Kitabı oku: «Der Duft von Pfirsichen», sayfa 5
Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen. Vielleicht würde er dann die Süße von Zoes Lippen nicht kennen. Diesen unfassbaren Kitzel, als sie reagierte. Die schwere Last ihres Schmerzes.
Aber der Moment zwischen ihnen war passiert, und nun würde er sein Leben lang damit zubringen, ihn zu vergessen.
KAPITEL 10
Zoe stand nicht gerne vor dem Morgengrauen auf, schon gar nicht im Sommer. Aber es war Erntezeit, und Pfirsiche pflückte man am besten in der Kühle des frühen Morgens.
Nebel hing über den Bäumen, als sie auf der Plantage ankam, und die Luft roch nach Tau und Erde. Im Osten erhoben sich die Berge majestätisch aus dem Dunst. Tiefblaue und rosa Streifen zogen sich über den Himmel. Nichts kam einem Sonnenaufgang über den Blue Ridge Mountains gleich.
Granny war mit ihrer Mannschaft bereits bei der Arbeit. In ausgeblichenen blauen Jeans und Arbeitsstiefeln hockte sie auf einer Leiter; ihr Oberkörper war wie vom Baum verschluckt.
Der Pritschenwagen stand in der Mitte. Auf seiner Ladefläche warteten die Plastikbehälter darauf, gefüllt zu werden. Zoe grüßte ein paar Mitarbeiter – diejenigen, die sie kannte. Leises Gemurmel und das leise Plumpsen der Pfirsiche, die in die Behälter geworfen wurden, durchbrachen die morgendliche Stille.
Als Zoe näher kam, hörte sie, wie Granny ihr Lieblingslied summte, „Sunday Sunrise“. Das alte Lied von Anne Murray erinnerte Großmutter an ihren verstorbenen Mann, und sie summte es oft.
„Guten Morgen, Granny.“ Ihre Großmutter lächelte sie über die Schulter an. „Morgen, Süße. Schnapp dir eine Tasche und stürz dich rein ins Vergnügen. Die Pfirsiche haben genau den richtigen Reifegrad für die Ernte.“
Zoe holte sich einen Beutel von der Pritsche, streifte sich den Riemen über den Kopf und gesellte sich dann zu Grannys Pfirsichbaum, wo schon eine Leiter auf sie wartete. Sie stieg hoch, griff nach einem Pfirsich und drehte ihn vorsichtig ab, um ihn dann zur Nase zu heben und den süßen, vertrauten Duft tief einzuatmen.
„Sind sie nicht wunderschön? Schau dir die schöne rosige Färbung an. Dieses Jahr haben wir eine gute Ernte.“
„Sie riechen lecker.“ Zoe steckte den Pfirsich ein und griff nach dem nächsten. „Kann ich am Samstag rüberkommen und einen Cobbler mit dir machen?“ Keiner machte so einen leckeren Obstauflauf wie ihre Großmutter. Zoe konnte die süßen, vollen Pfirsiche und die butterige Streuselschicht beinahe jetzt schon auf der Zunge schmecken. Ihr Magen zog sich zusammen.
„Wenn es deinen Eltern recht ist.“
„Ich werde Mama bitten, mitzukommen. Dann machen wir einen Mädelstag daraus.“
„Klingt gut.“
„Guten Morgen, Ma’am.“
Beim Klang der vertrauten tiefen Stimme fiel Zoe fast von der Leiter. Sie drehte sich um und entdeckte Cruz Huntley, der, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, dastand.
„Morgen“, sagte Granny. „Du kommst genau richtig. Nimm dir einfach eine Tasche vom Laster und komm zu uns. Brauchst du einen Auffrischungskurs? „Nein, Ma’am. Ich erinnere mich.“
Er sah sie kurz an, schaute aber schnell wieder weg. Er wirkte nicht besonders glücklich darüber, sie zu sehen. „Morgen, Zoe.“
Sie hob das Kinn. „Morgen.“
Zoe sah ihm nach, als er wegging. Ihr Herz schlug lächerlich schnell. Sie schaute zurück zu ihrer Großmutter, die mit dem Pflücken weitermachte, als hätte sie nicht gerade Zoes Welt durcheinandergewirbelt.
Granny war die Einzige, die von ihren verwirrenden Gefühlen für Cruz wusste. Die wusste, wie er sie letzten Herbst geküsst und sich dann bei ihr entschuldigt hatte, um sie danach monatelang zu ignorieren. Zoe konnte nicht anders – sie fühlte sich ein wenig hintergangen.
