Kitabı oku: «Seewölfe Paket 34», sayfa 27
Die Seewölfe segelten zwar verhältnismäßig dicht unter der Westküste, aber dennoch nicht auf Sichtweite.
Während Rafael Cegos immer noch Mühe hatte, in seinen gewohnten Atemrhythmus zurückzufinden, warf Miguel de Pereira, der gerade mit offenkundigem Appetit das letzte Stück Räucherspeck in den Mund schob, dem Seewolf einen fragenden Blick zu.
In diesem Augenblick rollte der Donner eines weiteren Schusses über die Wasserfläche.
„Na schön.“ Hasard erhob sich von der umgestülpten Pütz. „Es ist zwar nicht unsere Art, die Nase überall hineinzustecken, doch bevor wir womöglich selbst eine unangenehme Überraschung erleben, sollten wir vielleicht doch mal nachsehen, was sich da tut.“
Die kritischen Blicke Old Donegals, die zwischen der Kimm und den beiden Portugiesen hin und her pendelten, entgingen weder ihm noch den anderen Arwenacks. Und manch einer von ihnen hätte sofort eine Wette abgeschlossen, wenn es darum gegangen wäre, die Gedanken des alten Rauhbeins zu erraten.
Nach entsprechenden Kommandos des Seewolfs fiel die Schebecke nach Backbord ab und nahm Kurs auf die Küste. Danach bereiteten die Arwenacks ihr Schiff unter der sachkundigen Leitung Al Conroys auf eine mögliche Auseinandersetzung vor.
Die beiden Portugiesen, die das, was hier geschah, mit ihrem ehemaligen Schiff verglichen, kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da gab es kein hektisches Durcheinander und keine Wuhling. Gebrüll und Fußtritte waren völlig überflüssig.
Aus den anfeuernden Rufen jenes Mann mit dem zernarbten Gesicht und dem amboßartigen Rammkinn war herauszuhören, daß sie nicht wörtlich zu nehmen waren und eher zu einem bestimmten Ritual gehörten.
Kapitän und Mannschaft bildeten ganz offensichtlich ein hervorragend eingespieltes Team, in dem nicht nach unten getreten und nach oben gekuscht wurde, sondern alle dort zupackten, wo es angebracht und erforderlich war.
Die Armierung der Schebecke glich der Ausstattung der „Madre de Deus“. Je sechs Culverinen befanden sich an Steuerbord und Backbord. Die insgesamt vier Drehbassen verteilten sich auf vorn und achtern. Aber sonst war dieser Segler kaum mit der Galeone vergleichbar.
Mit der Schnelligkeit und Wendigkeit eines solchen Schiffstyps würde es die etwas plumpe „Madre de Deus“ niemals aufnehmen können. Hinzu kam, daß die als sehr seetüchtig geltenden Schebecken nur einen geringen Tiefgang aufwiesen und bei Flauten sogar mit Riemen bewegt werden konnten.
Was Miguel de Pereira und Rafael Cegos noch in die Augen stach, war der hervorragende Zustand der Stücke und die Art, mit der die Männer damit umgingen. Der schwarzhaarige Stückmeister schien die Sache bestens im Griff zu haben.
Er erteilte seine Anweisungen knapp und deutlich, und das Austeilen von Fausthieben zwecks Beschleunigung der Arbeit schien ihm völlig fremd zu sein. Die Portugiesen bemerkten gar nicht, daß sie regelrecht zu „Gaffern“ wurden.
„Ich warte nur darauf, daß die Klüsen dieser beiden Honigpferdchen auf die Planken poltern und wie Tomaten hin und her rollen, Sir.“ Edwin Carberry grinste breit zum Achterdeck hoch.
Ein weiterer Kanonenschuß krachte – diesmal jedoch in wesentlich geringerer Entfernung. Die Schebecke nahm demnach den richtigen Kurs an. Das bestätigte schon wenig später Jack Finnegan, der in den Ausguck aufgeentert war.
