Kitabı oku: «Seewölfe Paket 34», sayfa 26

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4.

„Deck!“ Der Ruf Bills aus dem Ausguck ließ die Arwenacks aufhorchen. „Steuerbord voraus treibt etwas im Wasser. Es könnte sich um ein Wrackteil handeln.“

„Wrackteile sind kein gutes Omen“, murmelte Old O’Flynn.

Er war inzwischen zum Achterdeck auf geentert, und sein zerfurchtes Gesicht ließ nach wie vor erkennen, daß er wegen des Pfeifens von Sir John absolut nichts Gutes erwartete.

Hasard lächelte, als er die finsteren Blicke des Alten sah.

„Du solltest nicht gleich den Teufel an die Wand malen, Donegal. Bis jetzt wissen wir nicht mal, ob Bill wirklich ein Wrackteil gesichtet hat. Selbst wenn es so sein sollte, wäre das ja wohl nichts Außergewöhnliches, nicht wahr? Die Erfahrung hat uns bisher leider gezeigt, daß hier genauso oft die Fetzen fliegen wie in anderen Gewässern.“

Eine ergänzende Meldung Bills ließ nicht lange auf sich warten.

„Deck!“ tönte es aus dem Ausguck. „Wahrscheinlich sind es Schiffsbrüchige. Ich sehe eine Gräting, auf der zwei Gestalten liegen. Sie klammern sich offenbar daran fest.“

„Auch das noch“, grummelte Old Donegal. „So was bedeutet immer, daß ungebetener Besuch an Bord erscheint. Weiß der Kuckuck, was wir uns da wieder einhandeln.“

Hasard schüttelte den Kopf. „Dir scheint heute wirklich eine Laus über die Leber gelaufen zu sein. Ich jedenfalls möchte das trockene Plätzchen auf dem Achterdeck unserer Schebecke nicht gerade mit einer im Wasser treibenden Gräting vertauschen.“

„Ich auch nicht“, pflichtete ihm Ben Brighton bei. „Außerdem wird unser verehrter Mister O’Flynn ja wohl nicht behaupten wollen, Sir John habe die Gräting samt den Schiffbrüchigen herbeigepfiffen. Mir sind Schiffbrüchige jedenfalls lieber als ein Sturm.“

Old Donegals Gesicht verzog sich jetzt tatsächlich zu einem Lächeln. Doch es war ein Lächeln, das die Überlegenheit der Wissenden über die Unwissenden zum Ausdruck brachte.

„Warum muß es eigentlich immer ein Sturm sein? Pfeifen auf hoher See ruft Sturm und Unglück herbei. Manchmal kommt das Unglück eben allein. Woher, zum Beispiel, willst du, Mister Brighton, wissen, ob wir uns mit den Schiffbrüchigen nicht vielleicht Unglück an Bord holen?“

„Das weiß niemand im voraus, Donegal“, sagte der sonst so ruhige und besonnene Ben Brighton fuchtig. „Im Augenblick weiß ich nur, daß du mir mit deiner ständigen Schwarzmalerei auf den Geist gehst. Und wenn du uns jetzt noch weiter nervst, spitze ich zusammen mit Hasard die Lippen, und wir pfeifen im Duett.“

Old Donegal wich einen Schritt zurück – als habe ihm jemand das leibhaftige Erscheinen des Bösen angekündigt.

„Ben hat recht“, fügte zu allem Überfluß noch der Seewolf hinzu. „Wenn es sein muß, pfeife ich mit. Ich bin schließlich auch nicht abergläubisch. Außerdem sollten wir uns jetzt besser um die Schiffsbrüchigen kümmern.“

Das war zuviel für Old Donegal.

Er vollführte eine abrupte Kehrtwendung und stakte auf den Backbordniedergang zu. Dabei brummelte er etwas von geheimnisvollen Dingen zwischen Himmel und Erde, die nur jene begreifen könnten, die auch den nötigen Grips im Kopf hätten. Außerdem sei er nicht für kommendes Unheil verantwortlich, er habe ja schließlich nicht gepfiffen. Da würde er schon lieber den Wundbrand am Hintern kriegen, als die Lippen zu solch schändlichem Treiben zu spitzen.

Hasard und Ben grinsten hinter ihm her.

Wenig später wurden auf Befehl des Seewolfs die Segel ins Gei gehängt und ein Boot abgefiert. Edwin Carberry und sechs weitere Männer gingen an Bord und trieben es mit kräftigen Riemenschlägen auf die Schiffbrüchigen zu.

