Kitabı oku: «Prostatakrebs-Kompass», sayfa 6
3.4.2 Die entscheidende Rolle des Milieus (Nische)
Wer vor einem Jahrzehnt von Tumormilieu oder der Rolle des umliegenden Gewebes gesprochen hätte, wäre in Fachkreisen nicht ernst genommen worden. Inzwischen gibt es zum microenvironment des Tumors zigtausende wissenschaftliche Veröffentlichungen. Das neue Schlagwort „microenvironment“ wird mit „Nische“ übersetzt und beschreibt das komplexe Umfeld und die vielfältigen, noch wenig erforschten Signale aus dem umliegenden Gewebe und der unterstützenden extrazellulären Matrix auf die Zelle (Bissell und Labarge, 2005). Werden gewöhnliche Körperzellen aus ihrem Umfeld gerissen und in Kultur gebracht, neigen sie dazu, sich teilweise zu entdifferenzieren. Stammzellen hingegen vermehren sich im Kulturmedium rasch und differenzieren sich – so als wäre dies ihr normales Programm. Die Kunst ihrer Züchtung besteht tatsächlich im geeigneten Kulturmedium.
Viele der Gene und Signalkaskaden, die sich als wichtig für die Signalgebung zwischen Stammzellen und ihrer Nische erwiesen haben, sind im Zusammenhang mit Krebs bekannt. Auch das weist darauf hin, dass die Nische eine Rolle für die letzten Schritte zur malignen Entartung von Tumorstammzellen spielt (Bissell und Labarge, 2005).
Das Verhalten normaler Stammzellen wird von ihrem eigenen genetischen Programm im Zusammenspiel mit Nischensignalen kontrolliert. Veränderungen in der Art und Weise, wie Stammzellen mit onkogenen Mutationen auf diese Signale reagieren, spielen möglicherweise eine entscheidende Rolle beim endgültigen Übergang zur Bösartigkeit. Der Einfluss der Nische auf die Krebszelle ist seit langem bekannt, wird aber trotz der vielen neuen Erkenntnisse immer noch viel zu wenig beachtet.
In einem eindrucksvollen Experiment (Mintz and Illmensee, 1975) wurden embryonale Krebsstammzellen subkutan in Mäuse injiziert, woraufhin sich Teratokarzinome bildeten. Wurden jedoch die gleichen Krebszellen in eine Blastozyste (Keimbläschen) injiziert, entwickelten sich daraus gesunde chimäre Mäuse. In einem ähnlichen Experiment (Hochedlinger et al., 2004) wurden Kerne von malignen Krebszellen in Eizellen eingesetzt. Trotz der malignen Erbinformation entstanden gesunde Mäuse. Der maligne Phänotyp kam in der gesunden Nische der Eizelle nicht zum Tragen.
Das Rous-Sarcoma-Virus (RSV), für dessen Entdeckung der Nobelpreis verliehen wurde, enthält das hochpotente Onkogen pp60src und verursacht aggressive Tumoren, wenn es in Hühnerflügel injiziert wird (Rous, 1979). In Hühnerembryos injiziert verursachte das gleiche Virus jedoch keinen Tumor (Milford and Duran-Reynals, 1943). Dieser „Nischen-Effekt“ trat auch auf, wenn das onkogene Virus v-src direkt ins Genom integriert wurde (Stoker et al., 1990).
In einer neuen, gesunden Nische brachten Stammzellen, die durch onkogene Mutationen bereits für eine maligne Entartung prädestiniert waren, keinen Tumor hervor. Wurden im Gegenzug gesunde Stammzellen in ein durch Strahlen vorgeschädigtes Gewebe verpflanzt, so gingen aus ihnen Tumoren hervor (Barcellos-Hoff und Ravani, 2000).
Diese Experimente zeigen, dass weniger die Erbinformation im Zellkern über die maligne Entartung entscheidet als andere Faktoren wie das Tumormilieu oder microenvironment. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für den Zusammenhang zwischen Nische (microenvironment) und Tumorentstehung (Kenny und Bissell, 2003).
Entzündungsprozesse und Wunden (z. B. Injektion von Tumorzellen bei Versuchstieren) führen zu einem mitogen wirkenden Milieu, das die Krebsstammzellentartung begünstigt. So entwickeln sich nach einer Tumorzellinjektion bei Hühnern Tumoren an der Injektionswunde oder anderen Wunden (Dolberg et al., 1985; Sieweke et al., 1990). Im Verdacht steht hier u. a. TGF-beta, das aufgrund der Wunde gebildet wird (Sieweke und Bissel, 1994).
