Kitabı oku: «Der Duft von Pfirsichen», sayfa 3

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Sie mied Kyles Blick und stand auf. Das Publikum zeigte seine Zustimmung, indem es noch lauter wurde, während sie zur Bühne ging.

„Es ist ein paar Jährchen her“, sagte Hope ins Mikrofon, „aber ich glaube, an das hier wirst du dich im Handumdrehen wieder erinnern.“

Die Band stimmte das mitreißende Intro zu „Country Girl“ an. Zoe nahm das Mikrofon von Hope entgegen, die rasch die Bühne verließ.

Zoe und der Sänger lächelten sich an. Ihre Hände zitterten, aber sie klopfte mit dem Fuß den Takt, einen einfachen Four-on-the-floor-Rhythmus. Sie wechselte einen Blick mit dem Schlagzeuger, einem alten Klassenkameraden, der ihr ermutigend zunickte.

Rawley begann mit der ersten Strophe, und Zoe merkte, wie sich ihr Körper im Rhythmus der eingängigen Melodie bewegte. Die Bühnenscheinwerfer waren nicht so hell wie bei den Gigs, die sie sonst spielte. Sie konnte vertraute Gesichter erkennen, Freunde, die sie jahrelang nicht gesehen hatte. Sie lächelten und klatschten mit. Die Tanzfläche füllte sich, bis man sich kaum noch bewegen konnte.

Als der Refrain begann, hob Zoe das Mikro und fing an, die zweite Stimme zu singen. Sie wechselte Blicke mit Rawley und spielte mit der Situation. Das Lied machte Spaß, der Text war schnell, der Beat schmissig, und Zoe wurde einfach mit hineingezogen.

Als der Refrain zu Ende war, machte Rawley eine Handbewegung, und sie hob das Mikro und begann mit der zweiten Strophe. Ihr Herz wummerte, ihr war heiß. Aber die Worte fanden zu ihr zurück, als hätte sie sie nie vergessen, und eine Heiterkeit, wie sie sie seit Jahren nicht mehr verspürt hatte, füllte sie bis zum Bersten.

Das Publikum liebte einfach alles, es liebte sie, und obwohl ihr die Puste ausging, war die gute Laune ansteckend.

Als es wieder Zeit für den Refrain war, fiel sie erneut in die zweite Stimme. Ihre Stimme harmonierte mit Rawleys, als hätten sie das hundertmal geübt. Sie wackelte mit den Hüften und nickte mit dem Kopf und überließ sich ganz dem spielerischen Text.

Der Gitarrist begann sein Solo, und Rawley drehte sie, bis ihr schwindelig wurde. Der Bogen des Fiedlers flog nur so über die Saiten, und der Schlagzeuger trommelte einen gut abgestimmten Hintergrundrhythmus. Der Lead-Gitarrist lehnte sich zurück, während seine Finger den Hals der Gitarre bearbeiteten, und der Bassist wandte sich ihr zu, während er im Takt mit dem Kopf nickte.

Sie war es gewohnt, in einer Band zu singen, aber sie hatte sich noch nie so sehr wie ein Teil davon gefühlt. Ein letztes Mal schmetterten sie den Refrain, und Zoe merkte, dass sie sich wünschte, das Lied würde den ganzen Abend dauern.

Aber wie alle guten Dinge kam auch das zu einem Ende. Der Schlagzeuger und die anderen Musiker bereiteten ein großartiges Finale in den letzten paar dynamischen Takten vor. Und dann war es vorbei. Ein beinahe ohrenbetäubender Jubel füllte die plötzliche Stille.

„Danke!“ Zoe war ganz rot vor Freude, als sie Hope das Mikro zurückgab und die Bühne verließ.

„Was hab ich euch gesagt?“, fragte Hope. „Gebt noch einmal alles für unsere Heldin, hier aus Copper Creek – Zoe Collins!“

Zoes Knie schlotterten vor Aufregung, und sie strahlte ihre Freunde und Nachbarn an, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnte. Menschen klatschten mit ihr ab und umarmten sie.

