Kitabı oku: «Die neue Medizin der Emotionen», sayfa 5

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KOHÄRENZ IM TÄGLICHEN LEBEN

RON WAR »INTENSIVMEDIZINER« – Spezialist für Wiederbelebung auf der Intensivstation – an der Klinik, an der ich die psychiatrische Abteilung leitete. Er hatte mich ans Bett eines renommierten dreißigjährigen Unternehmensberaters gerufen, der zwei Tage zuvor einen Herzinfarkt erlitten hatte. Er machte sich Sorgen wegen der schweren Depression des Mannes und wollte, dass ich ihn so schnell wie möglich untersuche, denn wie er aus der wissenschaftlichen Literatur wusste, haben Patienten, die in eine Depression abgleiten, nur geringe Überlebenschancen. Zudem variierte die Herzfrequenz des Patienten kaum – ein zusätzlicher Hinweis auf seinen ernsten Zustand. Was den letzten Punkt anging, wusste er weder, was zu tun war, noch wen er um Rat fragen sollte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich das ebenso wenig.

Wie häufig in solchen Situationen hatte der Patient nicht die geringste Lust, mit einem Psychiater zu reden. Er blockte alle meine Versuche ab, die Umstände seines Infarkts oder seines Gefühlslebens anzusprechen, das, wie ich wusste, schwierig war. Auch Fragen nach seinen Arbeitsbedingungen wich er weitgehend aus. Für ihn gehörte Stress zu seinen Lebensumständen – schließlich waren seine Kollegen denselben Zwängen unterworfen wie er, aber die hatten keinen Infarkt erlitten. Jedenfalls war es nicht die Aufgabe eines Psychiaters, der nicht wie er in Harvard studiert hatte, ihm vorzuschreiben, wie er sein Leben gestalten sollte…

Trotz der schwierigen Kontaktaufnahme hatte sein Gesichtsausdruck etwas Verletzliches, ja, fast Kindliches. Außerdem berührte mich sein ungeheurer Ehrgeiz, der ihn seit seiner Kindheit an- und umtrieb und nun ihn und sein Herz zu Grunde richtete. Ich spürte die Sensibilität, die in ihm steckte; vielleicht waren es ein Sinn für Kunst, Liebe zu Farben oder Freude an der Musik, die nie zum Ausdruck gekommen waren und sich hinter dieser harten, kalten Fassade abmühten. Gegen den Rat des Kardiologen verließ er am nächsten Tag die Klinik und kehrte in sein Büro zurück, das »auf ihn wartete«. Ich war erschüttert, als Ron mir sechs Monate später mitteilte, er sei einem zweiten Infarkt erlegen; diesmal hatte er es nicht einmal mehr in die Klinik geschafft, und vor allem: Er hatte sich nie die Zeit genommen, sich seiner Sensibilität zu öffnen. Außerdem stimmte mich traurig, dass ich ihm nicht hatte helfen können. Damals wussten weder mein Kollege noch ich, dass es ein ebenso einfaches wie wirksames Verfahren gibt, wie man die Pulsvariabilität verbessern und den Zustand der Kohärenz erlangen kann.

Die verschiedenen Schritte dieser Methode wurden am Heart-Math Institute in Kalifornien entwickelt und erprobt. Das Zentrum befasst sich mit der Untersuchung sowie den praktischen Aspekten der Kohärenz.45 Wie in der Tradition des Yoga, der Meditation und aller Entspannungstechniken besteht der erste Schritt darin, die Aufmerksamkeit nach innen zu lenken. Versucht man dies zum ersten Mal, muss man sich zunächst von der äußeren Welt zurückziehen und sich darauf einlassen, für einige Minuten sämtliche Sorgen beiseite zu schieben, akzeptieren, dass sie ruhig ein wenig warten können. Das gibt Herz und Hirn die notwendige Zeit, ihr Gleichgewicht, ihre innere Übereinstimmung wieder zu gewinnen.

