Kitabı oku: «Zur Professionalität der Professionalisierenden», sayfa 7
3.1.3 Aktionsforschung und Interventionen
Umfassendere, langfristige Prozesse von Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung innerhalb der deutschen, phasigen Lehrerbildung wurden bislang kaum untersucht. Vielmehr sind es bestimmte Interventionen im Studium oder im Schuldienst, die auf ihre Wirkung auf Seiten der Lehramtsstudierenden oder der Lehrkräfte hin betrachtet werden. Häufig anschlussfähig an die Konstrukte Reflexion und Reflexivität kann im Bereich von Fremdsprachenlehrerprofessionalisierung als eine durchaus prominente Interventionsmaßnahme die Aktionsforschung (auch Handlungs- oder Lehrerforschung) gesehen werden, die sich nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch besonders international gemessen an der Zahl der Veröffentlichungen stark steigender Beliebtheit erfreut.1 Der Ansatz bezeichnet dabei zunächst einmal „eine Arbeitsrichtung …, die Lehrpersonen dazu animiert und dabei unterstützt, ihre Praxis zu erforschen und weiterzuentwickeln“ (Altrichter/Feindt 2014: 285), gleichsam die Förderung des in den Lehrerbildungsstandards für das Fachprofil Neue Fremdsprachen aufgeführten „forschenden Habitus“ (s.o.). Diese Haltung scheint insbesondere virulent durch die Neufokussierung auf die Rolle der Lehrperson im allgemeinpädagogischen – und wenn man so möchte Hattieschen – wie auch fachdidaktischen Sinne einer soziokulturellen Wende, Lehrer*innen dazu ermutigend „active users and producers of theory in their own right, for their own means, and as appropriate for their instructional contexts“ (Johnson 2006: 240) zu werden. Wie Borg (2013) im Anschluss an seine Beliefs-Forschung darstellt, kann er jedoch trotz der großen Befürwortung einer solchen Lehrerhaltung, kaum feststellen, dass Aktionsforschung (Teacher research) tatsächlich (auch international) kohärent und nachhaltig in Lehrer*innenbildung oder der Praxis eingesetzt wird:
Despite much theoretical advocacy as well as practical guidance in the form of research methods manuals for language teachers, it was clear from my reading and work in a range of international contexts that, for most teachers, teacher research remained a foreign concept, or at least and unfeasible one. (ebd.: 1)
Überzeugt vom Ansatz und gleichzeitig im Bewusstsein der Tendenz Aktionsforschungs-feindlicher, bildungspolitischer Rahmungen in den verschiedenen Kontexten, die er erlebt hat, präsentiert er neben einer Metaanalyse der vorliegenden empirischen Studien vier eigene Untersuchungen mit über 1.700 Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern. Obwohl in Teilen der Publikation die Grenze zwischen Aktions- und Unterrichtsforschung zu verwischen scheint – und nebenbei zudem wenig konkrete Ansätze von Aktionsforschung an sich in den Fokus gerückt werden – zielt die Arbeit in Borgscher Tradition tatsächlicher eher auf die Einstellungen der an Fremdsprachenlehrerbildung beteiligten Personen ab, inwiefern diese ihre Praxis beforschen bzw. Lehrkräfte hierzu ermutigen. Dabei sind die Gründe für Lehrpersonen, nicht aktionsforschend tätig zu werden, relativ offensichtlich: „a lack of time, a belief that doing research was not part of their job, and a lack of skills and knowledge” (ebd.: 212). Es wird offensichtlich, dass Borg eine sehr akademische Sichtweise auf Teacher research verfolgt, die nicht, wie häufig konzeptualisiert, mittels basaler, forschungsmethodischer Ansätze anhand des kleinen Klassensamples gewisse Effekte des Lehrer*innenhandelns messbar machen möchte, dass eine gewisse „forschende Haltung“ als zielführend für jegliche Unterrichtsplanung und -evaluation gesehen wird. Vielmehr geht es ihm (auch) um die Rezeption (und eigene Publikation) von Interventionsergebnissen in internationalen Journals, während in bestimmten internationalen Kontexten tatsächlich eine Dissemination von Praxisforschungsprojekten stattfindet, dies jedoch eher im Rahmen von kleineren Reflexionsgruppen innerhalb bspw. eines Kollegiums erfolgt.