Als sie sich ihrem Tisch näherte, traf sich ihr Blick mit Kyles. Er stand da, wartete mit seinem üblichen Lächeln auf sie, aber der Blick in seinen Augen ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.

Ihre gute Laune verließ sie so schnell wie Luft einen geplatzten Ballon, und sie hatte Mühe, ihr Lächeln zu wahren.

Er zog sie in eine Umarmung, die nach außen hin aussehen musste, als wollte er ihren Erfolg mit ihr feiern. Aber der zu feste Druck und das Grollen in ihrem Ohr ließen keinen Zweifel an seiner Stimmung.

„Hol Gracie. Wir gehen.“

Jetzt zitterte sie aus einem anderen Grund. Sie zog sich zurück und wandte sich Brady zu.

„Das war schön, Schwesterchen“, sagte Brady mit lauter Stimme, um die Musik zu übertönen.

„Danke.“ Sie streckte die Arme nach Gracie aus, und er überreichte ihr das schlafende Mädchen.

„Du gehst doch jetzt nicht?“, fragte er.

„Ähm, doch. Die Kleine muss ins Bett. Gute Nacht zusammen.“ Sie traute sich nicht, Cruz in die Augen zu sehen.

Sie strebten zum Ausgang. Das Lächeln in ihrem Gesicht fühlte sich an wie aus Plastik und Kyles Hand in ihrem unteren Rücken heiß und irgendwie erstickend.

Der schnelle Stimmungswechsel machte sie erschöpft und durcheinander und wütend zugleich. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss, die Musik wurde ein paar Dezibel leiser. Leise genug, dass sie den Kies unter ihren Füßen knirschen und die Grillen zirpen hören konnte, während sie zu der Wiese gingen, auf der Kyle seinen Mustang geparkt hatte.

Er kam an ihre Seite und ließ seine Hand fallen. „Was war das?“, fragte er kurz angebunden.

Sie verlagerte Gracie und versuchte, etwas Reue zusammenzukratzen. Aber sie fühlte kein Bedauern. Sie hatte sich in diesen drei Minuten lebendiger gefühlt als in den letzten Jahren. Für ein paar kurze Minuten hatte sie sich daran erinnert, wer sie einmal gewesen war.

Und, Himmel, sie vermisste dieses Mädchen.

„Es war nur ein Lied, Kyle.“

„Du hast mit Rawley geflirtet. Mitten auf der Bühne, wo alle es sehen konnten!“ Er machte das Gleiche mit Lindsay, der Keyboarderin in ihrer Band.

„Das war nur Teil der Show.“

Er schnappte sie am Ellbogen und zwang sie mit einem Ruck, anzuhalten.

Gracie rutschte, und Zoe fasste sie enger, damit sie ihr nicht hinunterfiel.

„Du hast mich zum Narren gemacht!“

„Ich habe nur gespielt.“

„Hast du auch gespielt, als du den ganzen Abend über Huntley angestarrt hast? Glaubst du, ich merke es nicht, wenn du ihm die ganze Zeit mit deinen Blicken folgst?“

„Das stimmt nicht.“

In seinen Augen blitzte etwas auf. „Du hast mit ihm geredet!“

„Nein, das habe ich nicht.“

Seine Finger gruben sich in ihren Arm. „Lüg mich nicht an.“

„Du tust mir weh.“ Weil sie Gracie nicht mehr halten konnte, ließ sie das Mädchen an ihrem Bein hinabgleiten. Gracie wimmerte im Schlaf, als sie sich auf dem Boden niederließ.

Zoe versuchte, einen Schritt von ihr wegzugehen, aber Kyle packte sie an beiden Armen und grub seine Finger tief in ihr Fleisch, bis sie vor Schmerz zusammenzuckte. Sein Atem überzog ihr Gesicht mit dem Gestank nach Bier und Zorn.

„Ich hätte nie damit einverstanden sein dürfen, zu bleiben. Wir fahren ab, jetzt, sofort.“ Seine Augen feuerten wütende Blicke auf sie ab. Sein Gesicht war wutverzerrt.