Am besten gelingt dies, indem man als Erstes zwei Mal langsam und tief einatmet. Damit regt man das System des Parasympathikus unmittelbar an und verlagert das Schwergewicht ein wenig auf die Seite der physiologischen »Bremse«. Um eine möglichst nachhaltige Wirkung zu erzielen, sollte man jeden Atemzug bis zum Ende des Ausatmens bewusst vollziehen und einige Sekunden Pause einlegen, ehe man weiteratmet. Das heißt, man muss sich vom Ausatmen bis zu dem Punkt tragen lassen, an dem das Atmen ganz natürlich sanft und leicht wird.7

Den östlichen Meditationstechniken zufolge sollte man diese auf das Atmen konzentrierte Übung möglichst lange fortsetzen und das Bewusstsein leeren. Will man jedoch ein Maximum an Kohärenz erzielen, muss man nach zehn bis fünfzehn Sekunden der Stabilisierung seine Aufmerksamkeit gezielt auf die Herzgegend richten. Bei diesem zweiten Schritt stellen Sie sich am besten vor, Sie atmen durch das Herz (oder durch die zentrale Brustregion, falls Sie Ihr Herz noch nicht richtig spüren). Stellen Sie sich, während Sie dann langsam und tief (ohne zu forcieren) weiteratmen, jedes Einatmen und Ausatmen durch diesen so wichtigen Körperbereich bildlich – wenn nicht gar sinnlich – vor. Malen Sie sich aus, wie das Einatmen den für diesen Bereich so notwendigen Sauerstoff liefert, während das Ausatmen alle überflüssigen Abfallstoffe »wegbläst«. Verfolgen Sie ganz bewusst die langsamen, fließenden Bewegungen des Einatmens und des Ausatmens, mit denen das Herz sich in diesem Bad frischer, reinigender und beruhigender Luft wäscht. Wie es dieses Geschenk, das Sie ihm mit dem Atem machen, nutzt. Stellen Sie sich das Herz als kleines Kind in einer Badewanne mit warmem Wasser vor, in dem es hin und her paddelt und voller Vergnügen herumplanscht, ohne jegliche Zwänge oder Verpflichtungen. Wie ein Kind, dem man beim Spielen zusieht – man erwartet nichts weiter von ihm, als dass es es selbst ist, in seinem natürlichen Element, und man schaut einfach zu, wie es sich auf seine Weise beschäftigt, während man ihm weiterhin milde, sanfte Luft zufächelt.

Beim dritten Schritt machen Sie sich mit der Empfindung von Wärme und Ausdehnung vertraut, die Ihre Brust ausfüllt, und begleiten und unterstützen Sie sie in Gedanken und mit dem Atem. Anfangs ist sie oft schwach ausgeprägt und unauffällig. Nach Jahren emotionaler Misshandlung ist das Herz manchmal wie ein Tier nach dem Winterschlaf, das nach langer Zeit in die ersten Strahlen der Frühlingssonne blinzelt. Noch gefühllos und unsicher öffnet es ein Auge, dann das zweite, und kommt erst in Schwung, wenn es sich vergewissert hat, dass das milde Wetter kein vorübergehender Zwischenfall ist.

Zusätzlich aufmunternd wirkt dabei, wenn man sich zugleich für ein Gefühl der Dankbarkeit öffnet und zulässt, dass es seinen Raum in der Brust einnimmt. Das Herz ist besonders empfindsam für Dankbarkeit, für jedes Gefühl von Liebe, sei es für ein Wesen, einen Gegenstand, sogar für die Vorstellung von einem wohlwollenden Universum. Vielen Menschen genügt es, sich das Gesicht eines geliebten Kindes, das einen wiederliebt, oder auch den Anblick eines vertrauten Tieres vorzustellen. Für andere ist es eine friedvolle Szene in der Natur, die mit innerer Dankbarkeit einhergeht. Schließlich gibt es auch Menschen, bei denen die Erinnerung an das Glücksgefühl bei bestimmten Tätigkeiten Dankbarkeit auslöst, etwa eine Skiabfahrt, ein perfekter Golfschlag, ein Segelmanöver … Während dieser Übung bemerkt man oft, wie langsam ein Lächeln aufkommt, als wäre es in der Brust entstanden und auf dem Gesicht erblüht. Es ist dies ganz einfach ein Zeichen von Kohärenz.

