Kitabı oku: «INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Drei», sayfa 3

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»Avanti, rief Marcella.

Die Tür wurde weit geöffnet. Es war die Haushälterin, die einen großen Servierwagen hereinschob, auf dem ein reichhaltiges Frühstücksbüfett angerichtet war. Marcella konnte Kaffee, Milch und Orangensaft, Brötchen, Marmelade, Wurst und Käse, sowie je einen Teller mit Müsli und mit Rührei entdecken. Signora Belatatto schob den Wagen zum Bett und stellte ihn direkt vor Institoris. So musste er nicht einmal aufstehen, sondern konnte bequem dort frühstücken, wo er saß.

»Buon giorno, Signore, ich freue mich, dass Sie wach sind und sich gut erholt haben«, sagte Signora Belatatto auf Italienisch. »Ich hoffe, das Essen schmeckt Ihnen und lässt Sie rasch wieder zu Kräften kommen. Buon appetito!«

Michael Institoris hatte den Wortschwall nickend entgegengenommen. Seine Kenntnisse der Landessprache schienen gut genug zu sein, sodass er das meiste davon verstand. Und aufgrund des Umstands, dass er sich kein bisschen verwundert darüber zeigte, in einer fremden Sprache angesprochen zu werden, schloss Marcella, dass er schon zuvor, als er Ragazzo aufgeschreckt hatte, aus dem Fenster gesehen und festgestellt hatte, in welcher Stadt er sich befand.

»Mille grazie!«, bedankte sich der Inquisitor mit einem freundlichen Lächeln.

Die Haushälterin nickte Marcella zu, bevor sie nach draußen verschwand und sie wieder allein ließ. Marcella fragte sich, ob das Personal wusste, wer Michael Institoris in Wirklichkeit war. Immerhin hatte Signora Belatatto ihn soeben nicht beim Namen genannt. Bedeutete das, dass sie ihn nicht kannte oder dass sie ausgesprochen diskret war? Und wo sie schon einmal beim Thema war: Wussten die Bediensteten, dass Nero in Wahrheit zu den Luziferianern gehörte und ein mächtiger Nekromant war. Marcella hatte bisher den Eindruck gewonnen, dass es in diesem Haus viel zu normal zuging, als dass das Personal über Neros Identität eingeweiht sein konnte. Außerdem erschien ihr Signora Belatatto – mit den anderen Angestellten hatte sie noch nicht viel zu tun gehabt – viel zu freundlich für jemanden, der wissentlich für einen der finstersten und grausamsten Nekromanten des Landes tätig war. Aber das war nur ein Gefühl und nicht aussagekräftig, da es auch unter Luziferianern harmlose und nette Leute gab, die nichts lieber wollten, als in Ruhe gelassen zu werden, und niemandem schadeten. Marcella selbst war das beste Beispiel – zumindest in ihrem früheren, schmerzlich vermissten Leben als einfache Buchhandelsangestellte.

»Stört es Sie, wenn ich frühstücke, während Sie weitererzählen?«

Die Frage des Inquisitors riss Marcella aus ihren Gedanken. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, fangen Sie ruhig an. Buon appetito! Doch wo war ich stehen geblieben? Ach ja …«

Michael Institoris begann sehr zielstrebig und systematisch, die Nahrungsmittel und Getränke auf dem Servierwagen zu vernichten, während Marcella den Faden ihrer Geschichte wieder aufnahm und weiter spann: »Als ich vom Hotel zum Wagen zurückkam, befürchtete ich erneut das Schlimmste. Ihre Verletzungen erschienen mir so schwerwiegend, dass ich kaum damit rechnete, Sie lebend anzutreffen. Umso größer war meine Freude und Erleichterung, als Sie noch am Leben waren. Ich konnte es kaum glauben und zweifelte an meinem Verstand und an meiner vorherigen Einschätzung Ihrer Schusswunden.« An diesem Punkt begann sie sich allmählich von der Wahrheit zu entfernen und marschierte mit zaghaften, aber unaufhaltsamen Schritten tiefer ins Land der Märchen und Lügen. »Ich öffnete den Verband, um mich noch einmal mit eigenen Augen von der Schwere Ihrer Verletzungen zu überzeugen. Ein- und Austrittswunde sahen noch schlimm aus, schienen allerdings während meiner Abwesenheit schon ein bisschen verheilt zu sein und sich so weit geschlossen zu haben, dass zumindest nicht mehr die akute Gefahr bestand, Sie könnten mir unter den Händen verbluten. Für meine Begriffe kam es einem Wunder gleich, dass sich Ihr Zustand in dieser kurzen Zeit so enorm verbessert hatte. Anscheinend verfügen Sie über besonders gute Selbstheilungskräfte, die über das übliche Maß eines durchschnittlichen Menschen hinausgehen. Denn anders ist es nahezu unerklärlich, wie Sie diese schwerwiegende Verletzung überleben und sich dermaßen rasch davon erholen konnten.«

