Kitabı oku: «Die Evolution der Seele und Natur», sayfa 3
Kapitel 3
Wiedergeburt, Evolution, Vererbung
Worte Sri Aurobindos
Zwei Wahrheiten, Entdeckungen mit einem gewaltigen Umkreis lichtvoller Auswirkung und erheblicher lebenswichtiger Bedeutung stehen heute im Vordergrund des Denkens: Evolution und Vererbung, und wir müssen sie wohl als ein stabiles, unauslöschliches Licht auf unser Wesen annehmen, als Lampen von beständigem Glanz, obwohl noch nicht so ganz vollkommen getrimmt, und als endgültig, sofern überhaupt etwas endgültig sein kann in dem sich ständig verändernden, filmähnlichen Entwicklungsprozess des intellektuellen Wissens des Menschen. Man kann sagen, sie machen fast die ganze Grundidee des Lebens aus; so sieht es ein Mental, das von der exakten, neugierigen, mannigfach untersuchenden, doch letztlich eigentümlich begrenzten Beobachtung und von dem seltsam engen Verstand unserer modernen Naturwissenschaften beherrscht, gebildet und in deren machtvolle Formen gepresst wird. Die Wissenschaft ist auf ihre Weise eine große Seherin und Zauberin; sie hat sowohl den mikroskopischen wie den makroskopischen, den aus der Nähe schauenden wie den teleskopischen Blick, eine analytisch untersuchende Auflösungskraft und eine sich in der synthetischen Durchführung offenbarende kreative Kraft. Sie hat viele geheime Zwischenprozesse der großen Schöpferin Natur aufgespürt, und mit der uns verliehenen Erfindungsgabe war sie sogar in der Lage, sie noch zu übertreffen. Der Mensch, dieser Winzling in der Unendlichkeit, sich frei bewegend, doch durch die Schwerkraft an einer kleinen Erdscholle festgenagelt, hat durch die Naturwissenschaften sicher erheblich Punkte gegen die Mutter des Universums gesammelt. Doch dies alles wurde in einiger Vollendung nur in den Grenzen ihres niedrigsten physischen Bereiches geleistet, der sich aufdrängte.
Gegenüber seelischen und spirituellen Geheimnissen, ja sogar in der offenliegenden Elementarwelt des Mentals haben die Naturwissenschaften noch den undifferenzierten Blick und die tastenden Hände des Kleinkindes. So exakt, erhellend und zwingend sie im Physischen sind, so sehen sie doch in jenem Bereich nur die große durcheinanderschwirrende Verwirrung: So sieht, sagt uns James, mit einer möglicherweise ungenauen Lebendigkeit infolge der Alliteration, das Neugeborene die wahrnehmbare Welt, in die es über die geheimnisvolle Treppe der Geburt herabfiel. Die Wissenschaft, konfrontiert mit dem, was für sie immer noch wunderbare Zufallsakkorde und unerklärliche Wunder des Bewusstseins sind, schützt sich vor den Irrtümern der Einbildungskraft hinter der undurchlässigen Abschirmung eines vorsichtigen Skeptizismus, schlittert aber gerade dadurch gelegentlich in eine Fülle von Irrtümern einer unzulänglichen Schlussfolgerung hinein. Sie klammert sich mit der zupackenden Entschlossenheit des Ertrinkenden an die Planken der Sicherheit, die sie in einigen durchgetesteten sogenannten Analogien – die Verwendung dieses Wortes besagt nichts – zwischen mentaler Tätigkeit und den sie begleitenden beeinflussenden oder instrumentalen physikalischen Funktionsweisen glaubt erhalten zu haben. Sie ist fest entschlossen, möglichst jedes überphysische Phänomen mit einer physikalischen Tatsache zu erklären; psychologische Vorgänge des Mentals darf es nur als Auswirkung oder Wiedergabe physiologischer Körpervorgänge geben. Diese anscheinend rationale und auf feststellbare und sicher fassbare Wahrheit achtende, in ihrer paradoxen Verwegenheit jedoch wahrhaft heroische Entschiedenheit setzt der Chance rascher Entdeckung für die Wissenschaft wenigstens gegenwärtig ziemlich enge Grenzen. Diese Entschiedenheit färbt auch die Ausdehnung physikalischer Wahrheit in das psychologische Feld mit einem nachhaltigen Gefühl von Unangemessenheit, welche bei der erweiterten Anwendung in den Theorien zur Vererbung und Evolution ganz klar zutage tritt, wenn diese gezwungen werden, den sicheren Boden ihrer naturwissenschaftlichen Wahrheit zu verlassen, und die Wissenschaft sich abmüht, mit ihrer Hilfe die subtilen, komplexen und schwer fassbaren Erscheinungen unseres psychologischen Wesens aufzuklären.