Der Seewolf befand sich auf dem Achterdeck und drehte an der Optik seines Spektivs, bis die Küste deutlicher ins Blickfeld geriet. Das Geschehen, das sich dort abspielte, verdichtete sich jedoch erst nach und nach zu einem abgerundeten Bild.
„Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es dort drüben eine Bucht, in die ein Dreimaster gesegelt ist“, berichtete er Ben Brighton, der gerade dem Rudergänger noch einige Anweisungen gegeben hatte. „Offenbar liegt dort eine Ansiedlung, denn ich sehe neben der Bucht eine Art Steilküste, auf der ein ziemlich flacher, runder Turm steht. Entweder hat der Dreimaster die Siedlung angegriffen, oder er ist selber von den Bewohnern angegriffen worden. Das wäre ja schließlich auch nichts Neues.“
Miguel de Pereira enterte inzwischen flink den Backbordniedergang zum Achterdeck hoch.
„Darf ich Ihr Reich betreten, Senhor Killigrew?“ fragte er artig, als er auf der obersten Stufe angelangt war.
„Aber natürlich“, erwiderte Hasard. „Das ist schließlich kein Heiligtum.“
Der Portugiese hatte während des Aufenterns die Worte des Seewolfs mitgehört und wurde jetzt – wie es schien – sehr von der Neugierde geplagt.
„Gestatten Sie mir eine Frage?“ fuhr er mit buckliger Höflichkeit fort.
Hasard atmete tief durch, ohne den Kieker vom Auge zu nehmen. „Warum fragen Sie nicht einfach?“
„Sehr liebenswürdig, Senhor.“ Dem Portugiesen schien die erwähnte Frage schwer im Magen zu liegen, denn er knetete nervös seine Finger. „Ist – ich meine, ist vielleicht schon zu erkennen, um welche Art von Schiff es sich handelt? Und welche Farbe es hat?“
Hasard schwieg einen Moment und verstellte die Optik noch ein klein wenig.
„Die Konturen des Schiffes heben sich zwar noch etwas undeutlich gegen die Küste ab“, sagte er dann, „aber ich denke, Ihre Frage läßt sich schon mit ziemlicher Genauigkeit beantworten. Es ist eine dreimastige Galeone. Was die Farbe betrifft, so möchte ich behaupten, daß sie schwarz ist – jawohl, sie ist ganz schwarz gepönt.“
Miguel de Pereira zuckte heftig zusammen.
„Dann ist es die ‚Madre de Deus‘!“ kreischte er aufgeregt und bekreuzigte sich. „Haben Sie mich verstanden, Senhor Killigrew? Das – ist – mein – Schiff!“
„Sie waren nicht zu überhören, mein Freund“, erwiderte Hasard mit einem Lächeln. „Außerdem funktioniert mein Gehör noch ausgezeichnet.“
6.
Miguel de Pereira schrie in einem derart lauten Befehlston nach seinem dürren Leidensgenossen, daß sich einige Arwenacks grinsend fragten, ob der entmachtete portugiesische Kapitän wohl das Kommando über die Schebecke übernommen hätte.
Rafael Cegos stolperte halbblind den Niedergang zum Achterdeck hinauf und starrte seinen Kapitän aus geröteten und immer noch tränenden Augen an.
„Zur Stelle, Senhor!“ meldete er überflüssigerweise.
De Pereira zeigte mit ausgestrecktem Arm hinüber zur Küste. „Unser Schiff! Die ‚Madre de Deus‘! Was sagen Sie dazu, Cegos?“
Cegos rieb sich die Augen, riß sie dann weit auf und blickte in die angezeigte Richtung.
„O Santa Clara!“
„Bestätigen Sie Kapitän Killigrew, daß dies unser Schiff ist!“ fügte de Pereira mit Kommandostimme hinzu.
Hasard fiel dem aufgeregten Portugiesen ins Wort. „Aber wozu denn, Senhor de Pereira? Denken Sie, ich glaube Ihnen nicht?“
„Beim heiligen Felipe – das ist tatsächlich die ‚Madre de Deus‘!“ murmelte Cegos und starrte wie hypnotisiert zu der Bucht, auf die die Schebecke mit achterlichem Wind zulief.
