Kitabı oku: «Ich weiß nur, dass ich dich liebe», sayfa 2

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DREI

Zac stützte die Ellbogen auf seine Knie und schaute zu, wie die Schwester Lucy den Venenzugang herauszog. Sie hatten ihr etwas für den Magen gegeben, etwas gegen die Kopfschmerzen und auch etwas zur Beruhigung. Lucys Augen waren geschlossen, und ihre Stirn war nicht mehr ganz so angespannt, seit die Medikamente zu wirken begannen.

Die Schwester ging wieder, und Zacs Blick glitt über Lucys Gesicht – ihre zarten geschwungenen Augenbrauen, die helle Haut und ihren roten Kussmund. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert, hatte immer noch dieselben verletzlichen blauen Augen, die an ihm zerrten, ihn richtiggehend wie an einer Schnur mit Haken zu sich hinzogen. Sie hatte die Haarspangen aus ihrem langen dunklen Haar gezogen, das ihr jetzt in üppigen Wellen über die Schultern fiel und einen Teil des hässlichen Krankenhausnachthemdes verdeckte. Wie froh war er gewesen, als sie endlich nicht mehr das Brautkleid anhatte!

Das Brautkleid. Als er sie dort am Hafen in dem Brautkleid auf der Bank hatte sitzen sehen, hätte er sich beinah wieder umgedreht und wäre gegangen. Es war erst sieben Monate her, dass sie verschwunden war. Wie hatte sie es nur geschafft, sich so schnell wieder zu verlieben und sogar zu verloben? Vielleicht war sie ja auch schon vorher verliebt gewesen. Vielleicht war das sogar der Grund, weshalb sie ihn verlassen hatte. Dieser Gedanke fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube.

Er lehnte sich auf dem Stuhl neben ihrer Liege zurück und verschränkte mit gerunzelter Stirn die Arme vor dem Körper.

Was, um Himmels willen, machte er hier eigentlich? Sie hatte einen Bräutigam, den sie liebte, und irgendwo in einer Kirche waren Menschen versammelt, die sich fragten, wo sie blieb.

Irgendwie passte das alles nicht zusammen. Was hatte sie unmittelbar vor ihrer Trauung allein auf der Damentoilette eines kleinen Restaurants zu suchen gehabt?

Lucy war nicht die Einzige, die Fragen hatte.

Doch seine Fragen musste er fürs Erste beiseitestellen. Gleich würde auch noch ein Arzt kommen und jede Menge Dinge wissen wollen. Lucy hatte alle Formulare und Fragebögen selbst ausgefüllt und beim Aufschreiben ihrer Adresse ohne zu zögern die ihrer Wohnung in Summer Harbor notiert.

Sie hatte offenbar keine Ahnung über das Ausmaß ihres Gedächtnisverlustes, und auch, wenn sie ihn dermaßen hatte hängenlassen kurz vor der Hochzeit, hatte er das Gefühl, sie beschützen zu müssen, indem er ihr alles möglichst schonend beibrachte.


Lucys Augenlider öffneten sich flatternd. Es ging ihr schon viel besser. Wie gut, dass es wirksame Medikamente gab. Sie hatte ein bisschen das Gefühl zu schweben, aber das gefiel ihr eigentlich ganz gut. Jedenfalls war es besser als diese Panik, die den ganzen Körper erfasst hatte.

Ihr Blick ging zu Zac, der vornübergebeugt auf dem Stuhl neben ihrem Bett saß. Gott sei Dank, er war noch da. Doch obwohl sie nicht richtig klar sehen konnte, bemerkte sie seine finstere Miene, und das tat ihr weh. Er war sonst immer so lieb, zärtlich und beschützend zu ihr gewesen.

„Warum bist du eigentlich wütend auf mich?“, fragte sie ihn jetzt flüsternd.

Er blickte mit einem Ruck auf, und seine Miene wurde weicher. „Geht es dir besser?“ „Ja, viel besser.“

„Gut“, sagte er. Dann stand er auf und ging auf der Längsseite des Zimmers auf und ab.

Er war sehr groß, hatte breite Schultern und überragte sie mit seinen 1,95 Metern um mehr als einen Kopf. Wenn er sie in die Arme schloss, fühlte sie sich auf eine Weise geborgen und geliebt, wie sie es nicht mehr erlebt hatte, seit sie ein kleines Mädchen war. Seine souveräne Art konnte einen ganzen Raum einnehmen, was im Moment auch tatsächlich der Fall war, weil er immer wieder mit großen Schritten im Zimmer auf und ab ging.