„Was macht der denn hier?“, flüsterte sie durch die belaubten Zweige des Baums.
Granny hatte nicht einmal einen Blick für sie übrig. „Er braucht die Arbeit, Süße.“
„Er arbeitet doch im Eisenwarenladen.“
„Tja, dann braucht er wohl ein bisschen Taschengeld, nehme ich an. Vor ein paar Wochen ist er zu mir gekommen.“
„Du hast nicht daran gedacht, mich vielleicht mal zu warnen?“
„Es ist eine große Plantage, Schätzchen.“
Sie starrte ihre Großmutter mit weit aufgerissenen Augen an, aber noch ehe sie antworten konnte, kam Cruz zurück, der eine Leiter an den Baum nebenan stellte. Gleich neben ihnen!
Sie bedachte ihre Großmutter mit einem steinernen Blick, der der Frau aber völlig entging.
Eine ganze Zeit lang pflückten sie schweigend, aber Cruz’ Gegenwart hatte alles geändert. Anstatt das friedvolle Erwachen des Tages zu genießen, all das Schöne, was es zu sehen, zu riechen und zu hören gab, rang Zoe jetzt mit ihrem pochenden Herzen, mit rasenden Gedanken und zitternden Händen.
„Schaut nach einer sehr guten Ernte aus dieses Jahr, Ma’am“, sagte Cruz schließlich, als die Sonne sich über den Hügeln in der Ferne zeigte.
Sie hasste es, wie allein der Klang seiner tiefen Stimme ihr Herz rasen ließ.
„Oh ja, das stimmt. Das ist die Art Ernte, die mich am Laufen hält.“ Granny verschob das Gewicht ihrer Tasche. „Wie geht’s dir denn, drüben im Eisenwarenladen?“
„Ganz gut soweit. Ich arbeite ehrlich gesagt gerade an einer Beförderung.“
„Ach, echt? Das ist ja gut.“
„Wie ist es bei dir, Zoe?“, fragte Cruz. „Gehst du im Herbst aufs College?“
Sie riss einen Pfirsich vom Ast und legte ihn in ihre Tasche. „Weiß ich noch nicht.“
Sie steckte inmitten einer Schlacht epischen Ausmaßes mit ihrem Dad deswegen. Sie wollte ihre Musikkarriere weiterverfolgen, und ihr Vater wollte, dass sie auf dem College Kurse belegte, die sie langfristig auf ein Jurastudium vorbereiteten. Ihre Großmutter schien die Einzige zu sein, die ihr zutraute, dass sie sich selbst um ihre Zukunft kümmern konnte, aber das führte nur dazu, dass auch Granny mit Daddy in Zwist geriet.
Als sie nicht ausführlicher antwortete, trat Granny auf den Plan. „Sie will davonlaufen und ein großer Star werden – und das könnte sie wohl auch schaffen, mit diesem Gottesgeschenk von einer Stimme, die sie nun einmal hat.“
„Zweifellos. Aber das ist auch ein hartes Leben, Zoe. Warum solltest du davonlaufen, wo du doch das alles hier hast?“ Cruz hob die Hände mit den Handflächen nach oben. „Eine gute Stadt, gute Wurzeln, das ganze schöne Land hier …“
Granny gluckste. „Du bist ein kluger Junge. Wenn du noch ein kleines bisschen länger bleibst, werbe ich dich Bud noch ab.“
Zoe schoss Granny einen wütenden Blick zu und kletterte die Leiter hinunter. Ihre Tasche war noch nicht ganz voll, aber plötzlich konnte sie es kaum erwarten, sie zu leeren und sich einen anderen Baum zu suchen, den sie leerpflücken konnte.
KAPITEL 11
Es dauerte drei Wochen, bevor Zoe wieder mit Cruz sprach. Oh, sie sah ihn wohl hier und da auf der Plantage, aber sie sorgte dafür, dass sie weit weg von ihm pflückte. Sie sah ihn an der Tankstelle. Sie sah ihn in der Kirche. Sie sah ihn in der Menschenmenge beim Rusty Nail, als sie bei Brevity als Backgroundsängerin einspringen durfte. Sie sah ihn, wie er an seinem Tisch in der Ecke finster zu ihr hinaufsah.
Meistens schaffte sie es, nicht an ihn zu denken. Endlich hatte sie ihre Eltern dazu überreden können, ein Jahr mit der Schule auszusetzen. Sie waren nicht froh darüber, aber sie besänftigte sie, indem sie nachmittags in Daddys Kanzlei ein Praktikum machte. An den Wochenenden half sie ehrenamtlich im Tierheim aus.