An diesem Punkt ihres Berichts hörte er kurz mit dem Kauen auf und nickte zustimmend. Dabei zeigte er einen nachdenklichen Gesichtsausdruck, als könnte er sich das Ganze selbst nicht so ganz erklären.

Marcella deutete dieses Verhalten dahin gehend, dass ihm die erstaunlichen Fähigkeiten seines Körpers, sich selbst rasch und effektiv zu heilen, zwar bekannt, aber noch immer ein Mysterium waren.

Marcella fuhr fort, während er weiter frühstückte, und versuchte, ihre Stimme auch dann möglichst überzeugend klingen zu lassen, als sie ihre bislang größte Lüge erzählte: »Da mich das Ausmaß der Verwundung aber weiterhin beunruhigte, beschloss ich, Ihre Wunden zu nähen.«

Er sah auf und verzog das Gesicht, als würde er soeben den Schmerz der Nadel spüren. Er schlucke Rührei und Toast hinunter, bevor er fragte: »Haben Sie das gelernt oder früher schon mal getan?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich dachte mir, dass es schon nicht so schwer sein kann. Nähen kann ich schließlich. Warum also nicht anstelle von Baumwollstoff menschliche Haut zusammennähen?«

»Und woher hatten Sie Nadel und Faden? Verbandskästen in deutschen Autos enthalten normalerweise kein Nähmaterial.«

»Nadel und Faden habe ich auf Reisen stets bei mir. Es kann ja immer mal etwas kaputt gehen und muss dann rasch repariert werden.«

Dies entsprach sogar der Wahrheit und kam ihr wohl auch deshalb besonders überzeugend über die Lippen, da Michael Institoris nickte, anerkennend lächelte und sich wieder der Nahrungsaufnahme zuwandte.

»Der zweite Grund, weshalb ich Ihre Wunden nähte, war folgender: Ich konnte nicht länger in München bleiben, da ich befürchten musste, dass nach uns gefahndet wurde. Ich kannte niemanden und wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte. Also blieb mir nur eine Möglichkeit: Ich musste in meine Heimat zurückkehren. Und da Sie nicht in der Lage waren, sich um sich selbst zu kümmern, und Ruhe brauchten, um von Ihren Verletzungen zu genesen, konnte ich Sie nicht einfach zurück- und Ihrem Schicksal überlassen, sondern nahm Sie mit hierher. Vermutlich haben Sie längst selbst festgestellt, dass Sie nicht mehr in München sind. Haben Sie vorhin den wundervollen Ausblick genossen, bevor ich kam?«

»Ja, wirklich ein herrlicher Anblick, wie sich diese schöne Stadt unter einem ausbreitet.«

»Und wissen Sie auch, um welche Stadt es sich handelt?«

»Natürlich. Wir sind in Rom. Immerhin ist das Ihre Heimatstadt. Ich erkannte es sehr rasch anhand einiger markanter Wahrzeichen.«

»Waren Sie denn schon einmal hier?«

»Ja, mehrmals sogar. Einmal drei Monate am Stück. Ich nahm damals an einem Seminar im Rahmen meiner Ausbildung zum Inquisitor teil und lebte in einem Wohnheim für Inquisitorenschüler in der Nähe des Vatikans. In meiner Freizeit erkundete ich so viel von dieser faszinierenden Stadt, wie ich konnte. Aber selbstverständlich kennen Sie Rom viel besser, als mir das jemals möglich sein wird, da es Ihre Heimat ist.«

Sie nickte geschmeichelt. Sowohl sein Lob als auch die Art, wie er von dieser Stadt sprach, erfreuten sie und wärmten ihr Herz.