Die beiden Männer, die bäuchlings auf der Gräting lagen, waren nicht nur völlig durchnäßt, sondern schienen auch ziemlich entkräftet zu sein. Einer von ihnen löste von Zeit zu Zeit eine Hand und versuchte überflüssigerweise zu winken.

Der Seewolf und Ben Brighton verfolgten die Rettungsaktion vom Achterdeck aus.

„Wenn mich nicht alles täuscht, gehörten die Männer zur Schiffsführung“, sagte Hasard. „Wie gewöhnliche Decksleute sind sie nicht gekleidet. Das kann man auch bei diesem Zustand ihrer Kleidung erkennen.“

Seine Vermutung sollte sich schon bald bestätigen.

Der Profos und seine Mannen zogen die Gräting mit einem Haken an das Boot heran und hievten die beiden schlaffen Körper über das Dollbord ins Trockene.

Einer von ihnen war von kräftiger, untersetzter Gestalt, der andere war eher spindeldürr und hatte ein auffallend schmales und knochiges Gesicht.

„Danke, Senhores, der Himmel möge Ihnen diese gute Tat vergelten“, flüsterte der Untersetzte mit schwacher Stimme.

Carberry verdrehte die Augen. „Dons. Auch das noch!“

„Das war Portugiesisch“, erklärte Sam Roskill.

„Na und?“ Der Profos rieb sich das Kinn. „Ob Dons oder Halb-Dons – sie stammen alle aus derselben Ecke. Zur Zeit werden sie sogar vom selben König regiert. Aber was soll’s. Als tugendhafte Christenmenschen werden wir die Senhores schon wieder auf die Beine bringen.“

Kurze Zeit danach lieferten er und seine Mannen die beiden Portugiesen an Bord der Schebecke ab. Dort wurden sie zunächst dem Kutscher übergeben, der sie in die Krankenkammer bringen ließ.

„Wenn sich die Zahl der Patienten noch weiter erhöht, werden wir wohl doch noch ein Hospital eröffnen müssen“, meinte der Feldscher grinsend.

Eine längere Behandlung schien jedoch nicht notwendig zu sein, denn der Kutscher meldete sich bereits nach dem nächsten Glasen bei Hasard auf dem Achterdeck.

„Wie geht es den Senhores?“ Die eisblauen Augen des Seewolfs waren abwartend auf den Feldscher gerichtet.

„Sie erholen sich schnell“, lautete die Antwort. „Zum Glück haben sie keinerlei Verletzungen. Außerdem trieben sie erst seit den frühen Morgenstunden mit der Gräting im Wasser. Meiner Meinung nach werden sie rasch wieder auf den Beinen sein. Ich habe zunächst jedem zur besseren Blutzirkulation eine Einreibung verpaßt und für trockene Kleidung gesorgt. Zur Zeit trinken sie heißen Tee mit einem kräftigen Schuß Rum, das weckt die Lebensgeister. Sie möchten unbedingt mit dir reden, Sir.“

„Dem steht von meiner Seite aus nichts im Wege“, erwiderte Hasard. Er übergab Ben das Kommando und folgte dem Kutscher zur Krankenkammer.

Dort saßen die beiden Schiffbrüchigen in trockenen, aber viel zu weiten Hemden und Hosen auf einer Bank, schlürften heißen Tee und musterten den über sechs Fuß großen, breitschultrigen Mann, der sich als Kapitän der Schebecke vorstellte, mit unverhohlener Neugierde. Dabei warf der Schein der Tranlampe, die mitten im Raum hing, bizarre Schatten auf ihre Gesichter.

„Ich freue mich, daß Sie sich einigermaßen wohl fühlen, Senhores“, sagte Hasard in einwandfreiem Portugiesisch. „Wir haben einen ausgezeichneten Feldscher, er wird sich gründlich um Sie kümmern.“

„Wir sind Ihnen und Ihren Männern zu großem Dank verpflichtet, Senhor“, erwiderte der Untersetzte. „Wir hätten gewiß nicht überlebt, wenn Sie uns nicht zufällig begegnet wären. Gestatten Sie, daß wir uns vorstellen.“ Der Mann versuchte mühsam, aufzustehen.