Dort hatte sie Brownley kennengelernt, einen alten Coonhound, den jemand am Straßenrand ausgesetzt hatte. Er hatte braune Schlappohren und seelenvolle Augen, die zu leuchten begannen, wenn Zoe die Hand nach ihm ausstreckte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie überredete ihre Eltern, ihn behalten zu dürfen. Dann ging sie mit ihm zum Tierarzt, nur, um festzustellen, dass Brownley eine Erkrankung des Verdauungstraktes hatte, die tödlich ausgehen würde, wenn sie nicht bald behandelt würde.
Aber Zoe hatte nur 220 Dollar gespart, und ihr Dad weigerte sich, ihr auszuhelfen, sosehr sie ihn auch bat. Er wollte sie unbedingt davon überzeugen, dass sie eine gute akademische Ausbildung brauchte, und offenbar fand er, dies sei eine gute Gelegenheit, ein Exempel zu statuieren.
Nachdem in nur wenigen Tagen das Pfirsichfest stattfinden sollte, heckte Zoe also einen Plan aus, wie sie das Geld für Brownleys Operation zusammenbekommen könnte. Sie hatte nichts, was sie verkaufen könnte, auch nicht genug Zeit, eine ordentliche Menge Kuchen zu backen, und die Leute würden nicht dafür bezahlen, sie singen zu hören. Also entschloss sie sich, eine Kussbude zu eröffnen. Nur ein kleines Küsschen für den guten Zweck.
Am Samstag baute sie sie zwischen all den Kunsthandwerksständen und Spielbuden auf. Sie kleisterte ihr Rettet-Brownley!-Schild an die Fassade ihres Stands und leinte den Hund als optischen Anreiz in der Nähe im Schatten an. Sie befestigte ihr Schild mit der Aufschrift Kussbude, stellte ihre Sammelbüchse, ein großes altes Einmachglas, auf und war bereit.
Die Düfte nach Pfirsichgerichten füllten die Luft und ließen ihren Magen knurren. Leute bummelten umher, besuchten Nachbarn und hielten an, um ihre Kinder Spiele spielen zu lassen, bei denen es meistens um Plastikringe, Bälle und Wasserpistolen ging. Am Ende des Spazierwegs drehten Fahrgeschäfte endlose Runden und ließen die Fahrgäste kreischen und lachen.
Sie lehnte sich auf den hölzernen Fenstersims und versuchte, verlockend auszusehen. Das Festival zog Menschen aus dem ganzen Bundesstaat an, was ganz gut war, weil sie hoffte, dass sie niemanden küssen musste, den sie hinterher tatsächlich wiedersehen würde.
Bei fünf Dollar pro Kuss würde sie eine Menge Kunden brauchen. Und wenn man überlegte, wie wenig Erfahrung sie hatte, war das Ganze vermutlich reine Abzocke. Aber das wäre es wert, wenn sie damit nur genug Geld für Brownleys Operation zusammenbekam.

Cruz schlenderte gerade die Fressmeile entlang, als er sie sah. Er musste eine Art Zoe-Radar in sich tragen, weil er immer schon fühlte, wenn sie in der Nähe war. Nadine Morgan, die sich vor einer Viertelstunde an seine Seite gedrängt hatte und nicht wieder verschwunden war, streifte beiläufig seine Hand – vermutlich in der Hoffnung, er würde sie nehmen. Aber sie war nicht sein Typ, und er würde ihr nichts vormachen.
Einen Augenblick, bevor sein Gehirn das Schild registrierte, riss er seinen Blick von Zoe los. Dann sah er wieder hin und kniff die Augen zusammen, um die fetten Buchstaben zu lesen. Er bemühte sich, an den Leuten vorbeizuschauen, die ihm den Blick verstellten – eine Schlange, die zu ihrem Stand gehörte, erkannte er.
Was um alles …
Sein Kiefer schnappte zu, seine Füße blieben wie angewurzelt stehen. Zwischen den Menschen hindurch konnte er erkennen, wie irgendein Typ eine Dollarnote in das Spendenglas steckte und sich zu Zoe vorbeugte.
Sein Herz randalierte in seiner Brust. Blut rauschte in seinen Ohren. Seine Füße bahnten sich einen Weg durch die Menschenmenge.
„Warte mal, Cruz …“ Nadines Jammerstimme hörte er kaum.
Er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Hemd des Kerls zu packen, der seine Lippen gerade über Zoes zog.
„Hey …!“ Der Mann stolperte rückwärts.
