Kitabı oku: «Die Badenfahrt», sayfa 5
Freilich mögen nicht alle Leute gleich fröhlich im Bade sitzen, zumal solche, die viele Wochen hintereinander täglich fünf bis sechs Stunden darin zubringen müssen, um den Ausschlag hervorzulocken. Zum Zeitvertreib für diese rücke ich hier ein witziges Liedchen ein, das der geistreiche Baron von K. gedichtet hat. Man kann es nach beliebiger Melodie singen, und jeder Widerhall einer reinen Stimme klingt doppelt angenehm im Badgewölbe:
ÉLOGE DE LA POUSSÉE
On a chanté le vin, l’amour,
La paix et la victoire ;
L’aimable Poussée, a son tour,
Doit avoir cette gloire.
Oui, la Poussée a bien le droit,
Par nous d’etre chantée,
Unissez-vous donc à ma voix
Et chantez la Poussée!
Tandis que, pareils à des loups,
Partout on se déchire,
Ici plus heureux et moins fous
Nous ne pensons qu’à rire.
Mais à quoi d’un bien aussi doux
Devons nous la durée ?
O! toujours justes entre nous,
C’est bien à la Poussée!
Lise avec son farouche époux
Doit partir a l’aurore,
Ici pour elle il seroit doux,
De s’arrêter encore.
Femme d’accomplir ses desseins
N’est point embarrassée;
Demain le jaloux, par ses soins,
Doit avoir la Poussée!
Vous, qui chérissant la beauté
Et poursuivant les belles,
Leur pardonnez pour leur gaité
D’être un peu trop cruelles ;
Au sein des plaisirs innocens,
Si d’une aile empressée,
Vous voyez s’échapper le temps,
Bénissez la Poussée!
Unis par un si doux lien,
On se chérit, on s’aime,
On demande: «Poussez-vous bien ?»
«A merveille! Et vous-même ?»
Amis et rivaux à la fois,
N’ayant qu’une pensée,
L’objet commun de notre choix,
C’est l’aimable Poussée!
Es lässt sich auch ein sehr artiges und kurzweiliges Experiment im Bad anstellen.19 Ein verwelkter Blumenstrauss, den man in das warme Mineralwasser stellt, erholt sich in kurzer Zeit, die geschlossenen Blütenkelche entfalten sich allmählich zu neuem Leben und ihre Farbe wird wie durch Zauber in ursprünglicher Frische wieder hergestellt.20
Diese Erfahrung bewegt vermutlich so manche alternde Jungfrau, deren Reize vom Hauche der Zeit unfreundlich angeweht oder von innerlich verzehrender Glut ausgetrocknet, zu welken beginnen, alljährlich nach Baden zu fahren, um neue Jugend aus dieser Melusinenquelle zu schöpfen.
Allein wir haben uns schon so lang im Bade mit Ernst und Scherz unterhalten, dass es Zeit sein möchte, endlich aufzubrechen.
Wer sich gütlich tun will, hat einen Tröcknerkorb mitgebracht, der in Baden sonst nicht zu bekommen ist, um auf demselben vermittelst einer Glutpfanne seine Tücher wärmen zu lassen. Je tüchtiger man sich mit diesen reibt, desto besser bekommt das Bad. Neben dem positiven leisten diese Friktionen auch den negativen Nutzen, dass sie vor Erkältungen nach dem Bade sichern, welche oft die ganze Kur verderben können.
Nun geschwind in die Kleider, die Treppe hinauf! Ja an keiner Ecke im Luftzuge bei Frau Basen still gestanden! Man hat sein Zimmer bald erreicht und legt sich noch für ein halbes Stündchen zu Bett; aber schlafen soll man nach dem Bade nicht, sagen die Ärzte. Wer möchte auch immer in den Zustand des Nichtseins versinken! Wie mancherlei lässt sich mit geschäftiger Fantasie denken, dichten und träumen, indes die Körpermasse ruhig und behaglich ausgestreckt daliegt. Die Erfindung des Bettes verdiente schon längst ein eigenes Lobgedicht, und über den Einfluss der horizontalen Körperlage auf den Gang unserer Ideen hat der Psycholog Lichtenberg einige bedeutende Winke gegeben.
