Kitabı oku: «Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West», sayfa 4

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An einem Sonntag mit wunderbarem Abend war ich nach 4 Monaten zum ersten Mal allein in der Zelle, einfach wunderbar.

Das schöne neue Leben dauerte eine Woche, dann war ein neuer Mann in der Zelle. Ein junger Albaner, 27 Jahre, verurteilt wegen Mord in Palermo. Er sagte mir, beide Seiten haben geschossen, er selbst war auch schwer verletzt, angeblich 5 Einschüsse hat er überlebt.

Am 12. Oktober ein neues Wunder, Capo Reparto holt mich und fragt, ob ich für eine Einzelzelle bereit bin, den Flur zu wechseln, Umzug in 2 c-5. Ich war allein. Wechsel in eine neue Etage heißt, völlig neue Leute, anderer Hof für Freigang, ein neues System.

Für die nächsten neun Monate meine neue und bessere Heimat.

Was allerdings entscheidend wichtiger war, ich habe einen echten Freund gefunden, Senna, ein Serbe.

Senna hat ein Urteil von 20 Jahren, bereits 8 Jahre abgesessen, davon 5 Jahre Einzelhaft in Sizilien.

Die genauen Gründe für das Urteil habe ich nicht erfahren.

Senna sagt, Urteil wegen serbischer Mafia in Italien, besonders Frauenhandel. Für Prostituierte aus Slowenien und Kroatien nach Italien einschleusen, 20 Jahre als Urteil bekommen, ist für mich unvorstellbar. Aber in Italien ist im Justizsystem einfach alles möglich. Vielleicht ist bei dem Geschäft mit Frauen ein Toter auf der Strecke geblieben, aber Senna bestreitet den Handel mit Frauen.

Ein großer Vorteil für mich, Senna spricht perfekt Deutsch mit Berliner Akzent. Er hatte in Berlin Kreuzberg 20 Jahre eine Kneipe. Später noch eine Disko in Tempelhof. Zusätzlich eine Baufirma mit 50 Leuten, die im Auftragsverfahren für die großen deutschen Bauunternehmen arbeiteten. Senna hatte in Berlin eine deutsche Zahnärztin als Frau und einen Sohn. Jetzt geschieden und, wie er sagt, verlobt mit einer Serbin in Serbien.

Jedenfalls war Senna ein großartiger Typ, man konnte sich voll auf ihn verlassen, unter seinen „Schutz“ aufgenommen im Kreis der Serben von Viterbo, war es jetzt absolut sicher für mich.

Interessant in der Rückbetrachtung, dass sowohl in der Abteilung D und jetzt in der neuen Etage meine besten Freunde die Serben waren.

Alle absolute Anhänger von Tito. Übereinstimmung in der Meinung, das war die beste Zeit für Serbien. Ich wusste bisher nicht, welche Wirkung der kommunistische Herrscher Tito hinterlassen hatte.

So etwas habe ich in keinem Land in Osteuropa, Russland und Ukraine finden können.

In zahlreichen Gesprächen mit AVV. Ceccarelli prüften wir die zweite Option, um aus dem Gefängnis Viterbo schnellstmöglich rauszukommen. Die Lösung könnte sein, eine Wohnung in Viterbo oder Rom oder in einer anderen Stadt, um dann Hausarrest mit anfänglich vier Stunden Freigang am Tag zu erhalten, später acht Stunden, übergehend in „kontrollierte Freiheit“. Mein Ziel war natürlich, so schnell wie möglich nach Deutschland. Aber der Plan Wohnung war eine Alternative. Es war Vorschrift, die Wohnung muss von einer anderen Person gemietet werden. Ceccarelli hatte einen Vorschlag in Viterbo.

Nach langer Vorbereitung kam am Samstag, dem 26. November, meine großartige Tochter Pia nach Viterbo. Durch Unterstützung der deutschen Botschaft in Rom konnte Pia die notwendigen Dokumente zusammenbringen. Ein unglaublicher Aufwand für Ausländer, für einen einfachen Besuch im Gefängnis. Die Freude war groß, noch nie hatte ich meine Tochter so lange umarmt wie in der Novembersonne von Viterbo. Vier Stunden zusammen mit meiner Tochter haben mich richtig glücklich gemacht.

Überhaupt ist das Gefühl für die Familie größer als im täglichen Leben und die psychische und materielle Unterstützung wichtiger.