Cruz schaute Zoe wütend an, die die Augen weit aufgerissen hatte. Ihr Lippenstift war verschmiert, und ihr Mund war immer noch feucht von dem Kuss. Er schaffte es kaum, sich davon abzuhalten, ihr mit der Hand über den Mund zu fahren. Sich davon abzuhalten, diesen Typen abzuwischen und alle anderen auch.
„Ich habe für diesen Kuss bezahlt“, beschwerte sich der Kerl. Er sah aus, als wäre er ungefähr in Cruz‘ Alter, obwohl er einen guten Kopf kleiner war.
Cruz durchbohrte ihn mit seinem Blick. „Und du hast auch einen bekommen. Und jetzt geh weiter.“
Der Mann sank langsam unter Cruz‘ wütendem Blick in sich zusammen, strich dann sein Hemd glatt und zog ab.
Zoe stemmte die Fäuste in die Hüften. „Verschwinde von meinem Stand.“
Es war schlimm genug, dass er zusehen musste, wie sie Kyle Jimmerson auf der Bühne schöne Augen machte. Schlimm genug, dass er zusehen musste, wie sie mit Roland Henry zum Abschlussball gegangen war. Und jetzt sollte er zusehen, wie jeder notgeile Kerl in Murray County sie abschleckte?
„Eine Kussbude, Zoe? Ist das dein Ernst?“
Sie sah ihn wütend an. „Du verscheuchst meine Kunden“, zischte sie.
„Gut! Weiß deine Familie, dass du das hier machst?“
„Ich bin volljährig. Ich brauche meine Eltern nicht um Erlaubnis zu bitten, wenn ich einen Stand beim Jahrmarkt aufmachen will.“
„Das verstehe ich als Nein.“
„Du kannst das als geht-dich-gar-nichts-an verstehen!“
„Hat die Festivalleitung dem zugestimmt?“
„Natürlich. Ich bin doch nicht blöd.“
„Mach den Stand zu, Zoe. Jetzt.“
„Du bist nicht mein Bestimmer, Cruz Huntley.“
„Hey …“, sagte jemand hinter ihm. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Wir wollen auch mal dran.“
Cruz warf dem ersten Mann in der Reihe einen Blick zu, der ihn hätte töten sollen. Der schaute zwar weg, blieb aber stehen.
Als Cruz Zoe wieder ansah, hatte sich der Blick in ihren Augen verändert. Sie hob eine Braue. „Vorsichtig. Sonst denke ich noch, du bist eifersüchtig.“
„Bilde dir bloß nichts ein.“
„Wenn du sie nicht küssen willst, geh weiter, Freundchen!“
„Ja, genau, Cruz. Willst du mich küssen?“
Er biss die Zähne zusammen, bis seine Kiefer schmerzten.
Zoe sah ihm über die Schulter, verschränkte dann die Arme und neigte den Kopf. „Dein Date langweilt sich.“
„Sie ist nicht mein …“ Er schnaubte und beschloss, seinen Atem nicht mehr zu verschwenden. „Ich rufe Brady an.“
Sie senkte das Kinn. „Mach doch. Der arbeitet heute in Ellijay. Und ich werde diesen Stand nicht schließen, bevor ich das Geld zusammenhabe, also kannst jetzt mal schön abdampfen.“
Er riss seinen Blick von ihr los, und seine Augen blieben an einem weiteren Schild hängen. Rettet Brownley! Er überflog den kurzen Abschnitt unter der Überschrift.
Ein Hund. Sie verkaufte ihre Küsse für irgendeinen blöden Köter. Er entdeckte den besagten Hund hinter der Bude, wo er mit heraushängender Zunge und Ohren, die fast bis auf den Boden reichten, ganz unschuldig unter einem Schattenbaum lag.
„Zieh ab, Cruz.“
Er bemerkte ihren trotzigen Gesichtsausdruck und die Entschlossenheit in ihren Augen. Diesen Blick kannte er. Sie würde nicht gehen, es sei denn, er warf sie sich über die Schulter. Und sosehr es ihn juckte, genau das zu tun, konnte er nicht den ganzen Tag auf sie aufpassen. In einer Stunde musste er bei der Arbeit sein.
Er fluchte auf Spanisch, zog den Schild seiner Kappe herunter und fixierte sie mit einem harten Blick.
Mit trotzigen Augen hielt sie ihm stand und beobachtete ihn misstrauisch, bis er auf der Ferse kehrtmachte und ging.

