Kitabı oku: «Europäische Urbanisierung (1000-2000)», sayfa 2

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Der „ökologische Fußabdruck“ besitzt zwar als Metapher eine hohe Anschaulichkeit, ist allerdings für eine historische Analyse der Umweltbeanspruchung europäischer Städte kaum umsetzbar, denn nur selten finden wir in den Quellen für die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks ausreichend genaue und quantifizierbare [<<19] Angaben.15 In der Regel muss sich Umweltgeschichte der Stadt, vor allem für weiter zurückliegende Perioden, damit begnügen, die wichtigsten Energie- und Materialflüsse, die in eine Stadt und ihren Stoffwechsel eingehen, auf einer qualitativen Ebene nachzuzeichnen. Dies ist daher auch der Anspruch dieses Studienbuchs: Das Modell des „Stoffwechsels der Stadt“ dient dazu, die materielle Reproduktion von Städten und ihrer Bewohner sowie deren Auswirkungen auf das Umland überhaupt als zentrales Problem zu identifizieren. Es hilft uns, Fragen nach den wichtigsten Ressourcen zu formulieren und nachzuspüren, wie diese beschafft wurden, welche Konflikte dabei auftraten, welche Wirkungen die „Kolonisierung von Natur“ in den Gebieten, auf die sich die Versorgungsinteressen der Stadt jeweils richteten, zeitigten. Dabei lassen sich, auch wenn keine genaue Quantifizierung möglich ist, doch weitreichende Aussagen treffen: So konnten britische Mittelalterhistoriker das Hinterland Londons im Spätmittelalter für die Versorgung mit Getreide und Brennholz einigermaßen exakt räumlich bestimmen. Es zeigte sich dabei die zentrale Bedeutung von Naturraum und Verkehrslage: Begünstigt durch die Themse und ihr Flussdelta bezog London seine wesentlichen Nahrungsmittel und Brennstoffe aus einem über 160 km langen, aber auf beiden Seiten der Themse nur jeweils etwa knapp 30 km tiefen Korridor.16 Innerhalb dieses Gebiets ist eine spezifische, auf die Getreide- und Holzbedürfnisse Londons ausgerichtete „Kolonisierung von Natur“ nachweisbar, wurden etwa Wälder mit dem Ziel maximalen Brennholzertrags bewirtschaftet, was den Charakter dieser Wälder dauerhaft veränderte (vgl. Kap. 4.2, S. 68 u. Kap. 7.2.6, S. 175).

Das Konzept „gesellschaftlicher Stoffwechsel“ der Stadt erlaubt, die Beziehungen zwischen Städten und ihrer Umwelt in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Wir können die Abhängigkeit einer Stadt von den natürlichen, für ihre Reproduktion notwendigen Ressourcen erfassen und die Schwachpunkte, die Aspekte, hinsichtlich [<<20] derer eine spezifische Stadt am meisten verwundbar war und am wenigsten autonom ihre Versorgung sicherstellen konnte, identifizieren. Wir können daher die Ver- und Entsorgungsstrategien verschiedener Städte innerhalb einer Zeitperiode vergleichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausmachen. Dabei geht es allerdings nicht primär um das Herausarbeiten von Besonderheiten, sondern vielmehr um die Darstellung allgemeiner, für die meisten Städte strukturell ähnlicher Muster. Im Zeitverlauf können wir fragen, wie sich solche Strategien in Reaktion auf Bevölkerungswachstum oder Schrumpfung, auf politische oder ökonomische Veränderung gewandelt haben.