Wie Forscher des HeartMath Institute in einer im American Journal of Cardiology veröffentlichten Studie zeigten, genügt schon die Erinnerung an ein angenehmes Gefühl oder auch nur eine gedachte Szene, um sehr schnell einen Übergang von einem chaotischen Herzschlag zu Kohärenz auszulösen.46 Dies wirkt sich rasch auf das emotionale Gehirn aus, dem diese Stabilität signalisiert, dass physiologisch alles in Ordnung ist. Das emotionale Gehirn wiederum reagiert auf diese Botschaft, indem es die Kohärenz des Herzschlags verstärkt. Dieses Wechselspiel führt zu einer positiven Rückkoppelung, mit der sich nach einigem Üben der Zustand maximaler Kohärenz dreißig Minuten oder noch länger aufrechterhalten lässt. Die Übereinstimmung zwischen dem Herzen und dem emotionalen Gehirn stabilisiert das autonome Nervensystem – das Gleichgewicht Sympathikus/Parasympathikus. Sobald der Gleichgewichtszustand erreicht ist, sind wir bestens darauf vorbereitet, uns allen Eventualitäten zu stellen. Wir können gleichzeitig sowohl auf die Weisheit des emotionalen Gehirns – seine »Intuition« – zugreifen als auch auf die Funktionen der Reflexion, der abstrakten Überlegung und der Planung des kognitiven Gehirns.

Je intensiver man diese Technik einübt, desto leichter findet man zu Kohärenz. Ist man erst einmal mit dieser inneren Verfassung vertraut, so ist man im Stande, gewissermaßen unmittelbar mit dem eigenen Herzen zu kommunizieren. Wie Céleste, die mit der in ihrem Herzen wohnenden kleinen Fee spricht, kann man ihm Fragen stellen wie: »Liebe ich ihn/sie wirklich von ganzem Herzen?« Im Zustand der Ausgeglichenheit genügt es, diese Frage zu stellen und aufmerksam darauf zu achten, wie das Herz reagiert. Falls sie eine zusätzliche Welle innerer Wärme oder des Wohlbefindens auslöst, möchte es den Kontakt zumindest aufrechterhalten. Scheint es sich hingegen etwas zurückzuziehen, weil die Kohärenz nachlässt, möchte es ihn/sie meiden und die Energie auf etwas anderes richten. Allerdings ist dies nicht zwangsläufig die richtige Lösung: Schließlich durchleben viele Paare Phasen, in denen das Herz eines jeden zumindest zeitweilig gern anderswo wäre, ehe man sich wieder versöhnt und in der Beziehung ein dauerhaftes Glück findet. Dennoch ist es wichtig, sich die Vorlieben des Herzens in allen Lebensabschnitten bewusst zu machen, da dies die Gegenwart nachhaltig beeinflusst. Meiner Vorstellung nach ist das Herz bei diesem inneren Dialog so etwas wie eine Brücke zu unserem »Bauch-Ich«, ein Dolmetscher für das emotionale Gehirn, das plötzlich für eine nahezu unmittelbare Kommunikation offen steht. Wichtig ist nun, sich klar zu machen, ob das emotionale Gehirn in eine andere Richtung drängt als die, für die man sich rational entschieden hat. In diesem Fall muss man sich bemühen, es auf anderen Ebenen zu beruhigen, damit es nicht zu einem Konflikt mit dem kognitiven Gehirn kommt. Denn dies würde unsere Denkfähigkeit beeinträchtigen und im Endeffekt zu einem physiologischen Chaos führen, dessen letzte Konsequenz chronischer Energiemangel ist.