Es gibt allerdings wohl hier und da noch heimliche oder offene Gegner der naturwissenschaftlichen Evolutionstheorie, die glauben, sie werde eines Tages in die Rumpelkammer toter Allgemeinwahrheiten kommen wie das Ptolemäische Weltsystem in der Astronomie oder die Säftelehre in der Medizin; doch ist dies ein seltener und übertriebener Skeptizismus. Es mag jedoch für unser Vorhaben nicht ohne Nutzen oder Tauglichkeit sein, dass entgegen weit verbreiteter Ansicht die wissenschaftliche Beschreibung dieser Allgemeinwahrheit, wie auch ziemlich vieler anderer allgemeiner Behauptungen, noch nicht schlüssig unter Beweis gestellt wurde, wenngleich sie jetzt als erwiesen angesehen wird. Im Ganzen gibt es aber doch eine überwältigende Menge an Fakten und Hinweisen zu ihren Gunsten, so dass wir uns nicht gegen die Schlussfolgerung sträuben können, dass das Ganze auf diese oder jene Weise geschehen ist, und es fällt uns schwer, uns eine überzeugendere Erklärung der zweifelsfreien aufsteigenden und sich verzweigenden Stufenleiter von Art und Gattung vorzustellen, die auch unserer gelegentlichen Überprüfung der Lebensexistenz entspricht. Eines zumindest scheint jetzt intellektuell festzustehen: Wir können nicht mehr glauben, dass diese Sonnen- und Sternsysteme voll entwickelt und von Ewigkeit her geordnet in den grenzenlosen Raum geschleudert wurden, und dass alle diese zahllosen Arten als Fertigprodukt und sorgfältig nach Maß gearbeitet in sieben oder einer beliebigen Anzahl von Tagen auch immer in plötzlich ausbrechender Laune, dionysischer Erregung oder arbeitsreicher Tätigkeit nach mechanistischer Vorstellung durch das „Es werde“ eines zeitlosen Schöpfers auf der Erde angesiedelt wurden. Die allmähliche Entwicklung, die die alten Hindu-Denker kurz und bündig vorschlugen – zuerst die niederen Formen, dann der Mensch als Krönung der Lebensentwicklung des Geistes auf Erden –, wurde durch die geduldige und in das einzelne gehende Untersuchung der Wissenschaft bestätigt – eine Entwicklung in Äonen, obwohl die weitergehende Hindu-Konzeption einer ständigen Wiederholung des Prinzips in Zyklen sich notwendigerweise der naturwissenschaftlichen Beweisführung entzieht.
Und noch etwas scheint jetzt ebenso festzustehen, dass nicht nur die Saat allen Lebens eine einzige war – und wieder ist die große Intuition der Upanishaden Vorläufer für die Schlussfolgerungen der naturwissenschaftlichen Forschung: die eine Saat, die die universale Selbstexistenz durch einen Prozess von Kräften auf vielerlei Weise verteilte, ekam bijam bahudha sakti-yogat, –, sondern dass auch das Entwicklungsprinzip ein einziges ist und der Grundbauplan ebenfalls, da die Entwicklung Schritt für Schritt vor sich geht, trotz aller Abweichungen nach dieser oder jener Seite im Wirken der schöpferischen Kraft oder der schöpferischen Idee. Die Natur scheint mit einer außerordentlich geringen ursprünglichen Variationsbreite an Vorstellungen zu beginnen und zu außerordentlichem Reichtum ihrer kleineren Folgeveränderungen überzugehen, was bedeutet, dass sie ständig feine Differenzierungen der Arten erfindet und im Individuum überraschend auf dem Ergebnis der Einmaligkeit besteht. Es sieht fast so aus, als sollte im Prozess ihrer physischen Harmonien ein formaler Effekt oder eine symbolische Reproduktion der Wahrheit liegen, dass alle Dinge ursprünglich Eines waren, aber Eines, das auf seiner unendlichen Mannigfaltigkeit besteht, und auch ein Hinweis, dass es in dieser ewigen Einheit einen ewigen Pluralismus gebe, das Unendliche Wesen, sich selbst wiederholend in einer unendlichen Vielfalt von Wesen, jedes einmalig und doch jedes das Eine. Einem mentalen Geist, der nach metaphysischen Spuren Ausschau hält, die man an den sichtbaren Tatsachen des Seins ablesen kann, dürfte das nicht völlig als Einbildung erscheinen.