Durch die Wirkung der Nische kann eine vorgeschädigte Stammzelle jahre- oder jahrzehntelang ruhig gehalten werden, sich aber im geeigneten Milieu mit enormer Geschwindigkeit zu Krebs entwickeln. Dies entspricht der klinischen Erfahrung, dass ein scheinbar ausgeheilter Krebs plötzlich besonders heftig rezidivieren und dann schnell zum Tode führen kann. Stammzellen haben bekanntlich eine enorme Proliferationsfähigkeit: So braucht der Embryo nur neun Monate bis zur Geburt.
Der heutige Kenntnisstand erlaubt die Schlussfolgerung, dass die Nische (Gewebeumfeld) auch in Anwesenheit von starken Onkogenen als ein bedeutender Tumorsuppressor agieren kann bzw. bei präkanzerösen oder anscheinend gesunden Zellen als wichtiger Tumorpromotor (Sternlicht et al., 1999). Da die Regulation von Zelladhäsion, -polarität und -proliferation von größter Bedeutung für die Homöostase des Gewebes ist, können alle Stoffe, die die Nische und ihre Signalwege stören, letztlich zu Krebs führen (Sternlicht et al., 1999; Wiseman und Werb, 2002).
Die Krebszelle ist nie isoliert von ihrem Umfeld zu betrachten, wobei auch diese Sichtweise noch sehr beschränkt ist und die psychoneuroimmunologischen Zusammenhänge des Menschen und seine geistig-seelischen Aspekte und Einflüsse außer Acht lässt. Die Krebsentstehung ist sicherlich wesentlich komplexer als die Folge von Mutationen der Erbinformation, wie jahrzehntelang geglaubt wurde.
Die Auswirkungen des Krebsstammzellmodells in seiner Interaktion mit dem Tumorumfeld auf die Behandlung von Krebs sind weitreichend. Wenn das traditionelle Vorgehen die Tumormasse zwar reduziert, dabei das Tumorumfeld aber weiter schädigt und die Krebsstammzellen verfehlt, wird der Krebs wiederkehren – wahrscheinlich aggressiver als zuvor. Behandlungsverfahren, die gezielt gegen Tumorstammzellen gerichtet sind, könnten hingegen den eigentlichen Motor der Krankheit zerstören. Die nichttumorbildenden Zellen sterben nach einiger Zeit von selbst ab. Praktisch ausgedrückt: Unkraut bekämpft man nicht mit dem Rasenmäher, sondern durch Ausreißen.
Wie Sie über eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise das Milieu krebshemmend gestalten und dazu beitragen können, einzelne Tumorstammzellen im Zaum zu halten, erfahren Sie ab Kapitel 4, Seite 65.
3.5 Einfluss der Hormone auf die Kanzerogenese
Das androgenabhängige Prostatakarzinom tritt paradoxerweise am häufigsten zu dem Zeitpunkt im Leben des Mannes auf, an dem der Androgeneinfluss am niedrigsten und der Östrogeneinfluss am höchsten ist. Dies weist auf die besondere Bedeutung der Östrogene in der Kanzerogenese des Prostatakarzinoms hin. Mit dem Alter nehmen auch die Konzentrationen der Östrogene zu, die den Östrogenrezeptor- (ER-)alpha aktivieren, während die Spiegel der typischen Substanzen, die den protektiven ER-beta aktivieren (3beta-Adiol, DHEA), abnehmen. Soja-Isoflavone und Granatapfel-Polyphenole wirken u. a. protektiv, weil sie den ER-beta aktivieren und den ER-alpha blockieren (Jacob, 2008a). Besonders die fermentativen Abbauprodukte der Granatapfel-Polyphenole wirken schon bei sehr niedrigen Konzentrationen antiöstrogen und antiproliferativ (Larrosa et al., 2006).