Irgendwann blieb er stehen, sah sie an und sagte: „Es gibt da ein paar Dinge, die du wissen musst, Lucy.“

Sie zog sich die Bettdecke hoch bis ans Kinn und fragte: „Was denn?“

„Diese … Hochzeit“, setzte er an und zeigte auf das Brautkleid, das an einem Bügel im offenen Schrank hing. „Also, das waren nicht wir beide, die da geheiratet haben.“

Sie blinzelte wieder, um ihn etwas deutlicher zu sehen und zu begreifen, was er da gerade gesagt hatte. „Was um Himmels willen willst du denn damit sagen?“, fragte sie völlig entgeistert.

Er holte tief Luft und erklärte dann ganz schnell: „Wir sind nicht mehr zusammen, Lucy.“

Wieso sagte er denn so etwas? Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Ihr kamen die Tränen, und sie hatte einen dicken Kloß im Hals.

„Schon seit ein paar Monaten nicht mehr. Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musst, aber der Arzt wird dir Fragen stellen, und du musst einfach wissen, dass du eine ziemlich große Erinnerungslücke hast.“

Sie fühlte sich, als ob dort, wo sonst ihr Herz war, ein riesiges schwarzes Loch klaffte. Das konnte unmöglich sein. Auf gar keinen Fall hatten sie sich getrennt. Zac liebte sie doch und sie ihn auch – sehr sogar.

Deshalb schüttelte sie nur immer wieder den Kopf und sagte: „Nein.“

Er kam näher ans Bett heran, blieb unmittelbar davor stehen, die Hände in den Hosentaschen, und sagte: „Doch, es ist so. Du hast eine Erinnerungslücke von mindestens sieben Monaten.“ Auch das sagte er in diesem furchtbar sachlich-nüchternen Tonfall, den sie schon immer schlimm gefunden hatte.

„Warum tust du das?“, fragte sie und musste ein Aufschluchzen unterdrücken.

„Weil du es wissen musst, und auch der Arzt muss es wissen, damit er herausfinden kann, was …“

Sein Blick blieb plötzlich bei der Zeitung hängen, die er am Kiosk gekauft hatte. Er nahm sie in die Hand und fragte: „Welches Datum haben wir heute, Lucy?“

„Heute ist … es ist … ich weiß es nicht. Der Tag unserer Hochzeit, also der 17. November.“ Daraufhin schaute sie ihm lange in die Augen. Beide sagten sie nichts, und sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so schutzlos und verwundbar gefühlt hatte.

„Wir haben gerade eben draußen am Hafen gesessen, Lucy. Hat sich das für dich wie November angefühlt?“

Sie überlegte angestrengt, konnte sich aber schon nicht mehr daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte. Hatte sie gefroren?

„Es ist nicht November, Lucy, sondern Juni.“

Sie schüttelte den Kopf. Nein, das konnte unmöglich sein. Sie hatte doch gerade ihre Wohnung für Thanksgiving dekoriert. Sie hatte die festliche Tischdecke herausgeholt und die braunen Kerzen und den großen Plüschtruthahn, der Truthahngeräusche machte, wenn man ihm auf den Bauch drückte. Den hatte Zac ihr vor ein paar Tagen geschenkt, und sie hatten beide so gelacht über das alberne Geräusch.

Er hielt ihr jetzt die Zeitung vor die Nase, und sie musste sich richtig anstrengen, um das Datum darauf zu erkennen. Es war der 15. Juni eines Jahres, an dessen Beginn sie sich nicht einmal erinnerte.

In ihrem Kopf drehte sich alles, ihr wurde heiß, und sie merkte, wie ihr im Nacken der Schweiß ausbrach. Sie wünschte, die Schwester würde kommen und die Dosis ihres Medikamentes gegen die Panik verdoppeln, denn allem Anschein nach ließ die Wirkung gerade nach.

„Jetzt beruhige dich doch …“, sagte Zac.

„Mir fehlen sieben Monate? Sieben Monate?“ Bei diesem Gedanken wurde ihr noch schwindeliger. Was war in diesen sieben Monaten passiert?

Ihr wurde eng um die Brust, und sie massierte die Stelle mit der Hand, wo es richtig wehtat. „Wir haben Schluss gemacht?“, fragte sie noch einmal ungläubig.

