Kitabı oku: «Die Katholizität der Kirche», sayfa 16

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3.1Die Bedeutung des alttestamentlichen Begriffs berît und die alttestamentlichen Bundestheologien

Der in der Regel mit „Bund“ übersetzte hebräische Begriff berît wurde zwar erst spät zu einem zentralen theologischen Terminus innerhalb der hebräischen Bibel, doch die mit diesem Begriff bezeichnete Wirklichkeit kennzeichnet das heilsgeschichtliche Wirken Gottes von Anfang an. Nähert man sich der Bedeutung der Bundesmetapher einerseits und den von ihr ableitbaren Bundestheologien andererseits, so bleibt man der unausweichlichen Aufgabe verpflichtet, die Semantik des Begriffs berît unter Beachtung seiner unterschiedlichen Referenzen so zu beschreiben, dass die Mehrdeutigkeit des Begriffes berît erhalten bleibt und die durch deren Nivellierung forschungsgeschichtlich aufgetretenen Engführungen überwunden werden.

Zweihundertsiebenundachtzig Mal ist das – ausschließlich im Singular verwendete434 – hebräische Wort berît im Alten Testament belegt. Neben mehreren etymologischen Ableitungen scheint die wahrscheinlichste jene von akkad. „biritu“ („Band“, „Fessel“) zu sein.435 Kutsch wendet sich – bestätigt durch Lothar Perlitt – gegen die Vorstellung eines gegenseitigen Bundes zwischen zwei gleichberechtigten Partnern und betont die „einseitige Setzung […] [und damit einen] nicht wechselseitige[…][n] Bund“436. berît ist zunächst der von JWHW gestiftete Bund, eine Verfügung oder Stiftung, die sodann zur Verpflichtung der sie betreffenden Adressaten wird. Perlitt arbeitet – in Anlehnung an Wellhausen – in seinen Studien berît als spätes deuteronomisch-deuteronomistisches Theologumenon im Kampf Israels gegen die fremden Götter (JHWH-Monolatrie) und seine religiösen sowie kultischen Überfremdung heraus.437 Damit siedelte er die berît-Theologie im 7. Jahrhundert an als theologischpolitisch motiviertes Instrumentarium zur Abwehr fremder Götter. Ein solches Verständnis der berît jedoch hat – wie Ex 34,14 zeigt – Auswirkungen auf die Bundestheologie des AT als solcher und der damit intendierten JHWH-Exklusivität insgesamt. Ernst Kutsch und James Barr bemühen sich im Fortgang ihrer exegetischen Studien zur berît um eine präzisere Klärung des semantischen Befundes; Norbert Lohfink und Georg Braulik widemn sich mittels Vergleiche der dtr. Bundeskonzeption mit dem neuassyrischen Vertragswesen indes einer differenzierten Erfassung der Bundeskonzeption.438 Breward S. Childs, Norbert Lohfink und Erich Zenger schließlich treiben eine Präzisierung der kanonischen Qualitäten des Bundesbegriffs unter gleichzeitiger Berücksichtigung des jüdisch-christlichen Dialogs voran.439

All diese Bemühungen konnten bis in die Gegenwart zu keiner einheitlichen semantischen und damit eindeutigen theologischen Klärung des Begriffs berît beitragen. So lassen sich im Alten Testament denn auch mehrere Bedeutungsebenen des Begriffes berît ausfindig machen.

Vor aller Theologisierung kennzeichnet der Begriff „Bund“ im AT zunächst zwischenmenschliche, auf der Rechtskultur des alten Orients fußende Verträge (vgl. z.B. Gen 21,27; 26,28; 31,33; Jos 9,6–15; 2 Sam 3,12f.; 1 Kön 15,19) sowie innenpolitische Bündnisse zwischen König und Volk (vgl. 2 Sam 3,21; 5,3; 2 Kön 11,4.17; Hos 10,4); auch Freundschaften werden mittels der Bundesmetapher bekräftigt (vgl. 1 Sam 18,3).440 Wie im Alten Orient üblich, wurden innen- wie außenpolitische Verträge stets unter Einbeziehung JHWHs geschlossen, so dass man in der Bezugnahme auf JWHW als Garanten für eine Abmachung von einer Vorstufe der Theologisierung zwischenmenschlicher Verträge sprechen kann (vgl. Gen 26,28.31; 31,50); folgerichtig bezeichnet der Prophet Hosea den zwischenmenschlichen Wortbruch als einen Treubruch auch gegenüber JHWH (vgl. Hos 6,7; 10,4; 12,2). In vielfältiger Weise entwickelt sich später die Bundesmetapher zu einer theologischen Beschreibung der Beziehung zwischen JHWH und Israel im Sinne von „Deutungsmuster[n] für das einheitsstiftende Moment atl. Religionsgesch[…][ichte], für die zunächst selbstverständliche und erst in der Krise reflektierte Zusammengehörigkeit des Nationalgottes Jahwe mit Israel […]. Damit tritt der ursprünglich aus dem Vertragsdenken übernommene Begriff in einen neuen Verstehenshorizont.“441