»Also deshalb sprechen Sie ein bisschen meine Sprache.«

Er nickte, während er die ganze Zeit über eine mit Parmaschinken belegte Scheibe Toast in der Hand hielt, aber keine Gelegenheit fand, sie in den Mund zu schieben. »Allerdings hatte ich während meiner Aufenthalte hier keine Gelegenheit, mehr als ein paar Brocken Ihrer wunderbaren Sprache zu lernen. Meine Kenntnisse sind daher bescheiden und nicht zu vergleichen mit Ihren ausgezeichneten Deutschkenntnissen. Von dem, was Ihre Köchin vorhin sagte, verstand ich zum Beispiel nicht einmal die Hälfte. Die andere Hälfte musste ich mir mehr schlecht als recht zusammenreimen.«

Sein Lob ihrer Deutschkenntnisse machte sie verlegen, sodass sie froh war, elegant das Thema wechseln zu können, wozu er ihr das Stichwort geliefert hatte. »Das war nicht die Köchin, sondern die Haushälterin: Signora Belatatto. Und sie arbeitet auch nicht für mich, sondern für Nero, meinen … meinen Halbbruder.«

»Dann leben Sie hier also mit Ihrem Bruder zusammen.«

»Nein, normalerweise nicht. Ich habe eine eigene kleine Wohnung in der centro storico, der Altstadt. Aber da hätten wir beide keinen Platz gehabt, sodass ich es für besser hielt, Sie hierherzubringen. Mein … Nero ist sehr wohlhabend und hat ausreichend Platz. Er war auch sofort bereit, uns bei sich aufzunehmen, bis Sie wieder komplett genesen sind.«

»Also haben Sie – um zu Ihrem Bericht zurückzukommen – mich vor allem auch wegen der langen Fahrt hierher zusammengeflickt.«

»Ja. Ich hatte große Bedenken, Sie würden die Reise ansonsten nicht überstehen. Ich befürchtete, die Schusswunden könnten sich wieder öffnen, sobald wir über eine größere Unebenheit der Straße fuhren, oder etwas Ähnliches. Auf alle Fälle war mir entschieden wohler, nachdem zumindest diese Gefahr gebannt war.«

»Hatten Sie keine Angst, dass wir unterwegs angehalten werden könnten. Immerhin gehörte der Wagen einem Kollegen und war, als Sie meine Wunden nähten, wahrscheinlich bereits als gestohlen gemeldet, während wir beide zur Fahndung ausgeschrieben waren.«

»Natürlich hatte ich ständig große Angst, dass etwas schiefgehen könnte und wir erwischt werden. Aber was blieb mir anderes übrig. Sie waren schwer verletzt und bewusstlos. Ich konnte Sie ja nicht auf dem Rücken durch die Gegend schleppen, beispielsweise zum Bahnhof, um mit dem Zug zu fahren. Erstens hätte ich das schon rein körperlich nicht geschafft, und zweitens wären wir noch viel eher aufgefallen.«

»Haben Sie sich zwischenzeitlich denn nicht überlegt, ein anderes Fahrzeug zu besorgen, mich umzuladen und Steinbachs Auto stehen zu lassen? Damit hätten Sie das Risiko, dass eine Polizeistreife auf den gestohlenen Wagen aufmerksam wird, beträchtlich minimieren und die Fahrt beruhigter antreten können.«

Marcella seufzte. Wenn man erst mit dem Lügen anfing, nahm es kein Ende mehr. Man musste die Unwahrheit beständig weiterspinnen und sich gleichzeitig alles gut merken, um sich nicht bei nächster Gelegenheit darin zu verstricken. Ein einziger Widerspruch, ein winziger Fehler in ihrem Lügengebäude, und der Inquisitor würde es sofort bemerken und gnadenlos nachbohren, bis alles in sich zusammenstürzte. »Anfangs dachte ich daran, einen Leihwagen zu besorgen, aber dazu hätte ich meine Papiere vorlegen müssen. Wenn die Fahndung zu diesem Zeitpunkt bereits lief, hätten innerhalb kürzester Zeit in sämtlichen Behörden die Warnglocken aufgeleuchtet. Es hätte daher nichts genützt, den Wagen zu wechseln, da auch das Fabrikat und das Kennzeichen des Leihwagens den ermittelnden Inquisitoren umgehend bekannt geworden wären.«