„Ja“, antwortete er darauf nur kurz und knapp.

Er war das Einzige, was in ihrem Leben jemals richtig gut gelaufen war, das Einzige, ohne das sie nicht leben konnte. Ihr Blick fiel auf das Brautkleid.

„Aber wenn wir gar nicht mehr zusammen sind, wieso habe ich denn dann ein Brautkleid angehabt? Kannst du mir das sagen?“

Sein Mund war schmal wie ein Strich, als er antwortete: „Nein, ich weiß es nicht.“

„Aber das kann nicht sein. Du denkst dir das alles doch nur aus, oder?“

„Warum sollte ich das denn tun, Lucy?“, entgegnete er mit beinah tonloser Stimme.

„Wir sind doch verlobt!“, brach es aus ihr heraus.

„Sind wir das wirklich, Lucy? Wo ist denn der Ring, den ich dir gegeben habe?“

„Na hier“, antwortete sie, hielt ihre Hand hoch und sah den Ring, den sie am Finger hatte, zum ersten Mal. Einen Ring mit einem Diamanten, und zwar einem sehr großen – jedenfalls nicht der Verlobungsring von Zac.

Sie stieß eine Art Wimmern aus und wurde wieder von Panik erfasst. „Was ist hier eigentlich los?“, fragte sie verzweifelt.

In dem Moment kam ein Pflegehelfer herein und sagte: „So, ich bringe Sie jetzt in die Radiologie zum CT.“ Er arbeitete schnell und umsichtig, kontrollierte noch einmal Lucys Personalien und kümmerte sich um die Infusion, bevor er das Bett in Bewegung setzte.

Lucy drehte sich noch einmal zu Zac um, und ihre Blicke begegneten sich. Reglos und mit versteinerter Miene stand er da, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Und dann war er genau so schnell verschwunden wie ihr Gedächtnis.


VIER

„Was ist denn das Letzte, woran Sie sich erinnern, Miss Lovett?“

Es war Mitternacht, und der Arzt stellte ihr jetzt seit etwa zehn Minuten Fragen, aber ihre Gedanken waren so verschwommen. Das CT sei in Ordnung, und auch sonst sähe alles gut aus, hatte er gesagt. Aber wieso konnte es gut aussehen, wenn es das doch eindeutig nicht war?

Der Arzt war etwa Mitte dreißig, hatte wirres dunkles Haar, blaue Augen und trug eine Nickelbrille. Irgendwie hatte er Ähnlichkeit mit Harry Potter. Wie konnte es sein, dass sie sich an Harry Potter erinnerte, aber nicht an den Verlust des einzigen Mannes, den sie je geliebt hatte? Wie konnten ihr sieben Monate ihres Lebens einfach fehlen? Sie hatte einen Freund – sogar einen Verlobten –, an den sie sich nicht erinnern konnte. Was hatte sie in den letzten sieben Monaten gemacht? Wo hatte sie gelebt?

„Lucy …?“, sprach Zac sie jetzt mit leichter Ungeduld an. „Das Letzte, woran du dich erinnerst.“

Sie räusperte sich und dachte intensiv nach. „Also, wir sind vom Roadhouse – Zacs Restaurant – zu Fuß nach Hause gegangen. Es war kalt. An der Haustür haben wir uns voneinander verabschiedet.“

Ganz plötzlich blitzte eine Erinnerung auf, und sie sah Zac an. „Du hast noch den Kürbis hochgehoben, der als Deko vor der Haustür steht, und hast getan, als könnte er reden.“

Sie hatte gelacht über seine Mätzchen und war erleichtert gewesen, wenigstens wieder ein bisschen den Zac zu erleben, den sie kannte. Seit dem Tod seines Vaters wirkte er eigentlich ständig bedrückt.

Er hatte den Kürbis wieder hingestellt, sie in die Arme genommen und gesagt, er könne es gar nicht erwarten, den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen.

Jetzt suchte sie seinen Blick und sah darin, dass auch er sich daran erinnerte, aber er schaute ganz schnell weg.

„Wie lange ist das her?“, fragte der Arzt Zac, ohne zu merken, wie angespannt die Atmosphäre im Raum war.

„Das war Ende Oktober“, antwortete Zac.