„Aber nicht doch, bleiben Sie ruhig sitzen“, sagte Hasard und beförderte ihn mit einem sanften Händedruck auf die Schulter auf seinen Platz zurück. „Wir legen hier keinen besonderen Wert auf Förmlichkeiten.“

„Ich danke Ihnen, Senhor“, fuhr der Untersetzte fort. „Nun, mein Name ist Miguel de Pereira. Ich bin der rechtmäßige Kapitän der portugiesischen Handelsgaleone ‚Madre de Deus‘, und dieser Mann hier“, er deutete zu dem Dürren mit dem knochigen Gesicht, „ist Rafael Cegos, mein Erster Offizier. Leider sind wir Opfer einer Meuterei geworden.“

„So etwas Ähnliches dachte ich mir bereits, als Sie sich als der ‚rechtmäßige‘ Kapitän bezeichneten“, sagte der Seewolf.

„Leider habe ich zu spät bemerkt, welches Komplott da heimlich gegen mich vorbereitet wurde“, fuhr de Pereira fort, „sonst hätte ich entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet. So aber wurden wir völlig überrascht. Ein Teil der Besatzung scharte sich um einen Aufrührer namens Jorge Alameda. Er ist der Schiffszimmermann und verfolgt wohl, Gott sei’s geklagt, das schändliche Ziel, die ‚Madre de Deus‘ in ein Piratenschiff zu verwandeln. Alle meine Versuche, die Männer zur Vernunft zu bringen, scheiterten. Diejenigen, die mir im Kampf gegen die Meuterer treu zur Seite standen, wurden erbarmungslos ermordet. Senhor Cegos und mir hatte man wohl einen besonders langsamen und qualvollen Tod zugedacht. Man band mich auf eine Gräting und stieß sie über Bord. Senhor Cegos wurde hinterhergeworfen und konnte nur mit äußerster Mühe die Gräting schwimmend erreichen. Das war unser beider Glück, denn er konnte mich mit einem kleinen Messer, das ich stets im rechten Stiefelschaft mit mir führte, von meinen Fesseln befreien. Nun, Senhor – der Rest des tragischen Geschehens ist Ihnen bekannt.“

Hasard nickte. „Nun, um diese Situation sind Sie bestimmt nicht zu beneiden. Der Verlust des Schiffes und womöglich seiner Ladung mag Sie hart treffen, dennoch haben Sie großes Glück im Unglück gehabt …“

„Ich werde der Madonna auf den Knien dafür danken, daß wir Ihrem Schiff begegnet sind“, unterbrach de Pereira. „Und auch Ihnen gegenüber werde ich mich erkenntlich zeigen, sobald ich dazu wieder in der Lage bin. Sie sind Engländer, Senhor, und da Engländer und Portugiesen – gerade hier in Asien – leider nicht besonders gut aufeinander zu sprechen sind, rechne ich Ihnen diesen selbstlosen Akt der Hilfe um so höher an. Erlauben Sie mir noch, daß ich meine Bewunderung darüber zum Ausdruck bringe, wie gut Sie unsere Sprache beherrschen.“

„Man kommt eben ein bißchen in der Welt herum und lernt überall etwas dazu“, sagte Hasard. „Was unsere Hilfe betrifft, so erwarte ich dafür keinerlei Entschädigung. Für uns war das völlig selbstverständlich. Sie haben sich bedankt, und damit ist die Sache erledigt. Sollte ich einmal mit meinen Leuten in Bedrängnis geraten und Sie sehen eine Möglichkeit, uns zu helfen, dann nehme ich Ihre Hilfe ebenso dankbar an.“

„Das ist eine sehr lobenswerte Einstellung, Senhor.“ Man sah de Pereira an, daß er seiner schmeichelhaften Bemerkung am liebsten einen Kratzfuß hinzugefügt hätte. Natürlich nur, um seine Person in ein angenehmes Licht zu rücken.

Der Seewolf winkte ab. „Lassen wir das. Ich mag kein Lob für Selbstverständlichkeiten. Reden wir lieber über Ihre Zukunft, Senhor de Pereira. Wie ich bereits erwähnte, sind wir ebenfalls Kauffahrer und befinden uns auf der Reise nach Bombay. Ich schlage deshalb vor, daß Sie und Senhor Cegos uns bis dorthin als Gäste begleiten. In Bombay dürfte es kein Problem für Sie sein, auf einem portugiesischen Schiff weitere Hilfe zu erhalten.“

„Das ist ein sehr guter Vorschlag, Senhor. Ich stimme ihm gern zu. Vielleicht kann ich sogar mit Hilfe meiner Landsleute die ‚Madre de Deus‘ finden und die Meuterer ihrer gerechneten Strafe zuführen, noch bevor diese Bande das ehrbare Handelsschiff zu einem Piratenschiff umfunktioniert. Glauben Sie mir, Senhor, mir bricht es fast das Herz, wenn ich nur an so etwas denke.“

Miguel de Pereira bekräftigte seine Worte mit einem scheinheiligen Augenaufschlag, und Rafael Cegos deutete mit einem eifrigen Nicken an, daß er der gleichen ehrenhaften Meinung sei. Über die einträglichen „Nebengeschäfte“, denen die „Madre de Deus“ bereits seit einiger Zeit unter ihrer Führung nachgegangen war, verloren die beiden Ehrenmänner natürlich kein Wort.