Marcella verschwieg, dass sie im Glaspalast nicht ihre wahre Identität offenbart hatte. Der Inquisitor hätte sich ansonsten gefragt, warum sie das getan und ob sie vor der Inquisition etwas zu verbergen hatte. Dass sie unter falschem Namen im Hotel abgestiegen war, hatte sie ihm auch nicht erzählt.

Michael Institoris schien einzusehen, dass er zu sehr in seine Rolle als Inquisitor geschlüpft war und das Gespräch beinahe zu einem Verhör gemacht hatte. »Entschuldigen Sie, Marcella!«, sagte er. »Manche Gewohnheiten kann man schwer abschütteln. Im Endeffekt haben Sie natürlich alles richtig gemacht, da wir nicht erwischt wurden und hierher entkommen konnten. Ich bin Ihnen deshalb zu großem Dank verpflichtet und sollte es bleiben lassen, Sie mit inquisitorischen Fragen zu löchern.«

»Das macht doch nichts«, log sie. »Ich kann verstehen, dass Sie alles genau wissen wollen. Sie waren nahezu zwei Tage lang bewusstlos und bekamen nichts von dem mit, was in dieser Zeit mit Ihnen geschah.«

»Nur zwei Tage?«, fragte Michael verblüfft. »Ich dachte, ich hätte viel länger geschlafen.«

»Das ist verständlich. Wenn man sich Ihre Wunden ansieht, mag man es tatsächlich kaum glauben. Aber es ist wahr. Wir haben heute Sonntag, und es ist fast Mittag. Vor zwei Tagen, am Freitag, fuhren wir in der Früh mit dem Taxi in die Zentrale der bayerischen Inquisition, wo Sie verhaftet wurden. Wenige Stunden später wurden Sie angeschossen und verloren das Bewusstsein. Die Selbstheilungsfähigkeit Ihres Körpers ist wirklich phänomenal. Etwas Ähnliches habe ich noch nie gesehen. Sogar der Arzt zeigte sich überrascht. Da er uns ansonsten nicht geglaubt hätte, erzählten wir ihm, die Verletzung sei schon älter.«

»Welcher Arzt?«

»Der Hausarzt meines Halbbruders. Keine Angst, er ist absolut vertrauenswürdig und verschwiegen. Und selbstverständlich erzählten wir ihm nicht, wer Sie in Wirklichkeit sind und was passiert ist. Nur Nero und ich kennen Ihre Identität und wissen, dass Sie Inquisitor sind und von Ihren Kollegen in München wegen mehrfachen Mordes gesucht werden.«

»Dann wissen Sie davon! Hat mein Kollege Ihnen das erzählt, als er Sie verhörte?«

»Eigentlich war es kein Verhör, sondern nur eine Befragung. Ich sollte ohnehin in Kürze entlassen werden, als Sie mich … nun ja, als Sie mich befreiten

Der Inquisitor lächelte und zuckte mit den Schultern. »Das konnte ich ja nicht wissen. Ich dachte, Sie wären ebenfalls in Schwierigkeiten, weil Sie mit mir in den Glaspalast gekommen waren. Wenn Sie lieber dortgeblieben wären, hätten Sie mir das sagen müssen.«

»Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Außerdem brauchten Sie ja jemanden, der auf Sie achtgab. Hätte ich Sie nicht begleitet, wären Sie gar nicht aus der Tiefgarage herausgekommen.«

»Da haben Sie auch wieder recht. Also retteten Sie mir gewissermaßen das Leben, nachdem ich zuvor Ihres gerettet hatte. Damit wären wir dann wohl quitt.«

Marcella zuckte mit den Schultern. »Ich hatte nicht vor, das eine mit dem anderen aufzurechnen. Es ergab sich einfach so. Und wenn ich Sie nicht ins Auto geladen hätte und davongefahren wäre, säße ich jetzt vermutlich ebenfalls in einer Zelle im Keller des Glaspalastes. Auch wenn ich zuvor nur als Zeugin galt, sieht man mich nach dem gemeinsamen Fluchtversuch zweifellos mit anderen Augen. Als ich Ihnen half, half ich auch mir selbst.«

Michael nickte. »Aber erzählen Sie weiter. Wie verlief die Fahrt hierher? Gab es dabei Probleme?« Er biss endlich in seinen Schinkentoast, den er die ganze Zeit scheinbar vergessen in der Hand gehalten hatte, und kaute sorgfältig, während er ihr zuhörte.

»Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Nachdem ich Sie mit den Mitteln, die mir zur Verfügung standen, notdürftig versorgt hatte, fuhr ich los. Am Anfang – im dichten Verkehr der Münchener City und bis zur österreichischen Grenze – war meine Anspannung am größten. Ständig rechnete ich damit, im Rückspiegel Polizeifahrzeuge mit blinkenden Blaulichtern und heulenden Sirenen auftauchen zu sehen. Bis zur Grenze fuhr ich auf Nebenstrecken und mied die Autobahn, weil ich befürchtete, dass diese stärker kontrolliert würde. Sobald wir auf österreichischem Boden waren, kaufte ich eine Vignette und fuhr auf der Autobahn weiter, um schneller voranzukommen. Die Fahrt verlief ohne Schwierigkeiten. Mehrmals hielt ich an und überprüfte Ihren Gesundheitszustand. Dieser blieb jedoch stabil. Sie schliefen tief und fest, schienen keine Schmerzen zu verspüren und erholten sich allmählich. Je näher wir Rom kamen, desto weniger Sorgen musste ich mir machen, dass Sie es nicht schaffen könnten und wir doch noch erwischt würden. Als wir ankamen, fuhr ich umgehend hierher. Während der Fahrt hatte ich meinen Bruder angerufen und gebeten, uns für ein paar Tage bei sich aufzunehmen. Nero befand sich auf Geschäftsreise, erklärte sich aber sofort einverstanden und versprach, jemanden damit zu beauftragen, uns ins Haus zu lassen. Mitten in der Nacht erreichten wir die Villa. Ein Mitarbeiter meines Bruders – er ist Immobilienmakler und, wie Sie an diesem Haus und dem traumhaften Grundstück sehen können, sehr erfolgreich in seinem Job – ließ uns ein und half mir, Sie in dieses Zimmer zu bringen. Er war es auch, der Sie entkleidete und Ihnen den Schlafanzug anzog, falls Sie das beunruhigt haben sollte.«

Der Inquisitor errötete leicht. Er schluckte und räusperte sich verlegen. »Nicht wirklich beunruhigt. Ich habe mich nur gefragt, ob Sie es waren … aber egal. Erzählen Sie weiter.«

»Das war’s im Grunde schon. Am nächsten Morgen kam Nero zurück. Er rief den Arzt, der Sie untersuchte. Für den Dottore gab es allerdings nicht mehr viel zu tun, außer die Fäden zu ziehen. Die Schusswunden waren bereits gut verheilt, und Sie befanden sich ersichtlich auf dem Weg der Besserung. Sie erhielten eine Salzlösung und irgendwelche Nährstoffe intravenös verabreicht. Fragen Sie mich aber nicht, um was es sich dabei handelte, ich kenne mich damit nämlich nicht aus. Auf jeden Fall scheint es geholfen zu haben, da Sie wesentlich besser aussehen, als es Ihnen nach einer derartigen Verletzung eigentlich gehen dürfte.«

»Danke für das Kompliment. Und ich dachte schon, Sie ziehen jetzt eine medizinische Laufbahn in Erwägung, nachdem Sie mich so professionell zusammengeflickt haben.«

Marcella erschrak. Hatte er die verheilten Schusswunden genauer angesehen und bemerkt, dass diese nur von professioneller Hand genäht worden sein konnten? Hegte er den Verdacht, dass sie als Laiin gar nicht in der Lage sein dürfte, Verletzungen so fachmännisch zu versorgen? Doch noch immer konnte sie keine Spur von Misstrauen in seinen warmherzigen, braunen Augen entdecken.

