Kitabı oku: «Praxisbuch psychologische Kinesiologie», sayfa 2

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Die Stress-Release-Technik –
Lösung von emotionalem Stress

Zum Einstieg schlage ich Ihnen eine erste Selbsterfahrung mit Stress Release vor. Lernen Sie seine Wirkung in Situationen des Alltags kennen, die mit Unannehmlichkeiten, mit Anspannung, Ärger oder Ängsten einhergehen! Gelegenheiten für einen Selbstversuch mit Stress Release könnten beispielsweise sein: ein Streit mit Nachbarn, Ärger mit dem Chef, unangenehme Post, kreisende sorgenvolle Gedanken, ein aktueller Konflikt mit dem Partner, Angst vor einem schwierigen Gespräch oder Ähnliches. Diese Art der Selbsthilfe beschränkt sich auf Bagatellanlässe – tiefgehende seelische Nöte oder auch eingeschliffene emotionale Reaktionsmuster lassen sich hingegen nicht „mal eben“ im Alleingang heilen.

Stress Release als Selbsthilfe im Alltag

● Suchen Sie sich einen bequemen Sitzplatz, auf den Sie sich für einige Minuten ungestört zurückziehen können. (Es geht auch im Liegen.) Dann berühren Sie Ihre beiden Stirnbeinhöcker, wie gleich beschrieben. Das sind die leicht angedeuteten „Hügel“ der Stirn, mittig oberhalb der Augenbrauen gelegen, etwa zwei Querfinger oberhalb des Brauenbogens. Berühren Sie diese Zonen entweder mit Daumen und Zeigefinger (eventuell plus Mittelfinger derselben Hand, wobei sich die Hand wie ein Bogen über die Stirn wölbt. Oder stützen Sie Ihre Ellenbogen im Sitzen auf die Knie und halten jede der Zonen mit Zeige- (plus Mittelfinger) jeweils einer Hand. Dabei ist es nicht von Bedeutung, welche Finger Sie benutzen – für die Meisten ist diese Kombination anatomisch einfach die angenehmste Haltung. Wer es lieber mag, kann auch die gesamte Handfläche quer über die Stirn legen – Hauptsache ist, dass die beiden genannten Zonen symmetrisch berührt werden.

● Nun lassen Sie in dieser Haltung bei geschlossenen Augen die belastende Situation auf sich wirken. Rufen Sie sich die erlebten Szenen in Erinnerung, wiederholen Sie in Gedanken die verletzenden Worte oder malen Sie sich das befürchtete Ereignis aus. Versuchen Sie nicht, absichtlich etwas beiseite zu drängen oder zu beschönigen, reden Sie sich keinesfalls etwas ein, sondern nehmen Sie nur wahr, was geschieht, wenn Sie das Unangenehme eine Weile auf sich wirken lassen. Wenn möglich, spüren Sie auch der emotionalen Stimmung nach, die mit Ihrem Thema verbunden ist.

● Nach einigen Minuten könnte Ihnen auffallen, dass diese Bilder, Gedanken und Gefühle anfangen zu verblassen oder dass sich die Kreisbewegungen Ihrer Gedanken auflösen oder dass sich dunkle Bilder vielleicht aufgehellt haben. Es kann sein, dass das belastende Thema hinter sonstigen Eindrücken des Tages zurücktritt und „nicht mehr so wichtig“ ist. Es kann sein, dass Ihnen eine Lösung einfällt oder dass sich ein ungeahnter Aspekt auftut. Es kann sein, dass Sie sich ruhiger oder zumindest nicht mehr so aufgewühlt fühlen. Es kann sein, dass Sie im Kopf klarer geworden sind. Zumindest wird allgemein beobachtet, dass sich nach einigen Minuten die anfangs gedachte oder gefühlte Negativität nicht mehr aufrecht erhalten lässt. Das ist der Zeitpunkt, an dem die Selbsthilfe mit Stress Release abgeschlossen ist: Sie lösen die Finger wieder von der Stirn und kehren in den Alltag zurück.