Auf jeden Fall haben wir diese jetzt offenkundige Ordnung in der überreichen Vielfältigkeit der natürlichen Harmonie alles Lebendigen – eine Plasma-Saat, einen sich entwickelnden Grundplan, eine üppige Zahl von Verschiedenartigkeiten, deren logischer Prozess durch eine aufsteigende Ordnung vor sich ginge, die durch feine, aber doch noch sehr deutliche Abstufungen vom Rohen zum Komplizierten, vom geringer zum höher Organisierten, vom niederen zum höheren Typus übergeht. Die erste Frage, die dem mentalen Geist sofort einfallen dürfte, wenn er diesen Lebensbaum gesehen hat, ist die, ob diese logische Ordnung wirklich die eigentliche Ordnung in der Geschichte des Universums ist, und dann eine zweite, die sich aus diesem Problem ganz natürlich ergibt, ob, wenn dies der Fall ist, jede neue Form sich durch Veränderung aus ihrem natürlichen Vorgänger entwickelte oder ob sie durch einen unbekannten Prozess als frische, unabhängige und gewissermaßen plötzliche Schöpfung auftrat. Im ersten Fall haben wir die wissenschaftliche der physischen Evolution – im zweiten Fall weiß man nicht recht, woran man ist; vielleicht, dass ein unsichtbarer Demiurg das Ganze in der Frühzeit der Erdevolution entwickelte und mit der Angelegenheit jetzt ganz oder teilweise aufhörte, so dass wir keine neue physische Entwicklung dieser Art haben, sondern vielleicht nur eine Evolution der Leistungsfähigkeit schon erschaffener Typen. Die Wissenschaft tritt für eine ganz natürliche und mechanische, ganz ungebrochene Evolution ein, mit vielen auseinanderlaufenden Linien sich entwickelnder Variationen, doch an den Linien ohne Lücke oder Zwischenraum. Zwar gibt es nicht nur ein fehlendes Zwischenglied, sondern eine Unmenge, die auch durch die reichhaltigsten Überbleibsel aus der Vergangenheit nicht ersetzt werden können, und wir sind nicht in der Lage, mit absoluter Bestimmtheit zu leugnen, dass die Fortentwicklung sich möglicherweise sprunghaft, durch ein rasches Überspringen, vollzogen habe, vielleicht auch in einer gedrängten psychischen oder biopsychischen Vorbereitung, deren Ergebnis im Erscheinen eines neuen Typus hervortrat, der durch eine Kluft von den vorangegangenen Lebensformen getrennt war. Besonders im Hinblick auf den Menschen herrscht noch eine gewaltige Ungewissheit darüber, wie er, den anderen Kindern der Natur so ähnlich und doch so verschieden von ihnen, in das Leben trat. Doch können die Lücken wegerklärt werden; eine große Menge Fakten spricht für die physikalisch weniger anarchische Auffassung, die das Recht der größten Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite zu haben scheint, in einem materiellen Universum, wo das vollkommenste physikalische Verfahrensprinzip das gerechte Grundgesetz zu sein schiene.
Aber auch wenn wir die gewissenhafteste und strengste Kontinuität allmählicher Determinierung gelten lassen, erhebt sich die Frage, ob der Evolutionsprozess wirklich so ausschließlich physikalisch und biologisch war, wie es auf den ersten Blick aussieht. Wenn ja, müssen wir nicht nur ein strenges Prinzip der Vererbung nach Klassen, sondern auch ein Gesetz fortschreitender erblicher Variation und eine rein physikalische Ursache aller mentalen und spirituellen Erscheinungen anerkennen. Vererbung an sich bedeutet einfach die ständige Übertragung physischer Form und biologischer Merkmale aus einem vorhergehenden Leben auf die Nachkommenschaft. Ganz offensichtlich gibt es eine solche allgemeine Kraft der erblichen Übertragung innerhalb der Art oder Gattung selbst – wie der Baum, so der Same, wie der Same, so der Baum –, so dass ein Löwe einen Löwen zeugt und nicht eine Katze oder ein Nashorn, ein Mensch ein menschliches Wesen und nicht einen Orang-Utan – wenngleich man jetzt von einer seltsamen und überraschenden, die alte Theorie auf den Kopf stellenden Spekulation liest, wonach gewisse Affenarten möglicherweise nicht Vorfahren, sondern degenerierte Abkömmlinge des Menschen sind! Und weiter, wenn eine physische Evolution alles ist, muss eine Fähigkeit für die erbliche Übertragung der Variationen vorhanden sein, durch die neue Arten geschaffen werden oder wurden – nicht nur in einem Mischungs- oder Kreuzungsvorgang, sondern durch eine