Der Arzt klappte die Patientenkarte zu und sagte dann: „Also … Sie haben offenbar eine schwere Gehirnerschütterung erlitten mit einer retrograden Amnesie. Das heißt, die Ursache für ihren Gedächtnisverlust ist eine Kopfverletzung.“

„Wird ihre Erinnerung zurückkommen?“, fragte Zac.

Der Arzt zuckte mit den Schultern und antwortete: „Das ist möglich, aber eine Garantie gibt es dafür nicht. Das ist von Fall zu Fall verschieden. Manchmal hilft es, wenn die betroffene Person sich in einer vertrauten Umgebung aufhält, in Gesellschaft von Menschen, die sie kennt. Manchmal hilft aber auch das nicht. Ich würde sie gerne eine Nacht zur Beobachtung hierbehalten …“

„Nein, Doktor“, widersprach Lucy vehement. Sie konnte gar nicht schnell genug hier wegkommen. „Ich möchte nicht bleiben. Ich muss nach Hause. Sie haben doch gesagt, das CT sei in Ordnung, oder?“

„Ja, völlig normal. Und ich habe auch nichts dagegen, Sie nach Hause zu entlassen, aber nur, wenn in den nächsten 24 Stunden sichergestellt ist, dass jemand bei Ihnen ist.“

Sie warf Zac einen flehenden Blick zu. Nicht einmal große Mengen Beruhigungsmittel hätten sie dazu bringen können, hierzubleiben.

Zacs Blick wurde wieder angespannt, und ein Muskel an seinem Kinn zuckte. „Also gut“, sagte er schließlich.

„Sie müssen Sie heute Nacht alle zwei Stunden wecken. Sie braucht viel Ruhe und darf sich nicht anstrengen, bis die Symptome wieder weg sind. Ich verschreibe ein Schmerzmittel gegen die Kopfschmerzen und etwas gegen die Übelkeit. Die Schwester gibt Ihnen noch ein paar Verhaltensrichtlinien mit auf den Weg, und bitte vereinbaren Sie unbedingt einen Kontrolltermin bei Ihrem Hausarzt.“

„Und was ist mit meinem Gedächtnis?“, fragte Lucy. „Wird es zurückkommen?“

Der Blick des Arztes ging erst zu Zac, dann wieder zu ihr, und daraufhin sagte er: „Wir müssen abwarten. Versuchen Sie, sich darüber keine allzu großen Sorgen zu machen, sondern ruhen Sie sich aus, und schonen Sie sich.“

Als der Arzt gegangen war, presste sich Lucy die Fingerspitzen gegen die Stirn und fragte verzweifelt: „Ich soll mir keine Sorgen darüber machen, dass ich mich nicht an die letzten sieben Monate meines Lebens erinnern kann?“

„Wenn du dich aufregst, nützt es doch auch nichts“, sagte Zac nur.

„Du hast gut reden! Du bist ja auch nicht derjenige, in dessen Leben eine riesige Lücke klafft.“ Oder der jemanden liebte, der sie offensichtlich hasste.

Zac ließ sich in den Sessel neben der Liege sinken und versuchte, sie zu beschwichtigen: „Wenigstens brauchst du nicht hierzubleiben. Wir holen jetzt die Rezepte für die Medikamente bei der Schwester ab und suchen uns dann ein Hotel in der Nähe. Morgen früh versuche ich dann herauszubekommen, wo du hier in Portland wohnst, und setze mich mit deinen … Freunden in Verbindung.“

Entsetzt richtete sich Lucy auf und sagte: „Aber du hast versprochen, dass du mich nach Hause bringst.“

Daraufhin schaute Zac sie nur ganz ruhig an und erklärte: „Damit habe ich dein jetziges Zuhause gemeint.“

„Aber an das Zuhause kann ich mich ja nicht einmal erinnern! Und auch nicht an die Menschen dort. Ich möchte wieder mit dir zurück nach Summer Harbor.“ „Lucy, das geht …“

„Das hier ist nicht mein Zuhause. Ich kann mich hier an absolut gar nichts erinnern!“, unterbrach sie ihn mit Nachdruck.

„Na ja, das könnte sich doch wieder ändern. Vielleicht wachst du ja morgen früh auf, und alles ist wieder da“, erklärte er.

„Oder meine Erinnerung an das, was in dieser Zeit passiert ist, kommt nie wieder.“

Da flackerte etwas in Zacs Blick auf, das sie unbedingt brauchte. Ganz tief in seinem Innern hatte er immer noch das Gefühl, für sie verantwortlich zu sein, oder? Nach all dem, was sie gemeinsam gehabt hatten.