Sie sollte sich fürchten.

Aber stattdessen schoss ihr die Hitze in den Nacken, und ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie wusste nicht, ob es an der guten Landluft lag oder an dem Moment auf der Bühne oder daran, dass sie Menschen in der Nähe wusste, die sie liebten.

Was auch immer es war, sie fand Mut, wie sie ihn seit Jahren nicht mehr gespürt hatte.

„Weißt du was, Kyle? Es geht nicht immer nur um dich und um das, was du willst.“

Überraschung blitzte in seinen Augen auf, dann umschloss seine Hand schmerzhaft ihren Ellbogen. „Was hast du da gerade gesagt?“

Ihr Herz war kurz davor zu explodieren, und ihr Mund war trocken wie die Wüste.

Aber irgendwie brachte sie die Worte heraus: „Du hast mich gehört. Und ich reise nirgendwohin ab. Ich bleibe hier.“

Redete sie über das Rusty Nail oder über Copper Creek? Davon, vorübergehend zu bleiben oder für immer?

Selbst als sich seine Lippen auf die Art verzogen, die sie noch nie hatte leiden können, selbst als seine kalten, zusammengekniffenen Augen sie musterten, konnte sie sich nicht dazu überwinden, die Worte zurückzunehmen.

KAPITEL 5

Cruz verlagerte sein Gewicht auf dem Stuhl, während sein Blick zum zehnten Mal zum Eingang huschte, durch den Zoe und Kyle vor weniger als einer Minute verschwunden waren. Die Gespräche am Tisch gingen weiter, aber er bekam nichts davon mit.

Hier stimmte etwas nicht. Es war eigenartig, dass sie nach Zoes Vorstellung so schnell verschwunden waren. Und der Blick in Kyles Augen, während er sie aus dem Saal geführt hatte, machte ihm Sorgen.

Cruz dachte über all die Veränderungen nach, die ihm an Zoe aufgefallen waren, und die Grausamkeit in Kyles Stimme während ihrer kurzen Konfrontation vorhin. Ihm gefiel das nicht. Überhaupt nicht.

Er stand auf.

„Wo gehst du hin?“, fragte Brady.

„Nur … ich muss nur mal eben was nachsehen.“

Jetzt, wo er den Entschluss gefasst hatte, konnte Cruz gar nicht schnell genug nach draußen gelangen. Er wich den Tischen aus. Rasch durchmaßen seine langen Beine den Raum. Er drängte sich durch die Menge, die sich in der Nähe der Tür versammelt hatte, und mit jedem Schritt wuchs die Sorge in ihm.

Bis auf die Lichtlkegel der Straßenlaternen war der Parkplatz dunkel. Er war außerdem übervoll, der geschotterte Bereich war zugeparkt, sodass auch auf dem Rasen nebenan Autos standen. Er hatte keine Ahnung, wo Kyle und Zoe geparkt hatten. Inzwischen waren sie vielleicht schon weg.

Er hielt an, musterte die Umgebung, lauschte. Der schwere Bass klang durch die Wände des Restaurants. Nachtgeräusche mischten sich unter die gedämpfte Musik. In der Nähe klapperte eine Metallklammer im Wind gegen einen Fahnenmast.

Dann hörte er etwas anderes. Ein Schlurfen und ein Ächzen. Cruz‘ Füße bewegten sich, bevor sein Verstand hinterherkam. Sein Adrenalin schoss in die Höhe. Eilig schlängelte er sich um die geparkten Autos, während er seinen Blick über den vollen Parkplatz schweifen ließ. Die Musik wurde kurz lauter, als er sich der Hinterseite des Restaurants näherte, aber seine Augen hatten sich jetzt der Dunkelheit angepasst und erhaschten einen Blick auf die beiden dunklen Gestalten zwei Reihen weiter.