Hasard schickte sich an, die Krankenkammer zu verlassen. Am Schott angelangt, drehte er sich noch einmal um.

„Ich hoffe, Sie sind bis zum Backen und Banken wieder einigermaßen bei Kräften. Eine warme Mahlzeit wird Ihnen guttun.“

Die Portugiesen bedankten sich überschwenglich.

Als Hasard kurz danach auf das Achterdeck zurückkehrte, sah ihn Ben Brighton lächelnd an.

„Na, haben die Senhores ihre Herzen ausgeschüttet?“

„Das kann man wohl sagen“, entgegnete Hasard und berichtete in knappen Sätzen von den Vorgängen auf der „Madre de Deus“. „Die Geschichte, die die beiden erzählt haben“, fügte er noch hinzu, „mag in groben Zügen stimmen. Nur die ehrenwerten Senhores selber sind mir – zumindest im Hinblick auf die Art, in der sie auftreten – um einige Grade zu schmierig.“

5.

Die Sonne überzog die Decks der Schebecke mit einem flirrenden Hitzeschleier. Die meisten Arwenacks hatten längst ihre Hemden abgelegt und sich mit nackten Oberkörpern da niedergelassen, wo gerade Platz war – auf Taurollen, umgestülpten Pützen oder einfach auf den Planken.

Immer, wenn es die Witterungsverhältnisse erlaubten, zogen die Mannen das Backen und Banken unter freiem Himmel dem Aufenthalt im Mannschaftslogis vor.

Der verführerische Duft von Geräuchertem, der in der Nähe der Kombüse besonders intensiv war, ließ so manchen schon im voraus das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er trug dazu bei, die allgemeine Stimmung zu heben und die Intrigen des Francis Ruthland etwas in den Hintergrund zu drängen.

Sogar Old Donegals Miene hatte sich wieder etwas aufgehellt.

„Eines möchte ich ja gern wissen“, sagte er, während er sich mit der noch leeren Kumme etwas Wind zufächelte.

„Und das wäre?“ Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.

Old Donegal räusperte sich, wohl wissend, daß wieder mal zahlreiche Augenpaare auf ihn gerichtet waren. Dann aber vollführte er eine belanglose Geste. „Nun ja, eigentlich ist es nichts Besonderes …“

„Warum möchtest du es denn gerne wissen?“ fragte Ferris.

Old Donegal gab sich aufgrund des allgemeinen Interesses gnädig.

„Na schön“, sagte er gedehnt. „Als denkender Mensch grübelt man eben über dieses und jenes so nach, nicht wahr?“

„Das sollte man von einem denkenden Menschen wohl annehmen, ja“, knurrte Ferris. „Falls du es vor dem Backen und Banken noch loswerden möchtest, rate ich dir zur Eile, denn wenn erst die Kummen gefüllt sind, hört dir keiner mehr zu. Das Kauen verschließt bekanntlich die Ohren. Du redest dann nur noch in den Wind, mein lieber Donegal.“

„Wirklich? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Da muß ich direkt mal drauf achten“, sagte Old Donegal verblüfft. Da offensichtlich Eile geboten war, weil Mac Pellew jederzeit mit randvollen Schüsseln und Töpfen auftauchen konnte, fügte er hinzu: „Ich habe mir nämlich überlegt, warum die Meuterer auf der portugiesischen Galeone ihren Kapitän ausgerechnet auf eine Gräting gebunden haben. Zumeist ist es doch so, daß Kapitäne ihre Schiffe verteidigen und dabei im Kampf fallen. Oder …“

„Oder sie werden von den Meuterern an der Rah hochgezogen. Das wolltest du doch sagen, nicht wahr?“ Ferris Tucker bedachte Old Donegal mit einem Grinsen.

„So ist es in der Regel“, bekräftigte dieser.