„Bitte, Zac, nimm mich mit nach Hause, wo ich hingehöre.“ Wieder kamen ihr die Tränen, und als sie sie unterdrückte, bahnten sich ihre Empfindungen einen Weg über ihre Zunge. „Du musst mich mit nach Hause nehmen. Ich liebe dich doch“, sagte sie.

Da wurde sein Blick hart, und er entgegnete: „Sag das nicht, Lucy.“

„Aber es ist wahr!“, versicherte sie.

„Das meinst du nur, Lucy. Du hast hier ein neues Leben, einen Job, ein Zuhause und einen Verlobten, der wahrscheinlich völlig außer sich ist vor Sorge.“

„Aber ich kann mich an nichts von alledem erinnern! Ich erinnere mich nur an Summer Harbor, an meine kleine Wohnung und an dich.“ Ihre letzten Worte erstarben ihr auf den Lippen.

Zac sprang mit einem Ruck auf, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ging ein Stück von ihr weg. Er würde sie nicht hängenlassen. Nicht der Zac, den sie kannte. Oder vielleicht doch? Er stand mit angespannten Schultern und dem Gesicht zur Wand da.

Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, bis er sich schließlich umdrehte und sagte: „Also gut.“

Sie war ganz froh, dass sie seinen Blick dabei nicht sehen konnte, dazu war er zu weit entfernt. Aber ihre Phantasie füllte die Lücken in ihrer Erinnerung schon viel zu gut aus.

„Ich nehme dich wieder mit“, sagte er. „Aber wir versuchen herauszufinden, was passiert ist, und zwar unabhängig davon, ob dein Gedächtnis wiederkommt oder nicht. Dein Leben ist jetzt hier und nicht mehr in Summer Harbor.“

Nicht mehr bei mir.

Diese unausgesprochenen Worte hingen zwischen ihnen und verschlugen ihr den Atem. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals wieder hierher zurückkommen oder Zac verlassen wollte, aber sie war klug genug, sich erst einmal mit dem zufriedenzugeben, was er ihr anbot, und sein Verantwortungsgefühl nicht überzustrapazieren.

„Also gut, in Ordnung“, sagte sie deshalb.

Sie würde wieder nach Summer Harbor zurückkehren, herausfinden, was dort schiefgelaufen war, und es wieder in Ordnung bringen, denn sie wusste, dass sie niemals jemanden so lieben würde wie Zac Callahan.


FÜNF

Zac bog auf den Harbor Drive und fuhr dann auf der zweispurigen Küstenstraße weiter. Die Scheinwerfer seines Silverado durchdrangen die Dunkelheit und beleuchteten den Weg vor ihnen, aber er hatte den gesamten Rückweg nach Summer Harbor eigentlich nichts richtig wahrgenommen.

Es war halb vier morgens, und Lucy schlief schon eine ganze Weile. Sie trug viel zu große Sachen aus dem Fundus des Krankenhauses. Das Brautkleid hatte er auf die Rückbank gestopft.

Als sie durch Ellsworth gefahren waren, hatte er gespürt, wie sie sich ein bisschen bei ihm angelehnt hatte, und inzwischen lag ihr Kopf schwer an seinem rechten Arm. Der vertraute Apfelduft ihres Shampoos lag in der Luft, sodass er sich in die Zeit zurückversetzt fühlte, als sie noch zusammen gewesen waren.

Sie drehte ihr Gesicht noch weiter zu ihm hin, schmiegte sich enger an ihn und stieß einen tiefen Seufzer aus.

Komm schon, Gott. Ich bin auch nur ein Mann. Was soll denn das? Wieso kommt sie jetzt wieder zurück in mein Leben?

Noch vor zwölf Stunden hatte er sich nur um seinen eigenen Alltag gekümmert, sich bereit gemacht für einen hektischen und arbeitsreichen Abend im Roadhouse, und jetzt brachte er seine Ex-Verlobte wieder mit nach Hause.

Er nahm die letzte Kurve und bremste ab, als das Roadhouse in Sicht kam. Sein Blick ging hinauf zu seiner dunklen Wohnung in der ersten Etage, als er auf dem Parkplatz vor dem Lokal anhielt und den Motor ausstellte.