Stress Release: Die Lage der Punkte und die Platzierung der Finger

Meist dauert solch ein situationsbezogenes Stress Release zwischen drei und zehn Minuten. Wenn sich allerdings innerhalb von maximal zehn Minuten keinerlei positive Wandlung einstellt (Sie könnten sich zur Erinnerung einen Kurzzeitwecker stellen), haben Sie vermutlich doch ein tiefer liegendes psychisches Problem berührt, das über die „Alltagsbagatellen“ hinausgeht. Das ist nicht falsch und schadet auch nicht, denn dann wissen Sie, dass es da noch etwas zu tun gibt, was nicht durch vorübergehendes Halten der Stresspunkte zu „erledigen“ ist.

Diese Selbsthilfe mit Stress Release hat nicht den Anspruch auf Tiefe, aber gemessen an dem minimalen Aufwand ist es eine kleine Intervention mit erstaunlicher Wirkung. Eindrucksvoll habe ich das immer wieder in unseren Kursen erfahren. Dort habe ich die Arbeitseinheit zum Stress Release immer mit einem Selbstversuch für alle Teilnehmer begonnen, in etwa so, wie ich es Ihnen hier vorgeschlagen habe. Vor mir saß die gesamte Seminargruppe und ich wusste natürlich nicht, welche Themen sich die Teilnehmer vorgenommen hatten. Nach Abschluss des Versuchs fragte ich in die Runde, wie sie es erlebt hätten. In nur wenigen Fällen gab es keinerlei lösende Wende und regelmäßig stellte sich in diesen Fällen auf meine Nachfrage heraus, dass sich hinter der vermuteten Bagatelle doch ein schwierigeres Grundthema verbarg. Die Meisten aber beschrieben Empfindungen wie Erleichterung, Ordnung im Kopf, Entspannung, Klarheit, einen zuversichtlicheren Blick. Das Minimum an Erfolg war, dass sich das Problem ein klein wenig leichter anfühlte; hin und wieder öffneten sich manchem sogar neue Türen vor dem inneren Auge.

Als Erleichterung, die eher an der Oberfläche bleibt, leistet das Stress Release also gute Dienste zur Stabilisierung im Alltagsstress. In diesem Sinne lässt es sich durchaus auch Patienten an die Hand geben, wobei im Bewusstsein bleiben sollte, dass grundlegende Veränderungen erst durch eine spezifische begleitende Vorarbeit angestoßen werden. Doch bevor wir darauf eingehen, wie das Stress Release zu einem solchen tiefgreifenden therapeutischen Instrument wird, sollten Sie zunächst einiges zu seiner Herkunft und Wirkungsweise erfahren.

Wurzeln in der Kinesiologie –
Wandel in meiner Anwendung

Der Begriff Stress Release stammt aus der Kinesiologie, dort auch Emotional Stress Release genannt; übersetzt bedeutet er: (Er-) Lösung von emotionalem Stress. Es geht zurück auf die Beobachtung des amerikanischen Chiropraktikers Terrence Bennett, dass sich bei längerer Berührung diverser Reflexpunkte am Schädel die Durchblutung bestimmter Gehirnareale und damit die Gehirnaktivität verändert. Auf dieser Basis entwickelten verschiedene Anwender Systeme mit teilweise recht komplexen Interventionen, um aktuellen emotionalen Stress, seelische Blockaden und psychische Folgen früherer Erfahrungen zu lösen. Wer mehr über diese kinesiologischen Methoden wissen möchte, findet in meinen Literaturhinweisen Empfehlungen dazu.

Nach meiner Kinesiologieausbildung Ende der 1980er-Jahre begann ich nur zögerlich, in meiner damaligen Landarztpraxis die gelernten Abläufe bei Patienten anzuwenden. Zögerlich aus drei Gründen: Zu dieser Zeit waren „alternative“ heilkundliche Praktiken noch wenig geläufig und wurden misstrauisch beäugt, besonders in dem erzkonservativen Einzugsgebiet meiner Praxis. (Mit solchen „Hexereien“ hätte ich leicht meine Existenz aufs Spiel setzen können.) Eng damit verbunden war der zweite Grund: Ich hatte zwar in meiner Ausbildung die Wirkung von Stress Release selbst erlebt, fühlte mich aber zu unsicher, um es nachvollziehbar zu erklären. Damit wiederum verbunden war der dritte Grund: Gelernt hatte ich teilweise sehr komplexe Handlungsabläufe in Verbindung mit dem Stress Release, etwa bestimmte Vorarbeiten mit dem Muskeltest, aber auch Augenstellungen, Farbwirkungen und Reflexzonenbehandlungen, und wegen dieser verschiedenen Komponenten fielen mir Erklärungen noch schwerer. Darüber hinaus forderte die komplexe Methode von mir, eine Fülle von Abläufen im Kopf zu haben und rechtzeitig an alles zu denken, was es beim Stress Release zu tun galt, um auch nichts falsch zu machen. Das war für mich im Rahmen einer Praxis voller Patienten mit Husten, Rückenschmerzen und Bluthochdruck meist nicht zu bewältigen.