DAS FRÜHSTÜCK, NEBST EINIGEN BEMERKUNGEN ÜBER DIE SPANISCHBRÖTCHEN
Indes mag man sich auch mit noch so lieblichen Bildern beschäftigen, der Magen behauptet seine Rechte, das Bad reizt den Appetit und der duftende Kaffee lockt den Träumer aus den Federn.
Jeder preist, was er vorzüglich liebt, und so lobe ich mir auch den herrlichen Absud von türkischen Bohnen zum Frühstück. Dieses Getränk ist ein sanftes Reizmittel, es hebt die Nerven, es begeistert, ohne zu berauschen. Selbst Voltaire schöpfte viele seiner witzigen Einfälle aus dieser Hippokrene! Dass es auch in Baden das allbeliebte Frühstück sei, beweisen die vielen dampfenden Kannen, welche gegen neun Uhr von den Aufwärterinnen in alle Zimmer getragen werden. Ich aber braue mir meinen Kaffee am liebsten selbst, und nie schmeckt er mir so trefflich wie nach dem Bade.
Das Brot ist hier weiss, zart und gut gebacken. Allein die meisten Kurgäste wollen ihr Frühstück noch durch das hiesige Hauptgebäck, die Spanischbrötchen, verbessern, und es gibt Leute, die kein Bedenken tragen, alle Morgen fünf bis sechs Stück von diesem fetten, schwer zu verdauenden Blätterteig so warm als möglich und gierig zu verschlucken. Um aber auch den Verwandten und Freunden zu Hause den Genuss dieser Leckerei zu verschaffen, werden grosse Schachteln damit vollgepfropft, durch den Boten versandt und gewöhnlich davon bei der Abreise noch bedeutende Vorräte mit heimgeschleppt. Nach Verfluss einiger Wochen wundert man sich dann, dass man keine bessere Kur gemacht, dass der Magen verdorben ist, dass eine Schleimanhäufung den Appetit hindert. Dann heisst es, das Bad habe ohne Zweifel mancherlei schädliche Stoffe im Körper aufgeregt und der Arzt muss Brechmittel und Abführungen verordnen. Dass die lieben Spanischbrötchen an diesen Unpässlichkeiten schuld sein könnten, daran denkt niemand, und sowie man wieder nach Baden kommt, ermangelt man nicht, sich neuerdings tüchtig damit auszustopfen.
Ein Beobachter nahm sich kürzlich die Mühe, bei den in der Stadt an der Halde, in den Grossen und Kleinen Bädern befindlichen Bäckern nachzufragen, wie viele Spanischbrötchen sie wohl zusammen über eine Kurzeit verfertigen mögen. Sie konnten nur im allgemeinen ihren Verbrauch an feinem Semmelmehl angeben, welcher in 27 Wochen sich im Durchschnitt auf 4736 Viertel belief. Wäre nun dieses ganze Quantum Mehl bloss in dieses Gebäck verwandelt worden, so ergäbe sich, da jedes Viertel 240 Spanischbrötchen gibt, wovon das Stück für einen Schilling verkauft wird, eine Summe von 1 136 640 Spanischbrötchen, welche 28 416 Gulden gekostet hätten. Da aber ein starkes Drittel jenes Mehlverbrauchs zu anderem Backwerk dienen muss, so kann man nach der mässigsten Berechnung immerhin mit Gewissheit annehmen, dass im Laufe jedes Sommers in Baden 720 000 Stück Spanischbrötchen für die Summe von 18 000 Gulden verkauft werden. Es möchte vermutlich schwer halten, so viel Geld für wohltätige Zwecke zusammenzubringen!