Lucy rührte sich nicht. In der plötzlichen Stille hörte er ihren leisen, regelmäßigen Atem, spürte an seinem Arm, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte. Im Licht der gelben Parkplatzbeleuchtung sah er auf ihr Gesicht hinunter. Ihre Wimpern waren so lang, dass sie die Wangen berührten, und das dunkle Haar fiel ihr bis auf die Schultern.

Lucy behauptete, man würde sie wahrscheinlich immer nur „niedlich“ finden wegen ihrer Grübchen und weil sie so klein und kompakt war, aber da irrte sie sich. Sie war eine Schönheit. Es juckte ihn in den Fingern, ihr das Haar zurückzustreichen, die Hand dann noch eine Weile auf ihrer zarten Wange ruhen zu lassen, mit den Fingern über ihre vollen Lippen zu streichen und nur ein paar Minuten lang so zu tun, als wäre noch alles wie früher.

Es reicht, Callahan, brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor und stupste sie mit der Schulter an, sodass sie aufwachte und zu ihm aufblickte. Sie schaute sich um und wusste anscheinend einen Moment lang nicht, wo sie war. Ganz kurz fragte er sich, ob vielleicht auf wundersame Weise ihr Gedächtnis wieder zurückgekehrt war.

Dann trafen sich ihre Blicke, und sie schaute ernüchtert drein. „Wie spät ist es denn?“, fragte sie.

„Nach drei.“

„Ich dachte … was ist denn mit meiner Wohnung?“

Sie war immer noch ein bisschen benommen von den Medikamenten, die sie bekommen hatte, und sah unglaublich verletzlich aus. Er kämpfte gegen das Bedürfnis an, sie zu trösten und zu beschützen, und rief sich zu diesem Zweck noch einmal ins Gedächtnis, dass sie ihn nicht nur verlassen, sondern außerdem in Portland einen Bräutigam hatte.

„Deine Wohnung ist längst wieder vermietet“, erklärte er ihr. „Aber du kannst heute Nacht in Rileys altem Zimmer schlafen.“

Er stieg aus und ging um den Wagen herum zur Beifahrertür, um ihr beim Aussteigen zu helfen, falls ihr immer noch schwindelig war. Als Zac das Roadhouse übernommen hatte, war das Zimmer als Lagerraum für alles Mögliche verwendet worden. Riley hatte es renoviert und dafür eine geringere Miete gezahlt.

„Wohnt er denn nicht mehr hier?“, fragte Lucy, als er ihr die Tür aufhielt.

„Er ist bei der Army. So, jetzt ganz langsam und vorsichtig“, sagte er, als sie schwankte. „Vergiss nicht, deine Medikamente zu nehmen, bevor du dich schlafen legst, ja?“

Er schloss die Haustür auf und führte sie durch das leere, dunkle Lokal, dann durch den kurzen Gang am Büro und seinem privaten Bad vorbei, und dahinter lag ein kleiner Raum, der nur mit dem Nötigsten ausgestattet war. Zac konnte sich nicht erinnern, wann die Bettwäsche das letzte Mal gewechselt worden war, und die Luft in dem Raum roch verbraucht und muffig, sodass er erst einmal das Fenster öffnete.

Dann holte er ihr ein Glas Wasser, damit sie ihre Medikamente nehmen konnte. Ihr Blick war schläfrig, und die Wimperntusche war verschmiert, sodass sie viel jünger aussah, als sie war. Sie wirkte so hilflos. Zum Schlafen holte er ihr ein T-Shirt oben aus seiner Wohnung, das ihr wahrscheinlich bis zu den Knien reichen würde.

Als sie schließlich mit allem versorgt war, drehte er sich an der Tür noch einmal um und sagte: „Ich komme dann in zwei Stunden, um dich zu wecken.“

Sie saß auf der Bettkante, das T-Shirt an sich gepresst, und sah ihn mit diesen großen blauen Augen an, nach denen er einmal völlig verrückt gewesen war.

„Danke, Zac“, sagte sie.

Er warf ihr noch ein ziemlich verkrampftes Lächeln zu und verschloss dann die Tür von außen. Eine Weile lief er einfach so herum und räumte dies und das im Lokal auf, um irgendetwas zu tun zu haben. Seine Gedanken drehten sich im Kreis, und seine Nerven flatterten, als hätte er literweise Kaffee getrunken.

Gegen halb fünf Uhr morgens zwang er sich schließlich, sich auf der durchgelegenen Couch in seinem Büro auszustrecken, die viel zu kurz für ihn war. Er stellte seinen Wecker auf sechs, weil er dann nach Lucy schauen musste, aber als der Wecker dann klingelte, hatte er immer noch kein Auge zugetan. In den Gottesdienst würde er es also wahrscheinlich nicht schaffen.