3.5.1 Bedeutung der Androgene für die Kanzerogenese
Androgene als Kanzerogene
Wachstum, Differenzierung und Funktion der Prostata stehen unter dem Einfluss der Androgene, deren Wirkung über den AR-Komplex vermittelt wird (Brinkmann et al., 1999; Cude et al., 1999; Cunha et al., 2004). Unter dem Einfluss der Steroide entfalten Wachstumsfaktoren, z. B. der Epidermal Growth Factor (EGF), zellproliferierende Eigenschaften auf die Prostata. Im Tierversuch wurde gezeigt, dass Androgene bei Ratten direkt Prostatakarzinome auslösen können (Bosland, 2000).
Das wichtigste auf genetischer Ebene agierende Androgen ist der Testosteron-Metabolit Dihydrotestosteron (DHT), der aus Testosteron durch die 5-alpha-Reduktase gebildet wird (s. Abb. 6). DHT moduliert die Expression von Genen, die mit Androgenen in Zusammenhang stehen (Griffiths et al., 1995). Die 5-alpha-Reduktase hat daher eine Schlüsselfunktion in der Entwicklung der Prostata. Die Höhe der 5-alpha-Reduktase-Aktivität, die zur DHT-Bildung führt, beeinflusst das Entstehungsrisiko eines Prostatakarzinoms (Eaton et al., 1999; Ross et al., 1992). Umgekehrt reduziert die Hemmung dieses Enzyms die Konzentration an biologisch aktivem DHT. 5-alpha-Reduktase-Hemmstoffe werden therapeutisch in der Behandlung des Prostatakarzinoms eingesetzt.
Die potentiell kanzerogene Wirkung von Testosteron selbst ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass Testosteron bei Männern mengenmäßig der bedeutendste Vorläufer von Estradiol ist. Die Bedeutung von Estradiol für die Kanzerogenese wird im nächsten Abschnitt ausführlich besprochen. Im Gegensatz zu Testosteron kann DHT nicht in Estradiol überführt werden. Bei Ratten führte DHT nur bei 5 % der Tiere zu Karzinomen, die Kombination mit Estradiol jedoch erhöhte das Auftreten der Tumoren auf 15 % (Bosland, 2005). Die krebsfördernde Wirkung von DHT wird demnach durch Estradiol verdreifacht.
Die Rolle von Testosteron wird kontrovers diskutiert. So tragen Testosteronpräparate eine Warnung, dass sie bei einem Prostatakarzinom nicht anzuwenden seien. Die Befürchtung, dass hohe Testosteronspiegel das Wachstum des Prostatakarzinoms fördern, stammt u. a. aus Beobachtungen, nach denen Eunuchen kein Prostatakarzinom entwickeln, sowie aus den Arbeiten von Huggins. Huggins und Hodges zeigten 1941 die therapeutische Wirkung einer Kastration von Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom und berichteten bei einem einzigen Patienten von einer schnellen klinischen Progression unter Testosterongabe (Huggins und Hodges, 1941; Morgentaler, 2007). Später wurde jedoch belegt, dass sich solche negativen Effekte nur bei kastrierten Männern ergeben (Morgentaler, 2008). Offizielle Studien zu Eunuchen und Prostatakarzinomen sind nicht auffindbar. Jedoch zeigte eine chinesische Studie (Wu und Gu, 1991), dass die Prostata von 26 Eunuchen durchschnittlich 54 Jahre nach Kastration entweder gar nicht oder nur sehr klein tastbar war.
Auch Imamoto et al. (2008) kommen in einem Review zu dem Schluss, dass die traditionelle Ansicht, höhere Testosteronspiegel würden ein höheres Risiko bedeuten, wenig faktische Evidenz hat. Eine Metaanalyse von acht epidemiologischen prospektiven Studien ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Androgenspiegeln (einschließlich DHT und Testosteron) und Östrogenspiegeln von Männern, die in der Folge an Prostatakrebs erkrankten, und der Kontrollgruppe (Eaton et al., 1999).
Eine Untersuchung an 17.049 Männern brachte ein erstaunliches Ergebnis: Das Risiko für ein aggressives Prostatakarzinom wurde bei doppelten Testosteron- und Androstendion-Blutspiegeln (Nebennieren-Vorläufer von Androgenen und Östrogenen) fast halbiert und war bei der doppelten Konzentration von DHEA-Sulfat um 37 % niedriger. Ähnliche negative, aber statistisch nicht signifikante, lineare Trends wurden für freies Testosteron, Estradiol und Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) beobachtet (Severi et al., 2006). Für das nichtaggressive Prostatakarzinom wurde im Zusammenhang mit den Blutwerten dieser Hormone keine Risikoerhöhung festgestellt. Diese Ergebnisse geben Sinn wenn man bedenkt, dass es beim Prostatakarzinom auf das Zusammenspiel von Hormonen und Rezeptoren ankommt: Hohe Hormonspiegel führen zu einer Herabregulierung der Rezeptoren und umgekehrt.
