Kitabı oku: «Sonnenkaiser», sayfa 2

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Er drückte wieder ab. Der Kopf des Getroffenen schlug nach hinten. Sein Körper erschlaffte und schwankte haltlos herum, während der Radpanzer auf den Weg Richtung Zentrale abbog. Rob hob seinen Kopf vom Zielfernrohr und versuchte, sich einen größeren Überblick zu verschaffen. Bis auf den letzten Radpanzer war der Konvoi auf dem Weg in den Norden des Parks eingebogen und beschleunigte. Die schwerfällig hochdrehenden Motoren schickten ihr Dröhnen bis zu Rob hoch.

Mit etwas Verspätung erklang wieder die schwer verständliche Stimme in seinem Headset.

>>Zentrale an Posten Sechs. Autorisierung Alpha Zwei Omega Vier.<<

Eine Gedenksekunde lang wartete der Mann.

>>Was ist bei Ihnen los? Warum wird geschossen?<<

Vollidiot! Sind die Drohnenkameras ausgefallen? Wohin schaute der Typ? In seine Coke? Auf sein Sandwich?

Rob fluchte laut. Er tippte mit einem Finger an sein Headset und öffnete die Sprechverbindung. Er bemühte sich, nicht zu hektisch zu sprechen und seine Aufregung nicht hochkommen zu lassen.

>>Hier Posten Sechs am Wachturm! Der Konvoi wurde vom Feind übernommen und befindet sich auf dem Gelände. Die Mannschaft am Tor von Posten Sechs wurde erschossen. Der Konvoi fährt jetzt auf dem Gelände entlang der Ostbegrenzung nach Norden.<<

Rob atmete tief ein und hob eine Hand. Die Finger zitterten nicht. Für einen Moment schien der Typ mit der Nuschelstimme nachdenken zu müssen. Dann entschied er sich für eine aus seiner Sicht geeignete Antwort.

>>Nennen Sie Ihre Autorisierung!<<

Das konnte doch nicht wahr sein. Er weigerte sich, Robs Meldung trotz ihrer eindeutigen Dringlichkeit entgegenzunehmen. Rob atmete wieder tief durch. Auch Wut ließ Hände zittern.

>>Autorisierung Theta Fünf Sigma Neun!<<

>>Danke! Autorisierung akzeptiert! Wiederholen Sie Ihre Meldung!<<

Rob nahm unterbewusst sein mit ihm durchgehendes Temperament wahr. So viele Atemzüge konnte er gar nicht ruhig durchatmen. Es platzte mit einem Mal aus ihm heraus.

>>Hör zu, Du unterkühlter Sesselfurzer! Hier liegen vier niedergeschossene Wachleute! Der Konvoi, der gerade reinkam, wurde vom Feind übernommen und hat das Feuer eröffnet. Und wenn ich es richtig einschätze, dann werden in kurzer Zeit bei Euch in Euren klimatisierten Büros möglicherweise keine Rotoren abgeladen, sondern Stahlmantelgeschosse.<<

Unter ihm erklang ein einzelner Schuss vom Tor. Dann noch einer. Keine Zeit mehr für sinnlose Unterhaltungen. Als Rob zum Tor herunterschaute, begriff er den Plan der Angreifer und vor allem seine eigene ziemlich üble Lage. Aus dem verbliebenen Radpanzer waren mehrere Bewaffnete zum Wachhäuschen gestürmt. Einer der mit sandfarbenen GlobSecure-Uniformen bekleideten Angreifer stand über dem Wachmann, der sich trotz mehrerer Treffer vor wenigen Momenten noch bewegt hatte. Eine Blutlache breitete sich um den Toten aus. Die Waffe des Angreifers zeigte noch auf den Mann.

Die anderen Kämpfer standen am Tor, das sich bereits wieder öffnete. Über die Zufahrt rasten die Pick-ups auf den Energiepark zu, schmutzige verbeulte Fahrzeuge, jedes mit einem fensterlosen Ladeflächenaufbau, der das Dach der Fahrerkabine deutlich überragte.

>>Posten Sechs, wir schicken Unterstützung!<<

Die nuschelnde Stimme klang etwas klarer. Möglicherweise hatte der Typ endlich sein Sandwich bewältigt.