Während in der deutschen Fremdsprachenforschung bereits Marita Schocker-von Ditfurth (2001, s.o.) in ihrer Habilitationsschrift im Kontext des forschenden Lernens im Fachpraktikum2 angehender Fremdsprachenlehrkräfte zeigte, wie dieses Lernen auch das Selbstverständnis formen und es in Relation zu den Anforderungen eines kommunikativen Fremdsprachenunterrichts setzen kann, geht ein anderes Projekt, neben anderen von ihr initiiert, einen anderen, weil unmittelbar in der Praxis und bei Lehrkräften ansetzenden Weg: Der Studiengang E-LINGO – Didaktik des frühen Fremdsprachenlernens an der Pädagogischen Hochschule Freiburg hat die (Weiter-)Qualifikation von Primarfremdsprachenlehrkräften zum Ziel und wurde durch Publikationen konzeptionell dargestellt (vgl. z.B. Legutke/Schocker-von Ditfurth 2008) sowie durch entsprechende Qualifikationsschriften (vgl. Zibelius 2014, Benitt 2015) begleitend erforscht. Mittels eines (berufsbegleitenden) Blended Learning-Formats qualifizieren sich hier (angehende) Lehrpersonen für den Grundschulunterricht in Englisch oder Französisch, sind also neben Präsenzveranstaltungen mittels Onlinetools miteinander verbunden und dokumentieren dort ihre Erkenntnisse und professionelle Entwicklung auch innerhalb verschiedener Aktionsforschungsprojekte (vgl. Schocker-von Ditfurth 2008). Zibelius (2014) zeigt forschungsmethodologisch der Grounded Theory folgend, wie die Studierenden einer E-LINGO-Kohorte mittels der verwendeten Onlineplattform kollaborieren, hier zunehmend in der Praxis generiertes (Erfahrungs-)Wissen austauschen, das der anderen Teilnehmenden kommentieren und hierdurch kollaboratives Lernen entsteht. Obwohl die Studie nicht explizit auf die Professionalisierungsprozesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abzielt, sondern stärker das Potential der Onlinekollaboration und des Wissensaustauschs in den Vordergrund stellt, zeigt sich für die Autorin insbesondere im Vergleich zu vorliegenden Erkenntnissen zu kollaborativem Lernen realiter (ebd.: 233ff.), dass der tendenziell anonyme Austausch durchaus auf einer sehr persönlichen und professionell-reflektierten Ebene stattfinden kann und hier die Flexibilität des kollaborativen Onlinelernens, d.h. auch bspw. zeitversetztes Reagieren auf Beiträge Anderer, wertgeschätzt wird.
Professionstheoretisch geformt und ausgehend von den Konstrukten reflexiver Praxis, (Lehrer-)Wissensforschung sowie dem Novizen-Experten-Paradigma untersucht Benitt (2015) im Rahmen ihres Dissertationsprojekts, wie und unter welchen Umständen Aktionsforschung Lehrerprofessionalisierung bzw. Teacher learning, wie sie es vorsichtiger beschreibt, stattfinden kann. Die im Rahmen von E-LINGO von den Studierenden durchzuführenden, zu dokumentierenden und präsentierenden Aktionsforschungsprojekte untersucht sie anhand der Portfolios und Lerntagebücher von zwölf Teilnehmerinnen3 sowie Interviews mit diesen Praxisforschenden, um dann mittels der Dokumentarischen Methode vorrangig auf impliziter Wissensebene Themen und Dimensionen von Lehrer*innenlernen zu identifizieren, die Rückschlüsse und greifbare Antworten auf die Forschungsfrage zulassen können. Sie identifiziert acht kritische „Aha-Momente“ (ebd.: 154ff.), die das Potential sowohl der Aktionsforschung im Sinne von vertiefter und anwendungsbezogen-reflektierter Theorie sowie den kollaborativen Mehrwert der gemeinsamen Aushandlung und Bearbeitung der Projekte mit den Kommilitoninnen transparent macht und sich in drei Dimensionen extrapolieren lassen:
[The] cognitive dimension relates to a better understanding of theory and/or teaching methodology, the interpersonal dimension refers to learning incidents linked to cooperative learning formats, and the affective dimension comprises notions of professional confidence and self-perception. (Benitt 2017: 129-130)
Eine relativ geringe Rolle spielt in den einschlägigen Publikationen und Forschungsschwerpunkten die Sprachkompetenz der (angehenden) Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer. Auch in den oben bereits aufgeführten quantitativen Untersuchungen werden Sprachkompetenzmessungen oder -tests eher als beiläufige Kontrollvariable verwendet (wie in PKE; vgl. König et al. 2016), es wird eine Einschätzung auf Grundlage des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (vgl. Europarat 2001) vorgenommen (wie in TEDS-LT; vgl. Roters et al. 2011) oder es wird gar keine Abfrage der Sprachkompetenz einbezogen (wie aus Gründen der Testpraktikabilität in FALKO-E; vgl. Kirchhoff 2016/2017).