Hasard seufzte, und bevor Cegos noch weitere Heilige männlichen oder weiblichen Geschlechts bemühen konnte, sagte er: „Dann hätten wir diesen Punkt also zu aller Zufriedenheit geklärt. Ich schlage vor, daß wir nun zur Sachlage übergehen, bevor wir auf Schußweite heran sind und uns die ersten Kugeln um die Ohren fliegen. Da die ‚Madre de Deus‘ von Meuterern übernommen wurde, dürfte klar sein, daß sie das Dorf angegriffen haben, dessen Häuser bereits am Ufer der Bucht zu erkennen sind.“
„Daran gibt es keinen Zweifel, Senhor Killigrew“, bestätigte de Pereira eifrig. „Dieser Jorge Alameda ist ein sehr habgieriger und hinterlistiger Bursche …“
„Außerdem scheint er von der schnellen Truppe zu sein“, unterbrach ihn Hasard. „Wenn man bedenkt, daß die Meuterei erst heute morgen stattgefunden hat, sind die Burschen mit ihrem ersten Raid ganz schön fix bei der Hand. Man könnte fast meinen, sie hätten Übung darin.“
Miguel de Pereira zuckte fast unmerklich zusammen.
„Was wollen Sie damit sagen, Senhor?“ Ein neugeborenes Kind hätte kein unschuldigeres Gesicht zustande bringen können als de Pereira in diesem Augenblick.
„Ich habe lediglich festgestellt, daß die ehemaligen Mitglieder Ihrer Mannschaft sehr entschlußfreudig sind“, erwiderte Hasard mit unbewegtem Gesicht. „Kaum hatten die Meuterer Sie und Senhor Cegos über Bord geworfen, stürzten sie sich auch schon ins erste Abenteuer, so, als hätten sie es gar nicht erwarten können.“
Während der dürre Cegos vorzog, sich aus allem rauszuhalten, räusperte sich de Pereira nachhaltig.
„Das alles paßt zu Alameda“, erklärte er. „Es gab schon früher ständig Ärger mit ihm, und offenbar hat er es verstanden, die Mannschaft heimlich gegen mich aufzuwiegeln. Das ist ja kein Kunststück, wie Sie mir bestätigen werden, Senhor …“
„Meinen Sie?“ unterbrach ihn Hasard. „Dann versuchen Sie das mal an Bord dieses Schiffes.“
„Aber ich bitte Sie, Senhor Killigrew!“ entgegnete der Portugiese entrüstet. „Es gibt doch in jeder Mannschaft Leute, die mit irgend etwas unzufrieden sind. Selbst ein Koch kann es nicht jedem recht machen. Und gerade bei diesen Nörglern beginnen meiner Meinung nach die heimlichen Aufwiegler, ihren verderblichen Samen auszustreuen.“
Der Seewolf lächelte süffisant. „Was die Köche betrifft, kann ich Ihre Meinung bestätigen. Doch finde ich, daß zwischen der Unzufriedenheit über die Verpflegung und dem Ausbruch einer Meuterei ein sehr weiter Weg liegt.“
Der Kanonenschuß, der jetzt drüben in der Bucht krachte und irgendein Ziel am Ufer traf, das von Bord der Schebecke aus mit bloßem Auge noch nicht zu erkennen war, kam den Portugiesen sehr gelegen. Der Schuß lenkte das immer peinlicher werdende Gespräch rasch in andere Bahnen.
„Wenn ich mich nicht getäuscht habe, wurde eins der vier großen Boote getroffen, die neben den kleineren Fischerbooten liegen“, sagte Ben Brighton, der die Vorgänge mit dem Spektiv im Auge behalten hatte.
„Dann scheinen sie uns noch nicht bemerkt zu haben“, sagte Hasard. „Die Burschen konzentrieren sich offenbar voll auf ihr schmutziges Handwerk.“
„Wie werden Sie im weiteren vorgehen, Senhor Killigrew?“ fragte de Pereira hastig, als wolle er verhindern, daß der Engländer an das vorausgegangene Gespräch anknüpfte.