Er hörte Kyles Stimme, ein tiefes Grollen: „Steig ein!“

Cruz rannte bereits, als Kyles Schatten mit Zoes verschmolz. Plötzlich war da ein weiteres Stöhnen, und dann lag sie auf dem Boden.

Etwas Rotglühendes erwachte in ihm. Er rannte auf Kyle zu, hörte nur noch das Rauschen in seinen Ohren, war nicht mehr in der Lage zu denken.

Kyle machte einen Ausfallschritt in Zoes Richtung.

„Hey!“

Kyle drehte sich gerade rechtzeitig um, dass Cruz ihm eine Faust ins Gesicht donnern konnte. Der Mann taumelte rückwärts, stolperte über irgendetwas und ging mit einem Grunzen zu Boden.

„Zoe.“ Cruz ging auf sie zu, aber sie krabbelte zu ihrer Tochter hin, und aus dem Augenwinkel sah er, wie Kyle wieder auf die Füße kam.

Oh nein, ganz bestimmt nicht.

Cruz‘ Schlag landete mit einem befriedigenden Zack! in der Magengrube seines Gegners. Aber Kyle erholte sich schnell und wehrte sich mit einem Kinnhaken.

Ehe Cruz sich berappeln konnte, packte ihn jemand von hinten, und eine Stimme sagte: „Zurück, Kyle!“

Brady. Cruz kämpfte, aber Bradys Arme waren wie Stahlschlingen.

„Das reicht, ihr beiden!“, sagte Brady.

Kyle wischte sich seinen Mund mit dem Handrücken ab.

„Zoe!“ Hope war auch da und kauerte sich an Zoes Seite nieder.

Es dauerte einen Moment, bis Cruz begriff, dass das kleine Mädchen weinte. Sie musste das Hindernis gewesen sein, über das Kyle gestolpert war. Zoe tröstete das Kind in ihren Armen. Ein dunkler Faden Blut rann ihr aus dem Mundwinkel.

Eine dunkle Wolke Wut überkam ihn, und er drängte nach vorne, wollte ausbrechen. Fast hätte er es geschafft, aber Brady packte ihn noch einmal, und jemand anderes schnitt ihm den Weg mit ausgebreiteten Armen ab.

„Der Sheriff ist unterwegs“, sagte Brady. „Komm schon, beruhige dich. Wir wollen das alles nicht noch schlimmer machen.“


Hope half Zoe auf die Beine. Ihre Arme schlossen sich enger um ihre Tochter, deren Weinen zu einem leisen Schluchzen geworden war. Sie hatten sie schnell überprüft und nur einen Kratzer auf Gracies Bein gefunden.

Zoe wurde sich der sich ansammelnden Menschenmenge bewusst, wurde sich Cruz´ Anwesenheit bewusst, der von ihrem Bruder zurückgehalten wurde und Kyle wutentbrannt ansah.

Hitze stieg ihr in den Kopf, bis ihr ganz schwummerig war.

„Und das ist jetzt also der Dank?“, fragte Kyle mit kratziger Stimme und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. „Dafür, dass ich dich versorgt habe, mich gekümmert habe um …“ Er schaute Gracie bedeutungsvoll an und hob seinen Blick dann grausam drohend zu ihr.

Zoes Herz blieb stehen. Ihre Arme fassten Gracie fester. Er würde es nicht sagen. Er würde eher sterben, als die Wahrheit zu sagen. Das Geheimnis preiszugeben, das es ihm erlaubte, sie zu besitzen. Zu kontrollieren. Das es ihm jetzt ermöglichte, über Cruz zu herrschen, ganz nah und persönlich.

Der Moment zog sich in die Länge, die Zeit verging schleichend.

Endlich presste Kyle seine Lippen zusammen und hob hämisch die Mundwinkel. Er machte eine Bewegung in ihre Richtung, aber ein paar Kerle sprangen ihm in den Weg, und jemand packte ihn von hinten.

„Der Sheriff ist unterwegs, Kyle“, sagte einer. „Besser, du verschwindest hier, bevor er eintrifft. Du willst doch nicht in den Knast, oder?“

„Der geht nirgendwohin“, sagte Brady. „Der Knast ist genau das, was er verdient hat.“

Dem Blick auf Cruz‘ Gesicht nach war das auch genau das, was er wollte.

