Kitabı oku: «Zu Fuß und mit Esel durch halb Europa», sayfa 3

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Dafür schlug meine Route nun komplett nach Süden ein, da es spürbar kühler wurde. Der ‚Loch Lomond’ hatte zudem in der ersten Woche meist im Regen gelegen. Nun klarte es auf. So fotografierte ich äußerst seltene Lichtaufnahme des Sees. Auch konnte mein Solar nun viele leere Akkus laden, und ich trocknen.

Am ‚Conic Hill’ bei ‚Drymen’ (Destrikt Stirling) verließ ich ihn den See und marschierte taleinwärts dem Weg hinterher. In ‚Milngavie’ am Ausgangspunkt des Ways (für mich der Endpunkt), traf ich auf einem Campingplatz Oliver, einem ‚Westhighland-Way’-Wanderer wieder. Er hatte mit mir eine Nacht in der ‚Doune Bothy’ verbracht. Dank ihm konnte ich endlich meine unbenutzten Rommeykarten auspacken und benutzen. Wir besichtigten gemeinsam Milngavies Zentrum mit den ausgebauten Flanierplätzen.

Anschließend gingen wir in die größte Stadt Schottlands: ‚Glasgow’ gilt im Gegensatz zur schottischen Hauptstadt Edinburgh als Arbeiterstadt. Es gibt eine Kathedrale aus dem zwölften Jahrhundert sowie vier Universitäten (Universität Glasgow, Universität Strath-clyde, Glasgow Caledonian University und die University of the West of Scotland) sowie die ‚Glasgow School of Art’ und das ‚Royal Conservatoire of Scotland’ für Musik und Drama.

Als sich unserer Wege hier trennten, verzweifelte ich beinahe: Ein Postlagerungspaket mit Ausrüstung war noch nicht bei der Post angekommen, obwohl es bereits überfällig war. Ich musste drei weitere Tage darauf warten, vertrieb mir die Zeit mit neuer Wanderstiefelsuche und sinnloser Bereicherung teurer Cafés für Tee und Kuchen. Übernachten dafür tat ich gut versteckt in Stadtparkdickichten, was nicht gerade ungefährlich war.

Als das Paket plötzlich ankam, schnappte ich es und eilte regelrecht aus der schmucklosen, hektischen Stadt, hinunter zum Hafen von ‚Troon’ (Destrikt South Syrshire). Dort buchte ich ein Fährenticket: Die Grüne Insel wartete bereits.

Kapitel 10

Auf den Straßen (Nord-)Irlands

September 2009> Nachdem ich mit der Fähre innerhalb weniger Stunden ins nordirische ‚Larne’ (Destrikt Ballymena) übergesetzt war, empfingen mich plötzlich einige Leute mit deutscher Nächstenliebe. Richtig verblüfft lehnte ich die Einladungen zum Bier dankend ab. Ich hatte schon genug Zeit in Glasgow verschwendet. Sehenswert in Larne sind das ‚Olderfleet Castle’, das ‚Chaine Memorial’ und der ‚Carnfunnock Country Park’.

In der Annahme, einen Wanderweg bei einem stillgelegten Bahngleis gefunden zu haben, stellte ich rasch fest, dass es keiner war, da alles verwuchert war und ich sogar über Stacheldrahtzäune klettern musste.

Auf dem Wechsel entlang der Straße fiel mir rasch auf: Die in der Karte eingezeichneten Freizeitwege führten allesamt auf der Straße entlang. Wohl sind sie hauptsächlich für Radfahrer gedacht. Zudem fiel es mir schwer, ein Nachtlager zu finden, da sogar die Straßenränder mit Stacheldraht umzäunt waren. Der meiste Boden schien deutlicher Privatbesitz (obwohl rein logisch alles der Natur gehört).

Darum nutzte ich einmal die Lücke in eine bewaldete Grünfläche bei ‚Antrim’ (Destrikt Antrim). Hier gab es nicht nur Wege mit umher flitzenden Wildfasanen, sondern auch die Burganlage ‚Shanes-Castle’. Ebenso erspähte ich eine Gruppe mit Transportern, die mich nicht über die Brücke lassen wollten: Dort wurde ein Mittelalterfilm gedreht.

Abends entdeckte ich ein einsames und stark humpelndes Schaf. Es war nicht markiert, um uns herum war Dickicht, wodurch mich keiner sah, wie ich das Messer zückte. Ich wollte das Tier schlachten, da mich der Hunger plagte. Doch die Filmkulissen im Park machten mich stutzig. Ich ließ das Tier davon humpeln. Diese Entscheidung rettet mich, und belohnte mich abends mit der Silhouette umher kreisenden Fledermäusen.