Bei einer weiteren Untersuchung an 326 Prostatakrebspatienten wiesen niedrige präoperative Testosteronwerte eine Korrelation mit einem fortgeschritteneren pathologischen Stadium auf (Isom-Batz et al., 2005). Auch eine Studie mit 2254 Patienten stützt die Hypothese, dass niedriges freies Serum-Testosteron ein Marker für einen aggressiveren Prostatakrebs sein kann, besonders bei Patienten mit einem PSA-Wert von ≤ 4 ng/ml (D’Amico et al., 2002).
Bei 96 Patienten mit Prostatakrebs und Knochenmetastasen waren unter Hormontherapie hohe Testosteronwerte und niedrige LH- (luteinisierendes Hormon), FSH- (follikelstimulierendes Hormon) und Prolaktinwerte günstige prognostische Faktoren, unabhängig vom Tumorgrading (Chen et al., 2002a).
Dennoch ist eine Testosteron-Supplementierung sicher keine generelle Anti-Aging-Therapie. In einer Studie von Gaylis et al. (2005) wurde bei 20 Patienten die Entstehung von Prostatakrebs mit Testosteron-Supplementierung in Verbindung gebracht. Insbesondere bei kastrierten Männern, wo unter Androgenentzug der AR häufig hypersensitiv, überexprimiert oder mutiert ist, könnte eine Testosteron-Supplementierung zu einer massiven Tumorproliferation führen – analog zu der bereits erwähnten Beobachtung von Huggins und Hodges (1941).
Androgenrezeptor-Expression beim Prostatakarzinom
Der AR spielt in der Kanzerogenese des Prostatakarzinoms eine zentrale Rolle. Dies untermauert ein Tierversuch, bei dem ein AR-Antagonist die Entwicklung eines Prostatakarzinoms durch ein Kanzerogen nahezu komplett unterbinden konnte (unveröffentlichte Studienergebnisse, erwähnt in: Bosland, 2005).
Der AR ist im inaktiven Stadium an Hitzeschock-Proteine (HSP) gebunden. Erst durch die Bindung von DHT erfolgen die Dissoziation von HSP und die DNA-Bindung, was die Aktivierung der Androgen-Zielgene bewirkt und so zu Proliferation, Zellerhalt, PSA-Sekretion, etc. führt. Insbesondere unter Hormonentzug verändert sich die AR-Situation, v. a. durch Hyperexpression bzw. -sensitivität und Mutation (Röpke et al., 2004).
Die AR-Expression der Prostatakrebszellen ist unterschiedlich und hängt vom Tumorstadium ab. Im gewöhnlichen, hormonsensitiven Prostatakarzinom wird die Hauptmasse von exokrinen Tumorzellen gebildet, die zellbiologische Ähnlichkeiten mit dem sekretorischen Zelltyp im Differenzierungskompartiment des gesunden Prostataepithels aufweisen. Durch Androgenentzug können sie in die Apoptose getrieben werden (hormonsensitiv).
Im Androgen-insensitiven Tumorstadium ist der AR paradoxerweise häufig überexprimiert. Dadurch werden die Tumorzellen hypersensitiv gegenüber den restlichen Androgenen nach Androgenentzug, der keine Apoptose mehr auslöst (hormonrefraktär). Zellbiologisch ähneln die Tumorzellen in diesem Stadium den Basalzellen des normalen Prostataepithels.
Im fortgeschrittenen und Androgen-insensitiven Stadium werden zudem „basalzellspezifische“ Gene wieder exprimiert, deren Expression in früheren Stadien herunterreguliert ist. Demnach nimmt das Androgen-insensitive Prostatakarzinom zellbiologische Eigenschaften der Basalzellen bzw. Prostatastammzellen wieder auf. Der Hauptunterschied zwischen Basalzellen und hormonrefraktären Prostatakarzinomzellen ist die starke Überexpression des AR, die als Gegenregulation auf den Androgenentzug zu verstehen ist (Bonkhoff und Remberger, 1996; Li et al., 2004a).