innere Entwicklung, die im Samen gespeichert und vererbt wird. Auch dies kann man sehr wohl gelten lassen, auch wenn man den eigentlichen Vorgang und das Grundprinzip noch nicht versteht, da die Übertragung von Familien- und individuellen Merkmalen eine gründlich beobachtete Erscheinung ist. Dann handelt es sich bei dem Übertragenen aber nicht nur um physikalische und biologische, sondern um psychologische oder mindestens biopsychische Merkmale, um Wiederholungen herkömmlicher nervlicher Erfahrung und mentaler Tendenz, um Mächte. Wir müssen annehmen, dass der physische Same diese Dinge überträgt. Wir sind genötigt anzuerkennen, dass zum Beispiel der menschliche Same, der kein entwickeltes menschliches Bewusstsein enthält, dennoch die Kräfte eines solchen mit sich führt, so dass sie sich automatisch im Denken und im organisierten mentalen Geist der Nachkommenschaft reproduzieren. Dies ist, auch wenn wir es akzeptieren müssen, ein unerklärbares Paradox, es sei denn, wir nehmen entweder an, dass etwas mehr dahinter steckt, eine psychische Kraft hinter dem Schleier des materiellen Prozesses, oder aber, dass das Mental nur ein Lebensprozess und das Leben nur ein Prozess der Materie ist. Daher müssen wir schließlich annehmen, dass die naturwissenschaftliche Theorie in der Lage ist, das Geheimnis des Auftauchens des Lebens in der Materie und das gleiche Geheimnis des Erscheinens des Mentals im Leben durch rein materielle Ursachen und einen materiellen Aufbau zu erklären. Hier beginnen sich die Schwierigkeiten zu häufen, die die Theorie wenigstens insoweit ihrer hoffnungslosen Unzulänglichkeit überführen, und die Natur dieser Unzulänglichkeit, ihr Haken, ihr Hindernis, lässt gerade für etwas dahinter Platz, für etwas Seelisches, einen verborgenen Seelenprozess und eine komplexere und weniger materialistische Darstellung der Wahrheit der Evolution.
Die materialistische Annahme – mehr als eine hypothetische Annahme ist es nicht, denn sie wurde nie bewiesen – ist die, dass die Entwicklung unbelebter Materie unter bestimmten unbekannten Bedingungen eine Erscheinung unbewussten Lebens zur Folge hat, das seiner eigentlichen Natur nach nur Aktion und Reaktion materieller Energie ist, und dass bei der Entwicklung dieser Erscheinung wiederum unter bestimmten unbekannten Bedingungen ein Phänomen bewussten Mentals herauskommt, das seiner eigentlichen Natur nach wiederum nur Aktion und Reaktion materieller Energie ist. Die Sache ist nicht bewiesen, aber dies, so wird argumentiert, mache nichts aus; es bedeutet nur, dass wir noch nicht genug wissen; doch eines Tages werden wir das Wissen haben – die notwendige physiologische Reaktion, von uns Intuition oder Argumentationskette genannt, mit der krönenden Entdeckung, die vermutlich in einem ordentlich gebildeten Nervenkörper und in um so reicheren Gehirnwindungen eines Galileo der Biologie stattgefunden hat –, und dann wird diese große und einfache Wahrheit bewiesen werden, wie viele andere, einst vom oberflächlichen gesunden Menschenverstand verspotteten Dinge. Doch liegt die Schwierigkeit darin, dass sie nicht beweisfähig erscheint. Auch bezüglich des Lebens, das die bei weitem geringere Schwierigkeit bietet, beweist die Entdeckung bestimmter chemischer oder anderer physikalischer und mechanischer Bedingungen, unter denen das Leben zum Erscheinen angeregt werden kann, nicht mehr, als dass dies die für die Manifestation des Lebens in Körpern günstigen oder notwendigen Voraussetzungen sind – solche Voraussetzungen muss es in der Natur geben –, es wird jedoch nicht bewiesen, dass das Leben eine neue und höhere Macht der Kraft des All-Wesens ist. Der Zusammenhang von Lebensreaktionen und physikalischen Bedingungen und Anreizen beweist ganz klar, dass Leben und Materie in Verbindung stehen und dass – wie sie es ja tun müssen, um zusammenleben zu können – die beiden Energiearten aufeinander einwirken – ein sehr altes Wissen; doch es wird die Tatsache nicht los, dass die physikalische Reaktion von einem Element begleitet wird, das seinem Wesen nach eine nervöse Erregung und ein beginnendes oder unterdrücktes Bewusstsein zu sein scheint und nicht dasselbe ist wie die physikalische Begleitreaktion.