Eine erste ausgearbeitete, das Verhältnis zwischen JHWH und seinem Volk exklusiv kennzeichnende Bundestheologie lässt sich im Pentateuch im Bereich des Jerusalemer Geschichtswerks (JG) erkennen. In Gen 15,7–21 schließt JHWH mit Abraham einen Bund, der sich als Selbstverpflichtung JHWHs in Form einer eidlich zugesicherten Landschenkung an Abrahams Nachfahren erweist, ohne dass Abraham – von der Verpflichtung zur Beschneidung abgesehen – eine Gegenleistung erbringen muss. Auch die komplexe Sinaiperikope (Ex 19–34), welche von drei Bundesschlüssen (Ex 24,3–8; 34,10; 34,11–27) berichtet, spricht im ersten Bund (Ex 34,10) von einem Selbstverpflichtungs- bzw. Verheißungsbund JHWHs gegenüber Mose bzw. dem Volk Israel, ohne dass dieses zu etwas verpflichtet wird. Dieser Verheißungsbund wird in Ex 34,11–27 in einen Verpflichtungsbund umgedeutet bzw. ausgeweitet, der das Privileg der exklusiven Bindung Israels an JHWH an ein JHWH-gemäßes Verhalten sowie an das Einhalten bestimmter kultischer Vorschriften knüpft. Die verbindliche Zusage JHWHs einerseits wie der Gesetzesgehorsam des Volkes andererseits und dessen freie Zustimmung zu den vertraglichen Abmachungen, die in Ex 34,11–27 zutage treten, kennzeichnen auch den Sichem-Bund in Jos 24: Das Volk wird zur vollkommenen Treue gegenüber JHWH aufgerufen, die sich in der exklusiven Bindung an JWHW einerseits und im Gesetz und den Rechtsvorschriften andererseits konkretisiert. In der Verbindung zwischen dem alten Privilegrecht und der Verpflichtung auf das Gesetz werden die Weichen für den Ausbau zur Sinai-Tora gestellt.442

Das Deuteronomium443 baut – unter möglichem Rückgriff auf Vasallenverträge und Vertragszeremonien der Hetiter und Assyrer444 – die im JG entwickelte Bundesvorstellung zur zentralen Kategorie aus; hierbei tritt die Bundesformel („JHWH – Israels Gott, Israel – JHWHs Volk“) stärker in den Vordergrund. Zwei Bundesschlüsse legt das Deuteronomium vor, nämlich den Horebbund (Dtn 5,2ff) sowie den Moabbund (Dtn 28,69). Beiden Bundesschlüssen liegen frühere Bundestexte zugrunde (Dtn 26,17ff und Dtn 5; 9f), die die zweiteilige Struktur der Bundesformel ausschöpfen und den Abschluss eines paritätischen Vertragsrituals anklingen lassen, das die Gegen- bzw. Zweiseitigkeit bei gleichzeitiger Ungleichheit der Vertragspartner betont. JHWH bekräftigt die Erwählung des Volkes Israel, und Israel gelobt Treue und Gehorsam gegenüber dem Gesetz. In Dtn 5 und 9f wird der Dekalog zum Bundestext für Israel und zugleich zum universal gültigen Bundessymbol. Spätexilische Deuteronomisten entwickeln diese Konzeption in Dtn 4 und Dtn 29f weiter, wobei der Dekalog auf das erste und zweite Gebot hin profiliert (Dtn 4) und der Moabbund erläutert (Dtn 29f) werden; Israel geht die Verpflichtung ein, von nun an dauerhaft den Dekalog und das mosaische Gesetz zu halten. Diese Bundeskonzeption fließt sodann in die Sinaitheophanie des JG ein (s.o.), indem das sogenannte Bundesbuch (Ex 20,22–23,33*)445 hinter die Theophanie von Ex 19 eingeschoben und der Autorität des Mose unterstellt wird. Auf der Basis des Bundesbuches schließt Israel in Ex 24,3–8 den Bund mit JWHW, indem es zweimal seine Zustimmung und Bereitschaft zum Halten der Rechtsvorschriften bekundet (Ex 24,3.7) und den Bundesschluss durch das Besprengen mit Blut (Ex 24,8) in sakramentaler Weise besiegelt.