Der Seewolf antwortete mit einer Gegenfrage: „Was würden Sie unternehmen, wenn sie Kapitän auf unserem Schiff wären, Senhor de Pereira?“
Der Portugiese fühlte sich geschmeichelt und hatte sofort eine Antwort parat.
„Ich würde die ‚Madre de Deus‘ entern, sie wieder unter meinen Befehl bringen und die Meuterer der Strafe zuführen, die das Gesetz unseres Landes für solches Gesindel vorsieht: Ich würde sie samt und sonders hängen.“
„Das hört sich, was den Ablauf der Dinge betrifft, sehr einfach an“, sagte Hasard. „Nur bleiben einige Fragen dabei ungeklärt.“
„Und die wären?“ fragte de Pereira spitz.
„Dem Entern geht in der Regel ein hartes Gefecht voraus, sofern sich nicht die günstige Gelegenheit bietet, den Gegner völlig zu überraschen. Danach sieht es in diesem Fall nicht aus. Bei einem Gefecht aber fliegen in der Regel die Fetzen, so daß rechtzeitig die Frage entschieden werden muß, ob man sein Schiff ganz oder – notfalls – auch stückchenweise zurückhaben möchte. Weiter sollte man im voraus überlegen, mit welcher Besatzung man eine nicht eben kleine Dreimastgaleone bewegen möchte, wenn man gedenkt, die Crew nach der Übernahme des Schiffes aufzuhängen. Ich zweifle zwar nicht an Ihren seemännischen Fähigkeiten, aber Sie und Senhor Cegos allein dürften dieses Kunststück wohl kaum zustande bringen.“
Miguel de Pereira schluckte hart, und seine zuckenden Wangenmuskeln verrieten, daß er scharf nachdachte.
„Wie dem auch sei, Senhor Killigrew, ich muß die, ‚Madre de Deus‘ um jeden Preis wiederhaben. Ich kann es mir aus geschäftlichen Gründen und auch im Hinblick auf mein persönliches Ansehen nicht leisten, ohne das Schiff nach Lissabon zurückkehren, und muß Ihnen gestehen, daß ich im stillen weitgehend mit Ihrer Hilfe gerechnet habe. Da mir die Gelegenheit einmalig günstig erscheint, möchte ich Ihnen folgenden Vorschlag unterbreiten: Wenn es Ihnen gelingt, den Meuterern die ‚Madre de Deus‘ in einigermaßen unversehrtem Zustand abzujagen, und wenn Sie einen Teil Ihrer eigenen Mannschaft dafür abstellen, um sie nach Bombay zu segeln, zahle ich Ihnen dafür einen Preis, dessen Höhe Sie selbst bestimmen dürfen. Momentan bin ich zwar – bedingt durch die Meuterei – ohne finanzielle Mittel, doch dieser Umstand wird sich in Bombay ohne weitere Probleme lösen lassen.“
Dem Seewolf ging die Dreistigkeit und Arroganz de Pereiras gegen den Strich.
„Sie scheinen vergessen zu haben, Senhor, daß auch wir als Kaufleute unterwegs sind und nicht als Eroberer von portugiesischen Schiffen. Aus Gründen der Menschlichkeit war es für uns selbstverständlich, Sie aus dem Wasser zu ziehen, und wir sehen unsere Christenpflicht als erfüllt an, wenn wir Sie und Senhor Cegos im nächstgelegenen Hafen an Land setzen. Ich riskiere jedoch nicht leichtfertig das Leben meiner Männer, indem ich mich in fremde Angelegenheiten mische.“
„Aber, Senhor, warum steuern Sie dann diese Bucht an? Ich dachte, es ginge auch Ihnen um die Befreiung der ‚Madre de Deus‘?“ Der Portugiese rang bestürzt die Hände.
Hasard lächelte ungerührt.