Wenn wir zum Mental kommen, sehen wir – wie könnte es in einem eingekörperten Mental anders sein? – eine Reaktion, eine Wechselwirkung, eine Beziehung und Entsprechung, wenn man so will; doch mag die Summe der Entsprechungen noch so groß sein, sie kann nicht zeigen, wie eine physikalische Reaktion in eine bewusste Tätigkeit, eine Wahrnehmung, Gemütsbewegung oder Denkvorstellung umgewandelt wird oder darauf hinausläuft oder sie durch sich selbst bildet, noch kann sie beweisen, dass die Liebe ein chemisches Produkt ist, oder dass Platos Ideenlehre, Homers Ilias oder das kosmische Bewusstsein des Yogis nur eine Kombination physiologischer Reaktionen oder ein Komplex von Veränderungen der grauen Gehirnmasse oder ein Flammenwunder elektrischer Entladungen waren. Nicht nur, dass der gesunde Menschenverstand und die Fantasie vor diesen Theorien zurückschrecken – dieser Einwand kann ausgeklammert werden –, nicht nur, dass Wahrnehmung, Vernunft und Intuition zugunsten einer erzwungenen und zu weit gehenden Schlussfolgerung beiseitegeschoben werden, sondern es klafft hier ein Unterschied zwischen dem, was erklärt werden soll, und dem, wodurch es zu erklären gesucht wird, der nicht ausgefüllt werden kann, so sehr wir auch Nervenverbindungen und psychophysische Brücken gelten lassen mögen. Und wenn der Naturwissenschaftler auf eine Anzahl bezeichnender Fakten hinweist und hofft, eines Tages den Sieg über diese furchtbaren Schwierigkeiten erringen zu können, fängt auf der anderen Seite eine Unmenge psychischer Phänomene an zu entstehen, die seine Theorie höchstwahrscheinlich in unergründlichen Gewässern ertränkt. Die Unüberwindlichkeit dieser stets evidenten Einwände beginnt breitere Anerkennung zu finden, aber da die Vergangenheit immer noch erheblich das Zepter schwingt, ist es notwendig, nachdrücklich darauf hinzuweisen, so dass wir das uneingeschränkte Recht haben können, mit liberaleren Hypothesen fortzufahren, die das Problem unseres Seins und Wesens nicht voreilig auf eine simple Mechanik reduzieren.
Eine dieser Hypothesen ist die alte Ansicht, dass nicht nur das Auftreffen von Körper und Leben auf Mental und Seele, sondern auch das Auftreffen von Mental und Seele auf Körper und Leben berücksichtigt werden müsse. Hier finden wir ebenfalls die evolutionäre Idee, aber die physikalische und die Lebens-Evolution, auch das Wachstum des Mentals, werden nur für eine Begleiterscheinung zur Seelen-Evolution gehalten, für die die Zeit die Bahn und die Erde unter vielen anderen Welten der Schauplatz ist. In der alten indischen Version dieser Theorie sind Evolution, Vererbung und Wiedergeburt drei Parallelprozesse der universalen Entfaltung; die Evolution ist der Zweck des Vorgangs, die Wiedergeburt die Hauptmethode, die Vererbung eine der physischen Voraussetzungen. Dies ist eine Theorie, die zumindest den Rahmen für eine harmonische Erklärung all der vielfältigen Elemente des Problems liefert. Die naturwissenschaftliche Vorstellung geht vom physischen Wesen aus und macht das Psychische zur Folge- und Begleiterscheinung des Körpers; der andere Evolutionsgedanke geht von der Seele aus und sieht im physischen Wesen eine Instrumentierung für das Zu-sich-selbst-Erwachen eines in das Universum der Materie versunkenen Geistes.