Erst als ich durch ein Tor wieder nach draußen schreiten wollte, brüllte mich ein Mann in Englisch an: ‚Das ist privater Grund’, und warf mich – Dank überzeugender Dummheit – unbescholten heraus, ohne die Polizei zu rufen. Ich hatte von nichts geahnt und war unbemerkt durch die Anlage gewandert.

Daraufhin folgte ich wieder den Straßenwegen am Nord-, West- und Südrand des zentralen ‚Lough Neagh’ entlang. ist der größte See der Britischen Inseln. Er bedeckt eine Fläche von 396 Quadratkilometer und ist dreißig Kilometer lang und fünfzehn Kilometer breit. An seiner tiefsten Stelle ist er etwa fünfundzwanzig Meter tief. Durch den Fluss Bann wird er entwässert.

Im Lough liegen acht Inseln: Coney Island, Coney Island Flat, Croaghan Flat, Derrywarragh Island, Padian, Ram’s Island, Phil Roe’s Flat und The Shallow Flat.

Etliche Villen verbauten mir die Sicht auf den großen See. Ebenso fiel mir auf, dass es keine richtigen Ortschaften in Nordirland gab, sondern einzelne Hofreihen an den Straßen.

Neben einem Einkaufzentrum (die alle stark nach Parfüm und Brot stanken und mit dudelnden Spielautomaten versehen waren), tauchte plötzlich eine Frau auf und bat um zwei Euro, die sie für ein Taxi (wegen angeblich verletztem Bein) brauchte. Kaum öffnete ich, gutmütig wie ich war, nach langem Überlegen meinen Geldbeutel ... griff plötzlich die Frau direkt hinein und packte all meine Münzen. Rasch hielt ich sie fest und zog ihr das Geld aus der Hand. Ich fluchte sie an, vergraulte sie (da sie nörgelte) und verschwand rasch.

Ende September tuckerten oft Unmengen von Traktoren an mir vorbei, um die Felder mit Gülle zu ‚überdüngen’, die pechschwarz statt dunkelbraun wirkten. Tagelang roch die Luft stechend nach Ammoniak. Dafür waren die Straßen wenig befahren.

Zum Glück erreichte ich schließlich ‚Portadown’ (Destrikt Graygavon). In den 1990er Jahren wurde Portadown als Schauplatz von Auseinandersetzungen um einen Marsch des Oranierordens über Nordirland hinaus bekannt. Seit 1998 führt der jährlich im Juli stattfindende Marsch zur Kirche in ‚Drumcree’ nicht mehr durch die von irischnationalistischen Katholiken bewohnte ‚Garvaghy Road’.

Die Ursprünge der Stadt lassen sich länger zurückverfolgen, ein Aufschwung setzte aber erst in Viktorianischer Zeit mit dem Eisenbahnbau und der ‚Great Northern Railway’ ein.

Die genaue Geschichte der Stadt interessierte mich zu dieser Zeit wenig, da ich plötzlich einen Freizeitweg ohne Verkehr nach Süden fand: Der ‚Newry-Canal-Way’. Rechts mit einem stillgelegten Kanal, und links entlang einer Eisenbahnstrecke. Überall begann nun der Herbst die Bäume farblich anzuhauchen. Hier konnte ich endlich wieder meine Verspannung lösen und kochte mir sogar Pflaumenmus, dessen Früchte überall am Wegesrand glänzten.

Ab dem Endpunkt in ‚Newry’ (Destrikt Newry and Mourne) und der folgenden Grenze zur Republik Irland, hieß es plötzlich: Ende der Freizeitwege. Hauptsächlich herrschten nun dicht befahrene Bundesstraßen. Nicht einmal mehr Wanderwege fand ich auf den Karten. Außerdem beschlich mich neben den Wahlkämpfen der Parteien ‚Sinn Fein’ die Angst zunehmender Kriminalität. Erst wollte ich mich wieder wahllos über Wiesen- und Feldwege ins Landeszentrum schlagen, doch endete jeder im Dickicht oder an Zäunen. Die Jahreszeit wurde immer kälter.

Ich gab endlich der Vernunft nach, setzte mich an den Straßenrand und hielt den Daumen heraus. Tatsächlich hielten hin und wieder Autos an. So gelangte ich innerhalb eines Tages durch freundliche Iren ins achtzig Kilometer entfernte ‚Dublin’ (Grafschaft Dublin). Ein Fahrer war beim Gespräch sogar erstaunt, dass ich es seit fünf Monaten ohne eine Frau aushielt (zumal ich noch nie eine Freundin hatte).