Insgesamt betont die dtr. Konzeption einer Bundestheologie die Verantwortung Israels im Sinne einer Selbstverpflichtung auf die Tora und erklärt vor dem Hintergrund ihrer Entstehungssituation die Katastrophe des Exils als Folge des Bundesversagens des Volkes Gottes. In späten dtr. Bearbeitungen wird – als Antwort auf das Exil – ein Neuanfang gesucht, der – weil „die Logik eines Vertrages […] keinen Ansatz zu einem Neubeginn“ mehr bietet, als ein Verheißungsbund konzipiert wird, welcher nach dem Prinzip „Gnade geht jetzt vor Recht“ gestaltet wird.446 An die Zielperspektive des Verpflichtungsbundes anknüpfend, entfaltet die dtr. Theologie nun ihre Vision von einem Bundesgott, der aller „Vertragsschwäche“ Israels zum Trotz den Bund als seine Selbstverpflichtung zur Treue begreift (Dtn 7,9) und als barmherziger, vergebungswilliger „Bundesgott“ Israels Existenz als „Volk Gottes“ und seine eigene Identität als „Gott Israels“ auf ewig zu ermöglichen versucht.

Während die dtr. Bundestheologie vor allem die menschliche Verantwortung als Kennzeichen des Bundes herausstellt, geht es der priesterlichen Bundeskonzeption447 um die Dämpfung solcher menschlichen Mitverantwortung. Die Priestergrundschrift (PG) blickt vom Exil als Folge des Bundesbruches Israels auf die Heilsgeschichte JHWHs mit seinem Volk zurück und blendet den Sinaibund bewusst aus, da er als Ermöglichungsgrund für ein wechselseitiges Heilsbündnis zwischen JHWH und seinem Volk seine Grundlage und damit seine Bedeutung insgesamt eingebüßt hat. PG gestaltet seine Bundestheologie dergestalt, dass es seine Bundeskonzeption in die Urund Patriarchengeschichte vorverlagert und die Bünde zwischen JHWH und dem Volk Israel, welche sich im Noah- (Gen 9) und im Abrahambund (Gen 17) konkretisiert, als alleinigen Verheißungsbund charakterisiert. Die in diesen Bundesschlüssen erlassenen Verfügungen werden nicht zur Bedingung der Möglichkeit eines Bundes zwischen JHWH und Noah gemacht; vielmehr haben beide Bundesschlüsse den Charakter der reinen Verheißung. Beschneidung (Gen 17,10ff) und Regenbogen (Gen 9,13) dienen JWHW als Bundeszeichen und erinnern ihn an den auf ewig gestifteten „bedingungslosen“ Bund. Spätere Schichten der Priesterschrift (Gen 17,10.14; Ex 19,3–8; 31,12–17; Lev 26; Ri 2,1–5) vermischen Elemente der deuteronomistischen mit der priesterlichen Bundeskonzeption, was den Aspekt der – für die Priesterschrift typischen – bedingungslosen Bundeszusage JHWHs um den Aspekt des für das Deuteronomium charakteristischen Gebotsgehorsams und damit um den Aspekt der menschlichen Mitwirkung ergänzt.

