

Juli 2009> Über Nacht waren wir mit der Fähre über die Nordsee gesetzt, um frühmorgens an der Ostküste in ‚Kingston upon Hull’ (Grafschaft Humberside) anzulegen. Im Jahre 1299 wurde die Stadt durch Eduard I. nach Kings Town benannt. Damals war Hull eine Minderstadt, besaß einen für das Militär wichtigen Hafen und war Zentrum des Handels, der Fischerei, des Walfangs und der Industrie. Hull war zudem ein früher Schauplatz der englischen Bürgerkriege. Im achtzehnten Jahrhundert war die Stadt durch den Parlamentarier William Wilberforce Schauplatz der Ereignisse, die zur Aufhebung des Sklavenhandels in Großbritannien führten.

Die Stadt besaß bereits 1902 ein eigenes Fernsprechsystem sowie Telefonzellen und war damit einzigartig im Vereinigten Königreich.

Hull hat keinen besonders guten Ruf in England. Dies gibt der Spruch „Hull is dull“ (Hull ist öde) wieder. Es hat aber auch den Ruf „tough guys" (harte Kerle) hervorzubringen.

Im ausgedehnten Museumsviertel von Hull befinden sich unter anderem das ‚Wilberforce House’, das ‚Hull and East Riding Museum’, die ‚Ferens Art Gallery’, das ‚Maritime Museum’ und das ‚Streetlife and Transport Museum’. Ebenfalls sehenswert ist die Kunstsammlung der Universität Hull. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die ‚Queens Gardens’, ‚The Deep’ – ein Meeresaquarium, das sich als das weltweit einzige Submarium bezeichnet und um einen riesigen Aquariumtank gebaut ist.

Mit den Tipps meines Kabinengenossen Neil brach ich in Richtung Nordwesten auf. Bei der Bank tauschte ich noch Euro in britische Pfund um. Rasch gewöhnte ich mich auf der Fahrbahn an den allgemeinen Linksverkehr der Kraftfahrzeuge.

Hier fand ich die Wälder, Berge und Wanderwege wieder, die ich in den Niederlanden vermisst hatte. Dafür prallten schlagartig neue Eindrücke auf mich ein: Die Pfade waren mit Schwenktoren abgegrenzt, um freilaufendes Vieh in den Weiden nicht ausbrechen zu lassen. Diese Tiere griffen nie an, da sie Wanderer scheinbar gewohnt waren. Das heimischste Rind (mit zottelig langem und braunem Fell) ist der ‚Scottisch Highlander’. Auch Unmengen von freilaufenden, mit Farbflecken markierten Schafen traf ich täglich an.

Aber bestätigte sich auch ein permanent rascher Wetterwechsel von Wolken, Sonne, Nebel und Regen (oft innerhalb einer halben Stunde), was meine Wäschetage auf der Insel erschwerten. Dafür erkannte ich in den Briten eine ausgeprägte Gastfreundlichkeit. Viele sprachen mich interessiert an. Überall auf den Feldern reiften Ende Juli Gemüse und Früchte im Überfluss, wie Kartoffeln oder Mohrrüben.

Gut bepackt kreuzte ich nun Pfade wie den Yorkshire-Wolds-Way, den Calkland-Way, Centenary-Way und Cleveland-Way. Zwischendurch folgten, einzig an einem Tag, eine Häufung von Höhepunkten bei ‚Coneysthorpe’ (Grafschaft North Yorkshire): Mit einem prächtigem Schloss, Mausoleum und einem Tempel, die für die Filmindustrie alle privat besetzt waren.

Ständig gaben mir heimische Wanderer Tipps, die meine Planung weiterformten.