»Nein, danke, das wäre nichts für mich. Ich hatte wohl einfach ein glückliches Händchen. Außerdem kann ich gut nähen, auch wenn ich mich in Zukunft wieder auf richtigen Stoff beschränke.«

»Gut. Sie haben ja auch schon einen Job. Unter Umständen engagiere ich Sie ja, damit Sie mich durch den Vatikan führen.«

»Ausgerechnet Sie wollen eine Führung in der Vatikanstadt?«

»Natürlich! Warum nicht?«

»Aber Sie sind Inquisitor. Da haben Sie doch ohnehin freien Zugang zum Vatikan und dürften diesen zudem von Ihren früheren Besuchen kennen.«

»Zugang hätte ich normalerweise schon, das stimmt. Aber während meiner Aufenthalte hier hatte ich kaum Gelegenheit, die Vatikanstadt genauer zu erkunden. Die Seminare und Lehrgänge fanden im Palast des Heiligen Offiziums statt, der, wie Sie wissen, nicht auf dem eigentlichen Staatsterritorium des Vatikans liegt.«

Marcella wusste nicht, ob Sie Michael in diesem Stadium unmittelbar nach seinem Erwachen schon dazu ermuntern sollte, den Vatikan aufzusuchen. Das Ziel von Butchers Operation war es zwar, dass der Inquisitor am Ende in der Vatikanstadt auf den Papst traf, doch wann und unter welchen Umständen diese Begegnung stattfinden sollte, wusste sie noch nicht. Und selbstverständlich war es ausgeschlossen, dass sie mit dem Inquisitor dorthin ging, da sie dieses Gebiet nicht einmal unbeschadet betreten konnte. Sie beschloss also, ihm vorerst davon abzuraten, bis Butcher ihr anderslautende Anweisungen erteilte und die rechte Zeit kam, ihn dazu zu ermuntern.

»Vielleicht sollten Sie sich in nächster Zeit besser nicht dort sehen lassen, da Sie von Ihren Kollegen der Heiligen Römischen Inquisition gesucht werden.«

Er nickte, sagte jedoch nichts, sondern machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Außerdem sollten Sie sich erst noch etwas erholen, bevor Sie so etwas ins Auge fassen«, schlug Marcella vor. »In Ihrem Zustand hätte jeder leichtes Spiel mit Ihnen. Sie könnten nicht einmal davonlaufen, weil Sie nach wenigen Schritten ausgepumpt wären.«

»Sie haben recht«, sagte er mit zerknirschter Miene. »Zunächst muss ich natürlich wieder halbwegs zu Kräften kommen, bevor ich auch nur daran denken kann, weiter an der Aufklärung dieser verzwickten Angelegenheit zu arbeiten. Aber wenn Sie mich weiter so gut pflegen, dürfte ich schon in Kürze vollkommen wiederhergestellt sein. Nach dem reichhaltigen Frühstück und dem ausgezeichneten Kaffee fühle ich mich schon viel besser.«

»Dennoch sollten Sie nichts überstürzen und sich die Zeit nehmen, die Ihr Körper braucht. Sie standen ja fast mit einem Bein im Grab. Es ist das reinste Wunder, dass es Ihnen nach zwei Tagen wieder so gut geht.«

»Ja, es grenzt wirklich an ein Wunder. Andererseits weiß ich nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt, um in Erfahrung zu bringen, was meine Feinde wirklich vorhaben, und es anschließend noch irgendwie zu verhindern. Ich kann nicht die ganze Zeit tatenlos hier herumsitzen und Däumchen drehen.«