Bei gutem Wetter ist der Besuch durch die Angehörigen außerhalb des Gebäudes in einem kleinen gut gepflegten Garten, mit mehreren Tischen und Stühlen, für mich wurde das in der Erinnerung der „Pia Garten“, den ich jede Woche zweimal sehen konnte, denn der Campo Sportplatz grenzte direkt an den Besuchsgarten.

Am Abend ging Pia mit Ceccarelli in Viterbo essen. Vorher Besichtigung einer Wohnung. Der Mietvertrag, der Pia zur Unterschrift vorgelegt wurde, lief über zwei Jahre. Das war zu viel, sechs Monate wären in Ordnung gewesen, zwei Jahre wollte ich wirklich nicht in Italien bleiben.

Später hatte die sehr gute Frau Rieger, von der deutschen Botschaft in Rom, noch einen Vorschlag, auch dieser Mietvertrag ging über zwei Jahre. Mit Ceccarelli prüften wir noch eine Möglichkeit, eine kirchliche Einrichtung im Umfeld von Rom, dort war jedoch alles ausgebucht. Also im neuen Jahr 2017 alle Energie für die Auslieferung nach Deutschland.

Ceccarelli hatte seinen Job gut gemacht, im Januar hat mich das italienische Justizministerium „freigegeben“ für die Auslieferung an die deutsche Justiz. Dann allerdings begann das Drama in Deutschland.

Ich muss hier unbedingt feststellen, die Unterstützung durch die deutsche Botschaft in Rom war hervorragend. Frau Rieger war für mich telefonisch immer zu erreichen und hat mit meiner Frau ebenfalls einen sehr engen Kontakt aufgebaut.

Am 10. November 2016 hat mich Frau Rieger in Viterbo besucht, ein wundervoller Höhepunkt in meiner Knastzeit. Nach einem sehr angenehmen Gespräch und der Übergabe von vier Büchern von der deutschen Botschaft, noch großen Dank, hatte Frau Rieger noch ein Gespräch mit Avv. Ceccarelli zur Analyse der Situation.

Ich muss hier hervorheben, die deutsche Botschaft in Rom hat alles getan, was in ihrer diplomatischen Möglichkeit zur Verfügung stand. Für die deutschen Botschaften in Bukarest und Rom großes Kompliment und danke an das deutsche Außenministerium.

Am 30. Oktober 2016 erschütterte ein gewaltiges Erdbeben in der Nacht das Gefängnis von Viterbo, der Knast wackelte.

Die Auswirkungen waren in nicht geringer Entfernung viel schlimmer, erschreckend schlimm, ganze Dörfer waren zerstört.

Auf Initiative einer Gruppe von italienischen Gefangenen wurde auf ein Mittagessen verzichtet, der eingesparte Betrag wurde an die Opfer des Erdbebens überwiesen. Interessante Duplizität der Ereignisse, eine Woche später fand eine Demonstration in Rom statt, organisiert von der Radikalen Partei, für ein Gesetz über Amnestie in den Gefängnissen Italiens. Von der Radikalen Partei hört man wenig in Italien, nur einige Abgeordnete im Parlament, aber die Partei ist führend in allen Fragen der Gefängnisse in Italien.

Der frühere Vorsitzende der Partei, inzwischen gestorben, hatte weltweit Gefängnisse besucht und sich für Gefangene eingesetzt.

Die Demonstration in Rom war nicht sehr stark besucht, nur 2000 bis 3000 Personen, aber große Resonanz im Fernsehen. Psychologisch interessant für mich, die Gefangenen glaubten fest an eine Amnestie.

Nach Tagen wurde schon geredet, wir kommen raus, alle Gefangenen mit einem Urteil von drei Jahren und weniger. Natürlich Unfug, nichts passierte, ich habe niemals daran geglaubt, aber so sind die Knackis, nach jedem Strohhalm wird gegriffen.

Zur Unterstützung der Forderungen der radikalen Partei wurde sogar ein Hungerstreik von zwei Tagen ausgerufen. Am 5. und 6. November streikten die Insassen in allen Gefängnissen Italiens.

Der eingesparte Geldbetrag für das Essen von zwei Tagen wurde den Opfern des Erdbebens zur Verfügung gestellt (hoffentlich). Der Hungerstreik selbst war für uns nicht so krass, wie sich das anhört, ich bekam selbst gekochte wunderbare serbische Bohnensuppe, von den Freunden geliefert. Das war der einzige Hungerstreik, an dem ich in meinem Leben teilgenommen habe.