Die prophetische Bundeskonzeption448 konzentriert sich auf die drei Prophetenbücher Jeremia, Ezechiel und Deuterojesaja, wovon ersteres von größerem Interesse ist. In Jeremia lassen sich nämlich deuteronomistisch beeinflusste Wegweisungen für ein „neues“ Israel nach dem Exil finden. Diese konkretisieren sich im Aufruf und Willen Israels zur Umkehr zu JHWH und seinen Weisungen (vgl. Jer 7,23f; 11,1–19), in der Begründung eines neuen Israls aus den Heimkehrenden (vgl. Jer 24,6f) sowie in der singulären Verheißung eines „neuen Bundes“ (vgl. Jer 31,31–34)449. Auch wenn das Theologumenon vom „neuen Bund“ textlich nur an dieser Stelle belegt ist – in Jer 32,37–41 wird vom Bund ein zweites Mal gesprochen, jedoch ohne das Adjektiv „neu“ – trägt dieser Bund, der sowohl Momente der Kontinuität als auch Momente der Diskontinuität aufweist, als eschatologische Erwartung ein besonderes Gewicht. In gewisser Weise kann man ihn sogar als „Summe der Prophetie“ (Hermisson) verstehen. Dem „alten“ Bund „musste“ ein „neuer“ folgen, der sich nicht dem Inhalt nach, wohl aber der Möglichkeit nach, den Bund halten zu können, gegenüber dem „alten“ als „neu“ erweist. In Kontinuität zur traditionellen Bundestheologie bleibt auch in der prophetischen Bundeskonzeption die Tora Inhalt des Bundes, die Israel als Bedingung der Möglichkeit von Leben und Freiheit zu befolgen hat. Hierin aber liegt die in der heilsgeschichtlichen Rückschau der Prophetie erkannte Crux, dass sich der Mensch als unfähig erwiesen hat, die Tora „ganz“ zu erfüllen. Aufgrund seiner Unzulänglichkeit bedarf der Mensch der Gnade und Vergebungsbereitschaft JHWHs sowie einer Neugestaltung des Bundes dergestalt, dass – und hierin liegt neben der Bezeichnung des Bundes als eines „neuen“ dessen Diskontinuität zur traditionellen Bundeskonzeption – die Art und Weise geändert wird, auf welchem Weg JHWH seinen Willen mitteilt. Dies geschieht nicht mehr auf dem Wege der Belehrung, „sondern so, dass Jahwe sie [die Tora] Israel unmittelbar aufs Herz schreibt. Das bedeutet aber eine grundlegende anthropologische Wandlung: Das Herz ist […] Ort des Wollens, Fühlens, Denkens und Entscheidens, und dieser Ort ist jetzt von der Tora eingenommen; das heißt […]: Der Mensch kann gar nicht mehr anders handeln als zu seinem eigenen Heil, gemäß jener Willensoffenbarung Jahwes […]. Der Inhalt der berit ist also auch hier sehr deutlich jenes verpflichtende Gemeinschaftsverhältnis, nur sind jetzt die Voraussetzungen geschaffen, dass diese Beziehung Gottes zu seinem Volk nicht erneut am Versagen des Menschen zerbrechen kann.“450.

Es lassen sich somit drei Hauptlinien bei der Suche nach einer atl. Bundeskonzeption herausstellen: 1. die jehowistisch-deuteronomistische, nach welcher JHWH sein Volk auf die aus dem von ihm gesetzten Bund erwachsenden Rechtsnormen verpflichtet („Verpflichtungsbund“); 2. die priesterschriftliche, die eine Bundeszusage JHWHs unabhängig von zu erbringenden Gegenleistungen kennt („Verheißungsbund“), die auch dann Bestand hat, wenn der Bund durch menschliche Untreue gebrochen wird; 3. die prophetische, die das eschatologische Stiften eines neuen Bundes durch JWHW beschreibt, der sich darin als „neu“ erweist, dass JHWH aus Gnade die Tora in die Herzen der Menschen schreibt, was ein erneutes Brechen des Bundes unmöglich macht. Betrachtet man diese Linien diachron, so kann man innerhalb dieser Bundestheologien eine Tendenz zur Festlegung des Bundes auf unverbrüchliche Heilszusagen JHWHs an das Volk Israel ausmachen.451

Die theologische Vielschichtigkeit, innere Dynamik und Unabgeschlossenheit des Begriffs berît wie der singulären Rede von der berît hadāšāh in Jer 31,31452 lassen einige Alttestamentler indes zu der Annahme kommen, dass die Kategorie „Bund“ nicht die alleinige maßgebende Deutungskategorie für das Verhältnis zwischen JHWHs und Israel sei.453 Mitbedacht werden müsse, dass das Bundeshandeln JHWHs schon recht früh und unlöslich mit dem Geschenk der Tora verbunden gewesen sei, so dass das im Tanach heraus gestellte Signalwort für das Gottesverhältnis Israels mindestens auch „Tora“ zu sein scheint, wenn nicht gar mehr „Tora“ denn „Bund“. Hier wird die Tora weniger als Anhäufung von Rechtsnormen verstanden, als vielmehr denn das von JHWH seinem Volk geschenkte Mittel, durch das Israel überhaupt erst der Treue JHWHs entsprechen und so in einem umfassenden Sinne „Heil“ erfahren kann.454 Es scheint unbestritten, dass sich die Begriffe berît und tōrā theologisch gegenseitig interpretieren und oft austauschbar sind.455 Dies lässt berechtigt zu der Annahme kommen, dass die Tora – gleichwie oder noch mehr als die berît – das gelebte Bundesgeschehen zwischen JHWH und seinem Volk markiert sowie als „Gestalt gewordene Verbindung zwischen Gott und seinem Volk“ angesehen werden darf, als „Gabe, mit der allein das Freiheit stiftende Verhältnis realisiert und bewahrt werden kann“456. Das freiwillig gelebte „Ja“ des Einzelnen zur Tora, sein Ins-Fleisch-Gehen mit den Weisungen JHWHs, ist die Basis derjenigen Gemeinschaft, die das Volk Israel nach dem Willen JHWHs werden soll, um Heilszeichen aller Völker zu sein. Die Metapher der Völkerwallfahrt zum Zion ist entsprechend von der Hoffnung geprägt, dass die Tora derart in das Leben Israels „inkarniert“ werden wird, dass alle anderen Völker sich einem Leben aus der Tora (und damit dem Willen JHWHs) freiwillig anschließen werden.457