Dublin ist die größte Stadt der Republik Irland. Der irische Name ist ‚Baile Átha Cliath’ – zu gut deutsch: ‚Stadt an der Hürdenfurt’.

Der Stadtteil ‚Temple Bar’ ist Dublins Kulturviertel mit einem munteren Nachtleben. Er liegt am Südufer des Flusses Liffey im Zentrum. Im Gegensatz zu den umgebenden Stadtvierteln hat Temple Bar sich seine mittelalterlichen Straßenzüge mit vielen engen kopfsteingepflasterten Gassen erhalten. Es ist bekannt für seine Pubs und das Nachtleben mit Livemusik. Am ‚Good Friday’ (Karfreitag) ist dagegen alles geschlossen und es gibt auch ein strenges Alkoholverbot, selbst in den Restaurants.

Zudem gibt es Unmengen von sehenswerten Bauten (wie das Trinity Collage, das Dublin Castle oder die Half Penny Bridge), Denkmäler (wie Molly Malone), anglikanische Kirchen, Friedhöfe in großem Stil sowie Museen und Ausstellungen (National Museum, Irish Museum of Modern Art).

In Dublin ist irische Folkmusik (genauso wie im Rest von Irland) sehr erfolgreich. In vielen Pubs spielen regelmäßig Folklore-Gruppen. Moderne Musik ist dagegen bei der jüngeren Bevölkerung beliebt.

In der etwas verworrenen Stadt tauschte ich vorerst meine britischen Pfund wieder in (schlechten) Euro um, holte eine ‚Wanderkarte’ der südlich gelegenen Region und buchte mir nach der berechneten Marschroute, durch das Internet in der Bibliothek, ein neues Fährenticket. In vier Tagen würde ich ein letztes Mal in See stechen. So verschwand ich durch das Gewirr aus der Hauptstadt.

Bevor ich die Insel wieder zu verlassen versuchte, wollte ich wenigstens noch einen Höhepunkt mitnehmen. Diesen fand ich im südlich gelegenen ‚Wicklow-Mountain’-Nationalpark. Neben der Aussicht auf Berge, Wiesen und drückenden Höhenwinde erkannte ich hier oben eines: Irland schien wahrlich das Grüne Land im Ozean zu sein, da von hier oben reines grünes Weideland zu sehen war. Auch offenbarte es mir noch farbige Aussichten auf den ‚Sugar Loaf Mountain’ (503 m) und den See ‚Logh Tay’. Bis ich schockiert auf die Karte sah: Ich hatte mich bei meiner Marschplanung um das Vierfache verrechnet (Maßstab meiner bisherigen Wanderkarten mit der der Informationskarte hatte ich vertauscht) und würde es bis Samstag nicht rechtzeitig zur Fähre nach ‚Cork’ schaffen.

Eilig erwischte ich durch Trampen den Bus zurück nach ‚Dublin’. Danach setzte ich mich in den Doppelstockbus zur Hafenstadt ‚Cork’ (Destrikt Cork). Da ich nachts dort ankam, suchte ich mir im Aufmarsch von Prostituierten und brüllenden Trinkern ein Versteck in der Stadt, wo ich die Nacht halb wach ausharren musste, um nicht ausgeraubt zu werden. Ein Mann sprach mich sogar dumm an, wozu meine Holzwanderstöcke gut seien. Instinktiv antwortete ich: „Zur Verteidigung“, wo er erschrocken zurückwich. Man stelle sich in einer belebten Stadt einen plötzlich auftauchenden Mann vor, der scheinbar von der Armee geflüchtet sei und die Straßen mit einem überdimensionalen Rucksack und zwei Holzstöcken flaniert.

Am nächsten Tag war alles wie verwandelt und aufgeräumt: Die Menschen vollrichteten wieder einen geschäftigen Müßiggang, die Gröler und Prostituierten schliefen für die Folgenacht.

Cork war 2005 Europäische Kulturhauptstadt. Zu den regelmäßigen Kulturveranstaltungen der Stadt gehört seit mehr als fünfzig Jahren das ‚Cork Film Festival’ für Kurzfilme. Seit 1978 wird jährlich Ende Oktober das ‚Cork Jazz Festival’ veranstaltet.