„Im Augenblick habe ich eher den Eindruck, als hätten die Bewohner des Küstendorfes eine Befreiung wesentlich nötiger. Natürlich schauen wir nicht tatenlos zu, wie ein Piratenschiff ein wehrloses Dorf zusammenschießt, um es danach auszuplündern. So etwas schadet dem Ansehen aller Weißen und aller Schiffe aus unseren Breitengraden.“
„Sie werden also eingreifen?“ In den Augen de Pereiras glomm ein Funken Hoffnung.
„Nur, soweit das nötig sein wird“, erwiderte Hasard. „Und wohlgemerkt – es geschieht in erster Linie im Interesse der Dorfbewohner. Wir werden nicht mehr und nicht weniger tun, als zu deren Schutz notwendig ist, selbst wenn das bedeuten sollte, daß es am Ende keine ‚Madre de Deus‘ mehr gibt.“
„Wie – wie soll ich das verstehen, Senhor Killigrew?“
„Am besten so, wie ich es gesagt habe“, entgegnete Hasard. „Ich lasse mich nämlich nicht gern als Esel vor fremde Karren spannen. Auch nicht gegen Bezahlung.“
7.
Die Vorgänge in der Bucht waren inzwischen auch mit bloßem Auge zu erkennen. Eins der vier größeren Boote, die offenbar voll beladen waren, hatten die Piraten in Stücke geschossen und versenkt. Auch einige massiv gebaute Steinhäuser, die dicht am Ufer standen, waren von den Kanonenkugeln schwer beschädigt worden.
In der Deckung der Häuser hatte sich eine Anzahl Dorfbewohner verschanzt und feuerte zeitweise mit Musketen auf das fremde Schiff, das in die Bucht gesegelt war und mit den Dorfbewohnern Katz und Maus zu spielen schien.
Die Inder wußten wohl, daß sie mit ihren einfachen Waffen nichts gegen die Piraten ausrichten konnten, so lange diese ihr Schiff nicht verließen und auf Distanz blieben. Doch sie waren fest entschlossen – und sei es durch sinnlose Musketenschüsse –, ihre Verteidigungsbereitschaft zu demonstrieren.
Die Schnapphähne hingegen schienen sich absichtlich Zeit zu lassen.
„Die haben längst bemerkt, daß sie keine große Gegenwehr zu erwarten haben“, bemerkte Ben Brighton. „Sie begnügen sich damit, die Dorfbewohner durch gelegentliche Kanonenschüsse und entsprechende Treffer zu zermürben. Wenn der hoffnungslose Widerstand schließlich aufgegeben wird und die Leute in die Wälder und Plantagen fliehen, gehen sie an Land, um das Dorf zu plündern.“
„Diese Schlafmützen haben uns doch tatsächlich noch nicht bemerkt“, sagte Hasard. „Ich finde, wir sollten ihnen endlich zeigen, daß sie nicht allein auf der Welt sind. Zumindest müssen wir sie – solange wir noch nicht auf Schußweite heran sind – davon abhalten, noch weiteres Unheil da drüben anzurichten.“
Ben nickte. „Das wird auch die verängstigten Dorfbewohner beruhigen. Die Männer hinter den Häusern haben uns natürlich längst gesichtet. Vermutlich nehmen sie an, daß wir den Piraten Verstärkung bringen. Es wird ihnen guttun, wenn sie feststellen, daß das Gegenteil der Fall ist.“
Hasard hob die Hand.
„Al“, rief er. „Unsere Begrüßung ist fällig.“
„Aye, Sir.“ Der schwarzhaarige Stückmeister grinste.
Wenige Augenblicke später brüllte eins der Backbordgeschütze auf. Die schwere Eisenkugel riß eine hohe Fontäne aus dem silbrig schimmernden Wasser.
Der Schuß blieb nicht ohne Wirkung. Auf der „Madre de Deus“ entstand augenblicklich Wuhling. Laute Kommandos wechselten mit wütenden Flüchen. Die Kerle rannten plötzlich wie Ameisen durcheinander.
Das wiederum lag nicht nur an dem unerwarteten Auftauchen der Schebecke, sondern auch an der äußerst ungünstigen Gefechtsposition der Galeone.