Fokus 2: Die Umwelt der Stadt

Das zweite Thema, das diesen Band als roter Faden durchzieht, ist die Frage nach der „Umwelt“ der europäischen Städte in einem weiteren, umfassenden Sinn. Städte waren nicht nur geprägt und zugleich auch begrenzt von ihrer Lage in der Landschaft, ihren Standort etwa an einem wichtigen Fluss, durch Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit der sie umgebenden Länder. Sie sahen sich auch in politisch und religiös bestimmte Umwelten eingebunden, mit Herrschaftsstrategien und geistigen Bewegungen konfrontiert, die sich auf ihre Position in politischen Bündnissen auswirkten, die die Bewohner der Stadt mobilisierten und zur Durchsetzung neuer Forderungen, zur Schaffung neuer Strukturen motivierten, wie dies in der vorindustriellen Zeit etwa im Investiturstreit oder in der Reformation der Fall war. „Umwelt“ der Städte war außerdem bis ins 18. Jahrhundert der Feudalismus, die Art und Weise, wie die europäischen Gesellschaften ihren Umgang mit Boden, ihre Landwirtschaft, ihre gesellschaftliche Hierarchie und ihren Austausch organisierten. Dabei handelte es sich um eine keineswegs statische, aber sich doch in sehr langen Zeiträumen wandelnde Formation, innerhalb derer die Städte mit der Garantie persönlicher Freiheit für ihre Bewohner, aber auch mit der größeren Bedeutung marktförmiger Allokationsprozesse, eigentlich systemfremde Inseln bildeten. „Umwelt“ städtischer Entwicklung waren schließlich auch langfristige demografische und ökonomische Konjunkturen, die die europäische Geschichte insgesamt seit dem Frühmittelalter prägten, ein Wechselspiel zwischen Expansion – Krise – Kontraktion und Erholung, das sich natürlich auch auf Städte und deren Entwicklung in gelegentlich überraschenden Effekten auswirkte, wenn z. B. Städte – nach zunächst dramatischen Bevölkerungsverlusten durch die Pest Mitte des 14. Jahrhunderts – später dann zu Gewinnern in der Krise des 14. Jahrhunderts wurden (vgl. Kap. 5.2.2, S. 93). Diese großen Perioden von Expansion, Krise und Kontraktion strukturieren insbesondere die Kapitel 2 (S. 25), 3 (S. 41), 5 (S. 89) und 6 (S. 125). Angesichts der Fülle und Vielschichtigkeit historischer [<<21] Entwicklungsprozesse in diesem langen Zeitraum eines Jahrtausends können viele historisch-politische Rahmenbedingungen allerdings nur knapp angedeutet werden.

Fokus 3: Die Stadt als Umwelt

Eine dritte strukturierende Fragestellung richtet sich auf den Wandel von Stadt als Umwelt der Städter. Städte als gebaute Artefakte gesellschaftlichen Zusammenlebens unterliegen einem historischen Wandel, der sich über Prozesse des Verfalls und Neubaus, der kollektiven Formierung bestimmter Räume in der Stadt (Mauern, Plätze, Straßen, öffentliche Einrichtungen), der Zerstörung und des Wiederaufbaus nach Kriegen und Naturkatastrophen manifestiert. Und auch die Stoffströme der Stadt gehen nicht in gesamtstädtischen Materialbilanzen auf, sondern wurden konkret kleinräumlich vermittelt und organisiert, etwa durch die Hunderte oder Tausende von Grundwasserbrunnen in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten (vgl. Kap. 5.4, S. 109) oder die hochgradig regulierten städtischen Märkte. Es wird daher immer wieder aufgezeigt werden, wie Stadt als gebaute Struktur aussah, wie bestimmte Funktionen räumlich zugeordnet waren, wo und wie sich „Natur“ in der Stadt zeigte und insbesondere, wie sich soziale Ungleichheit im Raum der Stadt artikulierte. Für die Zeiträume näher zu unserer Gegenwart wird die baulich-räumliche Umgestaltung der Stadt zentrales Thema, sei es quasi-naturwüchsig durch die Marktkräfte einer entfesselten Industrialisierung wie in der shock-city Manchester (vgl. Kap. 8, S. 193) oder im Berlin der gründerzeitlichen Mietskasernen, sei es durch Versuche planmäßiger Neuordnung, wie sie sich in staatlichen oder städtischen Umbauprogrammen, etwa der „Haussmannisierung“ von Paris Mitte des 19. Jahrhunderts (vgl. Kap. 10, S. 253), beobachten lassen.