3.2διαθήκη zur Wiedergabe des alttestamenlichen Bundesbegriffs und die Stränge neutestamentlicher Bundestheologie

Nachdem das Bundesgeschehen zwischen JHWH und seinem Volk Israel anhand der Bundesmetapher unter Einbeziehung der Tora innerhalb des alttestamentlichen Kanons umrissen wurde, soll nun ein Blick auf das Neue Testament geworfen werden. Wie greift die neutestamentliche Theologie den Bundesgedanken auf und führt ihn weiter? Welche terminologischen wie theologischen Besonderheiten lassen sich ausfindig machen? Und welche Auswirkungen haben diese neutestamentlichen exegetischen Befunde auf die Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Bund? Es erklärt sich von selbst, dass auch dieser Fragenkomplex im Rahmen dieser Arbeit nur angerissen, nicht aber erschöpfend behandelt werden kann. Es sollen nur diejenigen Aspekte betrachtet werden, die die wesentlichen Grundlagen der gegenwärtigen Diskussionen liefern.458

Der vom Alten Testament geprägte Begriff „Bund“ (berît) wird – abhängig von seiner je spezifischen inhaltlichen Akzentuierung – im Griechischen unterschiedlich wiedergegeben. Bei Symmachus und Aquila findet sich zumeist der Begriff συνθήκη, der schwerpunktmäßig ein Abkommen zweier Partner mit wechselseitiger Verpflichtung in Sinne von „Übereinkunft“, „Verabredung“, „Vertrag“ zum Ausdruck bringt. Dem gegenüber findet sich in der LXX und bei Philon der schon bei Aristophanes belegte Begriff διαθήκη. An 267 von 287 Stellen übersetzt die LXX das hebr. berît mit διαθήκη im Sinne von „Verpflichtung“, „Anordnung“, „Verfügung“, weshalb διαθήκη von συνθήκη unbedingt zu unterscheiden sind: Auch wenn an einzelnen Stellen ein zweiseitiger Rechtsvertrag intendiert sein mag (vgl. etwa Gen 21,27.32) und sich an wenigen Stellen die Bedeutungen von διαθήκη und συνθήκη überschneiden (vgl. 1 Makk 1,11; 11,9; Weish 12,21), ist beim Begriff διαθήκη bei der Mehrzahl der Belegstellen der Gedanke einer einseitigen, autoritativ gesetzten Verfügung vorherrschend.

Das NT, dessen Autoren die LXX als Schriftbasis nutzen, übernimmt den Sprachgebrauch der LXX und verwendet für das hebräische berît durchgehend das griechische διαθήκη. An zwei Stellen (Gal 3,15 und Hebr 9,16f) bedeutet διαθήκη entsprechend dem fast durchgehenden profangriechischen Sprachgebrauch „letztwillige Verfügung“, „Testament“; in allen anderen Fällen bedeutet διαθήκη entsprechend dem Sprachgebrauch der LXX „Verpflichtung“, „Anordnung“. Auch wenn anzunehmen ist, dass den neutestamentlichen Autoren die verschiedenen Bundestheologien des AT bekannt gewesen sein dürften, avanciert der Begriff διαθήκη – gemessen an der Häufigkeit seines Vorkommens im NT – nicht zu einem Zentralbegriff: Gerade 33-mal ist διαθήκη im NT belegt, nahezu die Hälfte der Belegstellen entfällt auf alttestamentliche Zitate. Markant ist das fast völlige Ausbleiben des Begriffs διαθήκη in Jesusworten459, die insgesamt sparsame Verwendung dieses Begriffs in weiten Teilen des NT sowie die außergewöhnliche Streuung der Belege, die lediglich für die Herrenmahltradition, für Paulus sowie für den Hebräerbrief (die Hälfte der Belegstellen entfällt auf den Hebräerbrief) ein gewisses Interesse an der Bundesthematik attestieren. Zwar haftet ähnlich wie im AT auch im NT die Bundesvorstellung nicht an einem einzelnen Begriff und kann sich auch in sachlichen Kontexten erschließen460; dennoch ist der rein zahlenmäßige Befund auffällig und darf – zumindest für vereinzelte Bereiche des neutestamentlichen Kanons – als eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich der formellen Rezeption der alttestamentlichen Bundestheologien gewertet werden.461 Im Folgenden seien die neutestamentlichen Stränge betrachtet, in denen die Bundeskategorie verwandt wird.