Das Programm zur Messung der Variabilität des Pulsschlags kann fast sekundengenau sichtbar machen, welchen Einfluss unser Denken auf Kohärenz und Chaos ausübt. Konzentriert man sich auf das Herz und das innere Wohlbefinden, sieht man in Form regelmäßiger und sanfter Wellen, wie die Phasenverschiebung stattfindet und die Kohärenz zunimmt. Lässt man sich hingegen von negativen Gedanken und Sorgen ablenken – die normale Tendenz bei einem sich selbst überlassenen Gehirn –, verringert sich die Kohärenz binnen weniger Sekunden, und Chaos macht sich breit. Überlässt man sich dem Zorn, nimmt das Chaos unmittelbar und explosiv zu, und auf dem Bildschirm zeichnet sich eine fast bedrohlich wirkende gezackte Linie ab. Mit diesem Programm (»Biofeedback«) kann man sein Kohärenzniveau auf der Stelle sichtbar machen und so den Lernprozess beschleunigen. Es gab jedoch seit jeher Verfahren, diese Kohärenz auch ohne Hilfe eines Computers herzustellen. So habe ich beispielsweise des Öfteren festgestellt, dass Patienten oder Bekannte, die Yoga praktizieren, problemlos zur Kohärenz fanden, wenn ich sie mit dem Programm testete. Es sah ganz so aus, als habe ihre körperliche Befindlichkeit sich durch die regelmäßigen Übungen bereits teilweise verändert.

Abbildung 4: Das Herz unterstützt die Gehirnfunktion. – Verschiedenen Studien zufolge wirkt sich die Kohärenz des Herzrhythmus unmittelbar auf die Leistung des Gehirns aus. Offenbar beeinträchtigen die chaotischen Phasen die Abstimmung der Gehirnfunktionen, Kohärenz hingegen unterstützt sie. Das zeigt sich an schnelleren und präziseren Reaktionen und einer besseren Leistung unter Stress. (Die Grafik folgt einer Darstellung von Rollin McCraty, Forschungsdirektor am HeartMath Institute, LLC.)


Als ich diese Methode andererseits einem Freund vorführen wollte, dessen spirituelles Leben sehr intensiv ist, fiel es ihm schwer, mehr als 35 Prozent der optimalen Kohärenz zu erreichen. Daraufhin fragte er, ob er, anstatt meinen Anweisungen zu folgen, einfach wie gewohnt beten dürfe. Er wusste, wenn er auf diese Weise betete, spürte er eine Wärme und ein Wohlbefinden in der Brust, die der von mir geschilderten Empfindung zu entsprechen schienen. Seine Kohärenz stieg in wenigen Augenblicken auf 80 Prozent. Offensichtlich hatte der Freund aus eigener Kraft einen Weg gefunden, seine Physiologie ins Gleichgewicht zu bringen. Dazu tauchte er in das Gefühl ein, Teil eines allmächtigen und wohlwollenden Universums zu sein. Bei anderen hingegen führen Gebete zu keiner Kohärenz, ganz im Gegenteil. Hier kann Biofeedback nützlich sein: Es hilft, für jeden den wirksamsten Zugang zur physiologischen Kohärenz zu bestimmen, vor allem zu Beginn.


DIE WOHLTATEN DER KOHÄRENZ

Dass man problemlos lernen kann, seine Physiologie zu steuern, leuchtet unmittelbar ein, wenn man auf dem Bildschirm zusieht, wie das eigene Herz zur Kohärenz gelangt. Stellt man anschließend fest, dass Patienten ihr Herzklopfen, ihre Panikattacken losgeworden sind oder es schaffen, ihre Angst zu beherrschen, wenn sie die Schule wechseln oder vor Publikum reden müssen, so bestärkt das diese Überzeugung nur noch. Mich selbst haben insbesondere die klinischen Versuche von der Nützlichkeit dieses Ansatzes (sowohl für die Psychiatrie als auch für die Kardiologie) überzeugt.