Da sich die Wege leider oft in der Heide verliefen und ich ständig stolperte oder mich verhedderte, verlief ich mich zudem einmal ohne jede Orientierung. Wie es der Zufall wollte entdeckte ich mitten im Nirgendwo den Vogelkundler David in einer nahen Steinmulde im Boden sitzen. Er sah mich durchs Fernglas, stand auf und lächelte. Ich lächelte zurück über diesen kuriosen Zufall. Er wies mir, stark interessiert an meiner Reise, den richtigen Weg, auf dem er mich einen Teil begleitete.

Daraufhin trat ich auf den größeren Weg von ‚Coast to Coast’ – mit vielen Feldern, aber kaum Wald, da dieser zumeist abgeholzt war. Er wirkte sehr touristisch, aber kaum sehenswert. Dafür gelang mir bei der lichten Umgebung, dass meine ständig nassen Klamotten und auch meine teure Kameraausrüstung endlich trockneten.

Dafür wechselte ich die Wege hinter ‚Richmond’ wieder in Wald und Berge des ‚Yorkshire’-Nationalparks: Zum Hauptpfad des ‚Pennines-Ways’, der sich insgesamt 460 Kilometer durch das Pennine-Mittelgebirge bis hinauf in die schottischen Uplands faltet. Ich stieß selbst erst ab ‚Bowes’, dem Mittelpunt dieses Weges, auf ihn. Darauf wurden die Berge und lila blühende Heide, wie auch braune Morastflüsse zum Augenmerk. Dennoch barg der Weg kleine Herausforderungen, da der Pfad (oft eher eine Trampelspur) durch schlammiges Gras, und bergauf und -ab führte. Oft halfen mir große Steinmarkierungen, mich nicht zu verlaufen. Zum Glück schenkte mir unverhofft der Wanderer Jim seine nicht mehr benötigte Wanderkarte, die er angeblich ins Feuer geworfen hätte.

Somit wurde ich am Fluss ‚Tees’ bei ‚Middelton’ von der reißenden Strömung gefesselt. Bis der Fluss als ‚High-Force’-Wasserfall in die Schlucht donnerte. Ich sollte noch mehr staunen.

Vorher wurde das Bett des ‚Tees’ wieder flach. Breite Geröllberge drängten sich zu beiden Ufern aneinander. Überall am dunstenden Fluss wucherten Farne. Kein Windlein wehte. Perfekte Lagerbedingungen, dachte ich mir. Perfekte Angriffsfläche, dachten sich auch Schwärme von einmillimeter großen Fliegen, die sogar durch mein Moskitonetz ins Zelt drangen. Nicht schlimm genug, dass die so genannten ‚Midges’ sich wie Nebel um mich ballten. Neben Erstickungsgefahr bissen sie mich an jeder freien Körperstelle. Notgedrungen schaffte ich es vor Verzweiflung spätabends die Gitter nochmals mit einem Handtuch abzudichten, sodass ich es dementsprechend malträtieren musste, um es anzubringen. Dafür kamen sie nicht mehr so einfach herein.

Am nächsten Tag von roten Flecken gebrandmarkt, kam die nächste unangenehme Überraschung hinter dem nächsten Kilometer: Der Weg führte sehr steil etwas 300 Meter durch unübersichtliches und grobes Geröll, dass sich am Berg zu einer gefährlichen Halde ausbreitete. Mit innerem Graus zum Aufstieg entschied ich eine Abkürzung ‚durch’ den Tees zu nehmen. Es waren ja nur zwanzig Meter. Kaum stand ich acht Meter weiter darin, wollte mich die plötzlich starke Strömung mitreißen. Zum Rückzug war es zu spät. Allein mit meinen Wanderstöcken hielt ich gegen, kam mit Beinkrämpfen nur Schritt für Schritt voran. Soweit ich zu den Steinen im Flussbett sehen konnte, gelang mir stets sicheres, aber riskantes Auftreten. Nur mit Mühe und der Angst, mich bei einem Fehltritt von meiner Ausrüstung lösen zu müssen (um nicht zu ertrinken) kam ich mit durchweichten Schuhen heil ans andere Ufer. Zwei Wanderer, die mich beim Wasserauskippen meiner Schuhen anlachten, lachte ich ebenfalls aus, als sie zu dem Hang mit dem ebenso gefährlichen Geröll liefen, und wünschte insgeheim einen sarkastischen ‚Guten Abstieg’. Ich dagegen hatte es sicher auf die andere Seite geschafft, und durchwatete im Laufe Großbritanniens noch gut vier andere Flüsse mit Vergnügen.