Ich lief noch in den nahen Ort ‚Ringaskitty’ und zum Schiff. Da ich noch drei Stunden Zeit hatte und einen frisch überfahrenen Hasen am Straßenrand erspähte, nahm ich ihn und weidete ihn aus. Nach einer Stunde der Sauerei hatte ich ihn in einen mitgeführten Gefrierbeutel gepackt, und marschierte zur Fähre. Zwar wurde ich kontrolliert, der Hase blieb unentdeckt. Kochen und Verspeisen tat ich ihn sogleich, nachdem ich wieder von der Fähre treten sollte. Ulkig fand ich die Erinnerung an ein Schild, als ich von der Fähre von Schottland zu Irland ausstieg: Dort war unter dem Gebot ‚Tiere mitbringen verboten’ neben den Zeichnungen von Hund, Katze, Schildkröte und sogar Affen ein Hase abgebildet. Dies war hier zum Glück nicht der Fall.

Trotz des geschlossenen Swimmingpools, in dem ich mich abends eigentlich abkühlen wollte, legte ich mich entspannt in den Liegesessel, las noch etwas. Und träumte von der anstehenden Pilgerreise durch Frankreich.

Kapitel 11

Frankreichs feuchte Bretagne

Oktober 2009> Über Nacht hatte ich meine letzte Fährenüberfahrt von ‚Cork’ nach ‚Roscoff’ (Region Finistere) an der französischen Nordwestküste genossen (wie man das mit wärmendem Zeitungspapier unter den Klamotten sagen konnte, da mein Rucksack mit der Decke weggesperrt worden war). Völlig überrascht entdeckte ich sogleich den Wanderweg GR 34 (auch als einer von vielen Jakobswegen bekannt). GR bedeutet ‚Sentier de Grande Randonee’, was die großen Fernwanderwege Frankreichs sind. Davon gab es durchaus viele im Land, wie mir später klar wurde.

Einige Tage lang marschierte ich dem Küstenpfad entlang. Auf den Feldern wuchsen mir unbekannte Duftblumen, große Artischocken und auch schmackhafte Topinambur (Erdbirne). Hier werden vor allem Fisch, Muscheln und Krabben gefangen. Die Boote lagen jedoch meist Still im Watt. Und auch ich stand still, als abends die Flut den Wanderweg abschnitt, da er oft am Strand verläuft. Notgedrungen musste ich bis zum nächsten Tag abwarten.

Als ich sicherheitshalber meine Füße von der Küste ins Landesinnere setzte, wurde ich auf den GR 38 unverhofft vom Herbst überrascht. Vor allem freute mich, dass nun reife Früchte und vor allem Esskastanien an den Bäumen hingen. Mit diesen stärkehaltigen, zu hunderten herumliegenden Nüssen, nahm ich innerhalb eines Monats wieder einige Kilo zu. Auch fand man seltenen Schnittlauch, Malve und Katzenminze am Wegesrand. Auch existierten allerhand giftige und mir unbekannte Gewächse, von denen ich die Hände ließ. Dafür bestand das französische Brot selbst in großen Städten wie ‚Morlaix’ nur aus kaum sättigendem Weißbrot. Mit Geduld und mühsamer Suche und Anfrage bei den Bäckern fand ich ein Brot mit etwas mehr Kohlenhydraten: ‚Pain la seigle’ – überaus teures Roggenbrot, das aus einer Backmischung bestand. Damit musste ich mich zufrieden geben, da die Esskastanien am Boden nach einem Monat bereits faulten.

Das Stadtbild von Morlaix wird von einem weithin sichtbaren, 58 Meter hohen und 285 Meter langen Eisenbahnviadukt geprägt, das 1861 errichtet wurde, um die Bahnverbindung von Paris nach Brest fertigzustellen.

Die Altstadt aus zahlreichen mit Erkern geschmückten Häusern spiegelt den Reichtum der Stadt wider. Bemerkenswert ist die Bauweise der Laternenhäuser: Gebäude, die um einen oben verglasten Innenhof herum errichtet wurden.

Die ‚Grand’ Rue’ (Fußgängerzone) war die Hauptstraße des alten Handelsortes. Heute mischen sich alte Häuser und moderne Geschäfte. Weiter in Richtung Viadukt erreicht man den ‚Place des Otages’, der an die im Krieg von deutschen Soldaten getöteten Bretonen erinnert.

Die Kirche Saint-Melaine (fünfzehntes Jahrhundert) wurde im Flamboyantstil errichtet. Bei Bombardierungen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg nahm die Kirche schweren Schaden, wurde aber wieder aufgebaut. Bemerkenswert ist das Orgelgehäuse, das noch aus dem siebzehnten Jahrhundert stammt.

Die Gemeindekirche Saint-Mathieu wurde im sechzehnten Jahrhundert errichtet. Aus dieser Zeit ist nur noch der Turm erhalten. Sehenswert ist eine aufklappbare Marienstatue, deren Inneres die Dreifaltigkeit darstellt.