>>Nett von Euch! Ich mache jetzt meinen Job und hoffe, das hier geht gut aus!<<

Rob zog das Gewehr wieder an die Schulter und nahm den Vermummten über dem Toten ins Visier. Stillhalten, ausatmen, abdrücken. Wieder der scharfe Knall, der ohne Motorenlärm weit genug zu hören war. Der Kämpfer, der den Wachmann exekutiert hatte, taumelte in einer heftigen Drehung und brach zusammen. Jemand stieß einen lauten Schrei aus. Ein hektisch lauter Wortschwall, eindeutig kein Englisch, folgte.

Rob legte auf den nächsten Angreifer an. Ein weiterer Kopftreffer schaltete den nächsten Kämpfer aus, der am Tor gegen seinen Nachbarn stolperte. Das Tor fuhr in diesem Moment an ihnen vorbei und beide fielen auf die sandbedeckte Zufahrt. Eine automatische Waffe begann von unten zu feuern und um Rob herum schlugen Geschosse in die Außenwand des Turms. Ein paar Kugeln bohrten sich in die Decke des Wachraums.

Rob duckte sich instinktiv. Als der Geschosshagel aussetzte, wagte er einen schnellen Blick nach unten.

>>Posten Sechs! Was ist bei Ihnen los?<<

Wieder die undeutliche Stimme in seinem Headset. Rob ignorierte den Mann. Eine neue Salve ließ ihn noch weiter zurückweichen. Er ließ das Gewehr in der Halterung los. Die Angreifer hatten es irgendwie geschafft, den Konvoi in ihre Hände zu bekommen. Möglicherweise hatten sich die Gegner unter die Besatzung des Konvois mischen können.

So einfach war es gewesen, Zugang zum Park zu bekommen. Wahrscheinlich waren die nach Norden fahrenden Trucks mit Sprengstoff präpariert. Jetzt hatten sie außerdem ein Tor unter Kontrolle. Und hinter ihnen kam die Hauptstreitmacht.

Der Radpanzer räumte den Zufahrtskanal. Die Angreifer aus dem Panzer sprangen zur Seite und machten den Pick-ups Platz, die einfach über die Getöteten hinweg rollten, als befänden sie sich in unwegsamem Gelände. Wagen um Wagen fuhr auf das Gelände. Der letzte Pick-up hielt neben dem Wachhäuschen. Aus dem Aufbau hinter der Fahrerkabine sprangen schwarz vermummte Männer mit automatischen Gewehren. Die letzten beiden trugen Panzerfäuste. Das hektische für Rob unverständliche Gebrüll vieler Stimmen hob an. Eine weitere Salve schlug durch den Sichtschlitz in die Decke des Wachturms. Er blieb in Deckung.

>>Posten Sechs! Melden Sie sich! Sind Sie noch da? Wir schicken Ihnen zwei Kampfdrohnen!<<

Die erste brauchbare Mitteilung vom Kontrollzentrum.

>>Danke! Sehr nett! Die Typen da draußen wissen nämlich, wo ich bin, und es wird langsam ungemütlich!<<, antwortete Rob und wischte sich über die Augen, in denen der Schweiß brannte.

Außerhalb seiner Sicht am Wachhäuschen zeigte einer der Männer aus dem Radpanzer nach oben. Einer der Panzerfaustschützen nickte und legte seine Waffe auf die Schulter. Die Spitze des aufgesetzten Geschosses richtete sich auf Robs Deckung. Die Maskierten aus dem Radpanzer nahmen ihre Waffen herunter und die Einschläge am Turm setzten aus. Rob wagte für einen Moment einen Blick nach unten und der Schreck über das, was er sah, jagte ihm eine ordentliche Menge Adrenalin durch den Körper.

>>Dreck! Wo bleiben die Drohnen?<<

Aus dem Headset kam keine Antwort. Möglicherweise lähmte die zu kalt eingestellte Klimaanlage die Stimmbänder seines Gesprächspartners.

Rob wartete auf das giftige Zischen eines Geschosses. Er warf sich herum und sprang in die Mitte des Raumes zurück. Direkt vor der Einstiegsluke kam er rutschend auf den Knien auf. Seine Kniescheiben meldeten Protest gegen diese Behandlung an und Rob verzog vor Schmerz das Gesicht. Eine Hand krallte sich in den Griff der Verriegelung und drehte sie. Ein Klacken, das von einem gefahrverkündenden Fauchen irgendwo draußen begleitet wurde, signalisierte, dass die Luke geöffnet war. Mit aller Kraft riss Rob den Zugang zum Leiterschacht auf und warf den Schachtdeckel gegen die Arretierung, an der er senkrecht stoppte. Das fauchende Geräusch von draußen schwoll blitzartig an.