Den Liebhabern dieses unwiderstehlichen Gaumenkitzels darf ich die Entdeckung nicht vorenthalten, welche ich vorigen Sommer machte, dass nämlich die Weibsleute, welche die Spanischbrötchen in den Bädern herumtragen, sich im Hinterhof einen ganz besonderen Schlupfwinkel auserkoren haben, um die Schachteln zu verwahren, in welchen die verlangten Portionen für die Abreisenden verpackt werden. Dieser wohlgewählte Behälter, in welchem jene Schachteln oft mehrere Tage liegen bleiben, ist nichts mehr und nichts weniger als der unter der grossen, vom Hofe gegen die Wirtsstube führenden Treppe angebrachte Hundestall. Und wer zu Hause neben den Spanischbrötchen noch eine Zugabe finden sollte, die nicht von Blätterteig gebacken ist, darf darüber nicht erschrecken, da bekanntlich in der alten Materia medica das Album Graecum keine unrühmliche Rolle spielte.
EIN ABSCHNITT OHNE ÜBERSCHRIFT
Es gibt Worte, deren Gebrauch sich eigentlich nur der Arzt in guter Gesellschaft erlauben darf. Allein, um eine Operation dringend zu empfehlen, von deren Nutzen ich mich durch eigene Erfahrung überzeugt habe, ist es wohl am besten, wenn ich auch ohne Arzt zu sein die Sache schlechtweg bei ihrem eigentlichen Namen und ohne Floskeln nenne.
Ich rate demnach jedem Kurgast, der Anlagen zu Leberverstopfungen hat, alle Morgen ein Klistier von Badwasser, so warm als es aus der Röhre strömt, zu sich zu nehmen, und zwar vorzugsweise, wenn er nach genossenem Frühstück natürliche Öffnung hatte, welche durch eine beim Kaffee gerauchte Pfeife Tabak gefördert wird, weil dann das erweichende, in der Küche der Natur bereitete Klistier länger, als es vor dem Stuhlgang der Fall wäre, in den Eingeweiden bleibt und von den inneren Gefässen eingesogen werden kann. Auf diese Weise führt man das Wasser, welches man vorher durch das Bad auf der ganzen Oberfläche des Leibes in die Poren und durch das Trinken von oben herunter in den Magen brachte, nun auch noch von unten herauf in den Körper, wird von dem lebendig warmen, flüchtigen Stoff ganz durchdrungen und eine seltene Leichtigkeit und Heiterkeit im Kopf, eine Behaglichkeit, welche den ganzen Organismus durchströmt, wird bald den Beweis von der Vortrefflichkeit dieser dritten Anwendung des Heilmittels liefern.21
DIE TOILETTE
Eine lästige Stunde ist immer die, welche man dem Anzuge widmen muss, was nur mit wenig Ausnahmen die Frauenzimmer nicht zugeben, indem sie einer, wie es heisst, ziemlich allgemeinen Beobachtung zufolge, nicht ungern vor dem Spiegel verweilen, er mag in Baden auch noch so klein und trüb sein, und die Zeit nie zu bereuen scheinen, welche ihnen auf den Putz zu wenden vergönnt ist. Die jungen und schönen bestreben sich, durch denselben ihre Reize zu erhöhen, die alten und hässlichen ihre Gebrechen damit zu bedecken. Der Zuschnitt des Feigenblattes unserer Stammeltern, das an den Sündenfall erinnern sollte, ist zu einem wichtigen Studium geworden, welches so lange getrieben werden wird, als noch ein Funke von Eitelkeit im menschlichen Gemüte glimmt. Und so dürfen wir auch hoffen, dass das löbliche Schneiderhandwerk immer grünen und blühen und Meister und Gesellen ernähren werde, bis einst unser Nebenplanet wie eine Sternschnuppe zerstieben wird.