In der Bucht von Morlaix steht die Burg Fort Taureau aus dem 16. Jahrhundert.

In der Hoffnung, dass die begehrten Jakobswege – die eine gesunde Mischung aus schattig verwachsenen Muldenwegen und dünnen Straßen darstellen – gut ausgewiesen seien, der irrt. Es gab unübersichtliche Abzweige, unkenntlich gewordene Markierungen, und auch die Karten waren oft fehlerhaft. Verlaufen wurde beinahe jeden Tag zum Muss.

Hatte ich bei Franzosen (meist auf Englisch) nach Auskunft gefragt, stellten diese sich oftmals dumm. Später erst sagte mir ein Heimischer ehrlich: Die meisten beherrschen Englisch, mögen die Briten wie auch die Deutschen (durch Kriegsgeschichten) nicht. Darum verwarf ich mein Vorhaben Französisch zu lernen prompt, da auch ich etwas Nationalstolz hatte.

Neben vielen ungesprächigen Franzosen kläfften mich dafür lieber freilaufende Hunde an. Ein Aufbäumen mit meinem riesigen Rucksack ließ sie oft zurückweichen. Die meisten stellten sich als laut bellende Feiglinge heraus, egal wie groß sie waren. Angst hatte ich vor ihnen selten.

Ein weiteres Problem wurde eine halb monatige Kältewelle, die mich morgens oft durch klamme Glieder nicht recht vorankommen ließ. Hinzu kam, dass die ‚Bretagne’ von Unmengen Quellen und Wasseradern durchzogen wird. Sobald die Sonne aufging löste sich kalter Nebel vom Wasser und breitete sich gerade in den Muldenwegen aus. Zu meinen Rasten heizte ich mich darum in Sonnenstellen auf.

Hinter ‚Huelgoat’, dass von einem Wandersystem aus Steinen und Bächen umgeben ist, war ich in die späten Abendstunden marschiert. In einem Ort sprach mich ein Bewohner an und führte mich plötzlich zu dem zweiundsiebzigjährigen Anwohner Regis. Dieser Mann, der auch Deutsch und Englisch beherrschte, ließ mich mein Zelt auf dem Rasen aufbauen. Da er zu einer Jazz-Probe im Ort musste, begleitete ich ihn. Obwohl ich diese Musikrichtung nicht sehr mochte, versicherte mir Regis, dass ihr ‚Oldtime-Jazz’ nichts mit dem heutigen zu tun hat. Seine buntsprachige Gruppe und er als Bandleiter spielten an … und führten mich in eine neue Welt. So ließ ich mich von diesen Stücken berauschen.

Nach einer abendlich privaten Unterhaltung über das französische Regime und der Schulausbildung im Land, entließ mich Regis am nächsten Morgen wieder, da er eine Aufnahme vorbereiten musste. Während ich weitermarschierte, begann ich das Staunen, als ich für einige Ruhetage mein Lager aufbaute: Durch die aufsteigenden Nebelschwaden, die Mischung des spiegelnden Wassers der Flüsse ‚L’ Aulne’ und ‚Le Blavet’ sowie der angehend bunten Herbstpracht glaubte ich, in einer anderen Welt zu schweben.

Kapitel 12

Probleme in Frankreich

Oktober 2009> Ich war nun über den Jakobspfad GR 37 in raschelnde Wälder aus Esskastanien, Eichen und Buchen getreten. Die Blätter färbten sich innerhalb einer Woche zum stechend Bunten. Trotz der vielen geschützten Waldnationalparks hörte ich immer wieder die Gewehrläufe der Vogel- und Treibjäger. Mit jedem Schuss des hier legalen Freizeitsports, sowie der bissig bellenden Jagdhunde, wurde ich melancholischer.

Dagegen versuchte ich mich auf den Weg zu konzentrieren: Die Kartenungenauigkeit, wie inaktuelle Biegungen und nicht existierende Bäche, korrigierte ich meist mit Kompass und Logik. Da die Routen oft kilometerweit im Zickzack verliefen, kürzte ich oft über lärmige Straßen ab.

Auf der GR 38 endete bei ‚Bohal’ (Region Pays-de-la-Loire) die Karte. So folgte ich nunmehr blindlings den Wegweisern. Überall in den Tabac-Cafès, Buchhandlungen und Märkten hatte ich nach der nächsten Karte gefragt. Selbst im bezüglichen Areal erkundigte ich mich in jeder Stadt, fand sie aber nicht. In ‚Pluherlin’ versuchte ich es in einer Bibliothek. Plötzlich empfingen mich zwei Angestellte mit ungewohnter Freundlichkeit und sprachen sogar auf Englisch. Hilfsbereit telefonierten und recherchierten sie mit einem Bibliotheksbesucher für mich nach dem Weiterverlauf des GR 38. Dankend nahm ich die Informationen mit mir. Und bemerkte bald – oh Schreck – dass der Weg einen dreißig Kilometer langen Umweg nach Nordosten machte. Meine Route war aber Süden. Darum verließ ich die GR 38. Dennoch: Merci et pardon, Madam et Monsieur.