Rob schaute kurz in das dürftig ausgeleuchtete Innere des Turms. Eine Leiter führte auf eine etwa acht Meter tiefer gelegene Plattform. Dort musste man aus Sicherheitsgründen für den weiteren Abstieg bis zur nächsten Plattform auf die andere Seite der Leiter wechseln. Auch ein acht Meter tiefer Sturz konnte einem eine Menge Knochen brechen. Rob stürzte sich in dem Moment kopfüber in den Schacht, als das panzerbrechende Geschoss an der Sichtöffnung neben dem in der Halterung hängenden Gewehr explodierte und die Wand aufriss. Gewehr, Touchscreen und eine der Streben, die das Dach hielten, wurden weggerissen und durch den Raum geschleudert. Ein Feuerball zuckte durch den Wachraum. Rob versuchte, im Fallen eine der Leitersprossen zu fassen, während von oben der Tod nach ihm griff. Er schaffte es für einen Moment, sich mit einer Hand festzuhalten. Sein Körper vollführte um die Hand an der Sprosse eine hundertachtzig Grad Drehung und er schlug seitlich gegen die Leiter. Ein heftiger Schmerz im Handgelenk löste seinen Griff und er stürzte hintenüber auf die Plattform. Sein Kopf schlug auf der Plattform heftig auf und ein weitaus heftigerer Schmerz gesellte sich zu dem anderen.

Sein Blick verschleierte sich. Verschwommen erkannte er etwas Dunkles, das vor dem diffus hellen Fleck der Öffnung über ihm schnell näher kam. Dann traf ihn etwas am Kopf und für Rob wurde es vollständig dunkel.

Einen Kilometer weiter scherte ein mit Rotorblättern beladener Truck aus seinem Konvoi aus und steuerte durch ein Feld mit Solarkollektoren. Er riss eine Schneise durch die bläulich glitzernden Paneelfelder und steuerte auf eine Windkraftanlage zu, hinter der sich eines der Umspannwerke des Energieparks befand. Als der Truck auf die vorderen Transformatoreneinheiten traf, wurde er in einer donnernden Explosion zerrissen.

Über der Explosionswolke schossen zwei schlanke schwarze Flugkörper dahin, jeder ausgerüstet mit zwei Maschinengewehren an Auslegern. Sie hielten auf den Wachturm zu, an dessen Spitze eine Rauchwolke von einer weiteren Explosion zeugte.

2.

Durch die Spalten des staubigen grauen Lamellenrollos drang spärliches Sonnenlicht und warf in schmalen Streifen, in denen Staubpartikel tanzten, Helligkeit auf die Einrichtung des Zimmers. Viel war nicht zu beleuchten. Neben einem schiefen Schrank, dessen Türen weit offen standen und den Blick auf eng und planlos zusammengedrückte Kleidungsstücke und ein paar knitterige Hemden an einer Kleiderstange freigaben, stand ein breites Bett. Genau genommen war es eher ein einfacher Holzrahmen ohne Kopf- und Fußende, in dem eine für den Rahmen zu schmale Matratze lag. An den Wänden löste sich die musterlose gelbliche, vielleicht auch einfach nur vergilbte Tapete stellenweise.

Unter einer wellenförmig zusammengeschobenen Decke schauten zwei Beine von den Oberschenkeln an hervor. Der Kopf lag verborgen unter einem Kopfkissen. Die Beine waren dunkel behaart. Am oberen Ende seines linken Schienbeins war seitlich eine lange Narbe zu erkennen, die sich bis über das Knie hinzog.

Neben dem Bett stand ein kleiner Nachttisch, auf dem auf einem billigen leicht angelaufenen Plexiglasdisplay in gelben Leuchtziffern die Zeit angezeigt wurde. Die Anzeige sprang auf sieben Uhr. Ein lauter Summton ertönte. Es dauerte einen Moment, bis unter der Bettdecke eine Bewegung das Aufwachen des Mannes anzeigte. Eine Hand tauchte neben dem Kopfkissen auf und tastete umher, während das laute Summen aus dem Lautsprecher des kleinen Schirms zu Musik wechselte. Ein Jingle ertönte und kündigte eine Nachrichtensendung an. Während plötzlich ein Akkusignal über der Uhrzeit aufleuchtete, löste die Stimme einer Sprecherin den Jingle ab.