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Kapitel 4
Wiedergeburt und Seelen-Evolution
Worte Sri Aurobindos
Die Vorstellungen, die sich die Menschen gegenwärtig vom Leben und seinen Umständen bilden, sind größtenteils pragmatische Konstruktionen. Es sind Formen einer Vernunft, die damit beschäftigt ist, sich von ihrer Umwelt nur insoweit sinnvoll Rechenschaft zu geben, als sie dadurch einen hinreichenden Schlüssel für das uns unmittelbar Angehende erhält: für unser Wachstum, unser Handeln und die Befriedigung der Persönlichkeit, für etwas Mögliches und Lebenswertes, das sich auf unsere Reise in der Zeit auswirkt, für etwas Lebensfähiges und Durchführbares. Ob dies irgendeiner wahren Wirklichkeit der Dinge entspricht oder in direkter Berührung mit ihr steht, scheint etwas ganz Zufälliges zu sein. Es genügt anscheinend, wenn wir unsere oberflächliche und willfährige Vernunft von dessen Wahrheit überzeugen können und feststellen, dass es in seinen Auswirkungen für Denken, Handeln und Lebenserfahrung sinnvoll und fruchtbar ist. Zwar gibt es noch eine andere unpragmatische Vernunft in uns, die sich abmüht, diese Forderung der intellektuellen und vitalen Persönlichkeit abzuschütteln; sie will die wirkliche Wahrheit der Dinge unverschleiert und unverstellt anschauen, um das eigentliche Bild der Wahrheit in den stillen Wassern eines leidenschaftslosen, klaren und reinen Mentals zu spiegeln. Aber die Tätigkeit dieser ruhigeren höheren Vernunft wird von zwei ungeheuren Schwierigkeiten behindert. Erstens scheint es nahezu unmöglich, die Vernunft ganz von unserer übrigen Natur zu befreien, von der normalen Verstandeskraft, von dem Willen zum Glauben, von jenem Instinkt der Intelligenz, der gewissermaßen durch ein subtiles Prinzip von Vorliebe und Auslese das Weiterleben der Denkweise unterstützt, die unserer persönlichen Neigung oder dem kultivierten Rahmen unserer Natur zusagt. Sodann: Welche Wahrheit wird von unserer Vernunft gespiegelt? Es ist im Grunde wohl ein indirektes Bild der Wahrheit, nicht eigentlich ihr Selbst und Körper von Angesicht zu Angesicht; es ist ein Bild, geformt aus Daten, Symbolen und Prozessen der Wirklichkeit – wenn es denn eine wahre Wirklichkeit gibt –, wie wir sie aus der sehr begrenzten Erfahrung des Selbsts und den dem menschlichen Mentals zugänglichen vorhandenen Dingen gewinnen können. So stehen selbst die höchste Macht und der weiteste Gang unserer Vernunft stets unter dem vertrackten Zugriff fortgesetzter Unzulänglichkeit und Ungewissheit, die alles Mühen der menschlichen Erkenntnis bedrängen, wenn es nicht eine Möglichkeit gibt, dass die Erkenntnis durch alle Schleier zur Erfahrung der Wirklichkeit selbst durchbrechen kann, oder wenn es nicht einen universalen Logos, ein göttliches Mental oder ein Supramental gibt, das sich selbst und alle Dinge kennt, und unser Bewusstsein dieses widerspiegeln oder damit in Berührung kommen kann.
Nirgends ist dieses Unvermögen unangenehmer als bei jenen Grundfragen zum Wesen der Welt und unseres eigenen Daseins, die doch die denkende Menschheit leidenschaftlich interessieren, denn dies ist letztlich von größter Bedeutung für uns, da ja alles, mit Ausnahme des grob unmittelbar Praktischen, von der Lösung dieser Probleme abhängt. Und bis diese große Frage entschieden ist, ist auch dies nur ein Vorwärtsstolpern auf einer Reise, deren Ziel oder Zweck, Bedeutung oder Notwendigkeit wir nicht kennen. Die Religionen treten für die Lösung dieser gewaltigen Probleme mit inspirierter oder offenbarter Gewissheit ein; aber ihre enormen Unterschiede zeigen, dass auch sie Ideen auswählen, dass es auch bei ihnen verschiedene Aspekte der Wahrheit gibt – der Skeptiker würde sagen, Schaustellungen von Imagination und Falschheit – und eine auf begrenzter spiritueller Erfahrung beruhende Form. Auch bei ihnen herrscht ein Element der Glaubensentscheidung und Glaubenswilligkeit und ein höherer pragmatischer Zweck und Nutzen, handle es sich nun darum, dass sich die Seele dem Leid oder der Unwirklichkeit des Daseins entzieht, oder um himmlische Seligkeit oder eine ethisch-religiöse Sanktionierung und Führung. Die philosophischen Systeme sind ganz offensichtlich nichts anderes als mögliche ausgewählte Reflexionsformen großer Ideen. Dies sind weit eher Möglichkeiten der Vernunft als gesicherte Gewissheiten oder, wenn auf spiritueller Erfahrung beruhend, doch Auswahlformen, eine Art groß angelegter Zugang zu einem Tor, das in das unwissbare Göttliche oder unausdrückbare Unendliche führt. Der moderne naturwissenschaftliche Geist trat für unsere Befreiung von allen nur intellektuellen Konstruktionen ein und wollte uns mit der Wahrheit und nur mit gesicherter Wahrheit konfrontieren; er nahm das Recht für sich in Anspruch, den Menschen von der wahnhaften Behinderung durch die Religion und von der nutzlosen Verschwommenheit der Metaphysik befreien zu können. Doch nun wandten sich Religion und Philosophie gegen die Naturwissenschaften und brachten ihnen auf Grund der von ihnen selbst behaupteten Tatsachen zum Bewusstsein, dass sie diesen beiden allgemeinen Schwierigkeiten der menschlichen Vernunft ebenso unterworfen seien. Das naturwissenschaftliche System scheint seinerseits nur eine andere mögliche fruchtbare Vernunftform zu sein, die sich für ihren eigenen Nutzen Rechenschaft über die physische Welt und deren Beziehungen zu uns ablegt, und weiter nichts. Und ihre Erkenntnis ist entscheidend eingeschränkt durch die Begrenzung ihrer Daten und ihrer Weltanschauung. Auch die Naturwissenschaften erzeugen nur ein von viel Ungewissheit geprägtes Teilbild der Wahrheit, das noch eindeutiger den verkehrten Stempel der Unzulänglichkeit trägt.