Sie war mit den Gedanken bei Cruz, während sie sich durch die kurze Schlange küsste. Manchmal versuchten die Männer, den Kuss zu vertiefen, aber dann drückte sie ihnen einfach die Hände auf die Brust und schob sie sanft weg. „Deine fünf Dollar sind durch, Kumpel.“
Im Allgemeinen waren ihre Kunden anständig und die Spenden großzügig. Wenn sie so weitermachte, würde sie morgen Abend genug zusammenhaben. Bei dem Gedanken an zwei weitere Tage Küsse ließ ihr Enthusiasmus spürbar nach. Es hatte sich schnell gezeigt, dass diese hier bei weitem nicht an den Kuss mit Cruz herankamen. Es war, als würde man Äpfel und Orangen vergleichen. Oder Toast Melba mit einem herrlich warmen Pfirsichauflauf.
Sie zwang sich zu lächeln, als ihr Kunde davonstolzierte und sich noch einmal zwinkernd zu ihr umsah.
„Der Nächste!“
Eine Handfläche klatschte auf das Sims.
Bei dem plötzlichen Knall und der Erschütterung zuckte sie erschrocken zusammen.
Cruz stand vor ihr. Er versuchte, ein dickes Bündel Geldscheine in den schmalen Schlitz des Spendentopfs zu stopfen, und nagelte sie dabei mit seinem Blick fest.
„Was machst du da?“
Sein Gesichtsausdruck wirkte wild entschlossen, finstere Falten hoben sich steil zwischen seinen Augenbrauen, und in seinen Augen braute sich ein Gewitter zusammen, während er sie wortlos wutentbrannt ansah. Er klopfte noch ein letztes Mal auf das Geldbündel, und die Scheine schafften es endlich durch den Schlitz, um im Inneren wie Schmetterlinge auseinanderzustieben.
Er packte ihr Gesicht mit beiden Händen, zog sie näher und knallte seine Lippen auf ihre.
Es war vorbei, bevor sie überhaupt die Augen schließen konnte. Sie blinzelte gegen eine Welle Schwindelgefühls an, während sie ihm in die steinharten Augen starrte.
„Da. Du hast dein Geld verdient“, sagte er in so kurzangebundenem Ton, dass sie seine Stimme kaum erkannte. „Jetzt mach den Stand zu und geh nach Hause.“
Ohne den Blick von ihr abzuwenden, riss er die Schilder von ihrem Stand ab.
Zoe blinzelte benommen hinter ihm her, während er mit den Schildern fortmarschierte. Ihr Puls raste, und in ihr drin erwachte etwas zum Leben. Etwas Warmes und Schönes. Etwas, das sie von innen nach außen lächeln ließ.
Sie sollte sauer auf ihn sein. Er war selbstherrlich und rechthaberisch gewesen, und beides duldete sie nicht, nie. Aber er hatte gerade eine Summe gespendet, die vermutlich dem Lohn von zwei Arbeitswochen entsprach, und das hatte er getan, damit sie sonst niemanden küsste.
Mit zitternden Fingerspitzen berührte sie ihre Lippen. Der Kuss war hart und wütend gewesen. Aber es war verflixt noch mal auch der beste gewesen, den sie den ganzen Tag bekommen hatte.
KAPITEL 12
Cruz hätte an der Kussbude nie seine Beherrschung verlieren dürfen. Zoe hatte nur ungefähr zwei Sekunden gebraucht, um ihn zu durchschauen. Als er ihr am nächsten Sonntag in der Kirche über den Weg lief, lag ein wissender Blick in ihren Augen. In der hämisch gehobenen Augenbraue, in den Zügen ihrer Lippen. Oh ja. Sie war ihm auf die Schliche gekommen. Aber anstatt das geradeheraus anzugehen, wie er es von ihr erwartet hätte, wählte sie einen anderen Weg.
Sie machte ihn geradezu wahnsinnig.
Wenn er ihr auf der Straße über den Weg lief, warf sie ihm neckische Blicke zu, legte einen besonderen Schwung in ihren Gang, zwinkerte ihm zu. Wenn sie mit Brevity Liebeslieder sang, stellte sie sich nah an Kyles Seite und schmachtete ihn an, als wäre er ihre Rettung. Sie strich ihm mit der Rückseite ihrer Finger übers Gesicht, während sie sang, bis Cruz kurz davor war, sie in ihrem Zimmer einzusperren. Oh ja. Das kleine Luder wusste ganz gut, was es tat.
An den Abenden, an denen sie nicht sang, tanzte sie mit den anderen Jungs. Mit vielen Jungs, an die sie sich schmiegte, während sie Cruz Blicke zuwarf, die deutlich Na, was willst du dagegen machen? ausdrückten.