Die Becherworte aus der Herrenmahltradition, die in zwei Versionen überliefert sind (markinisch-matthäische Tradition: Mk 14,24; Mt 26,27f; paulinisch-lukanische Tradition: Lk 22,20; 1 Kor 11,25), greifen bekannte Aussagen des AT auf und führen sie weiter; durch die Verwendung des Begriffs διαθήκη betonen sie Gottes eigenes und alleiniges Heilswirken ohne vorausgehende Beteiligung der Menschen, denen das Heil zugedacht ist.462

Die markinisch-matthäische Version des Kelchwortes zieht die deuteronomistische Bundestheologie, näherhin Ex 24,8 zur Deutung des Todes Jesu heran. Dieser gilt als Sühne und Versöhnung mit Gott wirkendes Geschehen und gewährt jedem, der aus dem Kelch trinkt, Anteil an Gottes eschatologischer Heilsordnung. Das „Blut des Bundes“ setzt also Gottes διαθήκη als neue, durch Jesu Tod heraufgeführte universale Heilsordnung in Kraft, welche nicht als Ablösung des Sinaibundes, sondern als dessen Ermöglichung und Erfüllung zu verstehen ist. Die paulinisch-lukanische Version des Kelchwortes spricht in Anlehnung an Jer 31,31–34 hingegen von der καινὴ διαθήκη, vom neuen Bund bzw. der neuen Setzung, was die in Christus zugesagte Vergebung der Sünden und die damit ermöglichte unbedingte Gemeinschaft aller Menschen mit Gott zum Ausdruck bringt. In Jesu Sühnetod liegt Gottes διαθήκη mit den Menschen eschatologisch begründet, so dass sein Tod als „causa efficiens [erscheint], die den von Gott gesetzten Bund ins Leben ruft […], der durch den Kelch repräsentiert wird“463. Das Neue des Bundes meint die eschatologische Überhöhung des am Sinai gestifteten Bundes Gottes in Hinblick auf die durch den Tod Jesu begründete neue Heilsordnung.

Innerhalb des Corpus Paulinum hat der Begriff διαθήκη zwar keine tragende Bedeutung, dennoch reflektiert Paulus die Bundesmetapher etwa im Kontext soteriologischer Auseinandersetzungen in den neuchristlichen Gemeinden oder im heilsgeschichtlichen Ringen um das Schicksal des nichtchristlichen Israels. Er unterscheidet zwischen dem mit Abraham geschlossenen Verheißungsbund und dem vom Gesetz bestimmten Sinaibund. Analog zu einer rechtsgültigen letztwilligen Verfügung entwickelt er ersteren als primäre, allen späteren Entwicklungen zeitlich und sachlich vorgeordnete göttliche διαθήκη, die sich in Christus eschatologisch erfüllt habe (vgl. Gal 3,16f); dadurch setzt er den vom Gesetz bestimmten Mosebund indirekt in Kontrast zur neuen Heilssetzung in Jesus Christus (Christusbund). Diesen Gegensatz verdeutlicht Paulus ausdrücklich durch einen allegorisch-typologischen Rückgriff auf die Söhne der beiden Frauen des Abraham (Gal 4,21–31): Die durch die Hagar-Ismael-Linie gekennzeichnete „alte“ διαθήκη vom Sinai zeichnet sich durch Knechtschaft und Unfreiheit aus; die durch die Sara-Isaak-Linie vorgezeichnete „neue“ διαθήκη hingegen führt zur Freiheit und zum Leben im Geist. Eine ähnliche Antithetik erzeugt Paulus in 2 Kor 3,7–11.12–18 im Zusammenhang mit der Verteidigung und göttlichen Autorisierung seines Apostolats: Während er den Dienst des Mose als einen Dienst an der alten Heilsordnung vom Sinai wertet (παλαία διαθήκη, V. 14), sieht sich Paulus als Verkünder der καινή διαθήκη (V. 6). In 2 Kor 3,7–11 billigt er dem Sinaibund zwar eine eigene Würde zu, doch laste auf dem Sinaibund seiner Meinung nach die „Hülle“ des Nichtverstehens und des Todes, so dass er begrenzt und im Gegensatz zum Evangelium, der Enthüllung des bislang in Christus Verborgenen, vergänglich sei.