Wir müssen zugeben, dass die menschliche Vernunft, die von einem Ausgangspunkt der Unwissenheit ausgehend sich in einem großen Umkreis aus Unwissenheit bewegt, mittels Hypothese, Prämisse und Theorie vorgehen muss und der Nachprüfung in irgendeiner Form unterworfen ist, die unseren Verstand und unsere Erfahrung überzeugt. Es besteht jedoch dieser Unterschied, dass der religiöse Geist die Theorie oder Prämisse – die er überhaupt nicht so nennt, denn für ihn sind dies Gefühlsdinge – mit dem Glauben, mit einem Willen zum Glauben, mit gefühlsmäßiger Gewissheit akzeptiert und die Bestätigung in der zunehmenden spirituellen Intuition und Erfahrung findet. Der philosophische Geist akzeptiert sie ruhig und klug wegen ihrer deutlichen Übereinstimmung mit den Fakten und Notwendigkeiten des Seins; er verifiziert mittels einer alles durchziehenden und nie versagenden Harmonie mit allen Erfordernissen der Vernunft und der intellektualisierten Intuition. Doch das skeptische Mental – nicht der Geist des bloßen Zweifelns oder dogmatischer Verneinung, der normalerweise diese Bezeichnung für sich in Anspruch nimmt, sondern der offene und ausgewogene Geist sorgfältiger, unparteiischer und zurückhaltender Untersuchung – verleiht seinen Hypothesen einen gewissen provisorischen Charakter und erbringt den Nachweis durch die Berechtigung irgendeiner Ordnung oder Kategorie feststellbarer Tatsachen, die er als Beweisgrundlage nimmt und mit schlüssiger Glaubwürdigkeit beziehungsweise Faktizität ausstattet. Es gibt genug Platz für alle drei Methoden und es ist kein Grund vorhanden, warum unser vielschichtiger moderner Geist nicht mit allen dreien zugleich vorgehen sollte. Denn wenn die skeptische oder provisorische Haltung uns bereiter macht, unser Bild von der Wahrheit im Licht neuen Gedanken- und Erkenntnismaterials zu ändern, kann auch der religiöse Geist, vorausgesetzt, er behält ein gewisses festes und tiefes Offensein gegenüber neuer spiritueller Erfahrung bei, schneller zu einem immer größeren Licht fortschreiten, und in der Zwischenzeit können wir damit sicheren Schritts marschieren und ungefährdet unsere Hauptaufgabe in Angriff nehmen, unser Wesen wachsen zu lassen und zu vervollkommnen. Der Nutzen des philosophischen Geistes liegt darin, unserer Denkweise die nötige Weite und Offenheit zu geben – wenn er sich nicht ebenfalls selbst einengt durch einen geschlossenen Kreis metaphysischer Dogmen –, und außerdem stützt er die Harmonie unseres sonstigen Handelns durch die ruhige Zustimmung der höheren Vernunft.