Bezüglich einer Verbesserung der Sprachkompetenz werden dabei häufig Auslandsaufenthalte angehender Fremdsprachenlehrkräfte aufgrund immersiven Spracherlebens als wirksam angesehen, was gleichzeitig im Sinne eines interkulturellen Fremdverstehens der Zielkultur einen intellektuellen wie professionalisierenden Mehrwert für die Sprachstudierenden haben soll. Auch Appel (2000) hatte im Kontext des Erfahrungswissens von Fremdsprachenlehrkräften dem Auslandsaufenthalt einen gewissen Ertrag unterstellen können, Ehrenreich (2004) jedoch relativiert diese häufig angenommenen, sich vermeintlich quasi-automatisch einstellenden Effekte eines Auslandsaufenthaltes in einer explorativen Studie. Mittels eines berufsbiographischen Ansatzes erhebt sie querschnittsartig mittels Interviews den Ertrag des sogenannten Assistant-Jahres, den examinierte Lehramtskandidatinnen und -kandidaten in der Regel vor ihrem Eintritt in den deutschen Vorbereitungsdienst oder Schuldienst absolvieren. Es zeigt sich, dass dieser angenommene Ertrag im Sinne einer Weiterentwicklung von zahlreichen Faktoren auf personaler und situativer Ebene komplex abhängig ist, in der Regel bezogen auf das gezogene Sample sogar kaum an die eigene Lehrerbildung angebunden wird, sondern primär der persönlichen bzw. persönlichkeitsbildenden Weiterentwicklung ohne mittelbare Professionsrelevanz zugeschrieben wird. Die subjektiv eingeschätzte Entwicklung der Sprachkompetenz ist ebenfalls eher ernüchternd:
Die Diskrepanzen bei der Bewertung des fremdsprachlichen Fortschritts spiegeln die ausbildungsphasenspezifische Vorherrschaft unterschiedlicher Sprachbegriffe – akademische Schriftsprache an der Hochschule versus flexibles mündliches Sprachhandeln in Referendariat und Schule – wider. (ebd.: 436)
Dafür zeigt sich jedoch eine verstärkte zielkulturelle Wahrnehmung bzw. auch eine Übertragung der hier positiven Erfahrungen in Form von „‚begeisterter landeskundlicher Vermittlung‘ und als Engagement im Schüleraustausch“ (ebd.: 436). Ehrenreich kommt u.a. zu dem Schluss, dass das Assistant-Jahr stärker in und an Lehrerbildung ein- und angebunden und „als spezifischer Lernort“ (ebd.: 444; Hervorhebung im Original) wahrgenommen werden müsse, um tatsächlich im Hinblick auf berufsbiographisch-professionsrelevante und insbesondere fremdsprachendidaktisch relevante Entwicklungspotentiale wirksam(er) zu werden, während es bislang noch zu stark von der je individuellen Einsatzbereitschaft der Lehrkräfte und deren persönlichkeitsbezogenen Neigungen abhängig ist.4
3.2 Zwischenfazit II: Spezifik von Fremdsprachenlehrerprofessionalität und ihrer Erforschung
Es mag kaum überraschen, dass vor allem die Lücke bzw. die „gap“ zwischen Theorie und Praxis, „theory and practice“, auch die deutsche und internationale, fremdsprachendidaktische Forschung im Besonderen beschäftigt und damit allerdings zunächst wohl kaum als ein Spezifikum einer gewissen Fremdsprachenlehrerprofessionalität gesehen werden kann. Oder etwa doch? Besteht möglicherweise gerade in der, wie im Kontext des Professionswissens herausgearbeitet, geringen Strukturiertheit der Domäne Fremdsprachendidaktik eine besondere Problematik der Disziplin, dessen Charakteristik die Überwindung des Grabens zwischen Theorie und Praxis besonders erschwert und damit eine besondere