„Nein“, sagte Zoe. „Bitte … Ich will einfach nur, dass er verschwindet. Das war genug Drama für einen Abend.“

„Dann lässt du es besser, Kyle“, sagte jemand.

Kyle durchbohrte Zoe mit einem furchterregenden Blick und nannte sie etwas, das ihr Gesicht merklich wärmer werden ließ.

„Das reicht jetzt, Kyle!“, sagte Brady, der sich bemühte, Cruz weiter festzuhalten.

„Ohne mich bist du gar nichts!“, brüllte er.

In Zoes Kopf lichtete sich der Nebel. Sie sah die Szene und hörte Kyles Worte mit einer Klarheit, die sie lange nicht mehr empfunden hatte. Erinnerte sich an all die Arten und Weisen, mit denen er sie manipuliert, wie er sie kleingehalten, wie er sie zurückgehalten hatte.

Ihr Rücken reckte sich, als sie ihm geradewegs ins Gesicht sah. Sie war fertig. Sie war fertig damit, seinen Willen zu tun. Fertig damit, ihre Gefühle beiseitezuschieben. Fertig damit, jemand zu sein, den sie nicht einmal erkannte.

„Geh einfach, Kyle“, sagte sie.

Kyle stach mit dem Finger nach ihr. „Wir sind fertig! Ruf mich nicht an. Schreib mir nicht. Hörst du mich, Zoe? Du bist fertig.“

Er riss die Autotür auf und stieg ein. Eine Sekunde später drehten die Räder durch und feuerten Grasbüschel hinter sich. Dann schoss der Wagen aus der Parklücke.

„Ich bin fertig mit dir“, flüsterte sie.

KAPITEL 6

Zoe saß in Hopes Büro im Rusty Nail. Allmählich wurde ihr das Ausmaß des Ganzen bewusst.

Der Sheriff war aufgetaucht, als Kyle gerade weg war. Sie hatte keine Anzeige erstattet, obwohl alle sie dazu ermutigt hatten. Sie wollte einfach, dass diese Nacht endlich ein Ende nahm. Ein Sanitäter hatte sich um Gracie und sie gekümmert. Alles würde schnell wieder gut werden.

Körperlich zumindest.

Nachdem der Sheriff sich verabschiedet hatte, zerstreute sich die kleine Menschenmenge, kehrte zurück zu Freunden und unterbrochenen Unterhaltungen. Jetzt stand ein ganz neues Gesprächsthema auf dem Zettel. Bis morgen früh würde der Tratsch sich in der ganzen Stadt verbreitet haben.

Die Musik spielte weiter, der Bass war bis ins Büro der Geschäftsleitung zu hören.

Hope tupfte Zoes Lippe vorsichtig mit einem Papiertaschentuch ab. „Tut mir leid, falls das wehtut.“

„Alles gut.“

Im Waschraum nebenan wusch Brady Gracies Bein ab, und Cruz stand wie ein Schutzengel in der Bürotür. Mit seinen angespannten Gesichtsmuskeln und den dunklen, bohrenden Augen sah er respekteinflößend aus. Eines dieser Augen schwoll gerade an. Am Morgen würde er ein ordentliches Veilchen haben. Seine Arme waren vor dem Körper verschränkt. Unter den Ärmeln wölbten sich seine Muskeln. Nicht ein einziges Mal hatte er mit ihr gesprochen.

Erst jetzt fing Zoe an, den Schmerz in ihrem Unterkiefer zu spüren. Das würde ein blauer Fleck vom Feinsten werden. Aber die Verletzung war nichts, verglichen mit der dämmernden Erkenntnis, was ihre Umstände anging.