Eine große Rolle spielt in jedem Gefängnis, neben der Grundversorgung mit Nahrung, die Möglichkeit des privaten Einkaufs von Nahrungsmitteln, von Kuchen bis zu Obst und Gemüse, insbesondere auch Wurst und sogar frisches Fleisch.

Nicht zu vergessen, alle Produkte für die tägliche Hygiene.

In Italien war das System des Einkaufs besonders speziell.

Jede Woche kam eine unendlich lange Liste mit den Produkten und Preisen. Auf einem Bestellzettel wurde dann mit einer Bestellnummer die Bestellung abgegeben. Pünktlich kam einige Tage später der von allen Leuten erwartete Wagen. Die Auslieferung funktionierte optimal, selten, dass irgendein Fehler unterlief. Die Jungs waren routiniert und erfahren. Am gleichen Tag begann dann das große Kochen, das auch am nächsten Tag anhielt.

Ich selbst kochte nicht, ich kann gar nicht kochen, sondern bestellte nur viel Obst, Kuchen, Schokolade und das gute italienische Mineralwasser. Die Lieferung mit perfekten Abläufen erfolgte jeweils für mehrere Gefängnisse durch ein privates Großhandelsunternehmen.

Die Ware kam jede Woche in großen Trucks, über weite Distanzen.

Die Krönung sind die Preise, etwa 30 bis 40 % (und mehr) höher als im normalen Handel in Geschäften und Märkten. Es ist offensichtlich, wer an diesem grandiosen System der Versorgung verdient, auf keinen Fall nur der Großhändler und die Transportunternehmen, das System ist Italia.

Schlimm wird es, wenn eine Störung im System auftaucht. Ich hatte bei einer Bestellung in Unkenntnis, nicht zuerst den Familiennamen geschrieben und dann den Vornamen, sondern zuerst „Werner“.

Keine Auslieferung, damit 10 Tage kein Wasser. Oder der Fall 50 € der Überweisung des Geldes von meiner Familie waren „verschwunden“. Natürlich keine Bestellung möglich, nur durch Hilfe des Capo Reparto wurde das Geld auf einem anderen Konto, einem sogenannten anonymen Konto, gefunden. Ohne den Capo wäre das Geld weg gewesen, nach einer Wartezeit von irgendwelchen Leuten abkassiert. So läuft das Leben!

Sehr speziell ist auch der medizinische Dienst in einem Gefängnis in Viterbo. Anmeldung für einen Besuch beim Arzt gibt es zweimal in der Woche. Ständig neue Ärzte, wie ich später feststellen konnte, aus einem normalen privaten Krankenhaus.

Glücklicherweise hatte ich in dem Jahr in Viterbo nur zweimal ein Problem für die Ärzte. Die rheumatische Zerrung aus Rumänien wurde am Anfang sehr gut mit Voltaren-Tabletten gelöst. Ein sehr komplizierter Fall ergab sich, beginnend im Dezember 2016, an meinen beiden Händen. Entzündung, aufreißende Haut an einem Finger und Vereiterung ging dann über 8 Finger sprunghaft innerhalb von 4 Monaten. Die Ärzte ohne Erklärung einer Diagnose, völlig machtlos. Ohne Therapie, nur ständige Besuche bei Ärzten, heilten die Finger nach vier Monaten „von allein“. Leider habe ich noch heute mit der Durchblutung an beiden Händen Probleme, insbesondere bei niedrigen Temperaturen.

In dem Zusammenhang ein besonders skurriles Erlebnis 2017.

„Resch, Sie werden in ein Krankenhaus außerhalb gefahren zu einem Dermatologen.“ Transport mit vier bewaffneten Polizisten, gefesselt die Hände auf dem Rücken, das ist besonders unbequem wie immer bei solchen Anlässen. Im Krankenhaus, staunende Menschen, ein gefesselter Bandit, unter 4 schwerbewaffneten Polizisten.

Dann die Hände vorn gefesselt. Im dritten Stock des Krankenhauses eine ältere Ärztin, völlig uninteressiert, wie immer kaum englische Sprache. Nimmt meine Hände in die Hand, gibt streng die Anordnung, Fesseln weg, tut sehr gewichtig vor der Polizei, schreibt viel, dann wieder Abmarsch. Von der Dermatologin habe ich nie mehr etwas gehört.

Eine besondere Maßnahme im medizinischen Dienst war die ständige Blutabnahme. Jedes Mal, wenn ich wegen meiner Finger einen Termin hatte, wurde Blutabnahme angeordnet. Wie ich dann erfahren konnte, wurde das Blut in einem privaten Institut, zum Dreifachen des üblichen Preises, analysiert. Ein weiterer Fall von Korruption.