Professionalisierungsbedürftigkeit der Lehrerinnen und Lehrer moderner Fremdsprachen impliziert wird? Ist hierin die Forderung nach einem „forschenden Habitus“ der Fremdsprachenlehrkraft begründet, die sich sonst in keinem anderen Fach der Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung (KMK 2017) zeigt oder ist dies lediglich eine Folge domänenspezifischer Tradition von Aktionsforschung und der Betonung einer zu fördernden und zu erreichenden Reflexionskompetenz? Zumindest wird nach der Sichtung des Forschungsüberblicks international bereits ein Bottom-up-Ansatz von Fremdsprachenlehrerbildung mittels Reflexion, Aktionsforschung und anwärterorientierter Lerngelegenheiten konzeptualisiert und umgesetzt (vgl. Crandall/Christison 2016). Wiederum ein Fragezeichen gesetzt werden müsste dann, übertragen auf die spezifisch deutsche Phasigkeit, wie diese Lerngelegenheiten abgesehen von einzelnen größeren beschriebenen Projekten wie E-LINGO (vgl. Legutke/Schocker-von Ditfurth 2008, Zibelius 2014, Benitt 2015) zielführend in der Fremdsprachenlehrerbildung integriert werden.
In der zusammenfassend historischen Betrachtung der Ausbildungsgegenstände bis in die 70er Jahre wird eine stark rezeptologische Prägung der Fremdsprachendidaktik offenbar, die teilweise bis heute nachwirkt (vgl. Kirchhoff 2017, Hallet/Königs 2013b). International galt in der Vergangenheit ein Absprechen autonomer Handlungs- und Lernoptionen der (werdenden) Fremdsprachenlehrpersonen: „Traditionally, the professional development of teachers has been thought of something that is done by others for or to teachers.“ (Johnson 2009: 25; Hervorhebung im Original) Parallel hierzu schlug sich unterrichtsgegenständlich ein stark kompetenzorientierter Ansatz mit Fokus auf Kommunikation als Folge der kommunikativen Wende nieder, was sich auf inhaltlicher Ebene in der Fremdsprachendidaktik als hoch einflussreiches Standardisierungsinstrument mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (vgl. Europarat 2001) zeigt. Für die Ausbildung von Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern international bedeuteten diese Entwicklungen eine Abkehr von tendenziell formalistischen und durchstrukturierten Fremdsprachenlehrerbildungssystemen hin zu kooperativem wie eigenverantwortlicheren und selbstgesteuerten Professional development der Fremdsprachenlehrkräfte, „the recognition that teachers‘ informal social and professional networks, including their own classrooms, function as powerful sites for professional learning“ (Johnson 2009: 25; vgl. auch Borg 2011). Diese Sichtweise auf Professionalisierung ist dabei gewiss ebenfalls dem Umstand geschuldet, dass es in internationalen Kontexten und Tätigkeitsbereichen von Fremdsprachenlehrkräften, die in den vorliegenden Metaanalysen beispielsweise die Erwachsenenbildung mit einbeziehen, seltener die Möglichkeit zur direkten Weiterqualifizierung gibt bzw. diese Möglichkeiten nicht ohne einen gewissen Aufwand umsetzbar erscheinen. Darüber hinaus fand eine Vielzahl besonders der internationalen Forschungsprojekte z.B. zu Fremdsprachenlehrerkognitionen in Hochschulkontexten oder privaten Qualifizierungseinrichtungen statt, vernachlässigte aber häufig schulische Bildungssysteme auf der Ebene der Sekundarstufe(n) (vgl. Borg 2009: 168, Borg 2006).