Immer wieder weitergeleitet, fand ich in ‚Allaire’ nun endlich die Karte des Areals. Kurz durchdachte ich alles und marschierte über lärmende Straße und im Regen zu dem GR 3 nach Süden. Meine Hoffnung auf bessere Wegweiser zerschlug sich Dank abgeblätterter Markierungen rasch. Selbst die Variante GR 3a war besser markiert als das Original.

Vor einer längeren Rast traf ich auch fünf wandernde (was selten war) und freundliche Franzosen, die stark interessiert über meine Tour waren. Eine der Fünf traf ich in der folgenden Stadt per Zufall wieder, die mir auf meiner Suche zur Buchhandlung helfen konnte. Zur vorherigen Rast bemerkte ich, dass die Kälte mich immer stärker beutelte. Ich entschied, schneller zu marschieren. Dies wurde nicht so leicht, wie Sie später erfahren werden.

Kaum hatte ich ein Postpäckchen mit Filmen und Reisetagebüchern abgegeben, kam ich am Fluss ‚L’ Erdre’ in die Großstadt ‚Nantes’.

Bedeutende Sehenswürdigkeiten sind zum einen das Schloss der Herzöge der Bretagne: Das letzte Schloss an der Loire vor dem Ozean, in dem sich heute das Historische Museum von Nantes befindet.

Ebenso kann man die Kathedrale ‚Saint-Pierre’ in gotischem Stil und die Gräber von Franz II. und Marguerite de Foix (1507), die Eltern von Anne de Bretagne, besichtigten.

Es gibt eine Vielzahl weiterer Kirchen: Dazu zählen die spätgotische Kirche ‚Sainte-Croix’ mit einem Renaissance-Kirchenturm inmitten der Altstadt und die neogotischen Bauten von ‚Saint-Nicolas’ und ‚Saint-Clement’.

Die ‚Les Machines de l’Ile de Nantes’ ist ein französisches Ausstellungsprojekt, das die mechanischen Objekte der Performance-Gruppe ‚La Machine’ in einer Ausstellungshalle im Hafen von Nantes zeigt: Riesige, von Jules Verne inspirierte mechanische Tiere.

Im Zuge der Umwandlung des alten Hafengeländes auf der ‚Île de Nantes’ ist ein Ausstellungsraum im alten Bananenhangar entstanden. Alte Werftkräne wurden renoviert, um an den industriellen Charakter des Areals zu erinnern.

Es existieren Unmengen Parks, besonders der botanische Garten beim Hauptbahnhof, und Einkaufsstraßen wie zum Beispiel die ‚Rue Crébillon’ und die historische Passage ‚Pommeraye’ (eine Händlergalerie aus dem neunzehnten Jahrhundert).

Das Bistro ‚La Cigale’, das als eines der schönsten Frankreichs gilt, liegt am Theaterplatz des renovierten ‚Théâtre Graslin’. Die Brasserie im Art Nouveau-Stil des neunzehnten Jahrhunderts hat mit seinem Dekor die Surrealisten sowie Jacques Demy inspiriert, der hier Szenen seines Films ‚Lola’ (1960) gedreht hat.

In der Buchhandlung von Nantes staute ich mir selbst alle Karten entlang meiner restlichen Route nach Süden.

Da ich die Nase vom Verlaufen voll hatte, kam ich im östlich gelegenen ‚Poitiers’ (Region Poiton-Charentes) auf den ‚Haupt’-Jakobsweg GR 655 Richtung Südfrankreich. Hier staunte ich über die gut sichtbaren Muschelwegweiser aus Stein, die oft an jeder Gabelung standen.

Zu Poitiers: Aufgrund ihrer seit 1978 unter Denkmalschutz stehenden Kulturdenkmäler wurde es mit dem Prädikat ‚Stadt der Kunst und Geschichte’ ausgezeichnet. Es besitzt vorgeschichtliche und antike Kulturdenkmäler wie den ‚Pierre levée de Poitiers’ (Dolmen) an der Römerstraße nach Bourges beziehungsweise Lyon und Überreste einer der größten römischen Arenen (Bau: Anfang des ersten Jahrhundert, ursprünglich 150 × 130 Meter). Eine Weihe-Inschrift für den gallischen Gott Adsmerius wurde ebenfalls hier aufgefunden.