>>Hier ist Radio Dortmund, immer gut informiert für Sie. Es ist sieben Uhr und Sie hören die aktuellsten Nachrichten, aktueller als noch vor fünf Minuten!<<

Die Hand erreichte den Bettrand und tastete sich langsam an der Bettkante entlang. Die Finger bewegten sich dabei vorsichtig tastend wie die Beine einer Spinne. Ungeachtet der Tatsache, dass er gleich zum Verstummen gezwungen werden würde, steigerte der kleine Schirm noch die Lautstärke der Nachrichtensendung.

>>Und hier die Schlagzeilen von heute Morgen, Montag, den sechzehnten Juni! Bundesweit: Bundesrat genehmigt endlich den Verkauf der acht letzten Universitäten des Landes an zwei Investorengruppen.

Kanzlerin Reinders-Winkelmann beendet ihre Reise nach Marokko und Algerien zu den DesertEnergy-Energieparks. DesertEnergy sagt zu, die bisher bereitgestellten Strommengen für die Versorgung des deutschen Stromnetzes für das nächste Jahr um weitere fünfzehn Prozent anzuheben. Die Verteilquoten der Abnehmerländer Spanien, Frankreich und Deutschland wurden mit dem Konzern neu verhandelt. Die zusätzlichen Strommengen der Energieparks bei Sidi Ifni und Essaouira, die bald ins europäische Netz fließen, gehen hauptsächlich nach Deutschland.

Die Verhandlungen über erweiterte Stromlieferungen durch RWE Solar sind ins Stocken geraten. Die Streitigkeiten zwischen Algerien und Libyen betreffen weiterhin auch die Nutzung der gemeinsamen Unterseestromtrassen, über die beide Länder ihren Wüstenstrom nach Italien leiten. Die Fertigstellung der neuen Trasse, die RWE Solar zusammen mit ihrer algerischen Partnerfirma Algier Power nach Sardinien legt, ist wegen technischer Probleme ins Stocken geraten. Außerdem gibt es weiterhin Uneinigkeit mit der italienischen Regierung, die für den Anschluss der neuen Trasse an das europäische Stromnetz einen höheren Nutzungsanteil fordert.

Die geplanten Änderungen der gesetzlichen Regelungen zum Betrieb von autonomen regionalen Energieerzeugern werden im nächsten Monat im Bundesrat verabschiedet. Es ist noch nicht bekannt, welche Änderungen tatsächlich angenommen werden, aber es gilt als wahrscheinlich, dass auch bestehende Kleinanlagen zukünftig deutlich höhere Sicherheitsstandards erfüllen müssen, was vermutlich für mindestens die Hälfte der betriebenen Anlagen das Aus bedeuten wird.

Arbeitslosenquote in Deutschland wieder bei sechzehn Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit mehr als zehn Jahren. Die Armutsquote bleibt unverändert bei achtundzwanzig Prozent aller registrierten Bundesbürger. Als arm gilt, wer weniger als vierzig Prozent des durchschnittlichen Lohns aller Arbeiter und Angestellten verdient oder in einem Haushalt lebt, auf den diese Messgröße zutrifft.

GlobSecure verhinderte in der Nacht von Samstag auf Sonntag zwei Anschläge auf Residenzen bei Frankfurt und Berlin. Die Täter wurden gefasst. Die Polizei geht davon aus, dass sie keiner terroristischen Organisation angehören, sondern Einzeltäter sind.

Die Ermittlungen zu der Ermordung des Ehepaars Neidert, Hauptanteilseigner der Firma Hydrogen Supply, und dreier Passanten in einer Tiefgarage nahe der Frankfurter Oper vor zwei Wochen, verlaufen bisher ohne Fortschritte.

Ein Sprengstoffanschlag auf die Nordsüdtrasse Eins in der Nähe von Münster ist fehlgeschlagen. Die an einem der Strommasten angebrachten Sprengladungen richteten nur geringfügigen Schaden an. Die Polizei wertet die Videoaufzeichnungen der nahe gelegenen Autobahn A1 aus. Ein Bekennerschreiben von FreePeople wird aktuell geprüft.

Lokales: Bereits seit fünfzig Tagen ist die Stromversorgung im Stadtgebiet dank des neuen Speicherwerks deutlich stabiler. Die Ausfallrate liegt damit im Schnitt über alle Stadtteile bei weniger als zehn Prozent.