Benitt (2015) fasst die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Bereich der Fremdsprachenlehrerbildung (Foreign Language Teacher Education = FLTE), hier insbesondere unter Berücksichtigung internationaler Kontexte der Englischlehrerbildung, wie folgt zusammen:
Educational models have developed from linear towards cyclic models, such as the reflective model of teacher education, which assumes that learning takes place in a dialogic manner.
The distinction of pre-service (theoretical) and in-service (practical) teacher education has given way to a more holistic approach to conceptualising teacher education and teacher learning.
Teaching and teacher education are considered socio-cultural activities. Experiential learning and the activity of teaching are considered central elements of FLTE.
The teacher as well as her personal and professional learning and development has become a central subject of interest in educational research, acknowledging the important role of the teacher in the teaching and learning context.
The mode of FLTE is slowly shifting from traditional lecture mode (one-way) to group mode (interactive), in which learning takes place through joint co-construction of knowledge. At the same time, FLTE is developing from traditional university education to blended-learning and online formats of teacher education. (ebd.: 43)
Während damit international eine Stärkung und Autonomieförderung auf der individuellen Ebene der Lehrkraft bzw. ihrer Kooperation mit anderen Kolleginnen und Kollegen stattgefunden hat, kritisiert Kurtz (2011), dass ihm in vielerlei deutschen Reformbemühungen vornehmlich der letzten beiden Jahrzehnte genau diese Subjektperspektive, die der (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer, zu kurz gekommen sei. Von Seiten der Bildungspolitik und verschiedener Expertisen sei stärker das Unterrichtsgeschäft bzw. die Arbeitsausübung in den Fokus gerückt worden, seltener die Rolle und Bedürfnisse, die jede/r einzelne Lehramtskandidat*in im Rahmen der Ausbildung einnimmt und mitbringt. Dies scheint sich – vor allem beeinflusst durch die Neufokussierung international – auch in Deutschland mittlerweile zu verschieben bedingt durch Forschung zu Lehrerkognitionen, Beliefs und Subjektiven Theorien: „It shifted attention from what teachers should know to who they are, what they already know, and what they actually do when they teach.“ (Graves 2009: 117) D.h. ohne die Bewusstmachung und Reflexion vorhandener Wissensbestände auf Seiten der angehenden Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer besteht die Gefahr, dass das innerhalb von Lehrerbildungscurricula vermittelte Professionswissen nur wenig Anschluss in der Praxis findet und losgelöst ohne Anwendungsbezug gleichsam verpufft.
Im Kontext von Subjektiven Theorien, Beliefs bzw. Lehreridentitäten wird verschiedentlich herausgestellt, wie diese das Lehrer*innenhandeln beeinflussen (vgl. z.B. Borg 2006, Caspari 2014, Schart 2014), jedoch auch, wie stark sie z.B. durch eigene Schulerfahrungen oder Überzeugungen habituell geprägt sind, bezüglich verschiedenster Unterrichtsaspekte reflektiert werden müssen (z.B. Lortie 1975, Hochstetter 2011) und in einer gewissen Starrheit durch Lehrerbildung gleichsam nur schwer veränderbar bzw. optimierbar erscheinen (vgl. Crandall/Christison 2016). Kubanyiova (2016) stellt z.B. in ehrlicher und beeindruckender Weise dar, wie ein innovatives Weiterbildungskonzept für Lehrkräfte aktuellste (Unterrichts-)Forschung berücksichtigt, innovative Materialien vorbereitet und diese von aufgeschlossenen Lehrkräften bearbeitet werden, die Intervention dann aber zu keinerlei positiven Effekten im Fremdsprachenunterricht führt. Sie muss zugeben:
The naivety of such an objective [eine transformatorische Wirkung auf den Fremdsprachenunterricht durch die Lehrerbildungsmaßnahme; Anmerkung D.G.] and the predictability of this outcome in the context in which the programme was delivered are admittedly all too obvious in the light of the latest theorising about how language teachers learn. (ebd.: 1)
Gleichzeitig erkennt man bei der genauen Lektüre des Qualifizierungskonzepts, dass dieses in keiner Weise ungewöhnlich für entsprechende Maßnahmen im universitären oder Fortbildungsbereich ist.