„Notgedrungen“ ließ ich mich dann doch hin und wieder darauf ein, mit Patienten auf diese Weise zu arbeiten, vor allem, wenn sie schon eine therapeutische Odyssee hinter sich hatten und für jede mögliche Hilfe dankbar waren. Dabei ertappte ich mich dann das eine oder andere Mal dabei, dass ich irgendetwas aus der Komplexität der Abläufe beim Stress Release vergessen hatte – und es wirkte trotzdem. Irgendwann griff ich schließlich auch einmal ganz ohne sonstige Vorbereitungen zum Halten der Stirnpunkte – und auch das wirkte! Auf diese Weise „verlor“ sich über die Jahre hinweg ein Behandlungselement nach dem anderen; Bestand hatte als einziges die symmetrische Berührung der Stirnbeinhöcker.

Erstaunliche Wende

Auf Empfehlung seiner Frau, die meine Arbeit kannte, suchte mich Gerd P. auf. Von sich aus war er eigentlich therapiemüde, litt aber wie schon seit Jahren unter erheblichen Minderwertigkeitsgefühlen. Oft glitt er in Ängste und Depressionen ab, weil ihm zwar klar war, dass er als Gartenbauarchitekt viele kreative Ideen hatte, er sich jedoch nie traute, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Wegen dieser seelischen Belastung hatte er bereits drei Jahre Psychotherapie hinter sich. Er kam zu mir mit den Worten: „Ich weiß doch, wodurch ich mich so entwickelt habe, ich kenne meine Geschichte in- und auswendig – es nützt mir nur nichts!“ Natürlich mussten wir sein Thema noch einmal aufgreifen, „durchkauen“, mussten es in den Gehirnzentren aktivieren, allerdings diesmal mit der Absicht, dieses erneute Auffrischen der Erinnerung in ein Stress Release zu überführen. Was dann auch geschah.

Zwei Jahre später rief Herr P. mich an mit der Bitte um einen neuen Termin. Die Zeitplanung war schwierig, weil er zu dieser Zeit ständig auf Vortragsreise (!) war. Bei unserem Treffen erzählte er mir, dass wider Erwarten seit dem Stress Release etwas Entscheidendes anders geworden sei: „Meine Erinnerung an die alten Geschichten ist immer noch dieselbe, aber sie belastet mich nicht mehr, ich bin freier geworden.“

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ohne die lange therapeutische Vorarbeit wäre es wohl kaum allein durch Stress Release in einer einzigen Sitzung zu solch einer Wende gekommen. Doch das Stress Release hatte offenbar etwas bewirkt, was die Einsicht in die Zusammenhänge allein nicht bewirkt hatte.

Gerd P. war nicht der Einzige, mit dem ich Ähnliches erlebt habe, aber bei ihm war der Prozess durch die Kürze der Intervention besonders eindrucksvoll. Man stelle sich vor, was gewonnen werden könnte, wenn dieses Stress Release in psychotherapeutische Praxen Einzug halten würde, wenn also die eine oder andere Sitzung nach einem Gespräch mit der Stress-Release-Technik abgeschlossen würde, die offenbar „irgendwie“ eine andere Ausgangsbasis herstellt … Das sollten wir uns genauer ansehen.

Hier stellen sich zwei Fragen: Zum einen wäre zu klären, wieso mir etliche Elemente meiner ursprünglichen Ausbildung „verloren gehen“ durften, ohne dass offenbar – soweit man das überhaupt vergleichen kann – die Ergebnisse darunter gelitten hatten. Auf diesen Aspekt, der vermutlich besonders diejenigen interessieren dürfte, die in Ausbildungen oder als Patienten bereits andere Arbeitsweisen kennengelernt haben, gehe ich im Kapitel „Die Psyche in Resonanz bringen“ ein, weil sich erst dort die von mir vermutete Erklärung erschließt.