In allen Bädern ist man gezwungen, die Kleider häufiger als sonst zu wechseln, und Notwendigkeit und Anstand fordern beträchtliche Opfer unwiederbringlicher Zeit. Indes ist es ein allgemeiner Badeglaube, weil man sich während einer Kur nicht ernsthaft beschäftigen dürfe, so sei die Tändelei des endlosen Ankleidens eher nützlich als schädlich, indem man dadurch vom Lesen, Schreiben und Studieren abgehalten werde. Und so mögen auch die Frauenzimmer sich in Baden etwas länger als zu Hause mit ihrer Toilette beschäftigen, was ihnen ohnehin vonseiten unseres Geschlechtes nicht zum Vorwurf gereichen darf. Schmücken die holden Wesen sich doch nur, uns zu gefallen, wie die Natur sich im Frühling mit Blüten bekränzt, auf welchen mit Bewunderung das Auge ruht. Auch den Herbst zieren ja buntere Blätter und den Schnee des Winters sogar überglüht nicht selten in stiller Mitternacht das funkelnde Nordlicht, und der weisse Reif umgaukelt dürres Reis wie Brüsseler Kanten und fein gestickte Batiststreifen die Hauben ehrenfester Matronen! Mich macht leider das Anziehen immer verdriesslich, zumal wenn ich in Baden auf ein einziges Zimmer beschränkt bin. Wie lange dauert es nicht, bis der Bart abgenommen, das Haar gebürstet oder gekämmt ist, die aufeinander geschichteten Hemden, Strümpfe, Kleider, Stiefel oder Gamaschen herausgelangt und Stück für Stück an den Leib gezogen, geschoben und gepasst sind! Im Zimmer herrscht um diese Zeit gewöhnlich ein unentwirrtes Chaos, das Rasiermesser liegt unter den Kaffeelöffeln neben Überbleibseln des Frühstücks, die Halsbinde auf dem feuchten Waschtuch, der Frack neben dem Badmantel, alle mitgebrachten Habseligkeiten hängen in bunter Verwirrung an allen Stühlen herum, und die ganze Wirtschaft gleicht einer Trödelbude. Das alles muss wieder aufgeräumt und beseitigt werden, damit wenn etwa ein Besuchender unvermutet eintreten sollte, er sich doch regen und in irgendeinem Winkel niederlassen könne. Ich atme erst wieder frei, wenn ich endlich den Hut ergreifen und mich aus diesem Labyrinth flüchten kann.
VORMITTAGSBESUCHE46
Wie angenehm ist es, wenn ein glücklicher Zufall uns in Baden mit lieben Freunden zusammenführt, in deren Gesellschaft wir unsere Zeit zubringen können! Die Geselligkeit unter gebildeten Menschen, der Ideenaustausch mit geistigen Wesen gehört zu den Bedürfnissen, zu den reinsten Freuden des Lebens. Auch müssige Worttändelei, wenn sie mit etwas Mutterwitz gewürzt ist, hat ihr Gutes, wenn nichts Wichtiges darüber versäumt wird. Feines Zuvorkommen befreundet untereinander alle Alter und Stände, und man muss sich gegenseitig aufsuchen, wenn man sich näherzukommen wünscht.
Allein in Baden herrscht noch bei vielen Leuten der Brauch, ihre Mitbürger, welche den gleichen Hofbewohnen, wenn sie auch früher nicht näher mit ihnen bekannt waren und in der Folge auch in keinerlei Verhältnis miteinander zu treten wünschen, wenigstens einmal in ihren Zimmern zu begrüssen, und das geht bisweilen etwas breit zu. In der Regel werden dergleichen Besuche gegen elf Uhr abgestattet.
Da gibt es dann beim Eintritt viele blumenreiche Worte über die Ehre, die man sich gegenseitig erweise, und dieses Thema wird fugatim durchgeführt, bis man sich auf die Stühle hinkomplimentiert hat. Alsdann wird nach dem Befinden der ganzen Familie gefragt, für das Wohlsein des Herrn Vaters Gott gelobt, der Husten der Frau Tante, das Zipperlein des Herrn Schwagers und das beschwerliche Zahnen der lieben Kinder mit Bedauern erwähnt. Man äussert die Hoffnung, dass die Kur eine gesegnete Wirkung haben werde, erzählt einander wie warm, wie früh und wie spät man bade, was der Badwäscher gesagt habe und wie das heutige Wetter sich zum gestrigen verhalte. Ferner gibt es immer Stoff zu mannigfaltigen Vergleichungen des Hinterhofes mit dem Staadhofe, des Fälkleins mit dem Hölderlein, der Schnecken- mit der Gastlaube, und es werden die Vorzüge jedes einzelnen Zimmers gepriesen sowie seine Unbequemlichkeiten getadelt. Von der Komödie wird dann auch gesprochen, das Verdienst der Schauspieler und der Inhalt der neuesten Oper kritisch beleuchtet. Werden die Zwischenpausen etwas länger und regt sich etwa eine Anwandlung zum Gähnen, so scharrt man mit den Füssen zum Zeichen des Aufbruchs, erhebt sich von den Stühlen, dankt nochmals für erwiesene Ehre, gerät über das nähere oder weitere Begleit in delikate Protestationen und empfiehlt sich endlich noch ein paarmal ganz gehorsamst im Umwenden.