Die Grüne Tafel meldet einen neuen Versorgungsrekord. Sie verteilt nun täglich sechstausend Mahlzeiten aus Spendenmitteln an vier Ausgabeplätzen in der Stadt…<<

Die Hand erreichte endlich das laut tönende Gerät. Die Finger berührten die Oberfläche. Augenblicklich verstummte die Stimme der Nachrichtensprecherin. Die Hand krallte sich in das Kopfkissen und zog es zur Seite. Der Mann hob blinzelnd seinen Kopf. Gemächlich fuhr die Hand über dunkelblonde Haare. Der Mann drehte sich langsam unter der Decke auf den Rücken und gähnte. Blinzelnd schaute er zum Fenster. Dann drehte er seinen Kopf und blickte zur Uhr. Es vergingen einige Sekunden, als benötigte die Information, die er aufnahm, einen Moment bis zur Verarbeitung.

Endlich schien er zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Die Bettdecke flog zur Seite, rutschte auf den Boden und der Mann sprang aus dem Bett. Hektisch riss er sich sein T-Shirt runter, warf es der Bettdecke hinterher und stürzte mit einem kaum merklichen Hinken durch die Tür hinaus. Seine nackten Füße klatschten leise auf dem hellgrauen Fußboden. Ein paar daumengroße Staubklumpen rollten gemächlich zur Seite.

>>Mist! Der Termin mit der Job-Vermittlung!<<

Der Mann eilte durch einen kleinen dunklen Flur in ein nur geringfügig größeres Bad und blieb vor einem schwach beleuchteten Display stehen, das neben der Tür hing. Mit schnellen Bewegungen tippte der Mann darauf. Das Ergebnis war offensichtlich nicht wie erwartet und er schlug mit der flachen Hand wütend auf das Gerät. Prompt wurde die Bedienoberfläche des Smart Meter schwarz. Das Gerät, mit dem sich Heizung und elektrische Verbraucher der Wohnung steuern ließen, verfiel als Folge der rüpelhaften Handbewegung in den Stand-By-Modus.

>>Was für ein Mist! Stromversorgung stabil seit fünfzig Tagen! Von wegen!<<

Der Mann schob den an nur noch einigen seiner Befestigungsösen hängenden Vorhang der kleinen Duschkabine hinter der Tür zur Seite, zog seine Unterhose aus und warf sie in den Flur, bevor er in die Dusche stieg und das Wasser aufdrehte. Er zog den Duschkopf aus der Halterung und hielt ihn weit genug von sich weg, um nicht mit dem Wasser in Berührung zu kommen. Er beugte sich vor und ließ die kalten Schauer kurz ein paar Mal über seinen Kopf schwenken, wobei er leise vor sich hin fluchte und sich schüttelte.

>>Mann, ist das kalt! Warum muss diese verdammte Stromversorgung immer morgens ausfallen?<<

Er legte den Duschkopf auf den Boden der Duschwanne neben eine Shampooflasche. Dann begann er seine Haare einzuschäumen und wiederholte die Prozedur mit den kurzen Wasserschwenks, begleitet von weiteren leisen Kraftausdrücken und Zuckungen, die durch seinen Körper gingen, bis er das Gefühl hatte, das Shampoo zumindest gefühlt wieder ausgewaschen zu haben. Der Rest seiner Körperwäsche verlief noch schneller, was nicht nur der Wassertemperatur, sondern auch dem Umstand seiner Eile geschuldet war. Wenige Minuten später stand er mit nassen Haaren wieder im Schlafzimmer und kramte Boxershorts, eine Hose und ein Shirt aus dem Kleiderschrank, wobei mehrere Wäscheteile auf dem Boden landeten, die er nicht weiter beachtete. Immerhin fanden sie bereits Gesellschaft vor, die schon länger am Boden verweilte.

Hektisch zog er sich an und eilte in die Küche. Auch dieser Raum glänzte nicht durch eine luxuriöse Ausstattung. Ein einzelner stumpf polierter Spültisch, daneben ein Herd. Die Arbeitsplatte balancierte dazwischen mangels weiterer Unterschränke auf zwei Metallböcken. Ein kleiner Esstisch stand in einer Ecke, umringt von drei Stühlen, die einen abgenutzten Eindruck machten.

Über die Wandseite mit dem Fenster spannte sich, gestützt von ein paar Schränken, eine Ablage, auf der sich ein kleines Sammelsurium von Gewürzdosen, Kaffeetassen, einer Kaffeemaschine, einem Toaster und einem Brotkasten verteilte. Auf dem Toaster klebte ein Schild, auf dem Außer Betrieb stand.