Zum anderen wäre natürlich (und hauptsächlich) zu überlegen, wie wir die Erfahrungen mit Stress Release neurophysiologisch erklären können. Dem soll unsere nächste Betrachtung gelten.

Stress Release –
eine synaptische Weichenstellung?

Wie erwähnt wurde nachgewiesen, dass sich bei längerer Berührung gewisser Punkte am Kopf die Durchblutung korrespondierender Gehirnareale verändert. Es liegt nahe, dass vermehrte Hirndurchblutung einhergeht mit gesteigerter neuronaler Aktivität; das heißt, dass das, was in diesen verstärkt durchbluteten Gehirnregionen repräsentiert ist, währenddessen sehr rege ist. Eine Grundlage von Stress Release ist also, dass wir von außen, nämlich durch Berührung, vorsichtig gesagt Einfluss auf innere Vorgänge nehmen.

Für unsere gewünschte Wirkung setzen wir voraus, dass es nötig ist, die Therapiepunkte am Kopf (in unserem Fall nur die Stirnbeinhöcker) seitengleich, symmetrisch zu berühren. Folglich dürften dann in beiden Gehirnhälften korrespondierende Zonen aktiviert werden. Welchen Sinn aber sollte das haben, warum „bewirkt“ das etwas Wesentliches?

Grob vereinfacht (aber als therapeutische Grundlage ausreichend) lässt sich sagen, dass ein Schlüsselverständnis für das Stress Release in der unterschiedlichen Funktionsweise unserer beiden Gehirnhälften liegt. Beide arbeiten mit sehr spezifischen Qualitäten, die man in aller Kürze so auf den Punkt bringen könnte: Von der Aufgabe der motorischen Steuerung und der Verarbeitung von Sinneseindrücken einmal abgesehen, funktioniert die linke Hemisphäre in ihrer Arbeitsweise denkend-analytisch, die rechte bildhaft-synthetisch; die linke eher linear-logisch, die rechte komplex-assoziativ; die linke sprachlich, die rechte empfindend; die linke mathematisch, die rechte musisch.

Jede der beiden Hemisphären geht mit dem, was im Leben geschieht, qualitativ anders um, und da kann es schon einmal zu Differenzen oder Kollisionen kommen. Wenn das passiert, leidet der Mensch unter einem Konflikt oder unter anderen Nöten. Doch wie kommt es dazu?

Üblicherweise brauchen wir für alle Fähigkeiten und Tätigkeiten unseres Alltags ein synchrones (also zeitgleiches) Zusammenspiel beider Hemisphären, mal ein wenig mehr rechtslastig, mal ein wenig mehr linkslastig. Durch Einüben und Wiederholen werden dann mittels zunehmender synaptischer Verknüpfungen Schaltkreise im Gehirn aufgebaut, die Gewohnheiten schaffen und rasche, automatisierte Handlungen ermöglichen.

Einseitige Schaltkreise

Nun kann es – weiterhin vereinfacht ausgedrückt – zu Situationen kommen, in denen in einer Hirnhälfte ein Schaltkreis bereits (einseitig) ausgebildet ist, ohne dass die andere Hemisphäre davon „weiß“. Das gilt ganz besonders für die sehr frühen Erfahrungen unserer Lebensgeschichte, die wir nur empfindend, fühlend, ganzheitlich erleben – wie es die rechte Gehirnhälfte abbildet. Die Fähigkeiten der linken Hälfte entwickeln wir erst später, wenn wir bewusst zu denken beginnen und schreiben und rechnen lernen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind aber schon viele Schaltkreise angelegt und verstärkt worden, die unabhängig von der Mitwirkung der linken, denkenden Seite eine Art Eigenleben führen. Wir sind – was unser Gefühlsleben angeht – in unseren Reaktionsweisen längst geprägt, bevor wir uns darüber Gedanken machen können.