Entlang des ‚Mauze Beck’ – einem trostlosen Moorareal von vier Kilometern Länge – erklomm ich wieder die Berge, bis zum ‚High Cup’: Einer tief eingeschnittenen, von Sonnenflecken bemalten Schlucht bei ‚Dufton’. Ein Einheimischer hatte einmal stolz behauptet: „Wie der Grand-Canion in Amerika ist der ‚High-Cup’ bei uns die schönste Schlucht.“

Nach dieser phänomenalen Aussicht bis hinüber zum ‚Lake-Destrikt’-Nationalpark, stieg ich einer Reihe von Bergen hinauf und hinunter. Überall abseits des Pennine-Ways lagen Moorflächen. Nach dem von Sturm umfegten Berg ‚Cross Fell’ (892 m) erreichte ich die Steinhütte ‚Gregs Hut’. Diese so genannten Bothy’s sind verschließbare Schutzhütten aus Stein, mit Ofen, Liegeplätzen und Stühlen. Hier begegnete ich auch dem Briten John, der hier neue Kraft schöpfen wollte und dies auch als Kraftort bezeichnete. Wir unterhielten uns demnach auch etwas über Spiritualismus. Er hatte einmal in Deutschland gearbeitet, war nun dennoch hier in der Industrie tätig. Zur Abwechslung wanderte auch er in seiner Heimat, die er leider mit dem Auto anfuhr. Das Gespräch mit ihm tat gut. Mein schlechtes Englisch verbesserte sich langsam immer mehr; und das auf der Herkunftsinsel dieser Weltsprache. Besser als hier konnte ich es nicht lernen.

Mit John marschierte ich am Folgemorgen die Berge hinab und er spendierte mir unverhofft die Nationalspeise Englands: Öligen Fisch mit Pommes.

Daraufhin kam ich nach einiger Zeit zum Hadrianswall: Einem natürlich langgezogenem Bergkamm, den einst die Römer zur Abwehr der wilden Schotten genutzt hatten. Dort traf ich die Österreicherin Utta, mit der ich zwar ein Stück den Wall entlang wanderte, aber die mich mit ihrer Hast rasch abschüttelte. Ich nahm mir dagegen die Zeit, als ich ein sterbendes Schaf auf einer Weide sah und demnach dem Gehöft daneben Bescheid gab. Diese Tat befriedigte mich mehr als ständig Etappen zu schaffen.

Allein, aber frei, bestieg ich mit dem ‚Pennine-Way’ im ‚Northhumberland’-Nationalpark das Cheviot-Bergmassiv. Dort führte er genau am schottischen Grenzzaun entlang. Hier oben zogen unstete Regenwolken und fauchende Winde einher. Nun blühte die Heide im satten Lila auf. So gelangte ich über teils morastigste Wege an das ‚Cheviot’-Bergmassiv. Bei einem Sturz brach plötzlich mein erster metallener Wanderstock entzwei. Darum quartierte ich für einige Tage in einer kleinen, verschließbaren Shelter (Hütte aus Holz) ein, um mir aus einem kleinen Baumstamm einen neuen Wanderstock zu schnitzen (mein zweiter brach wenig später, den ich genauso ersetzte). Ich ruhte mich aus und bestaunte die Aussicht nach Schottland, während ich ein Geburtstagsschaf für den Vater daheim schnitzte.