Als er in Lucys Zimmer schlich, drangen durch das angelehnte Fenster morgendliche Geräusche herein, und das erste Tageslicht fiel durch die transparenten Gardinen auf ihre mit einer Flickendecke zugedeckte Gestalt in dem Bett. Sie lag mit angezogenen Knien auf der Seite, das Gesicht zur Tür.

Ganz kurz stellte er sich vor, wie es wohl wäre, wenn die letzten sieben Monate nicht gewesen wären, wenn sie nicht aus Summer Harbor weggegangen wäre und sie am 17. November tatsächlich geheiratet hätten. Wenn sie jetzt in ihrem gemeinsamen Bett läge und seine Frau wäre. Bei dieser Vorstellung begann sein Herz wie wild zu schlagen.

Mann, hör endlich auf damit!

Zac schlich hinüber zum Bett, berührte sie an der Schulter und sagte: „Lucy.“

Sie rührte sich nicht, also stupste er sie noch einmal an und wiederholte: „Wach auf, Lucy.“ Jetzt tat sich etwas.

„Zac?“ Ihre Stimme war noch rau vom Schlaf.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er.

„Hmmm.“

„Gut. Ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gutgeht.“ Er wandte sich wieder zum Gehen, aber sie griff nach seiner Hand und sagte: „Bleib noch.“

Das brachte ihn beinah um, aber er entzog ihr seine Hand wieder und sagte: „Ich bin nebenan im Büro. Schlaf jetzt weiter.“

Wieder im Büro, stellte er den Wecker auf 9.00 Uhr, starrte dann aber wieder nur hellwach an die Decke und überlegte, was er tun sollte. Als Erstes würde er nach Hochzeiten in Portland suchen, dann recherchieren, in welcher Kirche die Hochzeit stattgefunden hatte und dort den Pastor um die Telefonnummer des Bräutigams bitten. Wenn er sich erst einmal mit Lucys Verlobtem in Verbindung gesetzt hatte, wäre es geschafft, doch bei diesem Gedanken hatte er ein hohles Gefühl im Bauch. Aber je schneller er sie wieder nach Portland bringen konnte, desto besser.


Er musste schließlich doch eingeschlafen sein, denn als er das nächste Mal die Augen aufschlug, schien die Sonne zum Fenster herein. Als der Wecker klingelte, schaute er nach Lucy, taumelte dann wieder zurück zur Couch und schlief auf der Stelle erneut ein.

Das nächste Mal wurde er durch ein Klopfen geweckt. Mit einem Ruck setzte er sich auf, und seine Gedanken gingen wild durcheinander. Doch dann war die vergangene Nacht wieder da: Lucys Anruf … die Notaufnahme im Krankenhaus … Lucy in seinem Gästezimmer.

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.

Da klopfte es wieder. Zac stand von dem unbequemen Sofa auf und ging zum Hintereingang.

Auf der Veranda stand Beau in seinem Gottesdienstoutfit und sah ihn finster an.

„Wo warst du denn? Wir haben in der Kirche auf dich gewartet“, sagte er vorwurfsvoll.

Zac drehte sich wortlos um und ging wieder zurück ins Haus. Für so ein Gespräch war es wirklich noch zu früh. „Ich bin spät ins Bett gekommen und habe nicht viel geschlafen“, antwortete er deshalb nur und ging in Richtung seiner Wohnung im Obergeschoss, um sich dort einen Kaffee zu kochen, den er jetzt dringend brauchte. Beau kam hinterher und sagte: „Ich habe dir den ganzen Morgen SMS geschrieben.“

„Gab es denn etwas Wichtiges?“, erkundigte sich Zac.

„Willst du mich auf den Arm nehmen? Du haust gestern Abend ohne eine Erklärung einfach ab, überlässt mir dein Lokal und tauchst dann heute Morgen nicht im Gottesdienst auf, was soll ich denn da bitte schön denken?“

Zac betrat sein Wohnzimmer, ließ die Wohnungstür offen und ging wie ein Zombie direkt zur Kaffeemaschine. „Gab es denn irgendwelche Probleme?“, fragte er.