Daran ist an sich noch nichts Verkehrtes, ja, viele „Schaltkreise“ und damit verbundene psychosoziale Prägungen sind ausgesprochen nützlich als Grundlage für unser menschliches Miteinander – wir nennen das „Erziehung“. Aber nicht jeder Einfluss aus unserem Umfeld dient uns, manches verletzt nachhaltig, manches wird unserem individuellen Charakter nicht gerecht, mancher „Stempel“ aus früheren Jahren steht einem gesunden Selbstgefühl oder liebevollen und förderlichen Beziehungen im Wege. (Das Thema Prägungen wird uns noch ausführlicher beschäftigen.) Fortan werden in ähnlichen Situationen durch Reizworte oder bildhafte Auslöser geradezu automatisch dieselben neuronalen Spurrillen abgefahren und somit immer wieder dieselben negativen emotionalen Reaktionsweisen angestoßen – ein Dominoeffekt der Neuronen, der oft unbemerkt vom Bewusstsein abläuft.

Wenn wir dann eines Tages in Bedrängnis geraten, weil unser Wollen und unsere Einsicht ausgebremst werden durch Ängste, Depressionen, psychosomatische Erkrankungen, Beziehungskonflikte oder selbstzerstörerische Verhaltensweisen, geraten wir vielleicht an einen guten Therapeuten, mit dem wir unsere Lebensgeschichte aufarbeiten und hinter unseren heutigen Reaktionsweisen die Wurzeln frühkindlicher Erfahrungen entdecken. Doch wie viele Menschen haben es nicht schon erlebt, dass sie zwar nun endlich wussten, was sie auf eine bestimmte Bahn gelenkt hatte, es aber immer noch nicht schafften, nach dieser Erkenntnis anders damit umzugehen (wie unser Gartenbauarchitekt)?! Da hat man den Eindruck, dass zwischen den beiden Gehirnhälften ein tiefer, unüberbrückbarer Abgrund klafft: Da werfen wir von der linken Seite vielleicht einen einsichtsvollen Blick auf den Schaltkreis der rechten Seite, aber ohne ihn öffnen und mit dem neuen Verständnis verbinden zu können.

Unüberbrückbar? – Nein. Diesen Brückenschlag kann auf einfache Weise das Stress Release übernehmen. Es synchronisiert durch die symmetrische Berührung der Reflexpunkte die linke und die rechte Gehirnhälfte so, als wäre die Einsicht „recht-zeitig“ erfolgt, um die Bildung eines in sich geschlossenen, Schaltkreises zu verhindern. Wie diese „Rechtzeitigkeit“ solche verselbstständigten Schaltkreise verhindern kann, möge ein einfaches Beispiel veranschaulichen:

Stellen Sie sich einmal vor …

Sie wachen mitten in der Nacht von einem Getöse auf, das Schlafzimmerfenster steht offen, die Gardine weht, Sie sehen einen Schatten vor dem Fenster weghuschen.

Stellen Sie sich vor, wie es Ihnen ergeht, wenn Sie nicht klären können, was eben passiert ist. Beispielsweise, weil Sie schreckliche Angst haben, trauen Sie sich erst gar nicht, das Licht anzumachen. Sie verkriechen sich unter der Bettdecke. Was meinen Sie, wie gut können Sie in dieser Nacht einschlafen? – Und wie wird es am folgenden Abend sein? Wenn Sie sich eines Tages wegen chronischer Schlafstörungen untersuchen lassen, haben Sie diesen Vorfall längst vergessen.

Nun andersherum: Stellen Sie sich vor, Sie hätten sofort das Licht angeschaltet, wären aufgestanden und hätten aus dem Fenster geschaut: Statt des gefürchteten Einbrechers sahen Sie Nachbars Katze fluchtartig durch den Garten laufen. Wie ist es dann mit dem Wiedereinschlafen? Und wie wird es wohl in der nächsten Nacht werden?

Unsere erste Variante ist der Start zu einem geschlossenen Schaltkreis: Wir haben der linken Gehirnhälfte gar nicht die Chance gegeben, ebenfalls ihren Beitrag zu dem Vorfall beizusteuern und die Situation mit Einsicht zu beleuchten. Hätten wir das getan, wären uns Spätfolgen erspart geblieben. Anders verhält es sich natürlich mit Erfahrungen in unseren frühen Lebensjahren, wenn wir für Prägungen hoch empfänglich sind, aber weder in der Lage, diese Erfahrungen „vernünftig“ einzuschätzen, noch dazu, dem etwas bewusst Eigenständiges entgegenzusetzen. Durch weitere Wiederholungen ähnlicher Situationen haben sich dann die einst gelegten Spuren in unserem Gehirn zu regelrechten Automatismen ausgebaut, die alternative Möglichkeiten gar nicht erst in den Blick kommen lassen.