Kapitel 8

Gastliches Schottland

August 2009> Der ‚Pennine-Way’, der am Kamm des englischen Mittelgebirges bis nach Schottland führt, verlief noch etwas am Grenzzaun entlang. Schon stieg ich auch darüber und folgte den restlichen Meilen des Wanderweges bis zum Endpunkt bei ‚Kirk Yetholm (Destrikt Scottisch Borders). Dort gönnte ich mir auch ein paar Bier (die ich unangetastet im Straßengraben fand), statt Wasser.

Da nun leider kein Wanderweg mehr in mein nördlich auferlegtes Ziel führte, folgte ich eine halbe Woche lang den Straßen. Rasch fehlten mir die malerischen Berge der Pennines wieder. Nach einigen Schlössern kam ich plötzlich in die Berge der ‚Lammuir Hills’, die bunter nicht sein konnten. Dagegen prallte der Empfang meines Mobiltelefons – wie auch im Cheviotgebirge – an den Bergen ab, wodurch die Sendung meiner Lage nach Hause oft fehlschlug. Dafür war hier die Brombeerzeit in vollster Reife. Oft war ich übersättigt von deren Massen.

Als abends ein Starkregen einsetzte, fragte ich einen Anwohner, ob ich mein Zelt auf der Wiese aufschlagen dürfe. Da es leider nicht sein eigenes Haus war brachte er mich einige Kilometer weiter in ein idyllisches, von Heide gesäumtes Stück des kleinen Gebirges. Der Regen hatte längst wieder der Sonne Platz gemacht.

An den Straßen griff ich ebenfalls zu den Wildpflanzen und Äpfeln, die – wie ich rasch durch Magenschmerzen merkte – durch das Kohlendioxid der Kraftfahrzeuge richtig groß, aber voll mit Giftstoffen waren.

Kaum war ich wieder aus den Bergen heraus, erreichte ich die schottische Hauptstadt ‚Edinburgh’. Es ist seit dem fünfzehnten Jahrhundert die Hauptstadt von Schottland. Seit 1999 ist Edinburgh Sitz des Schottischen Parlaments.

Die National ‚Gallery of Scotland’ beherbergt repräsentative Sammlungen der europäischen Malerei mit einigen bekannten Highlights und zeigt wechselnde Sonderausstellungen. Die Sammlungen sind in fünf Galerien im Stadtgebiet von Edinburgh verteilt. Zudem gibt es eine Vielzahl von Museen, wie die ‚National Museums of Scotland’, das ‚Royal Museum’, die ‚National Library of Scotland’, das ‚National War Museum of Scotland’, das ‚Museum of Edinburgh’, das ‚Museum of Childhood’ und die ‚Royal Society of Edinburgh’.

Die ‚Usher Hall’ ist eine Konzerthalle für klassische Musik im Westteil der Stadt an der Lothian Road. Hier spielt regelmäßig auch das ‚Royal Scottish National Orchestra’.

Es existieren zwei Multiplex-Kinos sowie das ‚Edinburgh Filmhouse’, welches das jährliche Edinburgher Filmfestival ausrichtet.

Über Edinburghs Gassen und Friedhöfe kursieren diverse Legenden und Geistergeschichten. Deshalb werden für schaulustige Touristen auf der ‚Royal Mile’ fast allabendlich Gruseltouren angeboten. Diese führen etwa auf den ‚Greyfriars Graveyard’ oder in den Untergrund. Edinburgh ist darüber hinaus bekannt für seine Pubs.

Hier wurde derzeit ein einmonatiges und alljährliches Kulturfestival gefeiert. Tausend bunt gekleidete Touristen zwängten sich durch die Straßen. In der ersten Nacht lagerte ich schlechtgelaunt in einem kleinen Parkdickicht neben der Bahnanlage, dafür sogar – feist – unterhalb der Residenzvillen.