In deutscher Berichterstattung wird so etwas als „Mafia“ abgetan, dahinter steht kein Zwang, keine Erpressung, reine Korruption, an der viele Leute Geld verdienen.

Ich wollte nicht mehr mitspielen. Ich weigerte mich, Blut abnehmen zu lassen, die Schwester sagte: „Das kann nur der Arzt entscheiden.“

Ich sagte: „Holen Sie sofort den Arzt.“ Es war gerade ein Arzt im Nebenraum, wie sich herausstellen sollte, der Chefarzt des privaten Krankenhauses persönlich, dem das Gefängnis angeschlossen war.

Ich fragte: „Sprechen Sie Englisch oder Deutsch?“

Das Letztere rutschte mir nur raus. Der Arzt fragte lachend: „Was wünschen Sie?“ Ich antworte: „Natürlich Deutsch.“ Er sprach perfekt Deutsch. Er war viele Jahre als Chirurg in Siegen im Sauerland. Seine Frau aus Düsseldorf. Er überzeugte mich locker sofort zur Blutabnahme, er komme selbst mit dem Ergebnis, kündigte er an.

Mit dem Ergebnis kam er natürlich nicht, aber wir haben uns noch einmal gesehen, der Chefarzt, ein wirklich netter Typ. Wir verabredeten uns für einen Espresso auf der Königsallee in Düsseldorf. Dabei ist es bisher geblieben.

Meine große Überraschung über das Gesundheitssystem in Viterbo kam erst in Berlin. Ich landete 6 Monate später im Gefängnis-Krankenhaus, Plötzensee.

Ansonsten konnte ich beobachten, wie jeden Monat mindestens ein Toter, im schwarzen Plastiksack, das Gefängnis verlassen hat.

Ein besonderes Kapitel der Hygiene im Gefängnis ist die Möglichkeit, zu duschen, ohne eine Gefahr der Ansteckung von den vielen infizierten und Kranken in so einem großen Gefängnis. In Viterbo war das Duschen auf der Station 2c problematisch. Der Zeitrahmen war gut, jeden Tag von 16 bis 18 Uhr war duschen möglich. Grundsätzlich duschen in Unterhose, nackte Männer waren verboten.

Eine Sondervorschrift war, duschen nur in Schuhen oder Badelatschen, Füße sollten vor Infektionen geschützt werden. Es gab drei Duschplätze, aber nur einen intakten Duschkopf, aus zwei Rohren kam das Wasser direkt geströmt.

Haken für die Klamotten gab es im Duschraum nicht. Gegenüber den aktiven drei Duschplätzen lagen auf altem Mauerwerk Besenstiele, auf die die Sachen abgelegt werden konnten. Ich ging täglich etwa 17 Uhr zum Duschen, weil zu dieser Zeit die Ausgabe des Abendessens begann und unter der Dusche kein Andrang mit längeren Wartezeiten gegeben war.

Ein weiteres wichtiges Element im Knastleben war der Friseur.

Nach Anmeldung bei dem diensthabenden Beamten musste man auf einer Treppe stehen und 1 bis 2 Stunden nutzlos warten, bis die Tür für die betreffende Person geöffnet wurde und der Weg zum Friseur war frei. Die insgesamt 4 Friseure, die ich in meiner Zeit in Viterbo erlebt habe, waren o. k.

Sogar mein Freund Senna war etwa 4 Monate Friseur, er hatte den Job während seiner Haft in Sizilien gelernt. Nach dieser Zeit als Friseur wurde Senna noch Helfer im medizinischen Dienst und später Hausarbeiter für alle Reparaturen im Gefängnis.

Senna konnte alles.

Die Entlohnung für alle Arbeiten im Gefängnis entsprach der speziellen Situation mit den „Geldströmen“ im Gefängnis.

So bekam eine Friseur 560 € im Monat als Bruttolohn ausgewiesen, ausgezahlt nur 40 €. Wo sind die 520 € geblieben? In der Küche bekamen die Leute 560 € brutto, nur 80 € netto.

Das Gefängnis Viterbo hatte in Italien in der Bevölkerung den interessanten Namen „Malina Gelina“, gelbe Mutter, dieser Knast war wirklich außergewöhnlich.

600 bis 700 Gefangene, Sektionen mit jeweils 50 Gefangenen, in 25 Zellen. Relative Freiheiten, täglich 4 Stunden Hofgang oder Campo, zusätzlich waren von 15 bis 19 Uhr die Zellentüren geöffnet.