Eilig nahm der Mann aus dem Brotkasten ein paar Toastscheiben. Er warf einen prüfenden Blick auf den Kühlschrank, dessen Tür mit kleinen runden Magneten und Zetteln großzügig bedeckt war. Kurz blieb sein Blick auf einem handflächengroßen Zettel hängen, auf den mit einem roten Stift ein Herz gemalt war, in dem ein Name stand, darunter ein paar Worte:

>>Daniel, mein Lover! Bis bald!<<

Daniel Neumann musste unwillkürlich lächeln. Der Zettel hing hier seit dem vorigen Morgen. Carina hatte sich zwar in der für einen One-Night-Stand üblichen Weise verabschiedet, heimlich und unbemerkt im Morgengrauen, aber immerhin etwas hinterlassen, das auf ein Wiedersehen hindeutete. Er war neugierig, wann sie sich wieder bei ihm melden würde. Viel wusste er nicht von ihr. Sie arbeitete bei einem Möbelhaus als Einkäuferin für Kindermöbel. Sie fuhr ein Motorrad, eine italienische Sportmaschine, was sie interessant machte. Er hatte vor seinem Arbeitsunfall selbst eine Maschine besessen. Und sie hatte einen atemberaubenden Körper. Ihr übriges Talent hatte ihn für die Nacht in einen rauschhaften Zustand versetzt. Sie hatte seine Telefonnummer, er aber dummerweise nicht ihre, was ihn total nervte. Ihm blieb so erst einmal nur abzuwarten.

Vorsichtig öffnete er die Kühlschranktür. Kühle Luft schlug ihm entgegen und das Licht im Innern brannte. Das Gerät war noch oder wieder in Betrieb. Damit standen die Chancen gut, dass das, was im Kühlschrank lagerte, noch genießbar war. Er ignorierte das unterste Fach, in dem sich Bierflaschen stapelten, ebenso das Fach in der Tür, in dem eine halb leere Wodkaflasche von zwei ähnlich geleerten Flaschen mit Whisky und einer dunkelblauen Flüssigkeit flankiert wurde. Während Daniel mit einer Hand ein paar aufeinandergestapelte Plastikbehälter herausnahm, tippte er mit der anderen Hand auf das Display seines Smartphones, das auf der Ablage neben dem Kühlschrank in einer Ladeschale lag, in trauter Zweisamkeit mit einer Commwatch, die sich stets in Verbindung mit dem Telefon befand und die neben der Uhrzeit hauptsächlich eine Bezahlfunktion, eine Mailschnellansicht und Identifikationsdienste bereitstellte.

Tatsächlich schaffte er es, den Zugriffscode einzugeben, ohne dass ihm einer der Behälter aus der anderen Hand rutschte.

Kurz darauf schaute Daniel kauend aus dem Fenster. Seine Wohnung befand sich im vierten Stock eines Mietshauses in einem Vorort der Stadt direkt an einer Hauptstraße. Von seinem Fenster aus konnte er gut mehrere Rent-to-drive Parkplätze auf der anderen Straßenseite vor einem Schuhgeschäft sehen, zwei davon belegt. Andere Fahrzeuge standen nicht auf der Straße. Der Besitz von eigenen Autos war an zwei Faktoren geknüpft, die in diesem Stadtteil nicht viele Leute erfüllten. Zunächst reduzierten Emissionsvorschriften die Auswahl auf elektrische Antriebe. Fahrzeuge, die Strom nur aus Akkus bereitstellten, litten in ihrer Langlebigkeit am teuren Austausch der Akkus nach wenigen Jahren, was möglicherweise nicht an der Unfähigkeit von Ingenieuren, sondern der Geschicklichkeit von Kaufleuten lag. Fahrzeuge mit Brennstoffzellen, die ihren Strom während der Fahrt erzeugten, waren beim Kauf immer noch extrem teuer. Der zweite Faktor war das Vorhandensein ausreichender finanzieller Mittel, die hier kaum jemand besaß.

Mietwagenfirmen machten also das Geschäft mit der geliehenen Mobilität. In Folge waren am Abend die zahlreichen Parkplätze vor den Häusern ausgiebig belegt. Am Morgen jedoch herrschte akute Flaute, der Fluch der Gemeinschaftsgüter, die immer die benutzten, die schneller waren als die anderen. Buslinien verkehrten zwar, aber nur unzuverlässig, was Daniel an diesem Morgen überhaupt nicht half.