An der Universität Stanford hatte beispielsweise Doktor Luskin Fördermittel des National Institute of Health erhalten, um eine Gruppe von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz die Kohärenz zu lehren. Zu deren körperlichen Symptomen – Atemnot, Müdigkeit, Ödeme – kamen, wie es fast immer der Fall ist, Ängste und Depressionen. Nach sechswöchiger Behandlung hatte das Stressniveau der Gruppe, die gelernt hatte, die Kohärenz zu beherrschen, beträchtlich abgenommen (um 22 Prozent), die Depression um 34 Prozent. Der körperliche Zustand – die Fähigkeit, ohne Atemnot rasch zu gehen – war ebenfalls deutlich besser (um 14 Prozent). Bei der Kontrollgruppe, die lediglich mit konventionellen Mitteln gegen Herzinsuffizienz behandelt worden war, hatten sich dagegen all diese Indikatoren in Bezug auf die Ausgangswerte verschlechtert.47

In London durchliefen fast 6000 leitende Angestellte großer Firmen wie Shell, British Petroleum, Hewlett Packard, Unilever und der Hongkong Shanghai Bank Corporation eine Schulung zur Kohärenz des Herzrhythmus. In den USA nahmen mehrere tausend an Kursen des HeartMath Institute teil, darunter Angestellte von Motorola und der kalifornischen Staatsregierung. Wie Nachuntersuchungen zeigten, begegnete das Einüben von Kohärenz dem Stress auf drei Ebenen: der körperlichen, der emotionalen und der sozialen.

Auf körperlicher Ebene war der Blutdruck einen Monat nach dem Kurs auf Werte abgesunken, als hätten die Teilnehmer zehn Kilo abgenommen, und doppelt so stark wie nach einer salzlosen Diät.48 Eine weitere Studie legt nahe, dass auch das hormonelle Gleichgewicht sich erkennbar verbessert hat: Nachdem die Methode einen Monat hindurch fünf Tage in der Woche je dreißig Minuten lang angewandt worden war, hatte sich der Spiegel des DHEA – des so genannten Jugendhormons49 – durchschnittlich um 100 Prozent erhöht. Bei diesen Teilnehmern war der Blutwert des Kortisons – des Stresshormons schlechthin, das mit Schüben hohen Blutdrucks, Hautalterung, Akne sowie nachlassendem Gedächtnis und geringerer Konzentrationsfähigkeit50 in Verbindung gebracht wird – um 23 Prozent51 gesunken. Bei den im Rahmen der Studie untersuchten Frauen verbesserten sich zudem prämenstruelle Symptome deutlich: geringere Reizbarkeit, weniger Depressionen und Müdigkeit. Solche hormonellen Veränderungen spiegeln eine tief greifende neue Ausbalancierung physiologischer Prozesse wider, die umso eindrucksvoller ist, als sie sich ohne Unterstützung durch Medikamente oder synthetische Hormone einstellt.

Auch dem Immunsystem nutzt Kohärenz. Die Immunglobuline A (IgA) stellen die erste Verteidigungslinie des Organismus gegen Ansteckung (durch Viren, Bakterien und Pilze) dar. An der Oberfläche der Schleimhäute von Nase, Hals, Bronchien, Darm und Vagina, wo ständig Infektionen drohen, werden diese IgA ununterbrochen neu gebildet. In einem Versuch hat man Freiwillige gebeten, sich eine Szene vorzustellen, die sie wütend gemacht hatte. Allein die Erinnerung löste für einige Minuten im Herzrhythmus ein Chaos aus. Nach diesem chaotischen Zustand fielen die IgA-Werte durchschnittlich sechs Stunden lang ab, was die Widerstandskraft gegen Infektionen minderte. In derselben Studie führte eine positive Erinnerung zu mehreren Minuten der Kohärenz, und die Produktion von IgA erhöhte sich in den folgenden sechs Stunden.52

In einer anderen Studie, vor mehr als zehn Jahren im New England Journal of Medicine veröffentlicht, zeigten Forscher der Universität Pittsburgh, dass das Stressniveau einer Person unmittelbar die Wahrscheinlichkeit vorhersagt, mit der diese eine Erkältung53 bekommt. Dieses Phänomen könnte sehr wohl auf die Auswirkungen negativer Emotionen auf das Herz-Hirn-System und die Produktion von IgA zurückzuführen sein. Jedes Mal, wenn wir eine unangenehme Auseinandersetzung im Büro, mit unserem Lebensgefährten oder auch nur auf der Straße haben, vermindert dies die Abwehrbereitschaft gegen äußere Feinde für die Dauer von sechs Stunden! Es sei denn, wir lernen, unseren Puls nicht außer Rand und Band geraten zu lassen.

