Kitabı oku: «Praxisbuch psychologische Kinesiologie», sayfa 3
Der Vorlauf zum Stress Release
Woher wissen wir aber – nachdem wir uns für ein Stress Release entschieden haben –, ob dabei überhaupt die richtigen Gehirnareale aktiviert werden? Wie können wir davon ausgehen, dass das Gehirn während dieser Minuten allein durch Berührung von zwei Punkten weiß, was es tun soll, nämlich neue Weichen zu sehr einem konkreten Anliegen stellen (und nicht zu etwas beliebigem anderen)?
Ein logischer Schluss legt nahe, dass sich beim Stress Release im Gehirn das fortsetzt, was es im Laufe der therapeutischen Sitzung ohnehin beschäftigt hat. Denken und Fühlen widmen sich dem Thema, das den Patienten bewegt oder bedrängt und worüber eingehend gesprochen wurde. Solange dieses Anliegen ernsthaft vertieft wird, dürften doch alle entsprechenden Neuronen Funken sprühen!
Das heißt – so banal es klingen mag –, das Stress Release wird so tief greifen wie die vorangegangene Bearbeitung eines Themas. Je besser sich der Patient in seinem Anliegen verstanden fühlt und je besser sein Konflikt auf den Punkt gebracht ist, desto genauer werden gerade die Gehirnareale aktiviert, die es beim Stress Release zu koordinieren gilt.
Dabei ist es sogar unerheblich, ob schon vor dem Stress Release Denken und Fühlen (also rechts und links) gleichermaßen am Prozess beteiligt und damit beiderseits die Zonen angesprochen sind: Wenn eine der beiden Seiten ganz bei der Sache und die andere zumindest leicht angeregt ist, zieht die „schwächere“ durch die Rückkopplung der berührten Reflexpunkte mit! Das gibt sich immer wieder darin zu erkennen, dass Patienten, die sehr „kopflastig“ ins Stress Release gegangen sind, am Ende einen Zugang zum Gefühl erleben, und umgekehrt: Wer eher emotional aufgewühlt war, geht oft mit einem kühleren Kopf und neuer Einsicht daraus hervor.
Geringer Aufwand – hoher Wirkungsgrad
Das ist nun wirklich eine höchst erstaunliche, ja, sensationelle Entdeckung für die therapeutische Begleitung: Eine minimale neuronal-reflektorische Intervention scheint den Menschen in die Lage zu versetzen, nach entsprechender Vorarbeit alte Erfahrungen, Denkmuster und Reaktionsweisen neu zu bewerten, sich von Prägungen zu lösen und in „festgefahrenen“ Lebensthemen neue Spielräume zu eröffnen …
Es scheint so, als würden beim Stress Release die inneren Kontrahenten an einen Tisch gesetzt und hätten erstmals Gelegenheit, „auf Augenhöhe“ miteinander zu kommunizieren.
Die Aussagen von Patienten nach dem Stress Release beschreiben das Ergebnis dieses inneren Vorgangs recht einheitlich – so, wie es bereits bei der Selbsthilfeversion von Stress Release anklang: Sie geben an, sich ruhiger, klarer, stabiler, zuversichtlicher, geordneter zu fühlen. Oder noch allgemeiner könnte man sagen: Sie sind jeweils ein Stück mehr zu sich gekommen, „bei sich“. Das kann sich sogar darin ausdrücken, dass jemand nach dem Stress Release weint oder auf andere Weise emotional betroffen ist, wenn bis dahin eine solche persönliche Besinnung noch nie zugelassen wurde.
Tiefe emotionale Wirkung
Ich begleitete eine Patientin schon eine Weile durch sehr kritische Zeiten in beruflichen und familiären Umbrüchen. Sie arbeitete unter schwierigen Umständen in einer verantwortungsvollen Position, hatte drei kleine Kinder und kaum praktische Unterstützung in der Bewältigung des Alltags. Immer wieder ging es um die Entscheidung über den richtigen Weg für sie, damit sie unter der Last nicht völlig zusammenbrach.