Er würde aufhören, ins Rusty Nail zu gehen, das würde er tun. Schließlich konnte man nur ein gewisses Maß aushalten. Aber er hätte schwören können, dass sie seinen Terminkalender kannte, weil sie ihm immer dann über den Weg lief, wenn sie eine Verabredung hatte. Er versuchte, sich ihr Verhalten nicht unter die Haut gehen zu lassen, aber sie mit anderen Männern zu sehen brachte ihn dazu, mit der Faust ein Loch in die Wand schlagen zu wollen.
Im Herbst ging Brady zurück an die Uni und ließ ihn ein bisschen einsam zurück. Cruz‘ Mutter hatte im Blue-Moon-Grill Fuß gefasst und bekam ordentlich Trinkgelder. Außerdem ging sie mit einem netten Geschäftsmann aus Atlanta aus und schien auf dem besten Weg zu einer Verlobung zu sein.
Im Winter wurde Cruz im Eisenwarenladen befördert und bekam eine Lohnerhöhung, und mit 21 Jahren konnte er endlich in eine eigene Wohnung ziehen. Es war zwar nur eine Wohnung über dem Büro von Mitchell Construction, genau gegenüber vom Rusty Nail, aber immerhin war es seine. Weil sich seine Mom gerade in einem sicheren Leben niederließ, war dieser erste Vorgeschmack von Unabhängigkeit besonders süß.
Er hatte sich darauf gefreut, Brady in den Frühlingsferien zu Besuch zu haben, aber Familie Collins beschloss, es sei die perfekte Zeit, Granny mit nach Kalifornien zu nehmen, um dort ihren Bruder und seine erwachsenen Kinder zu besuchen. Zoe blieb zu Hause, weil Brevity ein Konzert in Atlanta spielen sollte und weil die übliche Backgroundsängerin gerade ein Kind bekommen hatte.
Heute spielte die Band im Rusty Nail, also fand sich Cruz allein zu Hause wieder. Er brauste den einen Teller von seinem Abendessen kurz ab und stellte ihn in die Spülmaschine. Er versteckte sich doch vor einem kleinen Hühnchen, wenn man mal ehrlich war.
Idiota.
Er schloss gerade die Klappe des Geschirrspülers, als sein Telefon in der Hosentasche summte. Er warf einen Blick aufs Display und sah Bradys Namen.
„Hey, Kumpel. Wie ist es in Kalifornien?“
„Wo bist du?“ Bradys Stimme war heiser und angespannt.
„In meiner neuen Wohnung. Was ist los, ist etwas passiert?“
„Es geht um Mom.“ Das letzte Wort klang, als müsste er es sich aus der Kehle pressen.
„Was ist passiert?“ Cruz wartete mit stolperndem Herzen, bis Brady sich wieder gefangen hatte.
„Es … es hat einen Unfall gegeben. Wir sind Fahrrad gefahren. Jemand ist über eine rote Ampel gebrettert und hat Mom erwischt. Sie …“ Bradys Stimme brach.
Sein Schluchzen riss Cruz fast das Herz aus der Brust. „Atme mal tief durch, Amigo“, sagte er eine Weile später. „Es wird wieder gut werden. Wir stehen das durch.“
„Sie hat es nicht gepackt, Cruz.“ Seine Stimme brach. „Sie lebt nicht mehr.“
Die Worte ließen ihn erstarren. Oh nein. Oh Mann.
Zoe. Sie würde am Boden zerstört sein. Sie und ihre Mutter standen sich nahe, waren oft Verbündete gegen ihren Vater.
Aber was war er denn bittschön für ein Freund, wenn er an Zoe dachte, während sein Freund am anderen Ende der Telefonleitung weinte?
Cruz packte das Haar in seinem Nacken. „Oh Mann, das tut mir leid. Das tut mir so schrecklich leid.“
Er stellte sich Mrs. Collins vor, mit ihrer königlichen Haltung und den freundlichen blauen Augen. Sie war nicht unbedingt die warmherzigste Mutter, besonders nicht im Vergleich zu seiner eigenen Mama, aber sie war immer gutmütig und fair gewesen.
„Geht es dir gut? Ich meine, ist sonst noch jemand verletzt worden?“
„Nur Kleinigkeiten. Kratzer und blaue Flecken, das ist alles. Dad ist völlig fertig. Und Granny …“
„Oh Mann.“ Nellie Russel hatte nur noch eine weitere Tochter, Bradys leibliche Mutter. Aber die war wer weiß wo, auf Drogen. Er konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was sie fühlen musste. Wollte es auch gar nicht.