Aus dem dreizehnten Jahrhundert stammen die Reste der ehemaligen Befestigungsanlage, die als ‚Mauer der Eleonore von Aquitanien’ bekannt sind. Erhalten blieben Teile der Stadtmauer sowie die im ‚Tal der Boivre’ errichteten Türme. Letztere beherbergen gegenwärtig Einrichtungen der Postbehörde.

Die friedliche Idylle wurde rasch wieder zerstört: Der Pfad führte meist auf schlammigen Feldwegen und in der Nähe lärmender Fernstraßen entlang. Außerdem gab es neben den vielen Kirchen kaum Augenmerke. Mir fehlten die Esskastanien. Dafür fand ich allerhand Walnüsse und spätreife Weintrauben, die mir bei übermäßigem Konsum oft Durchfall bescherten.

Als ich dann in ‚Melle’ vor einer Kirche pausierte, lud mich plötzlich das Nachbarspaar Christiane und Robert zur Nacht ein. Trotz extremer Kommunikationsprobleme zu den zwei Rentnern, richteten sie mir ihr Gästezimmer her und ließen mich am Abendbrot aus Eierkuchen teilhaben. Am Folgetage dankte ich ihnen aufs herzlichste und marschierte ich mit neuem Elan weiter.

Da ich Richtung Süden lief, schmerzten durch den Sonnenschein nun oft meine Augen. Zudem fiel meiner Solarplatine das Laden meiner Akkus durch niedrigere Sonnenstände und einem Wackelkontakt schwer. Auch war viel von meiner Ausrüstung verschlissen, wie der schäbige Reißverschluss meines Zeltes, den ich prompt reparierte.

Ein weiteres Problem bereitete mir plötzlich die Post: Das Päckchen mit acht mir wertvollen Diafilmen und Reistagebüchern war seit drei Wochen nicht in Deutschland aufgetaucht. Ich bangte, dass die wertvollen Sachen verschollen seien. Erst eine Woche später, nachdem ich sämtlichen Poststellen in Frankreich Druck gemacht habe und auch meine Schwester ihrerseits Unternehmungen tat, tauchte das volle Päckchen halb zerfleddert bei meiner Familie auf.

Kaum war ich erleichtert wurde Anfang November mein rechter Fußknöchel dick. Jeder Schritt schmerzte mit zerrenden und dicker werdenden Sehnen. Ich legte oft (unangenehm kalte oder wasserlose) Ruhetage ein. Trotz Kühlung, Salbe und Halbschuhbindung schwoll der Knöchel immer wieder an. Bis ich etwas am rechten Wanderstiefel bemerkte: Der Schaft bog sich nicht mehr und war steif geworden, obwohl ich ihn erst eine Woche zuvor gewachst hatte. Wie es der Zufall wollte, fand ich eine halbleere Fetttube am Straßenrand. Prompt nutzte ich es, zog aber dennoch neue Turnschuhe an und packte die alten Stiefel (mit Seil in Funktionsstellung gebogen) in den Rucksack. Obwohl ich die Turnschuhe sogar noch mit einem Autogummistück von der Straße vor Regen abdichten musste, verschwand die Schwellung innerhalb einiger Tage. Da hätte mir nicht einmal ein Arzt weiterhelfen können. Darum lernte ich nun auch stärker zu beobachten und in mich selbst hinein zu hören, wodurch ich meiner Selbstfindung immer näher kam.

Halb froh musste ich zuletzt feststellen, dass hinter ‚Pons’ plötzlich die GR 655 auf den Karten endete, aber in Wahrheit verlief sie weiter. Ich wollte nicht blindlings diesen auch oft fehlenden Markierungssteinen folgen. Frustriert plante ich um und verließ den Jakobsweg.

Kapitel 13

Der französische Höhepunkt

November 2009> Ich hatte den französischen Hauptjakobsweg verlassen und schlug mich nun mit meiner eigenen Route, die ich mit meinen Karten täglich neu plante, in den Süden. Für die nächsten Wochen betrat ich ein dominierendes Kiefernwaldgebiet um den ganzen Großraum von Bordeaux, dass sich bis nach Bayonne erstreckt. Auf Sandwegen kreuzten oft borstig-orangene Raupen meinen Weg. Der Boden war derart nährstoffarm, dass wenig essbare – eher hochgiftige – Wildpflanzen und Pilze wuchsen, mit denen ich mich nicht auskannte. Die Wirtschaftswege waren oft von Wildschwein-, aber auch tief eingegrabenen Traktorspuren (mit steter Stolpergefahr) durchzogen.