Nach einem Stress Release, das wir an ein Gespräch zu einem eher alltäglichen Thema anschlossen, brach sie in Tränen aus. Einen Augenblick lang war ich verunsichert, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Mein erster Gedanke war, dass ich ihr in dieser Sitzung vielleicht nicht gerecht geworden war und unterschwellig ganz andere Fragen angestanden hätten. Auf meine Nachfrage sagte sie, dass sie während der letzten Minuten zum ersten Mal in aller Deutlichkeit gespürt habe, wie sehr sie jede Art von Selbstfürsorge über Jahre hinweg ignoriert habe. Sie sah, wie wenig sie sich zugestand, dass sie unter der maximalen Überforderung litt. Sie war erschüttert – aber sie stand kurz darauf erfrischt auf mit den Worten: „Jetzt weiß ich endlich, worum ich mich kümmern muss!“
Ziel und Ergebnis des Stress Release ist also keineswegs ein oberflächliches Wohlbefinden, sondern ein Zu-sich-Kommen. Und das kann sich durchaus unterschiedlich ausdrücken, eben auch durch emotionale Betroffenheit.
Die praktische Durchführung
Wenn auch Sie sich nun angeregt fühlen, das Stress Release in therapeutische Begleitungen zu integrieren und erste Erfahrungen bei Ihren Patienten zu sammeln, dann sollten wir an dieser Stelle noch zwei Dinge konkret ansprechen: die möglichen Gelegenheiten zur Anwendung und vor allem den Ablauf und die Rahmenbedingungen.
Wegen seiner ordnenden und ausgleichenden Funktion hat das Stress Release breit gefächerte „Indikationen“:
– als Selbsthilfe in aufwühlenden oder belastenden Situationen (wie bereits angesprochen). (In diesem Sinne kann ein kurzes Stress Release den Patienten auch schon vor der eigentlichen Bearbeitung angeboten werden, falls sie angespannt, nervös oder hektisch zum Termin erscheinen.)
– als Abschluss einer Gesprächssitzung – damit sich alles Bearbeitete setzen, ordnen und verankern kann.
Das Vorgehen:
● Grundsätzlich erkläre ich meinen Patienten vorab Sinn und Ablauf der Stress-Release-Technik. Meist nutze ich dafür das Erstgespräch, wenn ich sie mit meiner Arbeitsweise vertraut mache; selten muss ich es unmittelbar vor der Durchführung erklären. Dann allerdings spreche ich nur ganz kurz davon, „das Gehirn zu unterstützen, die besprochenen Dinge durch eine Reflexbehandlung zu ordnen“ – um die Aufmerksamkeit nicht zu sehr vom Thema abzuziehen.
● Für meine Patienten habe ich einen bequemen Sessel mit verstellbarer Rückenlehne und Fußteil angeschafft, auf dem sie die ihnen angenehmste Position wählen können. Natürlich lässt sich das Stress Release auch auf einer Liege durchführen (oder notfalls im Sitzen, wie bei der Selbsthilfe vorgeschlagen). Aber der „Stress-Release-Stuhl“ war eine lohnende Investition, weil sich die Patienten jederzeit, auch während des „Gesprächs auf Augenhöhe“, gut aufgehoben fühlen und bei Bedarf in eine fast liegende Position gleiten können.
● Ich informiere die Patienten über die ungefähre Dauer des Stress Release, damit sie sich auf diesen Zeitrahmen einstellen können.
● Dann bitte ich sie, während der Dauer des Stress Release all das, was in unserer Sitzung angesprochen wurde, und alles, was ihnen dazu einfällt oder in ihnen aufsteigt, ohne Bewertung wirken zu lassen. Das können Gefühle sein, Gedanken, Erinnerungen, Bilder – oder auch Leere. Ich betone, dass man dabei nichts falsch machen kann, weil das Gehirn durch unsere Vorarbeit schon alle entsprechenden Zonen aktiviert hat.
● Ich empfehle, währenddessen die Augen zu schließen, damit man besser „bei sich“ ist. Wenn jemand sich dadurch geängstigt fühlen sollte, funktioniert es grundsätzlich auch mit offenen Augen.
● Schon während meiner einleitenden Worte lege ich Daumen und Zeige- / Mittelfinger meiner Hand ohne Druck auf die Zonen der Stirnbeinhöcker und belasse sie ruhig in dieser Berührung – bis zum Schluss.