Die Meuterer waren nämlich in die Bucht gesegelt, um dort den Dorfbewohnern ihre Backbordseite zu präsentieren. Die Arwenacks aber blieben ein Stück außerhalb der Bucht, so daß sie die breite Einfahrt weitgehend unter Kontrolle halten konnten. Wer also in die Bucht hinein oder aus ihr heraus wollte, mußte sich notgedrungen mit ihnen anlegen.
So gesehen, saß die „Madre de Deus“ in einer Falle. Trotzdem wollte Jorge Alameda, ihr neuer „Kapitän“, die Bucht unbedingt verlassen, solange sich die Schebecke noch an der linken Seite der Buchteinfahrt bewegte.
Die Arwenacks lachten.
„Die Burschen wollen tatsächlich ein Wettsegeln veranstalten, Sir!“ rief Edwin Carberry. „Das erinnert mich an ein gewisses kleines Rennen auf der Themse, als sich so ein Hochwohlgeborener mal wieder eine Abfuhr holen wollte.“
Es war von vornherein klar, daß die Galeone mit der Schnelligkeit der Schebecke nicht konkurrieren konnte. Eine Konfrontation der beiden Schiffe würde sich deshalb kaum vermeiden lassen.
Miguel de Pereira und Rafael Cegos waren gegen ihren Willen von Hasard auf die Kuhl geschickt worden. Der Seewolf wollte verhindern, daß die beiden schon von weitem von den Meuterern erkannt wurden.
Die Schnapphähne würden nur noch angriffslustiger und mordgieriger werden, wenn sie erfuhren, daß de Pereira und Cegos noch am Leben waren und womöglich schon bald versuchen würden, jedes erreichbare portugiesische Schiff auf die Jagd nach der „Madre de Deus“ zu schicken.
Außerdem hatte Hasard de Pereira noch einmal unmißverständlich klargemacht, daß er nicht beabsichtigte, sich in die Angelegenheiten der Portugiesen einzumischen. De Pereira würde in Bombay sicherlich genug Landsleute antreffen, die bereit wären, ihn bei seinem Rachefeldzug zu unterstützen.
Auf der „Madre de Deus“ hatte man inzwischen auch noch den letzten Fetzen Tuch gesetzt. Auf dem Achterdeck stand ein hochgewachsener, kräftiger Mann mit dunklem Bart und brüllte pausenlos seine Anweisungen. Laut de Pereira handelte es sich um Jorge Alameda, den Schiffszimmermann.
Die Galeone, die in panischer Eile der offenen See zustrebte, bot der rasch heransegelnden Schebecke die Steuerbordseite dar. Die geöffneten Stückpforten und die Mündungen der Kanonen hoben sich nur undeutlich von der schwarzen Bordwand ab.
„Wenn die Großmutter des Teufels wirklich über einen Nachttopf verfügte, dann muß er so aussehen wie dieses Schiff“, meinte Edwin Carberry, der an einer der achteren Drehbassen auf Station war. „Außen mit schwarzem Pech gepönt und inwendig nichts als ein Haufen – nun ja, Unrat.“
Die Nervosität der portugiesischen Schnapphähne war unverkennbar. Einerseits zeigte sie sich durch die anhaltende Wuhling, andererseits durch eine Überreaktion. Statt den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz der Geschütze abzuwarten, gab Alameda viel zu früh den Feuerbefehl. Seine Kerle gehorchten nur zu gern, weil das Krachen der Schüsse die offenbar vorhandene Spannung etwas abzubauen schien.
Im Handumdrehen blitzten auf den Decks der Galeone Musketenschüsse auf. Diesen folgten Feuerzungen, die grell aus den Rohren einiger Culverinen hervorstachen. Das Wummern der Schüsse dröhnte wie ein Monsungewitter über die Bucht. Wolken aus grauschwarzem Pulverdampf sorgten zeitweise für schlechte Sicht.
Doch die Schüsse lagen allesamt zu kurz und ließen lediglich das Wasser aufspritzen. Entweder war das Ganze als eine Art Imponiergehabe aufzufassen, oder die Portugiesen hatten in der allgemeinen Aufregung die Schußweite falsch eingeschätzt.