Das Ende vom Lied erinnert an die beiden Königskinder, die nicht zueinander kommen konnten. Die linke Hemisphäre ruft über den See: „Ich weiß doch aber … und ich möchte doch …“, und die rechte antwortet: „Ich kann doch nicht und soll doch nicht …“

Synchronisation

Während der Anwendung des Stress Release scheinen sich aufgrund der synchronisierten Anregung der Durchblutung die Schaltkreise zu öffnen, indem die beteiligten Areale beider Hemisphären (und die mit ihnen verbundenen tieferen Gehirnareale) durch den Kontakt der Stirnbeinhöcker reflektorisch sanft veranlasst werden, sich mit dem jeweiligen Thema oder Konflikt gleichzeitig und gleichwertig auseinanderzusetzen.

Es ist, als würden wir in die nächtliche Situation im Schlafzimmer zurückversetzt und könnten dort noch einmal andere Alternativen durchspielen, wodurch offenbar neue synaptische Verbindungen „ausprobiert“ bzw. angebahnt werden. Dafür spricht, dass Patienten nach Beendigung des Stress Release meist eine Veränderung im Erleben und Bewerten ihrer Problemsituation beschreiben. Offenbar vernetzen sich Alterfahrung und erwachsene Einsicht über neue synaptische Verschaltungen, die dann für die reale Lebenssituation Auswege erkennen lassen. Es scheint also beim Stress Release tatsächlich etwas im Kopf zu „passieren“.

Dazu passt auch, dass manche das Wirken der Stress-Release-Technik geradezu „physiologisch“ spüren:

Eine Kursteilnehmerin erlebte „ein unruhiges Hin-und-Her-Springen im Kopf, mal rechts, mal links – und zum Ende hin floss es auf beiden Seiten ausgeglichen und ruhig“. Andere empfinden ein Elektrisieren oder Pulsieren. Gemeinsam ist ihnen immer, dass es zunächst „asynchron“ beginnt und sich allmählich immer mehr synchronisiert.

*

Ein junger Mann beschrieb seiner Therapeutin, die aus der Gesprächssituation spontan in ein Stress Release übergeleitet hatte, nachher: „Das war ja witzig! Ich sah vor meinem inneren Auge die Icons von Computerdateien, wie sie auf dem Bildschirm beim Versenden oder Verschieben von einem Datenträger auf einen anderen wandern. Und gerade in dem Moment, bevor Sie Ihre Hand wieder von meiner Stirn nahmen, blinkte auf dem Schirm auf: „Dateien erfolgreich übertragen!“

Nun ist das Stress Release nicht der einzige Weg, die rechte und die linke Gehirnhälfte im therapeutischen Prozess zur Kooperation zu bewegen; auch eine Reihe anderer Methoden beziehen neben der kognitiven Ansprache (linke Seite) ganzheitliche Elemente (rechte Seite) ein, seien es kreative Therapieformen, systemische Aufstellungen oder andere. Sie alle lassen die „Kontrahenten“ sozusagen näher zusammenrücken. Den Vorteil gerade des Stress Release sehe ich aber darin, dass es sich ohne weiteren Aufwand und sonstige Techniken sofort mit fast jeder therapeutischen Arbeitsweise unaufdringlich verbinden und unterstützend nutzen lässt.

Vielseitig verwendbar

Der Coach eines Hochschulinstituts hatte in einem meiner Seminare und in eigener Therapie das Stress Release kennengelernt und war von seiner Wirkung begeistert. Deshalb überlegte er, inwieweit er es auch seinen Klienten zugutekommen lassen konnte. Obwohl er als Grundlegitimation eine therapeutische Ausbildung hatte, empfand er eine solche „Behandlung“ mit Berühren der Klienten im Rahmen seines universitären Auftrags jedoch als unangemessen. Deshalb bot er ihnen versuchsweise an, nach dem jeweiligen Gespräch selbst für einige Minuten die Reflexpunkte zu halten und das Thema gedanklich zu rekapitulieren. Die Wirkung beschreibt er als so überzeugend, dass weder er noch seine Coachees auf diese kleine Intervention verzichten wollten.

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247 s. 12 illüstrasyon
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9783954842308
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