Ferris nickte. „Sofern man überhaupt von einer Regel reden kann, magst du recht haben. Meistens läuft die Sache darauf hinaus. Aber vielleicht waren die Kerle besonders rachsüchtig. Das Hängen geht gewöhnlich schnell. Aber stell dir vor, du treibst tagelang hilflos auf eine Gräting gefesselt im Wasser und hast nicht das Glück, daß dir ein Schiff begegnet.“

„Was Schlimmeres kann’s kaum geben“, warf der hagere Jack Finnegan ein. „Ich kann eine solche Situation gut nachempfinden. Wenn ich nur daran denke, wie Paddy und ich damals im Mittelmeer von Haien umlagert auf der Plattform eines Marses hockten. Hättet ihr uns nicht aus dem Wasser gefischt, wäre es uns übel ergangen. Lange hätten wir das nicht mehr durchgehalten. Stimmt’s, Paddy?“

Der im Denken etwas langsame Paddy zog ein ernstes Gesicht. „Und ob das stimmt. Das war schlimmer als Zahnweh oder eine Schramme am Hintern.“

Old Donegal bedachte ihn wegen der Schramme mit einem tadelnden Blick, schluckte aber eine passende Bemerkung, die ihm bereits auf der Zunge lag, hinunter, weil sich der Seewolf in das Gespräch einmischte.

„Vielleicht hatte die von den Meuterern gewählte Art, ihren Kapitän zu beseitigen, etwas mit früheren Gepflogenheiten an Bord zu tun“, meinte er. „Es ist immerhin möglich, daß der Senhor gern die allgemein verbreitete Sitte oder Unsitte anwandte, seine Männer zum Auspeitschen an eine Gräting zu binden. Womöglich waren es gerade diejenigen, die sich auf eine ähnliche Weise an ihm rächen wollten.“

Auch dieses Motiv war einleuchtend und nicht von der Hand zu weisen. Zumindest hatten die aufgezeigten Möglichkeiten die Frage, die Old Donegal beschäftigt hatte, weitgehend beantwortet.

Hasard hockte inmitten seiner Mannen auf einer umgedrehten Pütz und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, als Mac Pellew mit Hilfe von Philip und Hasard junior die kräftige Erbsensuppe mit Räucherspeck heranschleppte. Dazu gab es frische, selbstgebackene Brotfladen nach der Art, wie sie in orientalischen Ländern üblich war.

Dem Füllen der Kummen stand nichts mehr im Wege. Die Arwenacks hieben ordentlich rein.

Nur die Senhores aus Portugal fehlten noch.

„Vielleicht fühlen sie sich noch zu schlapp“, meinte Hasard. „Notfalls bringen wir ihnen das Essen in die Krankenkammer.“

Laut dem Kutscher, der jetzt auftauchte und das kurzfristige Erscheinen der Portugiesen ankündigte, war dies jedoch nicht notwendig.

„Sie bestanden lediglich darauf, ihre eigene, inzwischen fast trockene Kleidung anzuziehen“, berichtete er. „Ansonsten hat den Herren das lange Bad nicht sonderlich geschadet.“

Das Backen und Banken war bereits voll im Gange, als Miguel de Pereira und Rafael Cegos erschienen. Ihre Rockschöße waren zwar noch etwas zerknittert, weil niemand sie gebügelt hatte, aber dennoch war unübersehbar, daß man es mit Männern von der Schiffsführung der „Madre de Deus“ zu tun hatte.

„Sie hatten die Freundlichkeit, uns zu einem Mahl einzuladen, Senhor Killigrew“, sagte der ehemalige Kapitän beinahe würdevoll.

Zur Bekräftigung deutete der dürre Cegos eine leichte Verbeugung an, die den Arwenacks prompt ein Grinsen auf die Gesichter zauberte.

„Ich freue mich, daß Sie gekommen sind, Senhores“, entgegnete Hasard mit einer einladenden Geste. „Bitte lassen Sie sich in unserer Mitte nieder, wo immer Sie ein geeignetes Plätzchen zu entdecken glauben. Senhor Pellew, einer unserer Köche, hat eine hervorragende Erbsensuppe zubereitet. Dazu gibt es Räucherspeck und Fladenbrot nach orientalischer Art. Ich wünsche – auch im Namen meiner Männer – einen guten Appetit.“

Miguel de Pereira blickte Hasard entgeistert an, dann schluckte er hart.

„Sie – Sie meinen, wir sollen uns hier …“ Er deutete in die versammelte Runde der Seewölfe.

„Nehmen Sie zwanglos Platz, Senhores. Sie sind uns herzlich willkommen – auch beim Backen und Banken.“ Hasard lächelte verbindlich.

Der Kapitän der „Madre de Deus“ wirkte äußerst unschlüssig und geriet nun beinahe ins Stottern.