Kyle war weg. Er war mit Gracies Kindersitz verschwunden – mit ihrem Auto. Seinem Auto, ermahnte sie sich. Es lief auf seinen Namen. Wie alles andere auch, von dem sie sich gerade verabschiedet hatte. Vermutlich hielt er auf seinem Weg aus der Stadt hinaus kurz am Hotel und nahm alles mit, was sie mitgebracht hatten.

„Was habe ich nur gemacht?“ Mit zitternden Fingern umklammerte sie ihre Handtasche – ihre letzte Habseligkeit.

„Etwas, das du schon längst hättest tun sollen“, sagte Hope entschieden.

„Du verstehst das nicht.“

„Er hat dich geschlagen, Zoe. Das ist nicht okay.“

„Ich weiß.“

Zoe zuckte schmerzhaft zusammen, als Hope die Wunde abtupfte. Aber die Verletzung tat nicht annähernd so weh wie ihr Stolz. War sie so tief gesunken?

„Entschuldigung.“ Hopes Berührung wurde sanfter. „Hat er das schon mal gemacht?“

„Nein.“

Hope zog die Augenbrauen über den grünen Augen hoch und schaute sie skeptisch an.

„Hat er wirklich nicht.“ Vielleicht hatte er sie ein- oder zweimal geschubst. Aber nur, wenn sie ihn wirklich aufgeregt hatte. Und zu Gracie war er immer nur lieb gewesen.

Gracie.

Sie hatte nicht einmal Kleidung zum Wechseln für die Kleine. Oder einen Schlafplatz. Sie schloss die Augen, während der Sorgenpegel anstieg wie ein Bach im Frühling.

„Es wird alles gut werden“, sagte Hope. „Wirst schon sehen.“

„Ich habe kein Auto. Ich habe keine Arbeit“, sagte sie leise; sie wollte nicht, dass Cruz oder Brady das hörten. „In meiner Handtasche habe ich nur zwanzig Dollar! Meine Kreditkarte läuft auf seinen Namen, die wird er sperren lassen.“

Hope umfasste ihre ruhelosen Hände. „Du hast eine Familie, und wir werden uns um dich kümmern.“

Zoe riss sich los. „Ich will mich nicht umsorgen lassen!“

Sie hatte es so satt, umsorgt zu werden. Hatte es satt, andere Leute Entscheidungen für sie treffen zu lassen. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen? Früher war sie so unabhängig und mutig und kämpferisch gewesen. So wie Granny. Das hatten alle gesagt.

„Du hast das Bauernhaus und die Plantage. Lass uns einfach einen Tag nach dem anderen angehen. Möchtest du heute Nacht dort bleiben oder bei mir zu Hause schlafen?“

„Sie bleibt nicht allein.“

Zoe sah Cruz wütend an.

„Er könnte zurückkommen.“

„Das stimmt“, sagte Hope, die von Cruz zu Zoe sah. „Meinst du, das wird er machen?“

Sie musste zugeben, dass er recht hatte, und auch das war ihr zuwider. Sosehr sie auch ihre vernachlässigte Unabhängigkeit hochhalten wollte, musste sie doch auch an Gracie denken. Kyle hatte sich zwar so angehört, als wäre er fertig mit ihr, aber er war unberechenbar. Konnte sein, er überlegte es sich noch mal, wegen all der Zeit und Mühe, die er in sie und ihre Beziehung investiert hatte. Von der Band ganz zu schweigen.

Komisch, dass Liebe nicht einmal jetzt ein Argument war. „Ich weiß es nicht.“

„Er wird seine Tochter nicht einfach so gehen lassen.“ Das kam von Cruz.

Zoe kniff die Lippen zusammen. Sie begegnete Hopes Blick. Sie wussten beide, dass Kyle keinen gesetzlichen Anspruch auf Gracie hatte, aber das würden sie Cruz ganz sicher nicht sagen.

„Warum bleibst du heute Nacht nicht einfach bei mir?“, fragte Hope. „Auf dem Heimweg halten wir bei Walmart an und besorgen das Nötigste.“

Gracie betrat das Zimmer. Ihre roten Locken tanzten, Brady folgte ihr auf dem Fuß. Ihre Tochter sah nicht weiter angeschlagen aus. Zoe hoffte, dass sie zu schläfrig gewesen war, um alles richtig mitbekommen zu haben.