Am Folgetag stellte ich meinen Rucksack in einer überteuerten, und meiner letzten Herberge (nicht einmal mit Steckdosen) ab und schlenderte etwas erholt durch die Stadt. Überall erlebte ich vielfarbige Gestalten wie Pantomime, Wahrsager, Teufel oder Dudelsackspieler am Straßenrand, betrachtete mir das hoch erhobene Schloss (was ein wahrer Touristenmagnet ist) und nahm an einer schaurigen Führung in Edinburghs Kellergewölbe teil, wo die Führerin Fiola hochtrabend über angeblich verschwundene Mütter und Töchter, Hexensabbats und der Musikszene im Untergrund berichtete. Zwischendurch besah ich mir auch einmal einen Whiskeyladen, in dem ich wenige Testgläser probierte. Erst später sollten mir die Folgen davon bewusst werden.

Von den Sinneseinflüssen überdrüssig geworden, verließ ich ‚Edinburgh’ wieder. Und marschierte zum nördlich gelegenen Meeresarm ‚Firth of Forth’, den ich nach Westen hin abschritt. An dessen Küste litten die Wildpflanzen derart an Nährstoffmangel (Salzwasser), dass sie gelb wirkten. Zudem hing und lag überall angespülter Müll. Zum Glück endete der Fjord einen Tag später. Auf dem ‚Heritage-Canal-Way’ nach ‚Stirling’ (Destrikt Stirling), setzte mir plötzlich eine Magen-Darm-Grippe heftig zu. Wohl hatte mich in der Edinburgher Masse jemand angesteckt. Später erst erfuhr ich von einem Schotten, dass es am Magen verätzenden Whiskey gelegen hatte, der sogar nach seiner Meinung als gefährlich eingestuft wurde: Reines Gift für überempfindliche Mägen, schlussfolgerte ich.

Dennoch konnte ich weiterlaufen. Zwar war ich oft außer Puste, aber die Grippe legte sich nach einigen Tagen wieder. So kam ich nach Stirling.

Die heute noch erhaltene mittelalterliche Altstadt entwickelte sich um die große Burg ‚Stirling Castle’ herum, welche immer noch das Stadtbild beherrscht. Dort befindet sich auch auf einem eiszeitlichen Felssockel – dem ‚Abbey Craig’ – das 1869 errichtete Wallace Monument, das an einen schottischen Freiheitskämpfer des dreizehnten Jahrhunderts erinnert. Darin kann das gut erhaltene Schwert von William Wallace besichtigt werden, das ihn bei seinen Kämpfen begleitet hat. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist das zum Museum und Ausstellungsgebäude umfunktionierte ‚Old Town Jail’ in der Nähe der Burg, in dem das Strafwesen Großbritanniens der letzten Jahrhunderte bis heute eingehend studiert werden kann.

Stirling wird oft als Tor zum Hochland bezeichnet, da hier die flache Hügellandschaft des schottischen Tieflands auf die steilen Hänge des Hochlands trifft. Genau darum beutelte mich hinter Stirling der einsetzende Regen. Vier Tage hintereinander gossen die Himmelspforten in Strömen. Selten kam die Sonne hindurch.

An einem Abend stöhnte ich beim Gedanken auf, wieder im nassen Zelt zu schlafen. Darum klingelte ich bei einem Bauerngehöft. Fraser und Barbara waren derart gastlich, dass sie mir sogar ihren Wohnwagen herrichteten, den Kocher darin aktivierten und mir sogar Abendessen brachten. Wir erzählten, und ich bemerkte, wie stark sich mein Englisch verbessert hatte. Ich bereute nun mit keiner Wimper, nach den Niederlanden nicht aufgegeben zu haben. Auch von den Menschen her nicht.

Mit Fraser unterhielt ich mich zudem über die selbst fürs nasse Schottland unnormal durchnässten Weiden, wodurch er seine Schafe bereits in den Stall pferchen musste, obwohl sie normalerweise noch einen Monat weideten.