„Nee, keine – was ist los, Zac? Du siehst richtig scheiße aus.“

„Kannst du mich nicht wenigstens erst mal einen Schluck Kaffee trinken lassen? Meine Güte!“ Er füllte Wasser in die Kaffeemaschine, Kaffeepulver in den Filter und schaltete dann das Gerät ein. Dabei hörte er die ganze Zeit, wie sein Bruder im Wohnzimmer hin und her tigerte. Das war Beau im Großen-Bruder-Modus.

Zac nahm einen Becher aus dem Schrank und drehte sich zu seinem Bruder um. Der schaute aus dem Fenster, von dem aus man den ganzen Hafen überblicken konnte. „Möchtest du auch Kaffee?“, fragte er Beau.

„Nein, danke.“

Der Gedanke an die Informationen, die er gleich zusammentragen musste, und an Lucy, die unten im Gästezimmer lag und schlief, bereitete ihm Kopfschmerzen. Mittlerweile war es fast halb eins. Wenn Beau wieder weg war, würde er nach ihr schauen und dann anfangen zu googeln.

Es würde sicher nicht lange dauern, die Informationen über ihre Hochzeit zu bekommen und ihren Verlobten ausfindig zu machen. Ungeduldig schaute er zu, wie der fertige Kaffee tröpfchenweise durch den Filter lief. Komm, mach schon!

Mit etwas Glück würde er die nötigen Informationen sicher rasch bekommen, und dann wäre Lucy schon vor Ende des Tages wieder in Portland. Wenn schließlich noch ihr Gedächtnis zurückkäme, gäbe es für alle ein Happy End.

Seine Gedanken gingen jetzt zu dem Mann, den Lucy hatte heiraten wollen. Der arme Kerl. Er hatte ja keine Ahnung, in was er da hineingeraten war und was auf ihn zukam.

Aber noch während er das dachte, erschien auch das Bild von der süßen Lucy in seinem Kopf, von der Lucy, die ihn und sein Leben auf so großartige Weise auf den Kopf gestellt hatte. Sie war alles gewesen, was er sich je von einer Frau erträumt hatte

Und dann hat sie dich einfach sitzenlassen.

Glücklicherweise begann in dem Moment die Kaffeemaschine zu gurgeln – das Zeichen, dass die Droge seiner Wahl fast fertig war. Er goss sich den Becher voll, trank einen Schluck und ging dann zurück ins Wohnzimmer. Vielleicht konnte er Beau ja mit irgendeiner Ausrede dazu bewegen, wieder zu gehen.

Doch als er in der Tür zum Wohnzimmer ankam, erstarrte er, weil genau in dem Moment Lucy in der Wohnungstür auftauchte. Ihr dunkles Haar war zerzaust, das lockere T-Shirt ging ihr nur bis zur Mitte des Oberschenkels, und sie sah unglaublich sexy aus. Sie warf Zac einen zaghaften Blick zu und bemerkte erst da, dass Beau zu Besuch war.

Sie erschrak und brachte gerade noch ein „Hallo, Beau …“ heraus.

Der drehte sich um, bekam ganz große Augen und stammelte: „Nein … nein, das ist doch nicht wahr, oder?“ Dann ging sein Blick zurück zu Zac und durchbohrte ihn förmlich.

So ein Mist! Konnte man denn nicht einmal in Ruhe einen Becher Kaffee trinken?

„Du hast hier oben nichts zu suchen“, sagte Zac zu Lucy, und seine Stimme klang barscher als beabsichtigt.

Es war, als ob Lucy in sich zusammenfiel. Sie verschränkte die Arme vor dem Körper und begann: „Ich kann …“

„Ich bin gleich unten“, unterbrach er sie. Wahrscheinlich hätte er ihr einen Becher Kaffee anbieten sollen, aber er wollte sie nur möglichst schnell wieder aus seiner Wohnung haben.

Ihr Blick ging zwischen Beau und Zac hin und her, und dann sagte sie: „O – okay“, und verließ den Raum.

Zac schloss die Tür hinter ihr, trank noch einen großen Schluck Kaffee und merkte gar nicht, dass er sich heftig den Mund verbrannte. Er spürte Beaus Blick auf sich, als er sich in seinen Lehnstuhl setzte und versuchte, nicht daran zu denken, dass seine Ex-Verlobte, die immer noch in ihn verliebt war, nur mit einem T-Shirt bekleidet unten in seinem Gästezimmer saß.

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Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
362 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9783865069627
Yayıncı:
Telif hakkı:
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