„Entschuldigen Sie, Senhor Killigrew, aber – aber wir dachten, daß Sie – nun ja, daß Sie vielleicht eine geeignetere Örtlichkeit in Betracht gezogen hätten.“

Hasard gab sich jovial. „Oh, ich verstehe, Senhor de Pereira. Sie dachten, zur Feier des Tages sei in der Kapitänskammer gedeckt worden.“

De Pereira nickte erleichtert. „Ja, genau, damit haben wir eigentlich gerechnet. Auf der ‚Madre de Deus‘ haben wir beide natürlich immer getrennt von den – äh, von den Decksleuten gespeist …“

„… und dabei natürlich auf … Ich wollte sagen, auf richtigen Stühlen gesessen“, ergänzte Rafael Cegos und hob die Nase so weit nach oben, als wolle er nachsehen, ob nicht dunkle Regenwolken aufzogen, um dem, nach seiner Meinung, unwürdigen Spektakel ein Ende zu bereiten.

Hasard lachte laut auf. „Ich verstehe Sie sehr gut, Senhores. Sie wundern sich, daß ich mit meinen Leuten unter freiem Himmel esse und dabei auf einer Pütz sitze. Dazu ist zu sagen, daß ich mich mit all diesen Männern prächtig verstehe und mich deshalb in ihrer Mitte ausnehmend wohlfühle. Unter uns gibt es keine Unterschiede. Das Schiff gehört uns allen gemeinsam. Obwohl verschiedene Funktionen und Stellungen an Bord zu bekleiden sind, sehen wir uns alle als Kameraden, von denen einer für den anderen da ist. Schließlich sitzen wir alle – wie man so schön zu sagen pflegt – im selben Boot, nicht wahr?“

Miguel de Pereira blickte den Seewolf mit einer Mischung aus Verwirrung, Verlegenheit und Hochnäsigkeit an.

„Und das – das alles funktioniert, Senhor Killigrew?“

„Bestens, mein Lieber, bestens“, erwiderte Hasard. „Ich genieße es, mit all diesen Männern zu essen und mir dabei die Sonne auf den Rücken scheinen zu lassen. Ich kenne einige von ihnen von früher Jugend an. Und noch niemals ist bei einem von ihnen der Gedanke an eine Meuterei aufgekommen. Oder sage ich da die Unwahrheit, Leute?“ Der Seewolf blickte seine Mannen fragend an.

„Das ist die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit“, bestätigte Edwin Carberry, während er genüßlich auf einem Stück Räucherspeck kaute. „Und wär’s umgekehrt, würde ich den Rübenschweinen die Haut in schmalen Streifen von ihren Affenärschen abziehen.“

Miguel de Pereira kräuselte die Nase. „Dieser Mann bedient sich eines, äh, etwas außergewöhnlichen Wortschatzes, Senhor Killigrew – wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist.“

„Aber er meint’s ehrlich“, entgegnete der Seewolf prompt und tauchte den Löffel in seine Kumme mit Erbensuppe. „Wollen Sie nicht doch Platz nehmen und mit uns essen? Die Suppe schmeckt wirklich vorzüglich.“

Der Kapitän der „Madre de Deus“ fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.

„Nun – in Anbetracht dessen, daß ich heute noch keine feste Nahrung zu mir genommen habe, bitte ich Sie, mir eine Portion von dieser – dieser Erbsensuppe zuteilen zu lassen.“

Hasard deutete zu Mac Pellew. „Kein Problem, Senhor. Wenden Sie sich bitte an den Koch. Er wird Ihnen eine wohlgefüllte Kumme überreichen. Und vergessen Sie nicht, das ofenfrische Fladenbrot zu kosten. Das wäre ein echtes Versäumnis.“

Das Knurren seines Magens veranlaßte Miguel de Pereira, wenn auch widerstrebend, von seinem hohen Roß zu steigen. Begleitet vom Grinsen der Arwenacks, denen es sichtlich schmeckte, füllte ihm Mac Pellew mit gewohnt essigsaurem Gesicht die Kumme mit Erbensuppe und Räucherspeck und drückte ihm dazu noch ein Fladenbrot in die Hand. Da Sitzplätze nur noch auf den Planken vorhanden waren, zog de Pereira es vor, die Mahlzeit im Stehen einzunehmen.

Rafael Cegos hingegen zeigte keine Anstalten, es seinem Kapitän gleichzutun. Er stand wie angewurzelt an seinem Platz und dachte nicht daran, die bereits von Mac Pellew gefüllte Kumme in Empfang zu nehmen.