Erleichtert stellte er fest, dass beide Fahrzeuge eines lokalen Mietwagenanbieters zur Verfügung standen. Auf der Betreiber-App der Verleihfirma reservierte er sich eines der Fahrzeuge. Jetzt hatte er zehn Minuten Zeit, sich am belegten Auto zu identifizieren. Die Uhr auf dem Display des Smartphones zeigte achtzehn Minuten nach sieben. Bis zum Termin blieb ihm noch fast eine dreiviertel Stunde.

Dieser Stadtteil im Randgebiet der Stadt hatte die vergangenen Jahre weitgehend unbeschadet überstanden. Trotzdem konnte sich jeder, der hier in den letzten Jahrzehnten seine Zeit verbracht hatte, erinnern, dass die Häuser früher nicht in diesem Maße mit Graffitis überzogen und die Straßen mit weniger Müll bedeckt waren. Auch hatten die Fenster in den Erdgeschossen vor Jahren noch keine stabilen Gitter gehabt, die es nächtlich umherziehenden Einbrecherbanden und Gelegenheitsplünderern möglichst schwer machen sollten. Die Kameraüberwachung wies in diesem Stadtteil große Lücken auf, was solche Maßnahmen dringend erforderlich machte. Immerhin aber suchte man hier auf den Bürgersteigen platzierte brennende Mülltonnen und darum herumstehende Typen noch vergebens. In anderen Stadtteilen sah das durchaus anders aus, insbesondere im Norden der Stadt, der schon immer ein besonderer Anziehungspunkt für die sozial Schwächeren gewesen war.

Seit er hier wohnte, war erst einmal in seine Wohnung eingebrochen worden. Die Diebe hatten sich tagsüber ins Treppenhaus geschlichen und dann mehrere Wohnungstüren aufgebrochen. Bei Daniel war nicht viel zu finden gewesen. Als kleines Dankeschön hatten die Einbrecher mitten in seiner Küche einen stinkenden braunen Haufen samt darauf drapierten Toilettenpapier hinterlassen, den Kühlschrank geplündert und die Matratze seines Bettes zerschlitzt. Seitdem sicherten zwei schwere Stahlriegel die Wohnungstür, die sich auf beiden Seiten der Tür in Metallhalterungen in der Wand schoben. Das Besondere an dem System waren die Schließzylinder, die in je einer beweglichen Stahlkugel lagerten, die über ein Kommando vom Smartphone mittels kleiner Elektromotoren um neunzig Grad längs zur Tür gedreht werden konnten. Damit half nicht einmal das Aufbohren der Zylinder etwas. Das System samt Akku hatte mehr als einen Monatslohn verschlungen. Aber bei den weiteren Einbrüchen im Haus war seine Wohnung verschont worden. Mit einem mit schwarzem Filzstift auf die Tür geschriebenen Fuck you, Arschloch! konnte er sehr gut leben. Mit Vandalismus und Ekelhaftem auf dem Fußboden weniger.

Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Schmierereien zu entfernen. Carina hatte seine Erklärung zu dem fantasievollen Graffiti mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen und sich lieber damit beschäftigt, ihm noch vor der Tür das T-Shirt auszuziehen und seine Hose aufzuknöpfen.

Für die personell knapp ausgestattete Polizei war Streifendienst zur Gefahrenabwehr eine nachrangige Aufgabe geworden, was Daniel oft genug gegenüber den anderen Hausbewohnern argumentieren musste, die wussten, bei welchem Arbeitgeber er vor einigen Monaten noch beschäftigt gewesen war. Aber er konnte nicht mehr für sie machen als ihnen Ratschläge zu geben, wie sie sich gegen das Aufbrechen ihrer eigenen Wohnungstüren schützen konnten.

Daniel stopfte sich den letzten Rest des Brotes in den Mund, legte sich die Commwatch ums Handgelenk, griff nach dem Smartphone und ging zur Küchentür, wobei er mit einem Fuß eine Kiste traf, die unter dem kleinen Esstisch stand. Die Kiste schoss ein Stück weiter und stoppte am Bein eines Stuhls. Mit lautem Klirren fielen ein paar darin abgestellte Flaschen um, die denen in der Kühlschranktür sehr ähnelten. Daniel stockte kurz, schüttelte seinen Kopf und eilte in den Flur. Er würde doch in nächster Zeit seine Wohnung auf Vordermann bringen müssen. Die Spuren seiner ungesunden Lebensweise beseitigen, seinen Kleiderschrank mit gewaschener Wäsche füllen und andere Dinge, die Frauen lieber sahen als leere Whiskyflaschen unterm Tisch und einen Haufen getragener Klamotten auf dem Fußboden. Ein guter Eindruck konnte nicht schaden. Es musste ja nicht gleich für den Rest des Lebens sein, aber für ein paar weitere unbeschreibliche hormonell dominierte Nächte. Für mehr würde er sein Leben noch deutlich mehr in Ordnung bringen müssen. Aktuell die größte Hürde, die sich ihm bot.