● Während des Stress Release wird in der Regel nicht gesprochen, weil das Reden ein tieferes Eintauchen in die inneren Prozesse verhindert, und es finden auch keine sonstigen parallelen Interventionen statt.
● Mit dem einhändigen Selbsttest der freien Hand (siehe „Essentials zum Muskeltest“ im Anhang) teste ich wiederholt, ob das Stress Release noch fortgesetzt oder beendet werden soll. (Alternativen hierzu spreche ich weiter unten an.)
● Das Stress Release beende ich, indem ich vor dem Lösen der Hand von der Stirn kurz die Schulter des Patienten berühre, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich jetzt etwas ändert. (Für manche fühlt es sich etwas unangenehm an, wenn das Berühren der Stirn ohne Vorankündigung plötzlich aufhört.)
● Abschließend frage ich nach dem Befinden und gebe, wenn es gewünscht wird, kurz Gelegenheit, etwas zu dem Erlebten zu sagen (zwei bis drei Minuten). Um den Eindruck des Stress Release nachwirken zu lassen, gehen wir aber nicht noch einmal ins Gespräch, sondern fassen die Verabschiedung kurz.
Die Dauer der Stress-Release-Anwendung
Bei der Selbsthilfeanwendung des Stress Release habe ich bereits erwähnt, dass sich in meiner Praxis und in unseren Seminaren eine Maximalzeit von etwa zehn Minuten herauskristallisiert hat. In meiner Anfangszeit der Anwendung der psychologischen Kinesiologie kamen allerdings auch deutlich längere Zeitspannen vor, bis zu zwanzig Minuten. Wenn ich die Situationen rückblickend vergleiche, fällt mir als wesentlicher Unterschied auf, dass ich anfangs noch „breiter“ gefächert gearbeitet habe. Ich versuchte damals, alles mögliche, was für meinen Patienten als Stress infrage kommen könnte, innerhalb einer Sitzung ins Lot zu bringen. Das kostet natürlich auch das Gehirn eine längere Zeit des Ordnens. Die Ergebnisse waren jedoch nicht so befriedigend, wie ich es erhofft hatte; sowohl die Patienten wie auch ich selbst gingen aus einer solchen Begegnung oft eher angestrengt oder sogar verwirrt hervor.
Schließlich reduzierte ich die Themen unserer Sitzungen. Entweder erkannten wir hinter mehreren „Baustellen“ ein verbindendes Thema – was sehr häufig der Fall ist –, gingen dem nach und bearbeiteten diesen zentralen Knotenpunkt (– für das Gehirn übersichtlich und beim Stress Release weniger zeitintensiv). Oder wir beschränkten uns auf einen Themenbereich, der gerade besonders „pressierte“ – womit der Verarbeitungsvorgang für das Gehirn auch wiederum handlich wurde. Im Gesamtergebnis waren solche Sitzungen weitaus effektiver als meine frühere komplexe Herangehensweise, wir waren nach der Sitzung nicht erschöpft, sondern geklärt und erfrischt, und die weitere Entwicklung konnte viel konkreter anhand des umrissenen Themas beurteilt werden.
Sobald Sie den Muskeltest beherrschen, können Sie mit seiner Hilfe natürlich die individuellen Empfehlungen zur Dauer des Stress Release vom Patienten selbst einholen (siehe Anhang, „Dialogtest“). Oder Sie nutzen (wie ich selbst) den Selbsttest. Solange Sie nicht mit dem Muskeltesten vertraut sind, sind Sie mit pauschal zehn Minuten im Prinzip auf der sicheren Seite.
Und was ist mit der Alternative, dasselbe Entscheidungskriterium anzuwenden, das ich beim Selbsthilfe-Stress-Release empfohlen habe?: Sie könnten Ihren Patienten bitten, die Augen von sich aus zu öffnen, wenn sich der Eindruck festigt, dass es „gut“ ist oder dass die anfänglichen Bilder und Gedanken zurücktreten.