1.2 Das Vorgehen

Die Darstellung in diesem Studienbuch ist grob chronologisch. Sie setzt ein mit dem Wiederaufschwung der Städte im christlichen Europa um das Jahr 1000, als sich neben den wenigen verbliebenen Resten des römischen Städtewesens dank eines generellen demografischen und ökonomischen Aufschwungs neue Stadtgründungen vermehrt registrieren lassen. In den Kapiteln 2 (S. 25), 3 (S. 41), 5 (S. 89) und 6 (S. 125) wird der Verlauf der europäischen Urbanisierung im Mittelalter und der frühen Neuzeit nachgezeichnet, gegliedert nach den bereits erwähnten großen ökonomisch-demografischen Konjunkturen. Dies erfolgt einerseits auf der Ebene einzelner, jeweils als Beispiel für bestimmte Entwicklungen dienender Städte, andererseits auf [<<22] der Ebene des europäischen Städtesystems insgesamt. Um dieses Gesamtbild zu konkretisieren, werden für jede Großperiode eine oder mehrere Städte mit Kurzporträts näher vorgestellt, die durch ihr Profil und ihre Funktion für diese Periode und für das Städtesystem insgesamt besonders wichtig und repräsentativ waren. Kapitel 4 (S. 65) „Stadt – Umland – Hinterland: Die Versorgungskreise der mittelalterlichen Stadt“ durchbricht dieses chronologische Schema; hier werden generelle Muster der Versorgung und des Stoffwechsels der vormodernen Stadt entwickelt, die nicht nur für eine der chronologischen Großperioden zutrafen. Mit Kapitel 7 (S. 157) „Die neue Dominanz der Hauptstädte nach 1500“ wird die neue Qualität der Hauptstädte als Konzentrationspunkte der neuen Nationalstaaten auf allgemeiner Ebene beschrieben und am Beispiel der wichtigsten Hauptstädte London und Paris veranschaulicht. Kapitel 8 (S. 193) zeigt die Wirkungsmacht der Industrialisierung auf städtischer Ebene am Beispiel von Manchester auf und betont zugleich, wie fremdartig und schockierend die neuen baulichen und gesellschaftlichen Muster auf die Zeitgenossen wirkten. Die überragende Bedeutung von Hygiene und Hygienisierung ist zentrales Thema von Kapitel 9 (S. 223), das herausarbeitet, wie die Gesellschaften des 19. Jahrhunderts, allen voran Großbritannien, auf die Herausforderungen durch Massenarmut, hohe Sterblichkeit und Epidemien mit einer gesundheitsbezogenen Ordnungskonzeption für den städtischen Raum reagierten, die zugleich sozial pazifizierend wirken sollte. Der von der „Public-Health“-Bewegung angestoßene Umbau der Städte hatte auch tief greifende Veränderungen des materiellen Stoffwechsels der Städte, insbesondere für Wasser und Abfall, zur Folge. Kapitel 10 (S. 253) „Die ,Haussmannisierung‘ von Paris: Die Erfindung der modernen Metropole“ untersucht, wie die französische Hauptstadt Mitte des 19. Jahrhunderts unter besonderen politischen Rahmenbedingungen radikal umgebaut wurde, wobei letztlich das global für das späte 19. und auch noch frühe 20. Jahrhundert bestimmende Leitbild einer modernen, wohlgeordneten und lebenswerten Metropole entstand. Die von den Zeitgenossen als existenzbedrohend wahrgenommene Krise der europäischen Stadt um 1850 und die beiden darauf gefundenen Antworten stehen in Kapitel 11 (S. 275) im Mittelpunkt: einerseits die „Vernetzung der Stadt“ durch eine Vielzahl von Infrastrukturnetzen, die eine Überwindung materieller Krisensymptome (z. B. hohe Mortalität) durch Verlagerung und Externalisierung negativer Umweltwirkungen ermöglichte, andererseits die Stadtplanung als zunehmend professionalisierte und verwissenschaftlichte Praxis räumlichen Ordnens von Stadt und städtischer Funktionen. Dabei wird auch herausgestellt, wie sich mit veränderndem Problemhorizont der Fokus der Planung vom Streben nach der assanierten, sauberen Stadt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zur Wohnungsfrage als der für zentral erachteten Dimension der sozialen Frage in der ersten [<<23] Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelte. Kapitel 12 (S. 329) schließt den Bogen von den Tendenzen europäischer Stadtentwicklung in der Nachkriegszeit, insbesondere der Motorisierung und Suburbanisierung bis hin zu den aktuellen Problemen eines Umbaus von Städten im Zeichen „nachhaltiger Entwicklung“. [<<24]