Auf der Straße war es ruhig. Zwar hatten die Geschäfte bereits geöffnet, aber nur wenige Leute waren zu dieser frühen Zeit unterwegs. Ein paar Fahrzeuge rollten vorbei. Ein deutliches synthetisches Surren begleitete die Wagen und machte auf sie aufmerksam. Ein paar Lieferdrohnen zogen in mehreren Metern Höhe vorbei.

Daniel überquerte die Straße. Vor den Rent-to-drive Parkplätzen blieb er stehen und gab über die Mietwagenapplikation auf seinem Smartphone eine Bestätigung seiner Reservierung ein. Die Applikation übergab ein Signal, um den sich nahenden Mieter anzumelden. Prompt blinkte auf dem Armaturenbrett des rechten Wagens kurz ein Lichtsignal und zeigte als Antwort die Entsicherung der Türen an.

Daniel stieg in den kleinen Stadtwagen, einen hochbauenden, sehr kurzen Zweisitzer mit kleinem Kofferraum, wie er bevorzugt von Leihfahrzeugfirmen eingesetzt wurde. Er legte sein Smartphone in eine Halterung in der Konsole. Sofort hatte sich das Gerät mit dem Fahrzeug verbunden. Ab diesem Moment wurde die Nutzung des Wagens minutengenau abgerechnet. Auch die Fahrzeugelektronik aktivierte sich. Nun wurden Daniel einige gesetzlich vorgeschriebene Hinweise über alle Risiken der Benutzung eines Wagens auf dem fahrzeugeigenen Display angezeigt, die er ignorierte. Ohne nur eine Zeile zu lesen, tippte er auf den Bestätigungsbutton. Daniel hatte sich schon wiederholt gefragt, welcher Fahrer diese Texte wirklich jemals gelesen hatte.

Ein unangenehmes lautes Piepen wies ihn darauf hin, dass er noch nicht angegurtet war. Kaum rastete das Gurtschloss ein, wurde im Display die Bereitschaft des Antriebs und der Akkus angezeigt. Daniel prüfte die Reichweitenanzeige und nickte zufrieden. Das Fahrzeug musste bereits am Vorabend abgestellt worden sein. Für den Ladevorgang hatte damit genug Zeit zur Verfügung gestanden. Die Leihwagenplätze waren mit Induktionsplatten im Boden bestückt, über die die Akkus der Fahrzeuge kontaktfrei mit Strom geladen wurden. Solche Systeme verhinderten Stromdiebstahl sehr zuverlässig.

Das System meldete sich mit einer freundlichen männlichen Stimme und fragte nach dem Fahrtziel, um eine optimale Route zu ermitteln, vorbei an möglichen Staus, mit geringstmöglichem Energieverbrauch. Abschließend wurde Daniel gefragt, ob er den automatisierten Fahrzeugmodus wünschte, was nichts anderes bedeutete, als dass der Wagen das Lenkrad wegklappen würde, um das Ziel per automatischer Steuerung selbständig anzusteuern. Der kleine Hinweis auf den Preis dieses Service fiel fast beiläufig. Mangels ausreichender Liquidität für solchen Luxus wählte Daniel den Selbstfahrmodus.

Endlich gab die Elektronik das Beschleunigungspedal frei. Daniel steuerte in Richtung Innenstadt. Es waren wenige andere Wagen unterwegs, die meisten davon ebenfalls Mietwagen. Nach wenigen Minuten verließ Daniel den Stadtteil und steuerte auf eine mehrspurige Bundesstraße, die die Stadt in der Mitte teilte. Er passierte an der Auffahrt eine Mautbrücke, die den Wagen registrierte und seine Mietkosten unangenehm nach oben trieb, und erhöhte das Tempo etwas, blieb aber auf der rechten Spur. Mehrere andere Wagen überholten ihn mit geringfügig höherem Tempo, machten aber eilig Platz, als ein paar schwarze SUV mit abgedunkelten Scheiben auf der linken Spur vorbeizogen und dabei eindeutig das geltende Tempolimit und die Kameraüberwachung des Verkehrs missachteten.

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