Mutationen im AR-Gen werden vor allem bei metastasierten oder hormonrefraktären Prostatakarzinomen beschrieben. Verschiedene Steroidhormone weisen eine höhere Affinität zu diesem mutierten AR auf, führen dadurch zu einer höheren transkriptionellen Aktivität und stimulieren die Proliferation (Röpke et al., 2004).
Eine Studie von Montgomery et al. (2008) zeigt, dass metastasierte Prostatakarzinome kastrierter Männer verstärkt Enzyme exprimierten, die für die Synthese von Testosteron und DHT aus Cholesterin nötig sind. So konnten die Tumoren Androgenspiegel aufrechterhalten und AR-Zielgene aktivieren, um ihr Überleben zu sichern. Auf diese Weise können Karzinome trotz sehr niedriger Androgen-Blutwerte überleben.
Dies zeigt einerseits, dass auch androgenunabhängige Karzinome nicht wirklich androgenunabhängig sind, sondern sich einfach von der fehlenden externen Androgenzufuhr (bei Androgenentzugstherapie) unabhängig gemacht haben. Neue Medikamente wie Abirateron und Enzalutamid haben hier ihren Ansatzpunkt. Andererseits wird deutlich, wie jeder extreme Eingriff zu einer Gegenregulation führt. Je niedriger die Androgenspiegel im Blut auf Dauer sind, desto mehr wird die Entwicklung der „scheinbar“ androgenunabhängigen, aggressiveren Karzinome forciert.
Neuroendokrine Differenzierung im Prostatakarzinom
Bonkhoff und Fixemer (2004) beschreiben die neuroendokrine Differenzierung im Prostatakarzinom als einen unerkannten und therapierefraktären Phänotyp: Neuroendokrine Zellen (Marker: Chromogranin A; ChrA) sind primär Androgen-insensitiv, da sie keinen AR tragen. Zudem sind neuroendokrine Tumorzellen gegen konventionelle Strahlentherapie resistent. Die Hauptmasse der ChrA-positiven Tumorzellen ist daher potentiell unsterblich und somit therapierefraktär. Einzelerfahrungen weisen darauf hin, dass transurethrale Hyperthermie und Hochdosis-Vitamin-C-Infusionen gegen ChrA-positive Tumorzellen wirksam sind.
Das Ausmaß der neuroendokrinen Differenzierung (messbar an der ChrA-Expression) nimmt im Rahmen der Tumorprogression und der Entstehung der Androgenresistenz kontinuierlich zu. Die höchsten ChrA-Expressionsraten und Serumwerte finden sich bei Patienten mit klinisch Androgen-insensitiven Karzinomen. Neuroendokrine Krebszellen haben eine langsame Proliferation, nähren jedoch durch Wachstumsfaktoren exokrine Tumoren in der Umgebung. Neuroendokrine Karzinome können sich unter Hormonblockade nach mehreren Jahren entwickeln, sind besonders aggressiv und gehen nicht mit einem wesentlichen PSA-Anstieg einher. Unter Hormonblockade können sich auch aus ehemals PSA-positiven Karzinomzellen neuroendokrine Karzinomzellen entwickeln.
In der Tabelle sind die unterschiedlichen Krebszelltypen mit den Kriterien Marker, Hormonstatus, Prognose und Therapie übersichtlich zusammengefasst (s. Tab. 1).
Tab. 1: Grobeinteilung der Prostatakarzinomzelltypen
Krebszelltyp | Marker | Hormonstatus | Prognose | Therapie |
Hormonsensitiv | Ähnlichkeiten mit sekretorischem Zelltyp des gesunden Prostataepithels (Zytokeratinmuster, PSA-Produktion, Androgenrezeptor) | androgenabhängig | Gut (in Abhängigkeit von GleasonScore und Metastasierung) | Stadienabhängig: active surveillance/watchful waiting, Prostatektomie, Bestrahlung, Hormonblockade |
Stammzellartig | Ähnlichkeiten mit Basalzellen des gesunden Prostataepithels (Expression von z. B. erbB-2, erbB-3, HER2-neu, EGFR und Bcl-2) | Scheinbar androgenunabhängig; starke Hypersensitivität und/oder Überexpression des Androgenrezeptors; Eigensynthese von Androgenen | Schlecht | Operation Off Label |
Neuroendokrin | Chromogranin A | Echt androgen- unabhängig | Schlecht | Operation |
3.5.2 Bedeutung der Östrogene für die Kanzerogenese
Einfluss des Östrogenspiegels
Auch wenn das Prostatakarzinom ein androgenabhängiger Tumor ist, ist die Bedeutung der Östrogene vielfach dokumentiert (Bosland, 2000). Ihre Kanzerogenität auf die Prostata ist im Tiermodell an Ratten belegt. Dabei potenzieren sie die kanzerogenen Eigenschaften des Testosterons: Ratten entwickeln unter Langzeitbehandlung mit Testosteron und Estradiol oder Diethylstilbestrol in 100 % der Fälle ein Prostatakarzinom (Bosland et al., 1995).