Sie kletterte auf Zoes Schoß und gab mit ihrem Pflaster an. „Guck, Mama! Onkel Brady hat mein Aua heile macht.“

Zoe zwang sich zu lächeln. „Das sehe ich, meine Kleine. Hat er ein Küsschen daraufgemacht?“

„Nein.“ Sie schaute Brady mit gerunzelter Stirn an. „Onkel Brady, du hast kein Küsschen auf mein Aua macht!“

„Entschuldigung, Süße. Ich übe noch.“

Zoe gab dem Pflaster einen dicken Kuss. „Na siehst du. Viel besser.“

Stirnrunzelnd hielt Gracie die Wangen ihrer Mama in beiden Händen. „Mama, du hast ja auch ein Aua!“

„Ich weiß, Schätzchen, aber das ist schon viel besser.“

Gracie beugte sich vor und küsste ihren Mundwinkel. „Jetzt ist es viel besser.“


Cruz beobachtete Zoe. Ihre Unterlippe schwoll an, der Riss im Mundwinkel sah rot und fies aus. Ihr Kinn lief im selben Maß blau an, wie sich seine Stimmung verdüsterte.

Er wünschte, er hätte ein paar Treffer mehr landen können, bevor Brady eingegriffen hatte. Wünschte sich, man hätte Kyle ins Gefängnis gesteckt, wo er hingehörte. Was fiel dem eigentlich ein, eine Frau zu schlagen? Eine Frau, um die er sich doch eigentlich kümmern sollte? Und was hatte er Zoe und ihrer Tochter in den Jahren, in denen sie weggewesen waren, sonst noch angetan?

Kein Wunder, dass sie nur noch ein Schatten ihres früheren Ichs war.

Und dennoch war das Erste, was Cruz getan hatte, als er Kyle Auge in Auge gegenübergestanden hatte, ihn zu provozieren. Er zuckte zusammen. Überwältigende Schuldgefühle überkamen ihn. Er sah Zoe schwanken, als Hope ihr auf die Beine half, und fand im Stillen allerlei Namen für seine Dummheit.

Brady nahm das kleine Mädchen, und Hope schnappte sich Zoes Handtasche.

„Übernachtet sie bei dir?“, fragte Cruz Hope, als sie bei ihm waren.

„Ja, aber wir machen noch einen Schlenker beim Supermarkt vorbei.“

„Sie sollte zum Arzt gehen und sich untersuchen lassen.“

Zoe erwiderte seinen Blick unverwandt. „Hört auf, von mir zu reden, als wäre ich gar nicht da.“

Er war froh, endlich einen Funken Zorn in diesen grünen Augen zu entdecken, auch wenn der sich gerade gegen ihn richtete. „Tut mir leid.“

Ihm tat so viel mehr leid als nur das. Sein Blick fiel auf ihr anschwellendes Kinn, und er streckte eine Hand aus, um sie zu streicheln. Aber ebenso schnell ließ er die Hand auch wieder fallen. Er hatte kein Recht, sie zu berühren.

„Besser, du legst so schnell wie möglich Eis drauf“, sagte er. „Das schwillt ziemlich übel an.“

„Selber.“ Ihr Blick wurde weicher, ehe sie ihn schnell wieder senkte. Sie räusperte sich. „Danke für deine Hilfe heute Abend.“

Er wartete einen Moment, aber sie sah ihn nicht wieder an.

„Jederzeit, Zoe.“

Er würde all ihre Drachen bekämpfen, jeden einzelnen davon, und sie brauchte ihn nicht einmal darum zu bitten. Das hatte damals gestimmt, und das stimmte heute noch. Das erste Mal seit Jahren erlaubte er sich, an ihre lange und komplizierte gemeinsame Geschichte zu denken. Erlaubte sich, sich daran zu erinnern, wie alles begonnen und wie alles geendet hatte.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
331 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783961400836
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