Wie Studien in Unternehmen zeigen, spiegelt sich die Wirkung von Kohärenz auf die Physiologie unmittelbar in einer Verringerung der üblichen Stresssymptome wider: Die Zahl der Führungskräfte, die angaben, »häufig oder fast ständig« Herzklopfen zu haben, geht binnen sechs Wochen von 47(!) auf 30 Prozent, in drei Monaten auf 25 Prozent zurück. Was körperliche Verspannungen angeht, verringern sich die Zahlen von 41 Prozent auf 15 Prozent, schließlich sogar auf sechs Prozent, bei Schlaflosigkeit von 34 Prozent auf sechs Prozent, beim Gefühl der Erschöpfung von 50 Prozent auf zwölf Prozent, bei Schmerzen – unter anderem Rückenschmerzen – von 30 Prozent auf sechs Prozent. Einigen der Studienteilnehmer zufolge war geistige Erschöpfung zu einem »normalen« Bestandteil der Arbeit geworden, fast so, wie man im Bergbau und in den Fabriken zur Zeit der industriellen Revolution körperliche Ermüdung für normal hielt. Da sie mittlerweile gelernt haben, die körperlichen Reaktionen auf die ständigen Anforderungen ihrer Arbeit abzustimmen, geben diese Angestellten mittlerweile an, dem fortwährenden Energiemangel entgegenwirken zu können.

Auf der psychischen Ebene sind die Statistiken ebenso beeindruckend: Der Anteil der Angestellten, die sich in den großen Unternehmen als »meistens ängstlich« bezeichnen, geht von 33 Prozent (einer von dreien!) auf fünf Prozent zurück, derer, die sich als »unzufrieden« bezeichnen, von 30 Prozent auf neun Prozent, derer, die sich »wütend« fühlen, von 20 Prozent auf acht Prozent. Die Teilnehmer berichten von einer neuen Fähigkeit, mit ihren Emotionen zurechtzukommen. Seit sie Übungen in Kohärenz praktizieren, können sie zugeben, dass die Anflüge von Wut und negativen Gefühlen nichts eingebracht haben und die Tage im Büro ohne sie sehr viel angenehmer sind.

Charles, über dessen Geschichte wir im vorigen Kapitel berichtet haben, erkannte sich in diesen Zahlen wieder. Allerdings hatte sich die Veränderung sehr allmählich vollzogen. Als er zurückdachte, wie er sich alles »zu Herzen genommen« hatte, ehe er sich zu den Übungen entschloss, konnte er gar nicht verstehen, wie er es überhaupt so lange hatte aushalten können. Er erinnerte sich an den Zustand, in den ihn Äußerungen seines Vorgesetzten für Stunden versetzt hatten. Ihm fiel wieder ein, wie unfähig er gewesen war, sich sogar zu Hause davon zu lösen, wie er, manchmal wochenlang, nachts keinen Schlaf gefunden hatte. Mittlerweile war er zur Ruhe gekommen. Es gelang ihm, irgendwelche abfälligen Bemerkungen »an sich abgleiten« zu lassen. Schließlich redete der Vorgesetzte mit allen so … Das war eben seine Art. Und es war sein Problem, nicht das von Charles. Er hatte gelernt, seinen Körper in einen Zustand der Gelassenheit zu versetzen und nicht durchzudrehen. Sein Arzt war übrigens überrascht gewesen, dass sein Blutdruck zurückgegangen war, und hatte sich erkundigt, ob er eine Diät begonnen habe…