In der praktischen Umsetzung habe ich damit keine positiven Erfahrungen gemacht: Viele Menschen waren mehr damit beschäftigt, darüber nachzudenken, ob dieser Zeitpunkt denn nun schon gekommen sei, als dass sie sich noch auf ihr Thema einlassen konnten. Andere wollten aus Rücksicht auf mich „nichts falsch machen“ und öffneten die Augen viel zu früh – oder gar nicht.
Empfehlung:
Eine zeitliche Richtschnur entspannt Patient und Therapeut. Und diese kann entweder mit dem Muskeltest individuell festgelegt werden oder aber mit der pauschalen Vorgabe von zehn Minuten.
Risiken? Unerwünschte Wirkungen?
Ich kann aus den Erfahrungen der 25 Jahre, in denen ich das Stress Release in der Praxis anwende (davon mehr als 20 Jahre in der hier beschriebenen Weise), und aus den Rückmeldungen der von mir ausgebildeten Therapeuten keine Situation ableiten, in der das Stress Release kontraindiziert wäre oder damit ein Risiko eingegangen würde. Die einzige Frage, zu der ich nicht über genügend Erfahrung verfüge, ist die, wie es sich mit einem solchen „synchronisierenden“ Einfluss auf das Gehirn bei Patienten mit Anfallsleiden verhält. Bei den wenigen, die ich in meiner Praxis entsprechend behandelt habe, ist nie ein Anfall ausgelöst worden, aber das genügt nicht für eine Verallgemeinerung.
Hinsichtlich psychischer Reaktionen gehe ich davon aus, dass ein Stress Release als solches niemals die Befindlichkeit verschlimmern kann, mit der ein Patient gekommen ist. Dies erscheint mir wichtig zu erwähnen, weil es auch Neurofeedback-Verfahren wie das EMDR gibt (Eye Movement Desensitization and Reprocessing – zu Deutsch etwa: Augenbewegungs-Desensibilisierung und Wiederaufarbeitung), bei denen zum Beispiel über Augenrotation bestimmte Erinnerungen geweckt und sogar forciert werden sollen – was durchaus unangenehm sein kann. Das Stress Release, wie ich es praktiziere, greift jedoch immer nur das auf, was zuvor schon aktiv ist. Dies ist allerdings eine rein empirische Schlussfolgerung; ich möchte anregen, sie auch neurophysiologisch zu untermauern!
Damit kann das Stress Release ohne Bedenken einem großen Kreis von Patienten zugutekommen, einerseits in der wiederholten Akut- und Selbsthilfe, andererseits und hauptsächlich aber in seiner nachhaltigen Wirkung, tatsächlich „Knoten zu lösen“, die von den Fesseln alter emotionaler Verarbeitungsweisen befreien. Diesen Knoten auf die Spur zu kommen macht somit die wesentliche Vorarbeit für eine tiefgreifende Wirkung des Stress Release aus.
Da wir beim Stress Release eine neurophysiologische Wirkung erreichen wollen, stellt sich die Frage, wie es gut gelingen kann, die dafür erforderlichen Zentren in Aktion zu bringen. Dieser „Zuarbeit“, die im Stress Release ihre physiologische Krönung findet, wenden wir uns nun zu.
Die Psyche in Resonanz bringen
Ich gehe davon aus, dass die erwünschte Tiefenwirkung beim Stress Release auf unterschiedliche Weise gefördert werden kann. In meiner Kinesiologieausbildung hatte ich zahlreiche mögliche Begleitmaßnahmen des Stress Release kennengelernt, beispielsweise Augenrotationen, Farbbrillen, gleichzeitiges Halten von Meridianpunkten, gleichzeitige Reizung neurolymphatischer Zonen, Auflegen von Bach-Blütenessenzen auf den Körper, Wiederholung von Affirmationen, Düfte, Töne und mehr. Praktisch sah das unter Umständen so aus, dass während des Berührens der Stirnbeinhöcker (oder anderer Reflexpunkte) der Patient zugleich durch eine Farbbrille schaute und mit den Augen rotierte, dass von ihm selbst oder vom Therapeuten Affirmationen gesprochen wurden, dass bestimmte Zonen am Körper durch Reiben aktiviert wurden oder Ähnliches.