Nun liegt die Ausgangshypothese zu diesem Thema „Seele und Wiedergeburt“ ganz offen vor uns; die Schranke ist gefallen. Denn so viel steht jetzt fest: Die Naturwissenschaften können uns den Schlüssel zu dem Vorgang liefern, aber keinen Einfluss auf die Wirklichkeit der Dinge ausüben. Das bedeutet, dass das Physische nicht das ganze Geheimnis von Welt und Dasein ist und dass auch in uns der Körper nicht das Ganze unseres Wesens ist. Wir gelangen also aller Wahrscheinlichkeit nach durch etwas Supraphysisches in der Natur und in uns selbst, das wir Seele nennen können, was auch immer die eigentliche Substanz der Seele sein mag, zu jener größeren Wahrheit und subtileren Erfahrung, die unseren von den Naturwissenschaften gezogenen engen und strengen Kreis vergrößern und uns der Wirklichkeit näher bringen wird. Auch der rationalste Geist kann jetzt durch nichts gehemmt werden – denn wahrer Rationalismus, wirkliches, freies Denken braucht nicht mehr mit einer Leugnung der Seele und dem Ausspähen von Wahrheiten spiritueller Philosophie und Religion gleichgesetzt zu werden, wie es eine Zeitlang allzu voreilig und intolerant der Fall war –, nichts kann uns davon abhalten, fest entschlossen auf den Gewissheiten spiritueller Erfahrung voranzuschreiten, welche es auch immer sein mögen, die für uns der Boden unseres inneren Wachstums oder die Säulen auf unserem Weg der Selbsterkenntnis geworden sind. Dies sind Seelen-Wirklichkeiten. Doch der eigentliche Rahmen, den wir diesem Wissen geben werden, wird am besten von weitreichender spiritueller Erfahrung gebildet, unterstützt von größeren Intuitionen, bestärkt durch die Hinweise einer weiten philosophischen Vernunft und fruchtbar nutzend, was immer wir an hilfreichen Fakten von Naturwissenschaft und Psychologie erhalten können. Dies sind Wahrheiten des Seelenvorgangs; ihr volles Licht muss durch Erfahrungswissen und Beobachtung der Welt um uns und in uns gewonnen werden.
Die Anerkennung eines Vorhandenseins der Seele kann nicht an sich schon, durch ihre eigene Notwendigkeit, durch irgendeinen unerlässlichen nächsten Schritt, dazu führen, dass die Wiedergeburt akzeptiert wird. Diese unerlässliche Konsequenz kann erst eingeführt werden, wenn es so etwas wie eine Seelen-Evolution gibt, die sich stets selbst Geltung verschafft und zur ständigen Ordnung des Daseins und zum Gesetz des Zeitprozesses gehört. Außerdem ist so etwas wie das Geltenlassen einer individuellen Seele eine erste Bedingung für die Wahrheit der Wiedergeburt. Denn es gibt eine plausible Theorie des Daseins, die eine All-Seele annimmt, ein universales Sein und Werden, dessen greifbares Ergebnis die materielle Welt ist, die jedoch nicht eine bleibende Wahrheit unserer spirituellen Individualität gelten lässt. Die All-Seele kann sich kontinuierlich entwickeln, kann ihr Werden langsam, doch mit Nachdruck herausbilden; aber jeder individuelle Mensch beziehungsweise jedes offenbare Einzelwesen ist für diese Denkweise nur ein Augenblick der All-Seele und ihrer Evolution; aus dieser erhebt sie sich durch die Bildung, die wir Geburt nennen, und sinkt in sie zurück durch die Auflösung, die wir Tod nennen. Aber diese begrenzende Vorstellung kann nur Bestand haben, wenn wir einer schöpferischen biologischen Evolution und ihrem Instrument physischer Vererbung mit der ganzen Ursächlichkeit unseres mentalen und spirituellen Wesens Glauben schenken; doch in diesem Fall haben wir weder eine wirkliche Seele noch ein wirkliches Mental, unsere Seelen-Persönlichkeit oder unser spirituelles Werden ist eine Frucht unseres Lebens und Körpers. Die Frage der Wiedergeburt dreht sich nun fast gänzlich um die eine Grundfrage nach der Vergangenheit des Einzelwesens und seiner Zukunft. Wenn die Schöpfung der ganzen Natur der physischen Geburt gutgeschrieben werden soll, dann sind Körper, Leben und Seele des Individuums nur eine Fortsetzung von Körper, Leben und Seele seiner Ahnen, und für eine Seelen-Wiedergeburt ist nirgends Platz. Der einzelne Mensch hat kein von ihnen unabhängiges vergangenes Sein und kann keine unabhängige Zukunft haben; er kann in seiner Nachkommenschaft weiterleben – das Kind kann sein zweites oder fortgesetztes Selbst sein, wie die Upanishaden es ausdrücken –, doch es gibt keine andere Wiedergeburt für ihn. Kein fortdauernder Strom der Individualität, geleitet von irgendeiner mentalen oder spirituellen Person, überlebt siegreich den Tod des Körpers. Wenn andererseits irgendein Element in uns ist, und gar noch das wichtigste von allen, das nicht nur so erklärt werden kann, sondern eine Vergangenheit oder eine künftige Evolution voraussetzt, die sich von der des Gattungsgeistes und der physischen Abstammung unterscheidet, dann wird eine irgendwie geartete Seelen-Geburt zur logischen Notwendigkeit.