Die Seewölfe ließen sich nicht zu voreiligen Reaktionen hinreißen. Für sie war der richtige Zeitpunkt erst gekommen, wenn die Galeone versuchte, aus der Bucht zu schlüpfen. Die Meuterer feuerten jedenfalls schon vorher aus allen Rohren, um den für sie so wichtigen Durchbruch um jeden Preis zu schaffen.
Das war ein großer Fehler!
Noch während die Portugiesen in fieberhafter Eile damit begannen, die leergefeuerten Geschütze der Steuerbordseite nachzuladen, ließ Hasard hart nach Steuerbord abfallen, wodurch die Schebecke innerhalb kürzester Zeit auf Parallelkurs zur „Madre de Deus“ kam.
Jetzt hob er erneut die Hand.
„Al – Feuer frei für die ersten drei Backbordgeschütze und die vorderen Drehbassen!“
Die Mannen an den Culverinen hatten bereits mit brennenden Lunten auf den Befehl gewartet und preßten das züngelnde Feuer sofort auf die Zündkanäle. Gleich darauf stießen die Kanonen ihre Ladungen mit einem infernalischen Krachen zu der Galeone hinüber.
Das häßliche Geräusch von zersplitterndem Holz bildete gewissermaßen das Echo. Da der Wind die Schwaden des Pulverqualms rasch auseinanderriß, konnten die Arwenacks die Auswirkungen der Schüsse genau mitverfolgen.
Ein Meistertreffer, der die Handschrift Al Conroys trug, hatte der Galeone den Besanmast abgeknickt und über Bord gefegt. Im Schanzkleid der Kuhl klaffte ein riesiges Loch; ein weiteres – zwar kleiner, aber gefährlicher – saß genau in der Wasserlinie. Das Schiff zog ohne Zweifel Wasser.
„Hoffentlich sind hinter diesem Loch nicht gerade die Bordjuwelen versteckt!“ röhrte der Profos grinsend. „Die Senhores werden wohl oder übel lenzen müssen.“
„Das ist wenigstens eine ehrliche Arbeit“, sagte Ben Brighton, „ehrlicher, als fremde Dörfer zu überfallen.“
Die Schebecke glitt schnell an der Galeone vorbei und fiel hart nach Steuerbord ab. Dadurch gelangte sie in einen Winkel, der für die Kanonen der „Madre de Deus“ sehr ungünstig war. Zwar krachten die Steuerbordgeschütze der Portugiesen noch einmal, aber das war eher eine blindwütige Reaktion als ein sinnvoller Angriff.
Entsprechend groß war auch das zornige Gebrüll der Meuterer, die inzwischen bemerkt hatten, daß ihr Schiff leckte. Allein dadurch hatten sie zunächst mal alle Hände voll zu tun.
Als Schiffszimmermann erkannte Jorge Alameda sofort, daß im Augenblick nur zwei Dinge wichtig für das Schiff waren – zum einen die Flucht vor dieser schnellen englischen Schebecke und zum anderen die Reparatur der Schäden.
Vor allem mußte das Leck an der Wasserlinie so rasch wie möglich abgedichtet werden. Dabei konnten sie noch froh sein, daß die Engländer außer einer Drehbasse nur drei Culverinen auf sie abgefeuert hatten. Nicht auszudenken, was im Falle einer vollen Breitseite passiert wäre.
Er erklärte seinen Kumpanen sofort, daß es bei dem derzeitigen Zustand ihres Schiffes zu riskant wäre, das Gefecht fortzusetzen, ja, daß man sogar froh sein müsse, wenn die Engländer von einer Verfolgung absehen würden.
Während die Schebecke eine Wende fuhr, um notfalls ein zweites Mal zuzuschlagen, nahm die „Madre de Deus“ schleunigst Kurs auf die offene See.
Die Schnapphähne ahnten nicht, daß die Besatzung der Schebecke nur deshalb von einer Verfolgung absah, weil sie dem Schiff Miguel de Pereiras nicht noch mehr gezackte Löcher verpassen wollten.