In Röm 9–11 stellt Paulus das Ziel des Bundes vor Augen, zu dem ganz Israel noch gelangen wird, an dem sich die Christusgläubigen allerdings schon jetzt befinden (vgl. Röm 11,25–36). Er spitzt den Bundesgedanken zu, wenn er nach dem Geschick derjenigen Juden fragt, die zwar dem einen aus Juden und Heiden geeinten Volk Gottes angehören, Christus aber noch nicht glauben. Auch wenn Paulus die an die Patriarchen Israels ergangenen διαθήκη anerkennt, stellt er unmissverständlich heraus, dass Israel aufgrund seiner Verstockung den Willen JHWHs nicht erfüllt und seine Sendung verfehlt habe, wenn es Christus als Ziel und Erfüllung der Verheißung nicht glaubt. Doch könne JHWH aufgrund dieser Verfehlung sein Volk nicht endgültig verstoßen, sondern werde in und durch Christus an seinem Volk am Ende der Zeiten in gleicher Weise handeln, wie er bereits an denjenigen Juden gehandelt habe, die sich dem Evangelium schon jetzt zugewandt hätten, so dass einst für das ganze Volk Israel Wirklichkeit werde, was bislang lediglich für die christusgläubigen Juden verwirklicht sei. Trotz aller Diskontinuität zwischen Israel und der Christusgläubigen stellt Paulus heraus, dass Israel nach wie vor im Bund mit JWHW ist und seine besondere Erwählung nicht verliert.464

Der Hebräerbrief, auf den mehr als die Hälfte der Belegstellen des Begriffes διαθήκη im NT entfallen, entwickelt als einzige neutestamentliche Schrift eine ausgearbeitete Bundestheologie und integriert den Begriff διαθήκη als „Schlüsselwort“465 in sein christologisches Bekenntnis. Anders als die Paulinische Theologie zeugt diejenige des Hebräerbriefes von einer eindeutigen Verhältnisbestimmung zwischen alter und neuer διαθήκη. Unter Rückgriff auf Jer 31,31–34 und Ex 24,6–8 sieht der Hebräerbrief Jesus als den Christus, als den „Mittler eines neuen Bundes [καινὴ διαθήκη]; sein Tod hat die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt, damit die Berufenen das verheißene ewige Erbe erhalten“ (Hebr 9,15). Unter Anwendung einer Analogie zum Erbrecht macht der Hebräerbrief deutlich, dass diese καινὴ διαθήκη erst wirksam und damit rechtskräftig werden konnte, nachdem Christus – als der Erblasser – gestorben war. Der Tod Jesu wird als Inkraftsetzung einer neuen Heilssetzung Gottes gedeutet und überbietet die erste διαθήκη qualitativ. Dadurch, dass Jesus „durch ein einziges Opfer […] die[jenigen], die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt“ (Hebr 10,14) hat, ist er zum Mittler und Garanten einer καινὴ διαθήκη geworden, die sich dadurch als etwas qualitativ Neues auszeichnet, dass sie – antitypisch zur Kultstiftung am Sinai – reine geschenkte, in Jesu Kreuzestod verbürgte Gnade ist.

Die Kraft zur Sündenvergebung, die der alten διαθήκη nicht gegeben war, macht den in kultischer Sprache ausgedrückten qualitativen Unterschied aus, der die καινὴ διαθήκη als neue Heilssetzung Gottes kennzeichnet: Dadurch dass Jesus Christus im Geschehen von Tod und Auferstehung die Sünder ohne Rücksicht auf ihre Übertretungen gerechtfertigt hat, erfüllt die καινὴ διαθήκη, was der alljährlich vollzogene Ritus des Versöhnungstages im Rahmen des nachexilischen Tempelkultes sowie die Verpflichtung zum Halten der Tora faktisch nicht erreicht haben. Dadurch aber qualifiziert der Hebräerbrief – in einer gegenüber den Paulinischen Briefen ins Auge stechenden Eindeutigkeit – die καινὴ διαθήκη im Unterschied zur ersten διαθήκη als etwas Neues, das Alte Überbietende. Diese Feststellung dürfte auch dadurch nicht relativiert werden, dass diese καινὴ διαθήκη trotz ihrer sünden-vergebenden Kraft dem eschatologischen Vorbehalt verhaftet bleibt (vgl. Hebr 8,6; 11,1–12,3)466 und dass der gesamte Hebräerbrief als sekundäre neutestamentliche Literatur des frühen Katholizismus angesehen werden muss, die die Akzente anders setzt als die des Corpus Paulinum.467