1 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: „Wieczorek-Zeul: Wir sind im urbanen Jahrtausend angekommen!“, 6. Oktober 2008, <http://www.service-eine-welt.de/partnerschaftsinitiative/2008-10-01*2008-12-31/standard-weltsiedlungstag2008.html>, abgefragt 17.02.2014.

2 Vgl. David Blackbourn: The Culture and Politics of Energy in Germany. A Historical Perspective, (= RCC Perspectives 2013/4), München 2013. Zwar wirkte die Berechnung der britischen Kohlevorräte in den 1860er-Jahren durch Stanley Jevons, der die Verfügbarkeit von Kohle beim damals absehbaren Verbrauchsmuster auf 110 Jahre ansetzte, in der wissenschaftlichen Gemeinschaft verstörend, aber konkurrierende Gutachten und Prognosen schoben die zeitliche Grenze erheblich weiter hinaus. Politische Konsequenzen zeitigte die Debatte letztlich nicht, vgl. Rolf Peter Sieferle: Der unterirdische Wald. Energiekrise und Industrielle Revolution, München 1982, S. 252–260.

3 Daran ändert auch die zeitliche Streckung der Ressourcen durch neue, recht problematische Extraktionsverfahren wie das „Fracking“ nichts Grundsätzliches.

4 Vgl. Institute for Sustainability. Hintergrund Energie und Städte, <http://www.4sustainability.de/energie-undstaedte/hintergrund.html>, Zugriff: 12.09.2013.

5 Fachleute beziffern den kurz- und mittelfristigen Finanzaufwand für die Instandhaltung des bundesdeutschen Kanalisationsnetzes auf über 50 Mrd. Euro, vgl. Klaus Hans Pecher: Entwicklung des Kanalnetzes in Deutschland und Ansätze zur wirtschaftlichen Optimierung der notwendigen Netzsanierung. (Vortrag gehalten auf dem Abwasserforum 2009, Entsorgungsverband Saar) <http://www.entsorgungsverband.de/fileadmin/evs_web/images/Infomaterial/tagungsunterlagen_vortraege/Abwasserforum_2009/Entwicklung%20des%20Kanalzustandes%20in%20Dtschland.pdf>, Zugriff: 05.09.2013.

6 Vgl. Klaus Wisotzky/Michael Zimmermann (Hrsg.): Selbstverständlichkeiten. Strom, Wasser, Gas und andere Versorgungseinrichtungen: die Vernetzung der Stadt um die Jahrhundertwende, Essen 1997; Dieter Schott: Wege zur vernetzten Stadt – technische Infrastruktur in der Stadt aus historischer Perspektive, in: Informationen zur Raumentwicklung, H. 5.2006, S. 249–257.

7 Vgl. Jeffrey Diefendorf: In the wake of war. The reconstruction of German cities after World War II, New York 1993, S. 20, der die prägende Wirkung des Straßenrasters und der Infrastrukturnetze für den Wiederaufbau betont. Christoph Bernhardt bezeichnet die städtische Infrastruktur der deutschen Städte nach 1945 als „strukturkonservierendes Rückgrat“, vgl. Christoph Bernhardt: Umweltprobleme in der neueren europäischen Stadtgeschichte, in: Ders. (Hrsg.): Environmental Problems in European Cities in the 19th and 20th Century/Umweltprobleme in europäischen Städten des 19. und 20. Jahrhunderts, Münster u. a. 2001, S. 5–23, hier 15. Für Naturkatastrophen zusammenfassend Dieter Schott: Resilienz oder Niedergang? Zur Bedeutung von Naturkatastrophen für Städte in der Neuzeit, in: Ulrich Wagner (Hrsg.): Stadt und Stadtverderben. 47. Arbeitstagung in Würzburg, 21.-23. November 2008 (= Stadt in der Geschichte, Veröffentlichungen des Südwestdeutschen Archivkreises für Stadtgeschichtsforschung Band 37), Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2012. S. 11–32, bes. S. 31–32.