„Ich bitte Sie um Verständnis, Senhor Killigrew, wenn ich die angebotene Mahlzeit zurückweise“, sagte er mit ebenso beleidigtem wie vornehmen Gesichtsausdruck. „Ich hasse nämlich Erbsensuppe. Schon von Kindheit an konnte ich diese Art von Nahrung nicht ausstehen.“

„Aber das ist doch kein Unglück, Senhor Cegos“, sagte Hasard ungerührt. „Dann lassen Sie die Suppe eben weg und laben sich an einem ordentlichen Stück Räucherspeck und Fladenbrot. Die Abneigung gegen Erbsensuppe ist noch lange kein Grund, zu verhungern.“

Old Donegal neigte sich zu dem neben ihm sitzenden Ferris Tucker hinüber und flüsterte: „Kein Wunder, daß dieser Stint so dürr ist wie ein Reisigbesen.“

Ferris nickte kauend. Wenn Old Donegal recht hatte, hatte er eben recht.

Rafael Cegos aber zuckte bedauernd mit den schmalen Schultern. „Nichts für ungut, Senhor. Meine Abneigung gegen Erbsensuppe beruht auf der Tatsache, daß Hülsenfrüchte ebenso wie Geräuchertes die Verdauung über Gebühr belasten und, ähem, äußerst unangenehme Blähungen verursachen können.“

Der Profos hätte sich beinahe verschluckt. Und bevor der Seewolf etwas darauf erwidern konnte, sagte er treuherzig: „Auch das ist kein Unglück, Senhor Cegos. Wind füllt bekanntlich die Segel. Wir haben jedenfalls sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Immer, wenn wir in eine Kalme geraten und absolut kein Lüftchen mehr unser Schiff antreibt, gibt es bei uns tagelang ausschließlich Erbsensuppe zum Backen und Banken.“

Die Mannen konnten ihr Lachen nicht länger unterdrücken.

Rafael Cegos hingegen überging diese Erläuterung und rümpfte vornehm die Nase.

„Wenn Sie erlauben, Senhor Killigrew, würde ich ein anderes Gericht vorziehen. Dazu vielleicht einen Becher Rotwein, der die Blutzirkulation anregt.“

Hasard ließ sich erneut die Kumme mit Erbsensuppe füllen. Dabei zwinkerte er Mac Pellew mit einem Auge zu.

Mac verstand.

„Darf ich zur Lösung des Problems einen Vorschlag unterbreiten?“ fragte er höflich.

„Ich bitte darum, Mac“, antwortete der Seewolf.

Mac schluckte, man sah ihm deutlich an, daß er den dürren „Halb-Don“ am liebsten in einem Essigkrug ertränkt hätte. Die rigorose Ablehnung seiner berühmten Erbsensuppe war fast schon ein Schwerverbrechen.

„Es ist mir wirklich eine Ehre, dem Senhor etwas anderes zuzubereiten“, sagte er unter den erstaunten Blicken der übrigen Arwenacks. „Wie wär’s mit einem indischen Gericht? Zum Beispiel mit Tandoori Machchi? Der gebratene Fisch ist besonders lecker, wenn er in einer Gewürzmischung aus Koriander, Kümmel, Ingwer, Knoblauch, rotem Pfeffer und grünem Mangopulver angerichtet wird.“

Der dürre Cegos rang sich ein dünnes Lächeln ab, das entfernt an einen grinsenden Totenschädel erinnerte.

„Das klingt wirklich verlockend“, erklärte er. „Ich würde es Ihnen hoch anrechnen, wenn Sie mir dieses Gericht zubereiten könnten.“

„Es wird mir ein Vergnügen sein“, versprach Mac und grinste dabei wie sonst nur an Sonn- und Feiertagen. Danach eilte er dienstbeflissen in die Kombüse, während es der Kutscher – voll schlimmer Ahnungen – übernahm, die leergelöffelten Kummen nachzufüllen.

Miguel de Pereira schien im Gegensatz zu Cegos Geschmack an der Erbsensuppe zu finden, auch wenn er das einfache Mahl, das er zudem im Stehen einnahm, für unter seiner Würde fand. Für einen Nachschlag reichte sein Appetit trotzdem.

„Sie sollten die Suppe wenigstens einmal probieren“, sagte er zu Cegos. „Sie ist durchaus genießbar.“

Cegos schüttelte energisch den Kopf. Er gab zu verstehen, daß es ihn nicht weiter störe, auf den nach indischer Art zubereiteten Fisch warten zu müssen. Und er wartete geduldig, indem er sich stumm gegen das Steuerbordschanzkleid der Kuhl lehnte. Offenbar hielt er es auch für angebracht, sich nicht an den allgemeinen Gesprächen der Engländer zu beteiligen, obwohl er ihre Sprache ein wenig verstand.