Brady schniefte und schien einen Versuch zu unternehmen, sich zusammenzureißen. „Du … du musst Zoe finden.“
Sein Herz sank, während ihm die Luft aus den Lungen entwich. „Sie ist im Rusty Nail. Brevity spielt heute Abend.“ Er warf einen Blick auf die Uhr. Sie fingen nicht vor neun an, und jetzt war es Viertel vor.
„Kannst du sie holen gehen?“
„Ja, ja, na klar. Du … du willst, dass ich es ihr sage?“ Bitte nicht. Den Gedanken daran, ihr das Herz zu brechen, konnte er kaum ertragen.
„Sie sollte es von mir hören. Aber ich will nicht, dass sie allein ist, wenn ich es ihr sage, und wo doch unsere ganze Familie hier ist …“
„Okay. In Ordnung. Ich gehe sie holen, und dann rufe ich dich zurück.“
Er wischte den Anruf weg, schlüpfte in die Schuhe und ging zur Tür. In einem Nebel aus Verzweiflung eilte er die Außentreppe hinunter.
Dios ayudarles. Hilf ihr.
Die schwüle Luft legte sich schwer auf seine Haut, und seine Atmung war kurz und schnell. Dem wummernden Bass folgend, der die Nacht durchbrach, überquerte er die verlassene Straße.
Im Rusty Nail angekommen, drängelte er sich durch die dichte Menschenmenge. Die Band hatte noch nicht angefangen zu spielen, und „Don’t Stop Believing“ dröhnte aus den Lautsprechern. Aber über die Köpfe hinweg sah er, dass die Gruppe sich an der Seite der Bühne aufhielt. Er suchte nach Zoe und entdeckte sie, wie sie sich mit dem Schlagzeuger unterhielt. Lachend warf sie ihren Kopf zurück, und sein Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken an den Schmerz, den seine Botschaft ihr gleich bescheren würde.
„Hey!“, sagte jemand, als Cruz ihn beiseitedrängte, aber davon ließ er sich nicht aufhalten. Er stellte zu niemandem Blickkontakt her und reagierte auch nicht auf die Begrüßungen, die er ohnehin kaum hörte. Seine Augen waren wie ein Laserstrahl auf Zoe gerichtet.
Und dann war er hinter ihr. „Zoe.“ Seine Kehle wurde eng, zog sich bei ihrem Namen zusammen.
Er räusperte sich, berührte sie an der Schulter und hob seine Stimme, um die Musik zu übertönen. „Zoe.“
Sie drehte sich um. In ihren Augen spiegelte sich Überraschung, bevor ihr wieder einfiel, wie die Dinge zwischen ihnen standen.
Sie hob eine Augenbraue und legte den Kopf schief.
„Du musst mit mir mitkommen.“
Sie lachte scharf auf. „Ja, klar. Ich bin gleich dran, Cruz.“ Sie drehte sich um, um ihr unterbrochenes Gespräch weiterzuführen.
Er nahm sie am Ellbogen und beugte sich vor. „Ich weiß, aber du musst dich eben entschuldigen. Ich muss mit dir sprechen. Es ist wichtig.“
„Jetzt? Du musst jetzt mit mir sprechen?“
Kyle legte eine Hand auf Cruz‘ Schulter und schubste ihn. „Hau ab, Freundchen. Sie will dich nicht. Komm schon, Zoe. Es ist Zeit.“
Sie wandte sich zur Bühne.
„Es ist etwas passiert, Zoe. Du musst mit Brady sprechen. Das kann nicht warten.“
Ihre Stirn zog sich kraus, und in ihren Augen blitzte Sorge auf. „Brady ist … Brady ist doch in Kalifornien …“
„Ich weiß. Er hat mich gerade angerufen.“
Einen langen, schmerzhaften Moment lang schaute sie ihm in die Augen. Dort musste sie die Furcht und das Mitleid gesehen haben, die ihm schwer im Magen lagen, denn die Besorgnis in ihren Augen verwandelte sich in Furcht.
„Ich muss weg“, rief sie Kyle zu.
Cruz führte sie durch die Menschenmenge, die Hand an ihrem unteren Rücken. Am Rande nahm er wahr, wie Kyle hinter ihnen einen Tobsuchtsanfall bekam. Doch bald schluckte die Musik seine Protestrufe. Cruz drückte die Tür auf, und sie traten ins Freie.
Sobald sie draußen waren, wirbelte Zoe zu ihm herum. „Was ist passiert?“
Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er nahm sie am Ellbogen und zog sie über die Straße. „Lass uns zu mir gehen. Brady will, dass du ihn anrufst.“
Er zog sie weiter.