Bezogen auf die konkrete Fremdsprachenlehrer(fort)bildung sehen Legutke/Schart (2016) zwei Strömungen: „In Aus- und Fortbildungsprogrammen werden zwei gegensätzliche Herangehensweisen praktiziert, um das Generieren des reflektierten Handlungswissens zu fördern.“ (ebd.: 31) Das eine sei ein theoriegeleiteter, der andere ein problemorientierter Ansatz, wobei letzterer „sich aus den Erfahrungen der Teilnehmenden in der Unterrichtspraxis“ (ebd.) ergibt. Fraglich bleibt dabei, wie curricular oder ausbildungs-/fortbildungsdidaktisch verankertes Wissen in Prozessen der Fremdsprachenlehrerbildung nachhaltig integriert wird. Immer wieder wird hier in der Gesamtschau der einschlägigen Literatur und empirischen Forschung Reflexivität bzw. Reflexionskompetenz als Lösung genannt. Auch das von Elbaz (1983) geprägte dynamische und auf verschiedenen Ebenen (re-)konstruierbare Personal Practical Knowledge (PPK) zeigt sich als bedeutendes Konstrukt in den einschlägigen Publikationen, das vielfach in Ergänzung an eher inhalts- und curriculumsorientierten Professionswissensbeständen von Fremdsprachenlehrkräften angelegt wird und durch die Forschung im Bereich von Lehrerkognitionen eine zunehmend wichtigere Rolle insbesondere in qualitativen Forschungszugängen zu spielen scheint. Die Folgen mangelnder PPK: „At an extreme, teachers who cannot access their PPK could be portrayed as deficient“ (Golombek 2009: 159), was wiederum für eine Reflexion und Bewusstmachung auch dieser Wissensbestände in allen Tätigkeitsbereichen spricht.
Im Sinne eines Ausbildungscurriculums auf der Inhaltsebene ist es wiederum schwierig, in Wissens- und Kompetenztests überhaupt fremdsprachendidaktisches Wissen zu modellieren bzw. Skalenreliabilität herzustellen (vgl. Roters et al. 2011, Kirchhoff 2016/2017). Die Autorinnen nennen als mögliche Gründe beispielsweise den flächendeckend geringen Anteil fachdidaktischer Seminare im Lehramtsstudium, die hohe Stabilität subjektiver Theorien über die Schulzeit und selbst erlebten Fremdsprachenunterricht hinaus, die große Komplexität einzelner fachdidaktischer Konstrukte wie zum Beispiel jenes der interkulturellen, kommunikativen Kompetenz (vgl. Byram 1997) sowie eine fehlende Kanonisierung fremdsprachendidaktischer Schwerpunkte bei einer gleichzeitig hohen Diskursivität in der Disziplin an sich. Die oben dargestellten KMK-Anforderungen für die fremdsprachendidaktisch-inhaltliche Ausgestaltung der Lehrerbildung sind, wie erwähnt, entsprechend in ihrer Unspezifität wiederholt kritisiert worden. Die Zusammenstellung putativ relevanter Inhalte scheint damit eine besondere Herausforderung für eine Disziplin der Fremdsprachendidaktik und ihrer Lehrerbildung.1 Einzelne, auch empirisch hergeleitete Ansätze sind dennoch vorhanden. Richards (1998) schlägt im Wesentlichen sechs Wissensbasen vor: Theories of teaching, teaching skills, communication skills, subject matter knowledge, pedagogical reasoning and decision-making skills und contextual knowledge. Schocker-von Ditfurth (2001) formuliert einen „[deskriptiven] Beschreibungsrahmen für die Wissensbasis der fremdsprachlichen Lehrerausbildung als Interdependenz relevanter Wissensbereiche“ (ebd.: 63), zu denen sie Selbstkompetenz, Situationskompetenz, Sachkompetenz sowie Sprachkompetenz zählt. So könnten – mit Blick in einschlägige Einführungswerke der Fremdsprachendidaktiken – weitere Kategorien vorgeschlagen oder systematisch entwickelt werden, gleichwohl zeigt sich immer auch eine latent allgemeinpädagogische Perspektive („teaching skills“ bei Richards) oder persönlichkeitsbezogene