Wie eine Drehorgel die nämlichen Melodien wiederholt, so beginnt auch beim folgenden Besuch das nämliche Zungenspiel aufs Neue. Das bekannte Thema wird mit Variationen ad libitum abgeleiert, bis man endlich seinen Visitenkreis durchlaufen hat.
Auf dem Hof aber stösst man überall wieder auf Leute, welche herumziehen, um einander die Zeit auf ähnliche Weise zu vertreiben. Auf einem Beine stehend, den Hut ehrerbietig in der Hand, liefert man sich aphoristische Auszüge aller oben angeführten Merkwürdigkeiten, versäumt darüber oft den vorgehabten Spaziergang und muss sich gegenseitig, um nicht unhöflich zu scheinen, wie das Lamm dem Scherer herhalten, bis etwa die Glocke zur Tafel ruft oder die Langeweile, mit der man sich wie mit einem schleichenden Fieber unter den ausgesuchtesten Wendungen ansteckte, die müden Zungen vollends lähmt und die verstummenden Gruppen auseinandertreibt.
Bejahrte Frauen, welche noch an den älteren Formen der Höflichkeit festhalten, verstehen es meisterlich, dergleichen Sitzungen oder Stillstände zu verlängern, und ist endlich der Augenblick des Scheidens dennoch gekommen, so will keine zuerst aufbrechen, keine vor der andern eine Schwelle betreten. Und gehn sie zusammen spazieren, so werden sie bis vor das Tor einander an alle Mauern drängen, um sich auf der linken Flanke zu überflügeln und der hochwertesten Frau Muhme die rechte Ehrenseite pflichtschuldigst aufzuzwingen. Das alles geschieht unter den lebhaftesten Diskussionen, in welche wie Fanfaren das Geschnatter der Enten und Gänse einfällt, und ist gar possierlich im Vorübergehen zu beobachten.
DIE MATTE
Vor dem Mittagessen gibt man sich gern noch etwas Bewegung im Freien und dazu ist die Matte (das Mätteli, vor Zeiten auch die Werde-Matt genannt) ganz vorzüglich geeignet. Sie gehört nebst vielen anderen Gütern zum Hinterhof, wird aber von den Bewohnern aller übrigen Gasthöfe als öffentlicher Spaziergang benutzt, und zwar von alters her mit Fug und Recht, denn auf Pfingsttag 1424 ward von der Tagsatzung in Baden diesfalls eine Verordnung gemacht, in welcher es heisst: «Es ist zu wissen von der Werdmatten im niederen Baden, worauf man tanzt, die ist vor gemeiner Eidgenossen Boten geöffnet, und ist also von alters hergekommen, dass diese zu Heinrich Schinders sel. Hof gehört und gehören soll, und dass jedermann, in welchen Würden und Ehren er ist, seien es Frauen, Herren, junge oder alte Leute, jederzeit, sommers und winters auf der Matte sich ergehen mögen, Steg und Weg haben und ihre Kurzweil treiben, sei es mit Tanzen oder anderer geziemlicher Kurzweil und es soll das niemand dem andern wehren auf seinem Weg. Und wer des Schinders Hof innehat, der soll auf seine Kosten immer die Tanzbühne auf der Matte erstellen und in Ehren halten und niemandem seine Kurzweil erwehren. Was sonst auf der Matte wächst und zu nutzen ist, mag der nutzen, der den Hof besitzt und hierin von niemandem gehindert sein.»