Epidemiologische Studien legen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Östrogenspiegel und dem Prostatakrebsrisiko nahe. Schwarze US-Amerikaner haben höhere Serum-Estradiol-Werte als Amerikaner kaukasischer Abstammung und mit einer Inzidenz von 181 pro 100.000 Einwohnern eine fast doppelt so hohe Inzidenz von Prostatakarzinomen (Rohrmann et al., 2007). Im Gegensatz dazu haben Japaner sowohl besonders niedrige Östrogenspiegel im Blut als auch eine besonders niedrige Prostatakarzinom-Inzidenz (6,7 pro 100.000) (De Jong et al., 1991). Die bereits erwähnte Untersuchung an einer Kohorte von 17.049 Männern ergab keinen Zusammenhang zwischen Estradiol-Blutspiegeln und einem Prostatakarzinom (Severi et al., 2006). Entscheidend dürften daher nicht nur die Blutspiegel, sondern die individuellen Verhältnisse von Androgenen, Östrogenen, alimentär aufgenommenen Phytoöstrogenen und Rezeptorensituation sein. Beim älteren Mann, bei dem auch das Prostatakrebsrisiko stark zunimmt, verschiebt sich physiologischerweise das Gleichgewicht von Androgenen und Östrogenen um bis zu 40 % zugunsten der Östrogene (Ho et al., 2006a).
Einfluss der Biotransformation – Giftung von Östrogenen zu Kanzerogenen
Phase-1-Enzyme der Cytochrom-P450-Superfamilie transformieren Östrogene zu 2-Hydroxy- und 4-Hydroxy-Catechol-Östrogenen und ihren (Semi-)Chinonen, welche zu den potenten genotoxischen Kanzerogenen zählen. Semichinone entfalten ihre Genotoxizität durch ihren Radikalcharakter und verursachen zusätzlichen oxidativen Stress (Cavalieri et al., 2000; Jefcoate et al., 2000), Chinone reagieren mit DNA-Basen zu DNA-Addukten. Durch Phase-2-Enzyme wie beispielsweise die Catechol-O-Methyltransferase (COMT) werden diese genotoxischen Östrogen-Metaboliten entgiftet. Das Phase-2-Enzym Glutathion-S-Transferase entgiftet Chinone, fängt Semichinon- und weitere freie Radikale ab und begrenzt dadurch das Ausmaß der oxidativen Zellschäden.
Eine Reihe experimenteller Befunde belegt, dass die individuelle Enzymausstattung, insbesondere das Gleichgewicht von Phase-1- zu Phase-2-Enzymen, für die Pathogenese von Tumoren entscheidend ist. Dieses Enzymgleichgewicht wird einerseits auf genetischer Ebene reguliert (Expression), kann andererseits aber auch über die Nahrung beeinflusst werden (Aktivität). Daher sind für die Chemoprävention Pflanzenstoffe wichtig, welche Phase-2-Enzyme aktivieren und Phase-1-Enzyme hemmen. Diese Effekte sind für Flavonoide bereits bekannt und wurden ebenfalls für Granatapfel-Polyphenole vermutet und z. T. nachgewiesen.
Zwei unterschiedliche Östrogenrezeptoren
Die Wirkung von Östrogenen wird über die beiden Östrogenrezeptoren ER-alpha und ERbeta vermittelt. Bis Mitte der 1990er Jahre war lediglich ER-alpha bekannt, bis 1996 Jan-Ǻke Gustafsson den ER-beta entdeckte, der sich in Struktur, Wirkung und Gewebsverteilung deutlich von ER-alpha unterscheidet.