Eigenschaften einer Lehrkraft („Selbstkompetenz“ bei Schocker-von Ditfurth), die sicherlich nicht als Spezifikum eines bestimmten Fremdsprachenlehrpersonenhabitus deklariert werden sollten. Dass gemeinhin seit der Shulman’schen Einteilung in den 80er Jahren fachdidaktisches Wissen als eine Art „Amalgam“ von pädagogischem Wissen und Fachwissen gilt (vgl. Schulman 1987), schlägt sich in diesen vagen Beschreibungsversuchen komplexer Gegenstände nieder. Inwiefern dann eine Theorie-Praxis-Problematik vorliegt, müsste innerhalb der Fremdsprachendidaktik möglicherweise noch diskutiert werden, wenn Radtke (1996) zu Recht anmerkt:
Aus revidierter Sicht ist die Vermittlung von Theorie und Praxis nicht länger ein Transferproblem, sondern ein Problem unterschiedlicher Wissensstrukturen, deren Transformation oder, grundsätzlich, deren Transformierbarkeit zur Debatte steht. (ebd.: 51; Hervorhebungen im Original)
Diese Komplexität des Fremdsprachenlehrer*innenhandelns, seine Reflexion und die Diffusität fremdsprachendidaktischen Wissens führen zu möglichen Annahmen über die Konstrukte Fremdsprachenlehrerprofessionalität und -professionalisierung, welche hier grob zusammengefasst werden sollen (s. Tabelle 2).
Auch wenn hier kein Fächervergleich vorgenommen wird, kann der Fremdsprachenlehrkraft eine besondere Professionalisierungsbedürftigkeit unterstellt werden (vgl. z.B. Schart 2014, Caspari 2016). Möglicherweise existiert, im Anschluss an die schulpädagogische Professionsforschung und Bourdieu, ein spezifischer Berufshabitus für Lehrerinnen und Lehrer, die moderne Fremdsprachen unterrichten, obwohl wir weiterhin sehr wenig über sie wissen.2 Fremdsprachenlehrerbildung (und ihre Erforschung) muss daher Strukturen und Lern- sowie Reflexionsgelegenheiten schaffen, um diese Professionalisierung zu begleiten. Nach dem Studium (vgl. hierzu auch König 2017) gilt insbesondere der Vorbereitungsdienst als qualifizierende Phase für die Tätigkeit als (Fremdsprachen-)Lehrkraft, weswegen diese im Folgenden näher beleuchtet werden soll.
Annahmen zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität | (Mögliche) Folgen für Fremdsprachenlehrerbildung (FSLB) |
Die Fremdsprachendidaktik offenbart sich als gering strukturierte Wissensdomäne. | FSLB muss eine Vorstrukturierung/Reduzierung relevanter Wissensbereiche vornehmen und diese vermitteln oder die Lehrperson muss diese selbst (reflexiv) erschließen. |
Aufgrund der geringen Strukturiertheit mit gleichzeitiger Abhängigkeit von fachdidaktischem Wissen zeigt sich im Anforderungsbereich des fremdsprachlichen Unterricht(en)s eine besonders herausfordernde und antinomische Handlungspraxis. | FSLB muss Lerngelegenheiten schaffen, in denen Wissensformen transformiert bzw. angewendet werden (z.B. im Sinne eines Aufbaus fachdidaktischen Wissens mittels einer Amalgamisierung von Fach- und pädagogischem Wissen). |
Fremdsprachenlehrpersonen werden seitens ihrer Beliefs und Subjektiven Theorien bzgl. Fremdsprachenunterricht stark beeinflusst. | FSLB muss Beliefs und Subjektive Theorien offenlegen und hinterfragen sowie (zunächst angeleitete) Reflexionsgelegenheiten schaffen. |
Reflexion ist eines Schlüsselkonstrukte für professionelles Fremdsprachenlehrer*innenhandeln. | FSLB muss Reflexion, Reflexivität/Reflexionskompetenz zum Gegenstand machen und fördern (z.B. in Form von Aktionsforschung) – möglicherweise unter Berücksichtigung aller Bestimmungsansätze von Terhart (2011). |
Tab. 2:
Annahmen zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität und ihre Konsequenzen für die Fremdsprachenlehrerbildung.