8 Zur Entwicklung des Konzepts vgl. Raymund Werle: Pfadabhängigkeit, in: Arthur Benz (Hg): Handbuch Governance. Theoretische Grundlagen und empirische Anwendungsfelder, Wiesbaden 2007, S. 119–131. Der amerikanische Ökonom Paul David hatte 1985 untersucht, warum sich die amerikanischen Schreibmaschinen-Tastatur QWERTY langfristig durchsetzte, obwohl andere, effizientere Systeme vorlagen, Paul David: Clio and the Economics of QWERTY, in: American Economic Review, 75 (1985), S. 33–37. Zur Anwendung des Konzepts für die Stadtgeschichte: Martin V. Melosi: Path Dependence and Urban History: Is a Marriage Possible?, in: Dieter Schott/Bill Luckin/Geneviève Massard-Guilbaud (Hrsg.) Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe, Aldershot 2005, S.262–275.

9 Die Ansätze zur Definition von Stadt sind Legion, vgl. für einen begriffsgeschichtlichen Überblick Alfred Heit: Vielfalt der Erscheinung – Einheit des Begriffs. Die Stadtdefinition in der deutschsprachigen Stadtgeschichtsforschung seit dem 18. Jahrhundert, in: Peter Johanek/Franz-Joseph Post (Hrsg.): Vielerlei Städte. Der Stadtbegriff, Köln u. a. 2004, S. 1–12.

10 Franz Irsigler: Stadt und Umland in der historischen Forschung. Theorien und Konzepte, in: Neithard Bulst/Jochen Hoock/Franz Irsigler (Hrsg.): Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft. Stadt-Land-Beziehungen in Deutschland und Frankreich, Trier 1983, S. 13–38, hier 26 f.

11 Vgl. Marina Fischer-Kowalski u. a.: Gesellschaftlicher Stoffwechsel und Kolonisierung von Natur. Ein Versuch in Sozialer Ökologie, Amsterdam 1997; Dieter Schott: Resources of the City: Towards A European Urban Environmental History, in: Dieter Schott/Bill Luckin/Geneviève Massard-Guilbaud (Hrsg.), Resources of the City. Contributions to an Environmental History of Modern Europe, Aldershot 2005, S. 1–27, hier 10 f; Verena Winiwarter/Martin Knoll: Umweltgeschichte, Köln 2007, bes. S. 194–199; für die Anwendung auf mittelalterliche Städte besonders Richard C. Hoffmann: Footprint Metaphor and Metabolic Realities. Environmental Impacts of Medieval European Cities, in: Paolo Squatriti (Hrsg.): Natures Past. The Environment and Human History, Ann Arbor 2007, S. 288–325, sowie Christoph Sonnlechner: Der ’ökologische Fussabdruck‘ Wiens im Spätmittelalter – eine Annäherung, in: Ferdinand Opll/Christoph Sonnlechner (Hrsg.): Europäische Städte im Mittelalter, Innsbruck/Wien/Bozen 2010, S. 351–364.

12 Stephen Boyden u. a.: The Ecology of a City and its People. The Case of Hongkong, Canberra 1981.

13 William Rees/Mathis Wackernagel: Unser ökologischer Fußabdruck. Wie der Mensch Einfluß auf die Umwelt nimmt, Basel u. a. 1997.

14 Vgl. die Studie von 2002, in Auftrag gegeben von der Chartered Institution of Wastes Management (EB), veröffentlicht unter ‚City Limits. A resource flow and ecological footprint analysis of Greater London’, <http://www.citylimitslondon.com/downloads/Execsummary.pdf>, Zugriff: 05.09.2013.