Auf der Ebene der Abläufe in einem Betrieb und der sozialen Beziehungen arbeiten die Gruppen, die gelernt haben, ihre inneren Reaktionen zu steuern, harmonischer zusammen. In den in England beobachteten Unternehmen gaben die Angestellten sechs Wochen sowie sechs Monate nach einem Lehrgang in Kohärenz an, ihr Denken sei klarer geworden, sie hörten einander besser zu, und die gemeinsamen Besprechungen brächten mehr als zuvor. An einer bedeutenden Klinik im Großraum Chicago, wo die Krankenschwestern an einem solchen Lehrgang teilgenommen hatten, machte den Frauen ihre Arbeit anschließend eindeutig mehr Spaß, und ihre Patienten erklärten, sie seien jetzt zufriedener mit der Pflege. Im Jahr nach dem Kurs war die Kündigungsrate von 20 Prozent auf vier Prozent zurückgegangen.54

Schließlich ergab eine Studie unter amerikanischen Schülern, die nach ihrem Scheitern bei der Abschlussprüfung (sie entspricht in etwa dem Abitur) das Examen wiederholen mussten, wie sehr ein wirkungsvoller Umgang mit der inneren Befindlichkeit die Leistungen unter Stressbedingungen positiv beeinflussen kann. Nachdem man die Schüler acht Wochen lang jeweils zwei Wochenstunden in Kohärenz unterrichtet hatte, bestanden 64 Prozent die Mathematikprüfung, während es bei denjenigen, die nicht an diesem Kurs teilgenommen hatten, lediglich 42 Prozent waren. Selbstverständlich hat die Kohärenz keinerlei Einfluss auf die Kenntnisse in Mathematik, doch mit ihrer Hilfe ist das vorhandene Wissen zum Zeitpunkt des Examens vollständig abrufbar55.


45.McCraty, R., Ed. (2001), Science of the Heart: Exploring the role of the heart in human performance, Boulder Creek, Institute of HeartMath.
7.Seit ich diese Übung selbst durchführe, kommt mir häufig ein Satz in den Sinn, der mich in den 1970er Jahren sehr beeindruckt hat. Überall in der Welt sagte man damals: »Die Revolution kommt aus den Gewehrläufen.« Was das Gleichgewicht des Körpers angeht, liegt diese »Revolution« – der innere Friede also – am Ende des Ausatmens…
46.McCraty, R., M. Atkinson, et al. (1995), »The effects of emotions on short-term power spectrum analysis and heart rate variability«, The American Journal of Cardiology, Bd. 76 (14), S. 1089–1093.
47.Luskin, F., M. Reitz, et al. (2002), »A controlled pilot study of stress management training in elderly patients with congestive heart failure«, Preventive Cardiology, Bd. 5 (4), S. 168–172.
48.Barrios-Choplin, B., R. McCraty, et al. (1997), »An inner quality approach to reducing stress and improving physical and emotional wellbeing at work«, Stress Medicine, Bd. 13 (3), S. 193–201.
49.Baulieu, E., G. Thomas, et al. (2000), »Dehydroepiandrosterone (DHEA), DHEA sulfate, and aging: contribution of the DHEAge Study to a sociobiomedical issue«, Proc Natl Acad Sci USA, Bd.97 (8), S. 4279–4284.
50.Kirschbaum, C., O. Wolf, et al. (1996), »Stress and treatment-induced elevation of cortisol levels associated with impaired declarative memory in healthy adults«, Life Sciences, Bd. 58 (17), S. 1475–1483; Bremner, J. D. (1999), »Does stress damage the brain?«, Society of Biological Psychiatry, Bd. 45, S. 797–805.
51.McCraty, R., B. Barrios-Choplin, et al. (1998), »The impact of a new emotional self-management program on stress, emotions, heart rate variability, DHEA and cortisol«, Integrative Physiological and Behavioral Science, Bd. 33 (2), S. 151–170.
52.Rein, G., R. McCraty, et al. (1995), »Effects of positive and negative emotions on salivary IgA«, Journal for the Advancement of Medicine, Bd. 8 (2), S. 87–105.
53.Cohen, S., D. A. Tyrrell, et al. (1991), »Psychological stress and susceptibility to the common cold«, New England Journal of Medicine, Bd. 325 (9), S. 606–612.
54.McCraty, R., Ed. (2001), Science of the heart: Exploring the role of the heart in human performance, Boulder Creek, Institute of HeartMath.
55.Ebenda.

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