Wie bereits erwähnt hinderte mich die Kombination meiner vollen Hausarztpraxis und meines schlechten Gedächtnisses oft daran, schnell einmal auf diese erlernten „Bausteine“ zuzugreifen, sodass der Reihe nach immer mehr von ihnen verloren gingen. Hier nun möchte ich der angekündigten Erklärung nachgehen, wieso ich davon ausgehe, dass meine derart reduzierte Version des Stress Release mit dem alleinigen Halten der Stirnbeinhöcker den komplexeren Verfahren im Ergebnis ebenbürtig ist. Dazu fallen mir nur zwei Möglichkeiten ein: Entweder die „vergessenen“ Elemente sind überflüssig oder etwas anderes, etwas Gleichwertiges ist an ihre Stelle getreten.
Da viele kinesiologische Techniken nicht nur theoretisch sinnvoll und praktisch bewährt, sondern auch physiologisch belegt sind, kann „überflüssig“ nicht die passende Erklärung sein. Also liegt es nahe, dass ich (unbewusst?) etwas anderes an ihre Stelle gesetzt habe, das letztlich in etwa dieselbe Wirkung hat.
Wenn eine Absicht kinesiologischer Interventionen darin liegt, die richtigen Gehirnareale anzuregen, dann muss ich das wohl auf einem anderen Weg ebenfalls erreicht haben. Wie könnte das geschehen sein? Was trage ich in meinen Sitzungen mit Patienten dazu bei, die richtigen Nervenzellen anzuregen?
Meine Art, als Ärztin und Psychotherapeutin mit dem Patienten in Resonanz zu kommen, ist das Gespräch: Ich gehe auf ihn ein, versuche, ihn zu verstehen, und baue ihm damit Brücken, sich selbst und seine Möglichkeiten besser zu erkennen. Mir lag es schon in meiner früheren Hausarztpraxis mehr am Herzen, dass ein Patient verstand und sich nicht einfach nur verhielt, egal, ob es um Diabetes oder Rückenschmerzen, um Medikamenteneinnahme oder um Seelennöte ging. Kein Röntgenbefund und kein Laborwert spricht von sich aus zu einem Kranken. Erst das Gespräch über die Befunde verschafft dem Betroffenen einen Zugang und bezieht sein Bewusstsein mit ein – was erst recht eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, in der seelischen Entwicklung seinen eigenen Weg zu finden.
Das Gespräch mit dem Patienten und die Beziehung zu ihm steht also bei mir immer im Mittelpunkt und jede Art von technischen und methodischen Hilfsmitteln ordne ich dem unter.
Rein neurophysiologisch gesehen dürfte es also verschiedene Wege geben, im Gehirn Resonanz zu erzeugen. Das funktioniert mit kinesiologischen Elementen ebenso wie im reinen Gespräch und es gibt vermutlich noch zahlreiche andere Anregungen für die beteiligten Hirnareale – vielleicht durch Töne (Klangschalen, Musik), Fotos des Patienten oder selbstgemalte Bilder und vielerlei mehr.
Dass ich etliche Elemente meiner kinesiologischen Ausbildung schlichtweg vergessen hatte, hat somit zu einer wertvollen Erkenntnis geführt:
Methodische Freiheit
Das Stress Release als solches (also das Halten der Stirnbeinhöcker) kann vielfältig genutzt und in verschiedene Arbeitsweisen integriert werden. Voraussetzung für einen hohen Wirkungsgrad ist die Anregung bestimmter neuronaler Rückkopplungen zu einem bearbeiteten Thema. Diese Resonanzen löst die Kinesiologie durch zahlreiche reflektorische Maßnahmen aus; andere Impulse und Zugänge sind aber ebenso gut möglich. Zu diesen gehört insbesondere eine tiefergehende Gesprächsführung. Somit haben Therapeuten die Wahl, wie sie das Stress Release der eigenen Arbeitsweise und gegebenenfalls der Akzeptanz der Patienten anpassen; sie sind nicht auf ein bestimmtes methodisches Vorgehen festgelegt.