In der Leber und Gebärmutter überwiegt ER-alpha; in Knochen, Darm, Gefäßwänden sowie der Prostata ER-beta. In Mammae, Ovarien und Gehirn sind beide Subtypen in etwa gleichgewichtig. Die Östrogenrezeptoren gehören zu der Klasse der nukleären Hormonrezeptoren und besitzen sechs Domänen (A-F). Deutliche Unterschiede zwischen den beiden Subtypen ER-alpha und ER-beta liegen in der A/B-Domäne (ligandenunabhängige transkriptionelle Aktivierungsfunktion) und der F-Domäne (Liganden-Bindungsdomäne) (Kuiper et al., 1996), was zu sehr unterschiedlichen biologischen Effekten führt. Während das endogene Estradiol und Estron an beide Rezeptoren etwa gleichermaßen binden, haben pflanzliche Phytoöstrogene in der Regel zu ER-beta die höhere Affinität.
Auch innerhalb der Prostata unterscheiden sich die Expressionsmuster in den Gewebstypen und die biologischen Funktionen der ER-Subtypen deutlich. Im sekretorischen Epithel überwiegt ER-beta, während ER-alpha vor allem im Stroma und in geringerem Maße in der Basalzellschicht exprimiert wird. Im Stroma bewirken Östrogene über ER-alpha die Freisetzung von Wachstumsfaktoren, welche zu einer Proliferation des Epithels führen (Imamov et al., 2005). So kommen dem ER-alpha wachstums- und proliferationsfördernde Aufgaben zu, während der ER-beta proliferationshemmende und differenzierende Wirkungen vermittelt.
Die Bedeutung des Östrogenrezeptors alpha in der Prostata
Der ER-alpha ist der wichtigste Östrogenrezeptor in Basalzellschicht und Stroma, wo er die Synthese von Wachstumsfaktoren stimuliert. Bei der malignen Transformation des Prostataepithels verlagert sich die Expression des ER-alpha auf mRNA-Ebene konstant in das sekretorische Epithel (Bonkhoff et al., 1999). Unter den verschiedenen durch ER-alpha regulierten Genen ist der Progesteronrezeptor einer der wichtigsten Marker der östrogenregulierten Zellproliferation in hormonabhängigen Tumoren. Die Expression des Progesteronrezeptors verläuft im Prostatakarzinom parallel zu der von ER-alpha (Bonkhoff et al., 2001). Am ausgeprägtesten ist die Expression des Progesteronrezeptors in hormonrefraktären und metastasierten Prostatakarzinomen.
Im Gegensatz zum Mammakarzinom ist die verstärkte Expression von ER-alpha und des Progesteronrezeptors im Epithel ein späteres Ereignis in der Tumorprogression des Prostatakarzinoms und korreliert mit dem Gleason-Score und dem pathologischen Stadium. Demnach wirkt der ER-alpha als Onkogen, das bei der malignen Transformation des Prostataepithels überexprimiert wird und somit den kanzerogenen Effekt der Östrogene auf das sekretorische Prostataepithel vermitteln kann (Bonkhoff et al., 1999). Die Blockierung des ER-alpha ist ein rationaler Ansatz für die Chemoprävention des Prostatakarzinoms. Dafür sprechen auch erste klinische Ergebnisse (z. B. Price et al., 2006) über die präventive Wirkung des ER-alpha-Antagonisten Toremifen. Auch Granatapfel-Polyphenole zeigen eine ER-alpha-antagonistische Wirkung.
Die Expression von ER-alpha und ER-beta kann durch verschiedene östrogene Substanzen beeinflusst werden. So steigern Östrogene die Expression von ER-alpha und senken die ER-beta-Expression. Dies fördert die Entwicklung von hyper-, dys- und neoplastischen Läsionen der adulten Prostata (Ho et al., 2006b). Dagegen steigerten im Uterus von ovarektomierten Mäusen der ER-beta-Agonist Genistein und SERMs (selective estrogen receptor modulator) wie Tamoxifen und Toremifen die Expression von ER-beta. Genistein und das Antiöstrogen ICI (Faslodex) senkten zusätzlich die Expression von ER-alpha (Wu et al., 2007).
Die ER-Situation scheint also auch von externen Stimuli abhängig zu sein und ist über ERalpha in eine proliferative oder über ER-beta in eine antiproliferative Richtung dirigierbar. Bei der heutigen westlichen Ernährungsweise und bei Übergewicht (hoher Körperfettanteil begünstigt die Estradiol-Biosynthese) überwiegen hochwirksame Östrogene wie 17-beta-Estradiol, die den ER-alpha stimulieren und damit die Proliferation des Prostataepithels fördern.