15 Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts liegen in der Regel ausreichend dichte statistische Quellen vor, vgl. etwa die anspruchsvollen und methodisch hoch differenzierten Berechnungen zum Energieverbrauch der Stadt Wien in: Fridolin Krausmann: Sonnenfinsternis? Wiens Energiesystem im 19. und 20. Jahrhundert, in: Karl Brunner und Petra Schneider (Hrsg.), Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien, Wien/Köln/Weimar 2005, S. 140–47. Bemerkenswert auch die Berechnungen von Sabine Barles zu den Stickstoff-Kreisläufen in Paris im 19. und 20. Jahrhundert, Sabine Barles: A Metabolic Approach to the City: Nineteenth and Twentieth Century Paris, in: Schott/Luckin/Massard-Guilbaud (Hrsg.), Resources, S. 28–47.

16 Vgl. James Galloway/Derek Keene/Margaret Murphy: Fuelling the city: Production and Distribution of Firewood and Fuel in London’s Region, 1290–1400, in: Economic History Review XLIX, 3(1996), S. 447–472.

2 Kontinuität oder Neubeginn: Städte im Frühmittelalter
2.1 Römerstädte: Das Problem der Kontinuität

In diesem Kapitel soll veranschaulicht werden, an welche älteren Formen städtischer Siedlungen die europäische Urbanisierung des Hochmittelalters anknüpfen konnte oder ob und in welchem Umfang die Gründung von Städten eine neue Entwicklung darstellte. Außerdem werden die wirtschaftlichen und demografischen Rahmenbedingungen für die europäische Urbanisierung charakterisiert und unterschiedliche Wege zur Stadtentstehung präsentiert.

Hatte die ältere Stadtgeschichte, vorrangig interessiert an rechts- und verfassungsgeschichtlichen Fragestellungen, sehr stark den Bruch, die Diskontinuität zwischen den römischen städtischen Traditionen und dem Wiederaufstieg städtischer Siedlungen im Hochmittelalter betont, so überwiegt mittlerweile eine funktionalistische Interpretation, die stärker auch Kontinuitäten akzentuiert.1

Woran konnten mittelalterliche Städte nun anknüpfen, wodurch zeichneten sich Römerstädte aus? Insbesondere im Raum nördlich der Alpen gibt es eine Reihe klarer Merkmale: Hervorgegangen aus der Tradition eines Militärlagers weisen Römerstädte in der Regel einen quadratischen oder rechteckigen Grundriss auf. Die Straßen sind im Gitternetz organisiert, wobei zwei Hauptstraßen normalerweise besonders hervorgehoben sind; sie bilden ein Achsenkreuz, wobei die Nord-Süd-Achse als cardo, die Ost-West-Achse als decumanus bezeichnet wird. An der Kreuzung der Achsen im Zentrum der Stadt befindet sich das Forum mit den wichtigsten öffentlichen Gebäuden. Die Städte sind von Wall und Graben umgeben und öffnen sich über vier Tore, wo die Topografie dies erlaubt, zum Umland. Außerhalb der Stadt liegen meist die Gräberfelder, die Nekropolis. Politisch waren die Römerstädte Verwaltungs- und kultische Zentren von größere Bezirke umfassenden civitates. Mit der Krise des Römischen [<<25] Reiches im 3. Jh. begannen sich die Strukturen, die die Städte mit ihrem Umland und dem Reich insgesamt verbanden, aufzulösen: Angesichts der militärischen Bedrohung durch die Germanen mussten die Städte befestigt und ummauert werden, wodurch sich das äußere Erscheinungsbild radikal veränderte; die Stadt erhielt Burgcharakter. Wegen der deshalb steigenden Steuerbelastung der führenden Schichten von Grundbesitzern, die bis dahin in der Stadt wohnten, verließen diese die Städte und etablierten sich in quasi-autarken römischen villas auf dem Land, was natürlich die ökonomische Leistungsfähigkeit der verbliebenen Stadtbevölkerung schwächte.

Der Bischof wurde dann für die Kontinuität des Städtischen über das Ende des Römischen Reichs hinaus ein wichtiger Faktor: Im Zuge der Christianisierung des Römischen Reiches seit dem frühen 4. Jahrhundert wurden Bischofssitze gegründet; diese wurden jeweils in einer civitas angesiedelt, folgten also der Organisationsstruktur des Römischen Reiches. Bereits unter Kaiser Konstantin erhielten Bischöfe auch weltliche Machtbefugnisse, etwa in der zivilen Gerichtsbarkeit. Als mit der Völkerwanderung und dem Fall Roms Ende des 5. Jahrhunderts die Zentralgewalt kollabierte, verblieb der Bischof häufig als der tatsächliche Herr der civitas.