Gesprächsresonanz
Da das Gespräch bei jeder therapeutischen Begleitung ein verbindendes und allgemeingültiges Element ist, möchte ich einigen Aspekten desselben noch etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, speziell mit Blick auf die Resonanz. Denn nicht jedes Gespräch ist gleichermaßen geeignet, den Patienten „bei sich ankommen“ zu lassen und „den springenden Punkt“ seines Problems zu erfassen, um die Entwicklung in eine neue Richtung anzustoßen. Einige Gesprächselemente haben sich in unseren Ausbildungen als besonders geeignet erwiesen, eine Thematik auszuloten, zu verdichten und das Verständnis für die „psychischen Fehlschaltungen“ zu öffnen, die im Stress Release in neue Bahnen geleitet werden sollen. Ein paar solcher „Schlüsselelemente“ möchte ich als Anregungen kurz vorstellen.
Der erste Schlüssel: Keine Scheu vor Fragen!
Natürlich braucht ein Mensch, der mit Seelennöten in die Praxis kommt, in erster Linie Raum zum freien Reden und als Therapeuten werden wir zunächst uneingeschränkt anhören, was der Patient mitbringt – zum einen, damit er seine Last mit-teilen kann, zum anderen, um ihn kennenzulernen. Und in der einen oder anderen therapeutischen Begleitung mag das Von-der-Seele-Reden unter empathischer Zuwendung bereits der bestmögliche Weg zur Heilung sein.
Andererseits habe ich in meiner Praxis oft genug gehört, dass Menschen sich unsicher und sogar unverstanden fühlten, wenn sie ihren Therapeuten ständig etwas „anbieten“ mussten. Andere wiederum fliehen durch fortlaufendes Reden unbewusst geradezu vor der Begegnung mit sich selbst. Zumindest diesen beiden Patientengruppen ist wenig gedient, wenn sie letztlich nur zum freien Reden aufgefordert sind. Ebenso wenig kommen Menschen in etlichen Situationen durch alleiniges „aktives Zuhören“ des Therapeuten in ihrem Verständnis weiter und einer Problemlösung näher. Was manchen beim freien Sprechenlassen mit empathischen Rückmeldungen fehlte (so auch mir, wenn ich selbst einmal betroffen war), das war die Erweiterung des eigenen Horizonts. Fragen des Therapeuten können den Blick entsprechend ausrichten, sei es, um über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, sei es, um Aufmerksamkeit nach innen zu wenden.
Auch unter dem Aspekt, möglichst klare Resonanz im Verstehen und Fühlen auszulösen, dürfte unstrukturiertes Sprechen allein wenig hilfreich sein. Insofern halte ich, um jemanden verstehen zu lernen bzw. ihn zu Selbsterkenntnis anzuregen, einfühlsame Fragen für eines der besten Mittel.
Mit Fragen ist von ihrem Prinzip her die Absicht verbunden, etwas zu erfahren, von Sachinformationen bis hin zu sehr persönlichen Mitteilungen. Fragen in der seelischen Begleitung von Menschen wollen aber nicht im Wesentlichen Fakten sammeln, sondern den Betroffenen zum Nachdenken anregen, ihn zur Erkenntnis seiner selbst führen. Dazu sind einige Fragetypen mehr, andere weniger geeignet.
Weniger geeignet sind geschlossene Fragen. Diese lassen sich grundsätzlich mit ja oder nein (oder vielleicht) beantworten. Sie passen eher an den Küchentisch („Möchtest du noch etwas Suppe haben?“) oder ins Geschäft („Soll ich Ihnen unser Angebot zufaxen?“), aber selten in die therapeutische oder beratende Begegnung. Denn zum einen engen geschlossene Fragen das Blickfeld auf nur zwei Alternativen ein (ja – nein, entweder – oder), sie erweitern also nicht die Optionen. Zum anderen strengen sie den Fragesteller enorm an, denn er muss ja sozusagen für den Klienten mitdenken, vordenken oder ganz an seiner Stelle denken. Damit bleibt der Denkprozess des Betroffenen auf die Oberfläche beschränkt, ihm wird eigenes Nach-Denken abgenommen und dadurch eine tiefergehende Resonanz geradezu verhindert. Oder etwas provokant gesagt: Durch geschlossene Fragen aktiviert der Frager seine Gehirnzentren, aber nicht der Gefragte (wie eigentlich gewünscht)!