Das Problem war das System, die technischen Abläufe und natürlich die Menschen, Gefangene und Polizei.

Bei dem täglich zweimal möglichen Hofgang wird jeweils der Name in einer langen Liste notiert.

Dann kommen Zwischenfälle. Ich nenne den Namen, der Polizist schrie laut „Heil Hitler!“, stand auf mit dem faschistischen gestreckten Arm. Ich murmelte na, na, na und ging schnell weiter. Den Mann hatte ich noch nie gesehen, der wusste aber, Resch ist der einzige Deutsche in dem Knast.

Karfreitag 2017 große Prozession, auf allen Fluren, drei Priester, Ministranten, Kruzifix, Fahnen, Musik und Gesang.

Die Gefangenen eingeschlossen hinter den Gittertüren, die Zellen werden einzeln gesegnet. So etwas habe ich noch nie erlebt, viele Gefangene knieten, andere hingen an den Gitterstäben, ich war nur neugierig. Egal welche Glaubensrichtung, die meisten Gefangenen waren orthodoxen oder muslimischen Glaubens, die katholischen Priester hatten alles im Griff.

Ostern bei wunderbarer Sonne, Campo im Gras gelegen und von meiner Frau und der Heimat geträumt.

Das Leben ging weiter. Die ständigen Kontakte mit meinem Anwalt Ceccarelli waren sehr gut. Der Avv. war 34 Jahre jung und ein Kämpfer. Das italienische Gesetz gibt für jeweils 6 Monate im Gefängnis einen „Rabatt“ (Strafminderung) von 45 Tagen. Ceccarelli organisierte einen Kontakt über Video-Konferenz zu der Richterin Falcone, ein berühmter Name. Staatsanwalt Falcone wurde in Sizilien durch die Mafia ermordet. Wir haben meinen Fall besprochen, ich bekam ohne Probleme am 26. Mai die ersten 45 Tage, und am 12.06. die zweiten 45 Tage, die 90 Tage Rabatt waren endlich ein kleiner Erfolg.

Ceccarelli ermittelte im Gesetz eine weitere interessante Möglichkeit, meine Gefängniszeit schnellstmöglich zu beenden.

Wie in den deutschen Haftanstalten gibt es in Italien auch Sozialarbeiter, in Viterbo für die große Menge der Gefangenen allerdings viel zu wenig. Voranmeldung etwa 8 Wochen Wartezeit.

Ich lernte eine sehr gute junge Sozialarbeiterin kennen mit englischen Sprachkenntnissen, aber sie konnte absolut nichts unternehmen in meinem speziellen Fall, Auslieferung nach Deutschland.

Nach dem italienischen Gesetz ist festgelegt, dass bei Haftstrafen bis zu 3 Jahren der Verurteilte gefragt werden muss, ob er Gefängnis oder Sozialarbeit akzeptieren will. Mich hat keiner gefragt, wie festgestellt, hatte ich keinen eigenen Anwalt im Verfahren in Turino.

Das war natürlich der Ansatz, wegen eines absoluten Verfahrensfehlers sofort entlassen zu werden. Ceccarelli schreibt sofort an das Oberlandesgericht Torino. Nach etwa 6 Wochen kommt eine fadenscheinige Ausrede, die Anwälte wurden informiert, der Angeklagte hat am Verfahren nicht teilgenommen, konnte also nicht gefragt werden.

Ceccarelli legt beim höchsten Gericht in Rom Berufung ein, ebenfalls ausführlich auf fünf Seiten. Entscheidung des Gerichts, Resch war nicht auffindbar, Anwälte wurden benachrichtigt. Absoluter Unfug, mich hätte jeder Polizist in Ratingen, an meiner Wohnadresse, befragen können, Gefängnis oder Sozialarbeit.

Aber ich hatte noch nicht einmal eine Information über das Verfahren in Torino in der ersten Instanz.

Sehr zurückhaltend bemerke ich hier, das alles ist allerdings typisch für die Situation in Italien. Das eigene Schicksal bestätigt nur, was ich über viele Urteile und Schicksale in einem Jahr im Gefängnis in Italien gehört und erfahren habe.

Die schlimmste Situation im Gefängnis war für mich die Operation der Hüfte meiner Frau am 3. Mai 2017, im Krupp-Krankenhaus in Essen. Normalerweise werden Hüft-OPs chirurgisch seriös abgewickelt, das Problem lag in der Herzinsuffizienz und der CoPD-Lunge, an den Problemkrankheiten leidet meine Frau tapfer seit einigen Jahren.