Mac Pellew ließ nicht allzu lange auf sich warten. Er servierte den Fisch, der zur Ausbeute der gestrigen Angelaktion gehörte, in einer stark nach Gewürzen duftenden Soße.

„Ich wünsche guten Appetit“, sagte er, während er Rafael Cegos die Kumme samt einer Gabel überreichte.

Dieser schnupperte kurz an dem Gericht.

„Das riecht appetitlich und sieht annehmbar aus“, sagte er dann gnädig. „Wenn ich vielleicht noch um einen Becher Rotwein bitten dürfte – wegen der Blutzirkulation natürlich.“

Mac Pellew vollführte eine bedauernde Geste. „Rotwein gibt es auf unserem Schiff leider nur zu besonderen Anlässen. Sein Fehlen wird Ihrer Blutzirkulation jedoch keinen Abbruch tun, weil unserem Feldscher wesentlich bessere Mittel zur Verfügung stehen. Er ist sicher gern bereit, Ihnen nach dem Mahl eine weitere Einreibung zu verabreichen. Des weiteren darf ich Ihnen verraten, daß auch die Gewürze dieses Tandoori Machchi dazu geeignet sind, das Blut ordentlich in Wallung zu bringen.“

Rafael Cegos verzichtete zwar seufzend auf den Rotwein, schien es aber zu genießen, daß die Augen aller Männer auf ihn gerichtet waren, als er mit der Gabel das erste Stück Fisch zum Mund führte. Sollte ihnen ruhig das Wasser im Munde zusammenlaufen, diesen Erbsenfressern!

Das Fleisch des Fisches schmeckte. Es war zart wie Butter. Deshalb tunkte er das nächste Stück ausgiebig in die herrlich duftende Soße und schloß genüßlich die Augen, als er es in den Mund schob.

In diesem Augenblick aber schien ihn aus heiterem, strahlend blauem Himmel ein Blitz zu treffen.

Er riß die soeben erst geschlossenen Augen blitzschnell wieder auf, und für einen Moment sah es in beängstigender Weise danach aus, als würden sie aus den Höhlen hüpfen. Und während – trotz der zusammengekniffenen Lippen – ein Stöhnen aus seinem tiefsten Innern drang, schien sich sein Körper regelrecht zu verkrampfen.

Er schluckte, als gelte es, eine siebzehn Pfund schwere Kanonenkugel hinunterzuwürgen und japste dann nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dabei verlor er die Kontrolle über die Kumme und ließ alles auf die Planken fallen.

Sobald er die Hände frei hatte, klammerte er sich an den Handlauf und beugte sich weit über das Schanzkleid. Offenbar erwartete er noch Schlimmeres.

Mac Pellew trat von hinten an ihn heran.

„Hat Ihnen der Fisch etwa nicht geschmeckt, Senhor?“ fragte er scheinheilig. „Fische wollen schwimmen. Darf ich Ihnen einen Schluck Wasser anbieten?“ Er reichte dem keuchenden Portugiesen eine Muck mit Wasser.

Der griff mit beiden Händen danach und schüttelte sich die lauwarme Brühe, die ganz und gar nicht nach Rotwein schmeckte, in die höllisch brennende Kehle. Seine Augen waren dabei immer noch weit aufgerissen.

„Das – das war ein – ein Mordanschlag!“ stieß er stotternd hervor, sobald er wieder einigermaßen durchatmen konnte.

„Aber nicht doch, Senhor“, erwiderte Mac Pellew entrüstet. „Das war ein Tandoori Machchi von bester Qualität und mit allen dazugehörigen Gewürzen. Jeder dieser Männer hier hätte sich alle zehn Finger nach einem so feinen Mahl abgeleckt. Aber das gewöhnliche Volk mußte sich leider der Gefahr schlimmer Blähungen aussetzen und mit gewöhnlicher Erbsensuppe vorlieb nehmen.“

Die Arwenacks hieben sich lachend auf die Schenkel.

Aber der Spaß hielt nicht lange an, denn hinter der Kimm, vermutlich Backbord querab, war plötzlich das dumpfe Grollen von zwei Kanonenschüssen zu hören.

„Da spielt sich entweder an der Küste oder in Küstennähe etwas ab“, sagte Al Conroy.

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1962 s. 21 illüstrasyon
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