Städte waren also in den sich seit dem 6. Jahrhundert bildenden germanischen Reichen sehr deutlich in ihrer Ausdehnung und Bevölkerung geschrumpft, sie hatten Festungscharakter, waren wegen des Exodus der Großgrundbesitzer vom Umland isoliert. Sie hatten aber mit dem Bischof eine lokale Herrschaftsfigur, die einerseits letzte Reste staatlicher Autorität repräsentierte, andererseits die Kontinuität mit der römischen Kulturtradition sicherstellte. Diese Kontinuität prägte sich innerhalb Europas sehr unterschiedlich aus.2 Während im Gebiet östlich des Rheines, das von der römischen Kultur nur partiell und kurzfristig erfasst worden war, keine direkte Kontinuität festgestellt werden kann, lassen sich in den Gebieten, wo Romanen auch nach der Völkerwanderung den überwiegenden Anteil der Bevölkerung stellten, etwa in Spanien, Süd- und Südwestfrankreich und Italien sehr große Kontinuitätslinien konstatieren; hier behielt etwa auch der Adel häufig seinen Wohnsitz in den Städten bei. Das vielfältigste Bild präsentiert sich in einer Zone zwischen Seine und Rhein, die einerseits tief von der römischen Kultur geprägt war, andererseits aber doch starken Erschütterungen durch die Völkerwanderung ausgesetzt war. Während im Norden dieser Zone große Römerstädte wie Colonia Trajana (heute Xanten) um die Mitte des 5. Jh. vollständig verlassen waren, zeigt Köln eine recht deutliche Siedlungskontinuität, etwa im Standort des Doms an der Stelle der spätantiken Bischofskirche, [<<26] in der Weiternutzung des römischen Statthalterpalastes am Rhein als Residenz der Merowinger oder im Straßenraster. In anderen Fällen knüpften frühmittelalterliche Siedlungen zwar an Römerstädte an, aber nicht an deren zentrale Teile, sondern häufig in Vorstädten oder in der Nähe von Grabkirchen auf den ehemaligen Gräberfeldern wie etwa in Bonn, Mainz und Speyer.

Insgesamt resultierte der Untergang des Römischen Reiches auch nördlich der Alpen nicht in einem vollständigen Kollaps städtischer Zivilisation; für Gallien im 6. Jahrhundert sind quellenmäßig eine nach wie vor dichte städtische Besiedlung, starke Befestigung von Städten wie etwa Dijon und ein ausgeprägter Binnenhandel mit Waren aller Art als klare Indikatoren städtischer Wirtschaft nachgewiesen.3 Die Kirche bildete vielfach die Kontinuitätsbrücke: „Im Schatten der Kirche“, so die Historikerin Edith Ennen, „retten sich städtische Lebensgewohnheiten ins Mittelalter.“4 Allerdings ist generell eine starke Schrumpfung der Bevölkerung vieler Städte zu konstatieren; der städtische Standort der Gewerbe wurde teilweise aufgegeben. Die Römerstraßen verloren erheblich an Bedeutung, weil sie nicht mehr unterhalten und gesichert werden konnten, der Handel wandte sich vermehrt den Flüssen zu. Insgesamt fehlte eine starke und an der Aufrechterhaltung der Infrastruktur interessierte Zentralgewalt, die Verkehrskreise und Beziehungen zwischen den Städten reduzierten sich erheblich. Waren die Städte als Mittelpunkte der civitates im Römischen Reich die entscheidenden Schaltstellen politischer und wirtschaftlicher Macht gewesen, so wurden sie im Karolingerreich zu Inseln in einer ländlich gewordenen Umwelt. Die städtische Lebensform war nicht mehr länger die Lebensform schlechthin, das Land, seine Klöster, seine Herrensitze hatten Eigenbedeutung, strebten nach Selbstversorgung jenseits städtischer Märkte.

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