Hier ging es wirklich um das Leben. Wir sind 55 Jahre verheiratet und meine Inne ist eine wunderbare Frau. Vorher Angst und Hoffnung, dann Operation, am Tag der OP 17.00 Uhr Information von meinem Sohn, alles gut verlaufen. In meinem Tagebuch steht, das beste Telefongespräch meines Lebens. Ich dachte immer, wenn Inne sterben sollte, will ich die schönen Hände halten, das Schicksal hatte mich in Italien festgenagelt. Grausam, aber es ging alles gut, noch 4 Wochen Reha, ausgerechnet in einer der Kliniken der Familie von Graf von Oeynhausen in Bad Driburg. Im Gräflichen Parkhotel haben wir über 30 Jahre glückliche Zeiten verbracht. Das machte mich wieder glücklich und sportlich voller Energie.

Es gab einen Rückschlag bei der Rückkehr meiner Frau in Ratingen, unser Sohn Sascha lag mit einer Magendarminfektion im Bett.

Meine Frau steckte sich an, mit dem komplizierten Virus „Rota“ und musste wieder eine Woche nach Düsseldorf in die Augusta-Klinik.

Wieder das schlimme Gefühl, nicht helfen zu können, nicht dabei zu sein in den schwierigen Tagen.

Der einzige Trost, ich wusste, unser Sohn Sascha, schützt und behütet seine Mutter mit vollem Einsatz seiner Kräfte.

Dafür bin ich ihm ewig dankbar.

Für meine Frau folgte ein Jahr mit Gehhilfen, erst zwei Stöcke, dann eine längere Zeit mit einem Stock, ich habe meine Frau nie mit den Gehhilfen gesehen. Die Gehhilfen liegen im Keller.

Dann gab es noch einen „Schlag“. In meinem Beisein, erst zwei Wochen ohne Gehhilfen, ist meine Frau gestürzt, beide Hände gebrochen. Für mich war das der Beginn der großen Hilfe im Haushalt, ich habe viel lernen müssen, Respekt für alle Hausfrauen.

Neben dem Kontakt zur Familie und bei mir persönlich, zur Sicherstellung des sportlichen Trainings ist im Gefängnis zum Überleben ganz wichtig, die richtigen Leute in der Zelle zu haben.

In der Regel ist das nicht steuerbar. Seit meinem „Umzug“ in die Etage 2c hatte ich, durch die Unterstützung des Capo Reparto, ein großes Schild an der Tür: „Non Fumatori“ Nichtraucher.

Als einziger Gefangener im Knast in Viterbo, eine derartige „Sonderbehandlung“ gab es normalerweise nicht. Es kamen und gingen zwei Leute, aber am 4. April kam ein neuer Mann, Rumäne, daraus wurde ein schlimmes Finale meiner Zeit im Gefängnis Viterbo.

Er war der 17. Mann, mit dem ich seit Rumänien im Mai 2016 zusammenleben musste.

Grundsätzlich muss man sich vorstellen, das ist ein Zusammenleben mit den großen und kleinen Verbrechern, die man normalerweise nur aus den Krimiserien oder realen Berichten im Fernsehen kennt.

Das ist eine grundsätzlich komplizierte Situation. Verschärft wird die Lage, da es sich für mich nur um Ausländer handelte, die weder Deutsch noch Englisch sprechen konnten, manche der Typen etwas Russisch.

Mein neuer Rumäne war 38 Jahre alt, von einem kleinen Dorf in der Walachei, vier Jahre Schule, ein sehr komplizierter Fall.

Aufgegriffen betrunken unter einer Brücke in Rom, durch die Carabinieri. Im Schnellverfahren zu einem Jahr verurteilt, dann zusätzlich 2,5 Jahre. Was wirklich vorlag, weiß ich nicht, vielleicht Diebstahl. Vielleicht im Rahmen des Systems organisierter Abschiebungen nach Rumänien, egal wie die Gründe waren, der 17. Mann war bei mir und ein großes Problem begann.

Der Typ hatte kein Geld, somit war das Wichtigste, von mir Mineralwasser, aus den gekauften Vorräten.

Ansonsten Wasser aus der Leitung fast täglich, wo das Wasser für Stunden abgestellt wurde.

Wie er mir erzählte, hatte er in der italienischen Landwirtschaft einen Vertrag für 4 € in der Stunde, ausgezahlt 2 €.

In Italien sind diese undenkbar niedrigen Löhne vorstellbar.