Kirschschläger will den Begriff vom „neuen Bund“ nicht als ntl. Terminus zur Abgrenzung des werdenden Christentums vom Judentum verstanden wissen, sondern als „nachösterliche Deutekategorie, durch den der Tod und die Auferstehung Jesu interpretiert werden.468 Dazu hätten die ntl. Autoren das Bundesmotiv aus der atl. Tradition übernommen und auf die je konkrete Situation übertragen.469 Durch die Hinzufügung des Attributs „neu“ werde jedoch „eine Zäsur markiert“470, die in der Diskussion um eine rechte Verhältnisbestimmung von „altem“ und „neuem“ Bund nicht übersehen werden darf. Mit Ausnahme von Hebr 11 sprechen alle neutestamentlichen Belegstellen von einer eschatologischen Überhöhung der alttestamentlichen Bundesverheißungen JHWHs durch Christi Tod und Auferstehung in bleibender Kontinuität zu ihnen. Das „Neue“ am „Alten“ wird dadurch gekennzeichnet, dass sich in Jesu Paschamysterium für alle Menschen ein und für alle mal (universal, d.h. katholisch) eschatologisch erfüllt hat und konkret erfahrbar wurde, was dem Alten Bund in seiner Vollendung noch ausständig geblieben war. Ohne dass der Sinaibund außer Kraft gesetzt würde, versteht sich der Neue Bund als dessen Erfüllung und weiß seine eschatologische Neuheit als alleine dem souveränen Heilshandeln Gottes in Jesus Christus verdankt.471 Insofern stehen die Becherworte der Herrenmahltradition sowie die Texte des Corpus Paulinum im Verhältnis zu den alttestamentlichen Bundesaussagen in einer unaufhebbaren, aber wahrenden Spannung zwischen Kontinuität und Diskontinuität. Das „Alte“ (der Sinaibund) wird in und durch Christus zwar eschatologisch überboten, aber durch das „Neue“ nicht ersetzt (substituiert); ein solches ersetzendes Verständnis setzt sich erst nachneutestamentlich unter dem Einfluss von Barn. und Iust. dial. durch.472

Hebr 11 hingegen entwickelt eine andere διαθήκη -Theologie, nach der der durch den Kreuzestod Christi konstituierte und als eschatologisches Sühnegeschehen gedeutete Neue Bund als qualitative Übersteigerung des Alten Bundes diesem konträr gegenüber gestellt wird. Als wahrer Hoherpriester, der durch seinen Kreuzestod eine „neue“ διαθήκη in Kraft setzt und so den Seinen Anteil am Heil ermöglicht, ist Christus „Mittler des Neuen Bundes“ (Hebr 7,22; 8,6; 9,15). Jesu einmaliger Tod bewirkt ein und für allemal jene eschatologisch bleibende Sündenvergebung, die durch die Befolgung der Tora sowie den Tempelkult von Menschen faktisch nicht erreicht werden kann. Zwar bestreitet der Hebräerbrief nicht, dass Tora und Tempelkult von JHWH gestiftete Mittel des Heils sind. Da aber niemand aufgrund seiner menschlichen Sündhaftigkeit die Tora ganz zu erfüllen vermag außer Christus – der in seinem ganz auf den Vater ausgerichteten Leben und Sterben fleischgewordene Tora ist – und dieser durch sein Blut am Kreuz zum Inbegriff der Sündenvergebung schlechthin geworden ist, erreicht das Heilshandeln Gottes erst mit der Selbsthingabe Jesu am Kreuz sein eschatologisches Ziel:

„Die wiederholte Zitation von Jer 31,31–34 im Hebräerbrief unterscheidet eindeutig zwischen dem ‚neuen Bund’, der das Einschreiben der Tora in die Herzen der Israeliten verspricht, und dem ‚neuen Bund’, der durch Jesus Christus gestiftet wurde, indem er die Sünder ohne Rücksicht auf ihre Übertretungen gerechtfertigt hat im Geschehen von Kreuz und Auferstehung.“473

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