Da ich ein großes Ziel vor Augen hatte, verließ ich das Bauernpaar am nächsten Morgen wieder. Ich bereute es, nicht länger geblieben zu sein, da ich über die gesamte Reise hinweg kein solches Angebot mehr bekam. Dennoch: Thank you, very much.

Weiterhin wurde ich von Regengüssen überschwemmt, aber erreichte über einen Forstweg und dem ‚Westhighland-Way’ hinweg, meinen Nordpunkt dieser Wanderung: Den ‚Loch Lomond’.

Kapitel 9

Wildes Schottland

September 2009> Nun hatte ich also meinen Nordpunkt dieser Reise an den westlichen Highlands erreicht. Von Nebelschwaden und Regengüssen umhüllt, ist der ‚Loch Lomond’ (Nationalpark Trossachs) in einem Tal eingekesselt. Durch die speisenden Wasserfälle und der Meeresverbindung zur Irischen See ist er der größte See des Landes. Dazu fällt hier viermal mehr Niederschlag als an der Ostküste Britanniens. Dies hatte ich ja bereits in den letzten Wochen zu spüren bekommen.

Über die glitschigen Pfade des hier entlangführenden ‚Westhighland-Ways’ hinauf, erreichte ich die Steinbothy ‚Doune Byre’. In ihr richtete ich mich für mehrere Tage ein, trocknete Klamotten und reparierte verschlissene Ausrüstung. Neben dem Holzschlagen für den Kamin entdeckte ich allerlei Hirschkühe in der Nähe, genauso wie Wildziegen, deren Fell man bereits aus 500 Meter Entfernung riecht.

Auch lernte ich durch den Wandertourismus viele Menschen kennen, die in der Steinhütte übernachteten. Etliche kamen auch aus deutschen Regionen. Eines Nachmittags erschienen sechs bullige Schotten mit zwei kleinen Kindern, worauf die Männer Unmengen Bier tranken, mein Holz verfeuerten, grölten und bis in die späte Nacht hinein auch noch Koks schnupften. Hätten mir nicht vier deutsche Frauen über Nacht Gesellschaft geleistet: Ich hätte im Regen mein Zelt aufgeschlagen. Zudem spielten zwei Engländer auf ihren Gitarren und brachten etwas Ruhe in die Bothy.

Kaum waren die Schotten am Folgemorgen gegangen, versuchte ich etwas zu schreiben. In der Bothy herrschte drückende Stimmung, wie auch wenig Licht.

Darum verließ ich sie und marschierte einige Meilen nach Süden. Denn ein Wanderer hatte mir einen Tipp gegebenen: Ich verließ den Hauptweg des Westhighland-Ways in einer kaum sichtbaren Weggabelung und fand im Walddickicht die ‚Rowchoish’-Bothy. In ihr wurden nämlich vor kurzem Plexiglas-Dachelemente restauriert. Ich fand darum genug Licht zum Schreiben, und weniger Wanderbetrieb. Mit dem Schotten David, der wie ich mehrere Tage in den Bothys verweilte, teilte ich mein Wissen über essbare Wildpflanzen und schlug Holz für einen abendlich knisternden Kamin, wo sich auch der Kajakfahrer Jim einfand. Beide brachen am nächsten Tag wieder auf. Ich blieb eine weitere Nacht, wo mir zwei Australier Gesellschaft leisteten, wie auch ein Rotkehlchen, das geistergleich herum hüpfte.

Auch ich marschierte auf dem gut ausgebauten Westhighland-Way weiter, der von der Nähe Glasgows (Milngavie) nach Norden bis in die Highlands bei ‚Fort Williams’ führt. Der Weg beginnt in den Lowlands und führt in die Highlands, vorbei an Schottlands größtem Süßwassersee, dem Loch Lomond, berührt den Taleingang des ‚Glen Coe’ und endet unweit des höchsten Bergs Schottlands, dem Ben Nevis (1.344 m). Die Gesamtlänge beträgt 154 km.

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