Eigentlich wollte der Rumäne seine Mutter unterstützen, aber er landete im Suff unter der Brücke. Das Problem begann mit dem Fernsehen in der Nacht. Ich wollte schlafen, der Typ unbegrenzt nächtelang fernsehen. Wir trafen eine Absprache, 22 Uhr ist das Ende, der Rumäne hielt sich natürlich nicht daran, jede Nacht Schreierei auf der Toilette: „Alle Deutschen erschießen, Carabinieri erschießen!“ Und das setzte sich am Tag auf dem Hof fort, lautes Schreien: „Gebt mir Dynamit und Kalaschnikows, alle Carabinieri, alle Deutschen erschießen!“

Besonders unangenehm im täglichen Umgang, der Rumäne hatte am ganzen Körper Geschwüre, er kratzte sich ständig, leckte dann seine Finger ab, besonders auch beim Essen. Ich konnte am Tisch nicht mehr zusammen mit dem Typen essen, also immer später, dass Essen wurde kalt, egal.

Ich sprach mit den Sanitätern, Nr. 17 wurde einem Arzt vorgeführt, bekam 2 Tabletten, sollte jeden Tag eine weitere Tablette bekommen.

Er nahm die ersten 2 Tabletten ein und fragte mich, warum sind die Geschwüre jetzt nicht weg. Ein reiner Psychopath war in meiner Zelle gelandet. Draußen lachten die Leute über die Schreierei nach einer Kalaschnikow, ich musste handeln. Meine Freunde Senna und andere Serben verwarnten den Typen. Das Wort Verwarnung ist im italienischen Gefängnis mit der Drohung zusammenschlagen verbunden.

Im Mai verschwand die Nummer 17 kurzzeitig in eine andere Zelle, bei einem Rumänen, er kam leider wieder zurück und schwor bei seinem orthodoxen Glauben, vernünftig zu sein. Er lag 3 Wochen nur noch im Bett, am Tag nur TV, 14 bis 16 Stunden, nachts war Schluss.

Als dann im Juni die Schreierei nachts wieder begann, kamen Albaner aus der Nachbarzelle, mit denen ich immer ein gutes Verhältnis hatte, zeigten dem Rumänen am nächsten Tag den zufälligen Transport im schwarzen Sack, machten der Nr. 17 klar, dass er so enden könnte. Das hatte der Rumäne endlich begriffen. Bis zu meinem Abgang im Juli nach Deutschland lief die Sache jetzt normal.

Draußen auf dem Hof lernte ich natürlich auch andere Rumänen kennen. Ein interessanter Typ, mit einer guten militärischen höheren Ausbildung im heutigen Rumänien.

In der Nähe von Bukarest hat er vier Jahre die Militärschule besucht, mit Abschluss Abitur und Dienstgrad Sergeant.

Vormittag normale Schule, 6 Stunden, aber jeden Nachmittag militärische Ausbildung. Schießen mit Kalaschnikow, Pistole „Karpat“ (rumänische Pistole), ständig Übungen im Gelände. In Rumänien gibt es drei derartige Militärschulen, Heer, Luftwaffe und Marine. Gewaltige Bewerbungen von mehreren Tausend je Schule, genommen werden jedes Jahr nur 150 Schüler.

Die meisten Absolventen bleiben beim Militär und werden Offiziere. Der Mann ist mit Familie nach Deutschland gegangen. BASF in Ludwigshafen. Nach ruhigen Jahren in Deutschland in Rom verhaftet, Grund ist mir nicht bekannt.

Juni und Juli 2017 war in Italien eine gewaltige Hitzewelle, ständig über 40 °C.

Im TV wurde gemeldet, in Ferrara 49 °C. In unserem Hof, von Gebäuden eingeschlossen, waren ständig 40–45 °C im Schatten. Trotz der großen ungewohnten Hitze lief ich jeden Tag meine Runden, mindestens 30 Minuten, und machte im Schatten Liegestütze in 30er-Serien. Der Betonboden im Hof war bereits stark beschädigt, die Zementschicht aufgerissen, Kieselsteine ragten heraus. Die Aufmerksamkeit lag beim Laufen, anderen Typen, die ihre Runden gehen.

Diese Leute nicht anzustoßen, und die Aufmerksamkeit galt nicht den Bodenverhältnissen. Normalerweise ging das alles gut, am 19. Mai bin ich an einem herausragenden Stein hängen geblieben und schwer gestürzt. Beide Kniescheiben und Ellbogen aufgeschlagen, das Blut lief an mir herunter.