„Sag du es mir!“
Sie waren beinahe bei der Treppe, die zu seiner Wohnung hinaufführte, als sie anhielt und die Füße in den Boden stemmte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich gehe nirgendwohin, bevor du mir nicht sagst, was hier los ist.“
Ihre Blicke trafen seine Augen und forderten ihn zu einem Kampf auf, den er nicht kämpfen konnte. Nicht heute.
Sie wühlte in ihren Hosentaschen herum. Er begriff, dass sie nach ihrem Telefon suchte. Aber das musste sie wohl im Restaurant gelassen haben, schloss er aus ihrem leisen Grollen. „Sag es mir!“
Jetzt musste sie mit in seine Wohnung kommen. „Komm mit“, sagte er sanft.
Er begann, die Stufen hinaufzusteigen, und ihr blieb keine andere Wahl, als zu folgen.
Sie packte ihn am Arm und hielt ihn nach dem ersten Schritt auf. „Sag mir, was passiert ist, Cruz Huntley! Warum bist du so grausam?“
Es lag daran, wie ihre Stimme bei dem letzten Wort ins Wanken geriet. Daran, wie Tränen ihre grünen Augen flüssig aussehen ließen. Wie ihre Unterlippe ein ganz klein bisschen zitterte.
Langsam atmete er aus. Er hatte sein eigenes Telefon in der Wohnung gelassen, und er würde sie keine Sekunde länger quälen. Nicht, wenn sie ihn so ansah.
Langsam machte er einen Schritt nach unten, und sie ließ ihre Hand fallen.
„Liebes …“ Er zwang sich dazu, die Worte zu sagen. „Es geht um deine Mama.“
„Wa… was ist denn mit ihr?“
Er wäre lieber von einer Klippe gesprungen, als die nächsten Worte zu sagen. Er legte seine Finger auf ihren Arm, musste sie berühren, musste sie erden. „Sie hatte einen Unfall. Sie war Fahrrad fahren, und sie ist überfahren worden. Es tut mir so leid. Sie hat es nicht geschafft.“
Sie erstarrte für einen langen Moment. Ihre Tränen glitzerten im Mondlicht. „Nein … das erfindest du nur.“
Sein Daumen strich über ihre heiße Haut. „Nein, Liebes. Es tut mir so leid.“
„Du erfindest das nur!“
Seine Kehle wurde eng. „Lass uns nach oben gehen und Brady anrufen.“
„Du erfindest das nur …“ Diesmal bröckelten ihre Worte weg. Ihre Knie gaben nach.
Er fing sie auf, schlang ihr die Arme um die Mitte. Schloss sie in die Arme.
„Nein!“ Sie schob ihn von sich weg, wand sich und wehrte sich. Er hielt sie fester.
„Lass mich gehen! Warum machst du das? Es ist nicht wahr!“ Sie schlug ihn auf den Rücken. „Es ist nicht wahr!“
Seine Kehle brannte. „Es wird wieder gut werden, Zoe. Das verspreche ich.“
Oben angekommen schob er sie durch die Tür und ließ es zu, dass sie sich seinen Armen entwand.
Sie schubste ihn ein letztes Mal und durchbohrte ihn mit ihrem Blick.
Er holte sein Telefon und wählte.
„Gib mir das Telefon!“
Brady ging sofort dran. „Ist sie da?“
„Sie weiß es schon. Ich musste es ihr sagen. Es tut mir leid.“
Brady seufzte; vor Erleichterung, hoffte Cruz. „In Ordnung. Lass mich mit ihr sprechen.“
Ein Teil der Wut wich aus Zoes Gesicht, und etwas viel Schlimmeres nahm ihren Platz ein. Sie streckte die Hand aus, die in dem Raum zwischen ihnen zitterte. Er reichte ihr das Handy, sie hob es an ihr Ohr und hielt die Luft an, während sie lauschte.
„Nein …“, wimmerte sie. Tränen strömten über ihr Gesicht, und ihr Körper bebte so sehr, dass Cruz befürchtete, sie würde gleich zusammenbrechen.
Er zog sie sanft mit sich in den übergroßen Sessel und legte den Arm um sie, als könnte er sie damit vor dem Schmerz beschützen.
„Okay“, sagte sie kurz darauf zu Brady und reichte das Telefon dann an Cruz weiter.
Cruz hielt es sich ans Ohr. „Ich bin’s.“
„Bleib bei ihr, okay?“ Bradys Stimme brach.
„Das mache ich. Das mache ich. Mach dir keine Sorgen.“
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.