Offene Fragen hingegen „öffnen“ den Prozess von Nachdenken und Nachspüren. Wo ich nicht nur vor die Wahl zwischen einem Ja und einem Nein gestellt bin, muss ich nachdenken, in mich gehen, mich konzentrieren. Dadurch werden – wie nicht anders zu erwarten – in unserem Gehirn die dazugehörigen Regionen angesprochen.
Offene Fragen beginnen üblicherweise mit einem W: Was, wer, wie, wodurch, woher usw. Diese Fragewörter lenken die Aufmerksamkeit in die Tiefe, der Mensch beginnt, in sich hineinzuhorchen. Durch sie werden Situationen plastisch, die Erinnerung wird angeregt und man ist eingeladen, immer mehr mit sich selbst in Kontakt zu kommen. Zwei Fragewörter leisten dabei die Hauptarbeit: das Was und das Wie. Gerade der Beginn eines Gesprächs ist meist gekennzeichnet durch das Was: Was hat sich ereignet, was beschäftigt Sie? Und auch: Was sind die Fakten, die Umstände? Das heißt, durch das Was suchen wir weitgehend Sachinformationen. Auch diese können durchaus einen ersten Beitrag dazu leisten, Gehirnregionen anzuregen, weil die Beschreibung der Situation einerseits die linke Hemisphäre zum Berichten benutzt, andererseits die Situationen ja auch bildhaft wachruft, also die rechte Hälfte einbezieht.
Noch tiefer führt das Wie. Die Frage „Wie hat sich das abgespielt?“ lässt geradezu ins Nachdenken eintauchen. „Wie ist Ihnen dabei zumute?“ oder „Wie geht es Ihnen damit?“ – solche Fragen schlagen auch gleich die Brücke ins Nachfühlen, also zur rechten Hirnhälfte.
W-Fragen sind offensichtlich ein geeigneter Generalschlüssel für seelische Tiefen – mit einer Ausnahme: Viel benutzt und selten nützlich ist das Warum!
In unserem Sprachgebrauch kann das Warum in zweierlei Hinsicht einem therapeutischen Prozess abträglich sein: Erstens hören viele Gefragte aus dem Warum einen unterschwelligen Vorwurf heraus – und manchmal ist es ja auch so gemeint („Warum kommst du erst jetzt?“ – „Warum hast du meine Post geöffnet?“ – „Warum machst du das?“). Wenn es aber nicht als Vorwurf gemeint ist, kann man diesen Eindruck vermeiden durch die Wahl einer anderen Formulierung: „Wo hast du denn gesteckt?“ – „Was hat dich veranlasst, meine Post zu öffnen?“ – „Wozu machst du das?“ – solche Fragen drücken zwar etwas ganz Ähnliches aus wie das Warum, transportieren aber eine andere „Note“ und wecken weitaus seltener Assoziationen zu Vorwürfen.
Ein zweiter Grund, mit dem Warum sparsam zu sein: Wer nach dem Warum gefragt wird, beginnt üblicherweise sofort, in der linken Gehirnhälfte eher oberflächlich rationale Gedankenspuren abzufahren, von reaktiven Rechtfertigungen angefangen bis zu angestrengten Überlegungen – ja, warum eigentlich? Tritt an diese Stelle beispielsweise die Frage: „Wie ist es dazu gekommen …“, dann werden Abläufe rekonstruiert, der Denkprozess und damit auch die Antwort wird dadurch plastisch.
Wie, was, wodurch und ihre Verwandten könnte man also als „plastische“ Fragewörter bezeichnen – und diesen lässt sich das Warum nicht zuordnen, weil es auf der eher abstrakten, linearen Ebene bleibt.
Damit ist zum Thema Fragestil bereits das Wesentliche abgehandelt. Zwar sind kluge Fragen entscheidende Anstöße in einer therapeutischen oder beratenden Begleitung, doch wir können im Gespräch noch auf andere Weise zum Resonanzkörper werden und das Innere eines Patienten zum Klingen zu bringen:
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