Die Bedeutung des Östrogenrezeptors beta in der Prostata
Der ER-beta existiert in fünf Isoformen (ER-beta 1 - 5), die unterschiedliche Funktionen und Gewebsverteilungsmuster besitzen. ER-beta 1 ist die einzige funktionstüchtige Isoform und kann als einzige Isoform Homodimere bilden. Für ER-beta 2, 4 und 5 wurde gezeigt, dass sie mit ER-beta 1 Heterodimere bilden und dadurch die Signaltransduktion von ER-beta 1 verstärken können. Dabei hängen die verstärkenden Effekte vom Liganden ab: Estradiol und synthetische Östrogene (z. B. Diethylstilbestrol, Bisphenol A) induzieren die Homodimerisierung von ER-beta 1 sowie die Heterodimerisierung mit ER-beta 2, 4 oder 5, während Phytoöstrogene (z. B. Genistein, Apigenin) lediglich ER-beta-1-Homodimere mit geringerer östrogener Transaktivierungsaktivität hervorrufen (Leung et al., 2006).
In hormonrefraktären PC3-Prostatakarzinomzellen wurden hohe Werte für die ER-beta-2-Isoform, in hormonrefraktären DU145-Prostatakarzinomzellen extrem hohe Werte für die ER-beta-5-Isoform gemessen. Bei allen Karzinomzelllinien war die Konzentration der ERbeta-1-Isoform, die als einzige klassische Homodimere mit geringerer östrogener Transaktivierungsaktivität bilden kann, gering. Dies legt nahe, dass es in Prostatakarzinomzellen verstärkt zu einer Bildung von ER-beta-Heterodimeren kommt, die eine höhere östrogene Transaktivierungsaktivität haben als die Homodimere (Leung et al., 2006). Möglicherweise ist eine Verschiebung des Verteilungsmusters der ER-beta-Isoformen der Grund, warum in Prostatakarzinomzellen die Tumorsuppressorfunktion von ER-beta zurückzugehen scheint.
Bisher wird ER-beta in Studien meistens als „ein“ Rezeptor behandelt und die wahrscheinlich unterschiedlichen Auswirkungen der verschiedenen Isoformen und ihrer Heterodimere nicht berücksichtigt. Diese Überlegungen vorab sollen folgende Ausführungen zur allgemeinen und prostataspezifischen Wirkung von ER-beta etwas relativieren.
Selektive ER-beta-Agonisten zeigten im Tiermodell antiinflammatorische Effekte bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Arthritis und Endometriose (Harris, 2006). Entzündungsprozesse spielen sowohl in der Kanzerogenese als auch bei der Entstehung von Alterserkrankungen und Arteriosklerose eine wichtige Rolle. Der ER-beta vermittelt im Tier- und Zellversuch bei Brustkrebs und in der Prostata antiproliferative und antientzündliche Effekte (Koehler et al., 2005). Diese Ergebnisse zeigen, dass der ER-beta sowohl in der Prävention als auch in der Therapie von Alters-, Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen von Bedeutung ist (Koehler et al., 2005).
Der ER-beta ist in die Bildung antioxidativer Schutzenzyme involviert und schützt damit indirekt vor oxidativem Stress. Antioxidative Schutzenzyme, wie die Phase-2-Enzyme Chinonreduktase und Glutathion-S-Transferase, spielen bei der Entgiftung von freien Radikalen und Chinonen, die bei Phase-1-Reaktionen aus Substraten wie z. B. Estradiolmetaboliten entstehen, eine wichtige Rolle. Für die Expression der Chinonreduktase wurde eine deutliche Abhängigkeit von der Stimulation des ER-beta gezeigt – die Aktivierung von ER-alpha führte zu deutlich geringeren Expressionsraten des Enzyms (Montano et al., 2000). Ähnliche Effekte zeigten sich für die Expression der Glutathion-S-Transferase (Montano et al., 2004). In Brustkrebszellen reduzieren ER-beta-selektive Phytoöstrogene Estradiol-induzierte oxidative DNA-Schäden, wobei gleichzeitig eine ER-beta-abhängige Steigerung der Chinonreduktase-Expression festgestellt wurde (Bianco et al., 2005).