Die Matte ist ein schmaler, lieblicher, schattiger Wiesengrund, etwa 150 Schritte lang. Auf der einen Seite fliesst die Limmat in schnellem Zuge vorüber, auf der andern erhebt sich ein grüner, mit Bäumen und Buschwerk bekränzter Rain. Gegen Westen ist sie ganz von einem dunkeln Buchenwäldchen eingeschlossen, durch welches über mancherlei Gestein ein enger, romantischer Fusssteig am Flusse hinab, ein anderer, breiterer, links aufwärts gegen die obere Matte führt. Jenseits der Limmat sieht man steile, von der Siggenthalerstrasse durchschnittene Traubenhügel, in welchen auf Kalksteingrund ein trefflicher geistiger Wein wächst, worunter der von der Müseck der vorzüglichste ist. Über den Traubenhügeln ruht die waldbewachsene Stirne des Hertensteins. Alles, was hier die Kunst zur Verschönerung der Natur getan hat, besteht in einem acht Fuss breiten, mit Sand bestreuten und mit Pappeln eingefassten Gang, einer Linde am Ende desselben, einigen andern hier und da gepflanzten Bäumen, nebst wenigen Bänken und einer Kegelbahn.22
Vor 25 Jahren liess Herr Oberst Burkhard aus dem Kirschgarten von Basel, der ein vorzügliches Talent zu einfachen und geschmackvollen Gartenanlagen besass und die Landökonomie aus dem Grunde verstand, auf eigene Kosten die Allee breiter machen, die Pappeln und einiges Buschwerk hinpflanzen, das Gesträuch, wo es nötig war, aushauen und reinigen, den ganzen Platz verebnen und überall Bänke hinsetzen. Er gab auch Anleitung, wie das ganze grosse Gut, ohne den Ertrag desselben zu vermindern und ohne bedeutenden Aufwand, in einen reizenden Park hätte umgeschaffen werden können. Allein aus den nämlichen Gründen, welche alle Verbesserungen im Hinterhofe selbst erschweren oder unmöglich machen, kam auch davon nichts zustande und ward Herrn Burkhards kleine Schöpfung fürs allgemeine Beste nicht gehörig unterhalten. Wenn Bänke abgehen oder gestohlen werden, was über den Winter oft geschieht, müssen die Kurgäste, welche gern im Grünen sitzen, etwas Geld zusammenschiessen, um auf den Stellen, die sich vorzüglich dazu eignen, ein paar Bretter flüchtig auf Pfähle nageln zu lassen, welche schon im nächstfolgenden Sommer meistens wieder verschwunden sind.
Wenn nicht gar zu viele Spaziergänger zusammentreffen, findet man auf der Matte, so klein sie ist, Raum genug nebeneinander. Bei gutem Wetter ist gewöhnlich gegen Mittag, an Sonntagen in grösserer Zahl die schöne Welt hier versammelt. Man kann auf und nieder gehend sich freier als im Zimmer mit seinen Bekannten unterhalten. Man mustert die Neuangekommenen, merkt sich die Gesichter, auf welchen der Blick am liebsten verweilen mag, und knüpft manche Bekanntschaft an, die in der Folge bedeutend werden kann.
In gänzlicher Ermangelung jedes andern Vereinigungspunktes trifft auch gegen Abend wieder ein Teil der Gesellschaft hier zusammen. Schon in den ältesten Zeiten war die Matte der Ort, wo die Badgäste sich vorzugsweise versammelten, zusammen speisten, pokalierten und sich mit mancherlei Spielen ergötzten. So beschränkt auch der Platz ist, so wurden dennoch Feste hier gefeiert, die wir in unseren Tagen nur noch dem Namen nach kennen. Gesandte fremder Mächte, besonders der Krone Frankreichs, die wegen der Eidgenössischen Tagsatzungen den Sommer über ihren Wohnsitz in Baden aufschlugen, gaben hier prächtige Gastmahle im Freien, zu welchen alle angesehenen Badgäste geladen, die Männer mit kostbaren Weinen bewirtet, die Frauen oft sogar mit goldenen Ketten und Armspangen beschenkt wurden, wodurch die Botschafter trachteten, sich und ihren Herren Freunde und Förderer für die Zwecke ihrer diplomatischen Sendungen zu gewinnen, die hauptsächlich auf Anwerbung käuflicher Schweizer in fremde Kriegsdienste zielten. Illuminationen und Feuerwerke dauerten bei solchen Gelegenheiten bis in die späte Nacht hinein. Wie die Kur daneben gebraucht ward, kann man sich vorstellen.