Zügig erreichte ich ‚Bordeaux’ (Region Aquitaine), in dem ich bis in die Nacht hinein marschierte und erschöpft in einem Wald darin nächtigen musste.

Bordeaux ist Universitätsstadt und politisches, wirtschaftliches und geistiges Zentrum des französischen Südwestens.

Ihre Einwohner nennen sich Bordelais. Berühmtheit hat die Stadt insbesondere durch den Bordeauxwein und ihre Küche erlangt, aber auch durch ihr bauliches und kulturelles Erbe.

Bordeaux ist eine Stadt, die nicht durch herausragende Einzelbauten, sondern durch die grandiose, fast vollständig erhaltene Anlage der Stadt besticht, die ihr historisches Bild bis heute erhalten hat. Darin ist sie Städten wie Amsterdam oder Lissabon ähnlich. Die Stadtanlage veranlasste Victor Hugo zu der Bemerkung, Bordeaux sei eine Mischung aus Versailles und Antwerpen, also aus palastartiger Architektur und Handelsstadt am Fluss. Insbesondere im historischen Zentrum, aber auch darüber hinaus bietet sie immer wieder überraschende Eindrücke, sei es durch die spätbarocke Anordnung der Straßen und Plätze oder durch die beeindruckende Harmonie ihrer Häuserzeilen, durch Parks und Gärten. Die ‚Fassade’ zur Garonne ist weltberühmt: Auf mehreren Kilometern ziehen sich hohe, schmale Bürgerhäuser am Ufer entlang, unterbrochen durch einzelne Repräsentationsbauten. Dahinter ragen die Dächer von Kirchen und alten Stadttoren empor. Das historische Ensemble gilt als das größte, geschlossenste und schönste von ganz Frankreich und wird als Kulisse für viele Film- und Fernsehproduktionen genutzt.

Berühmt ist es vor allem für seine abwechslungsreiche, exquisite Küche. Die Nähe zum Meer, die umgebenden Weinberge und das von Polykulturen geprägte Hinterland bieten eine Vielzahl unterschiedlicher lokaler Spezialitäten. Es fallen viele Gerichte ‚à la Bordelaise’ auf: Diese werden mit in der Regel rotem Bordeauxwein, oft auch mit Schalotten angerichtet, deren Verwendung in der Küche des französischen Südwestens Zwiebeln oder Knoblauch weitgehend verdrängt hat.

Am Folgetag entdeckte ich per Zufall sogar den Haupt-Jakobsweg wieder, den ich verlassen hatte. Dennoch mied ich ihn und folgte seit den nördlichen Vorstädten dem Radweg D 804. Als mir da plötzlich ein Passant ein großes und luftloses Mischbrot schenkte (meist verzweifelte ich auf der Suche danach beim Bäcker), war mir zum Feiern zu Mute. Merci beauquope, Monsieur. Ich kaufte darum noch einen echten Rotwein und genoss beides außerhalb der Stadt in einem weiten Grasareal.

Kaum war ich wieder nüchtern, marschierte ich mit meinen gut geformten Wanderstiefeln durch die Kiefernwälder. Immer öfter hörte ich das Knallen der Vogel- und Treibjäger. Als ich durch ein Vogelzuchtgebiet an der Atlantikküste lief, verstand ich kaum die Moral: Auf der einen Seite werden sie abgeschossen, auf der anderen gezüchtet.

Ich hastete in die Richtung zum Weststrand, querte die Stadt ‚La Teste de Buch’ und erreichte eilig die ‚Dune de Pyla’ zur Dämmerung: Die höchste Sanddüne Europas (111 m). Obwohl ich den Sand im sonnigen Rotschimmer einfangen wollte, war ich so dumm und baute rasch noch mein Lager im Dickicht darunter auf, da überall Touristen herumliefen. Als ich mühsam hochkletterte, gleiste der wolkige Himmel bereits in glühendem Rot. Ich war zu spät. Kaum war ich oben, ermattete bereits alles. Der Anblick war dennoch atemberaubend, da sich ein Resthauch des Sonnenglühens durch die Wolken brach. Am Folgemorgen versuchte ich es innerhalb einer Stunden Wartezeit auf der von Sand umwehten Düne noch einmal. Ich blieb unbelohnt: Über eine Woche regnete es in Strömen. Mein Stativ war voller Sand, was ich erst zwei Monate später wieder gänzlich davon befreien konnte. Zudem schien ich eine Erkältung auszubrüten.

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