Für mich war wichtig, nur cool bleiben und schnell zum Sanitäter, um Infektionen zu vermeiden. Auf dem Hof sind die Türen abgeschlossen und hinter den Türen hält sich keine Wache auf. Mein Freund Arthur, ein Albaner und sehr guter Läufer, der beste Mann im Laufen in Viterbo, nahm die Sache sofort in die Hand.

Er schlug und trat gegen die Tür und machte einen richtigen Aufruhr.

Die Tür ging auf und ich wurde in den Sanitätsbereich gebracht. Wie häufig hatte ich Glück, zwei gute Schwestern machten ihren Job ausgezeichnet, sodass außer großen Narben, die geblieben sind, alles ohne weitere Probleme ablief.

Aber erst einmal hatte ich zwei Wochen Verbände an Knien und Armen. Ich lief trotzdem langsam jeden Tag weiter.

Neben Senna und Arthur (beide 41 Jahre) hatte ich in Viterbo einen dritten Freund, Askanio, 25 Jahre jung. Im Januar hatte ich durch einen Zufall Askanio kennengelernt, er spricht gut Deutsch.

Dann kam die Überraschung, er lebte 6 Monate in Schöningen, einem Dorf bei Wolfenbüttel, wo ich in den Siebzigerjahren neun Jahre gelebt habe. In Schönigen hatte ich meine Reitpferde und ich war in dieser Zeit Direktor im Hüttenwerk Salzgitter.

Askanio hatte eine Freundin, Julia, eine Russin im gleichen Alter, sie war auch mit ihm in Schöningen.

Askanio und Julia lebten dann in Italien zusammen, es gab eine Trennung, Julia ging nach Deutschland und Askanio in den Knast.

Wie das so ist, in der Abgeschiedenheit des Gefängnisses brach die große Liebe bei Askanio durch. Julia war cooler, sie prüfte die Lage.

In vielen Gesprächen hat mich Askanio dann gebeten, die „Liebesbriefe“ an Julia zu formulieren. Ich wurde der Mann im Hintergrund. Schrieb romantische Liebesbriefe und die E-Mails und Briefe von Askanio gingen in italienischer und deutscher Sprache raus. Die Aktion zeigte Wirkung. Ich erlebte noch im Juli, dass Julia schrieb: „Ich komme, aber ich bringe einen Priester mit, wir heiraten.“

Eine süße Story, so etwas könnte ich im normalen Leben niemals machen, so etwas geht nur im Knast. Heute sind beide zusammen und leben in Italien direkt am Meer.

Bei unserem nachmittäglichen Espresso, in der Zelle von Senna, tauchte plötzlich ein junger Mann auf, groß, gepflegt, völlig in Weiß gekleidet. Hose weiß mit exakter Bügelfalte, weißes Hemd, offen.

Er stellte sich als Zigeuner aus Rom vor, aus der wichtigsten italienischen Zigeunerfamilie. Ich fragte nach der Familie des vor zwei Jahren verstorbenen „Chefs der Familie“: Im TV hatte ich in Deutschland die spektakuläre Beerdigung gesehen, ein nicht genehmigter Helicopter hatte den Kranz abgeworfen. Skandal in Rom. Der Tote war der Onkel von dem Mann in Weiß.

Er bekam einen Espresso und freute sich, dass er mich hier kennengelernt hat, alles auf vornehmer und zivilisierter Basis.

Am nächsten Tag auf dem Hof traf ich den Zigeunerbaron, wieder in Weiß, ich grüßte im Laufen bei einer Runde, er fing an zu schreien: „Du deutscher Verbrecher, bist von der SS und hast vor 30 Jahren in Rom Zigeuner erschossen!“ Abgesehen davon, dass der Typ nicht rechnen konnte, in den Achtzigerjahren hat die SS in Rom nicht geschossen und ich war schon altersbedingt niemals in der SS.

Meine Freunde sicherten mich vor dem tobenden Zigeuner und sorgten am nächsten Tag für die Verlegung. Den Typ habe ich nicht mehr gesehen.

Am 10. Juli erlebte ich noch eine große Revolte im Knast, wie man so etwas nur aus Filmen kennt. Für mich das einzige derartige Erlebnis in der Realität. Abends war der Strom weg, normalerweise kein Problem, nach einer Stunde wurde es dann zu einem Problem. Für alle Leute kein Fernsehen. Zuerst Schreie und Treten und Schlagen gegen die Türen.

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426 s. 61 illüstrasyon
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9783991075325
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