Wie manches kleine Liebesabenteuer mag wohl hier schon im Verstohlenen angesponnen worden sein, das den Stoff zu den anziehendsten Romanen hätte liefern können!23 Wie manche glückliche Ehe war die segensreiche Folge des ersten Erkennens gleichgestimmter Herzen in diesen Schattengängen! Wie manche Verbindung wurde dagegen auch hier in der Eile von Leichtsinn und Gefallsucht unauflöslich geknüpft, die nach bald verflogenem Rausche nur Ekel und Missmut zurückliess, welche kein Wasser mehr wegschwemmte! Wie mancher stiller Seufzer über physische und moralische Leiden, welche das Bad hätte heilen sollen und, ach, nicht zu bezwingen vermochte, und auch wie mancher innig empfundene Dank für wiedererlangte Gesundheit stieg schon seit Jahrhunderten aus diesem Raume zum Himmel empor!
Oft sieht man im Anfang der Kur manchen Badgast hier mühselig und jämmerlich an Krücken einherschleichen, der nach Verfluss einiger Wochen schon wieder auf eigenen, neu gestärkten Beinen rüstig davonschreitet. Die Gewohnheit unserer Alten, in Kapellen oder an Bäumen bei den Bädern, wo sie den Gebrauch ihrer Glieder wieder erlangten, die unnütz gewordenen Krücken aufzuhängen, hätte sich nicht verlieren sollen. Es war eine fromme, sprechende Übung!
Die kleine Kapelle, welche zwischen beiden nach der Matte führenden Toren mit der Mauer in einer Flucht steht und jetzt das Mattenkirchlein genannt wird, ist den heiligen drei Königen geweiht und einzig noch bemerkenswert, weil in früheren Zeiten nach ihr die ganze Anstalt das Bad der drei Küngen in Ober-Schwaben bei Schweiz hiess. Dass einst an dieser Stelle ein römischer Tempel bei den Bädern gestanden habe, ist zwar oft behauptet, jedoch nie gründlich bewiesen worden. Indes soll im Jahr 1550 hier ein steinerner Altar aus der Erde gegraben worden sein mit der Inschrift:
DEO INVICTO TIB. CASSIUS ET
SANCTUS ET TIB. SANCTEIUS
VALENS
IEVI --------- L.
aus welcher die Altertumsforscher zusammengesetzt haben: «Dem unüberwindlichen Gott (gewidmet) von Tiberius Cassius Sanctus und Tiberius Sanctejus Valens, des Jevi Freigelassene.»
Auf der Galerie über dem Eingang findet der Liebhaber dieser Kapelle ein paar bedeutende Überbleibsel altdeutscher Kunst. Diese schmalen, etwa zweieinhalb Fuss hohen Gemälde stellen die heilige Magdalena in einem weissen, bis auf die Füsse herabfallenden Schleier und die heilige Anna mit langen, goldenen Locken in einem roten Mantel dar. Von einem anderen Meister hängen unten in der Kapelle zehn Passionsgemälde, die nicht so gut wie jene beiden Heiligenbilder, aber dennoch weit besser sind, als man sonst von dergleichen Darstellungen in kleinen Kirchen gewohnt ist.
Gegen halb ein Uhr verliert sich die schöne Welt von der Matte, welche um diese Zeit nur noch von einzelnen Landleuten, die vor der Mittagsglocke gespeist haben, besucht wird.