»Von Däumchen drehen hat auch niemand etwas gesagt. Sie könnten die Zeit zum Beispiel sinnvoll dazu nutzen, mich über die wahren Hintergründe der Ereignisse in München aufzuklären. Bisher war es ausschließlich an mir, Ihre Fragen zu beantworten. Meiner Meinung nach wird es Zeit, dass Sie mir im Gegenzug ein paar Antworten geben. Das sind Sie mir eigentlich schuldig, nachdem ich noch immer nicht weiß, was in München eigentlich alles geschah. Ihr Kollege, dieser Greiter, erzählte mir nur, dass Sie verdächtigt werden, in der Nacht, in der Sie mich befreiten, in der Zentrale der bayerischen Inquisition zwei Männer ermordet zu haben. Er sprach auch davon, dass Sie ein Verräter seien und für die Luziferianer arbeiten sollen, wofür es stichhaltige Beweise gebe. Also frage ich Sie jetzt: Was steckt wirklich hinter diesen Anschuldigungen? Dass Sie diese Männer tatsächlich getötet haben sollen, kann ich nicht glauben. Wir kennen uns zwar noch nicht lange und zu wenig, als dass ich für Sie die Hand ins Feuer legen könnte. Aber ich bilde mir ein – nicht zuletzt aufgrund meines Berufs und des häufigen Kontakts mit vielen Leuten –, über eine ausgezeichnete Menschenkenntnis zu verfügen. Und die sagt mir klipp und klar: Inquisitor Michael Institoris ist kein kaltblütiger Mörder und Verräter! Also klären Sie mich doch bitte auf, in welches Schlamassel ich da eigentlich durch einen dummen Zufall geraten bin.«

Marcella spielte ihre Rolle gut und gab sich ahnungsloser, als sie in Wirklichkeit war, denn als vermeintliches Zufallsopfer konnte sie all diese Dinge ja nicht wissen. Allerdings quälte sie die ständige Angst, sie könnte sich verplappern, und wollte deshalb erreichen, dass er ihr alles erzählte. Darüber hinaus wäre es ein deutliches Zeichen, dass der Inquisitor ihr vertraute.

Michael Institoris runzelte die Stirn, als er über ihre Worte nachdachte. Ihr Gespräch hatte soeben schlagartig eine ernsthaftere Stufe erreicht, und die eher lockere und teils scherzhafte Plauderei von soeben gehörte der Vergangenheit an.

Marcella fröstelte, als hätte sich sogar die Raumtemperatur abgekühlt. Sie warf einen Blick zum Fenster und sah, dass draußen weiterhin strahlender Sonnenschein herrschte, obwohl sie soeben den Eindruck gehabt hatte, eine dunkle Wolke hätte sich vor die Sonne geschoben.

»Ich halte das für keine gute Idee«, sagte der Inquisitor und schob den Servierwagen zur Seite, als wäre ihm der Appetit vergangen. »Zu viel Wissen um diese Dinge kann sehr gefährlich sein, lebensgefährlich sogar. Es sind schon zu viele anständige Leute gestorben, nur weil sie zu viel wussten.«

»Aber ich stecke doch sowieso schon bis zum Hals in der Sache drin«, widersprach Marcella. »Wenn Sie mich nicht vor den Vampiren gerettet hätten, wäre ich vermutlich längst tot und in einem der Gräber auf dem Friedhof verscharrt worden. Und mittlerweile dürfte bekannt sein, dass ich Ihnen half, zunächst aus dem Glaspalast und anschließend aus der Stadt zu verschwinden. Da ich somit nicht unerheblich dazu beitrug, die Pläne zu durchkreuzen, die Ihre Feinde mit Ihnen hatten, stehe ich sicherlich ebenfalls auf deren Abschussliste. Denen dürfte es egal sein, wie viel ich über ihre Pläne weiß. Außerdem kann ich mich umso effektiver vor den Leuten schützen, die Ihnen und jetzt auch mir an den Kragen wollen, je besser ich über die Hintergründe Bescheid weiß. Also legen Sie schon los!«

»Na gut«, gab er widerstrebend nach. »Ihre Argumente haben mich überzeugt. Aber sagen Sie hinterher nicht, ich hätte Sie nicht vorher gewarnt.«

»Werde ich schon nicht, versprochen!«

Er nickte, doch sie sah ihm an, dass ihm nicht wohl dabei war, ihr dieses gefährliche Wissen anzuvertrauen. Für eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort.

Der Inquisitor hatte den Blick gesenkt und war in Gedanken versunken. Zweifellos dachte er intensiv darüber nach, was er ihr erzählen wollte und konnte, und wählte die geeigneten Informationen sorgfältig aus dem Wenigen aus, das er bislang selbst wusste.

Marcella hörte das Zwitschern der Vögel draußen im Garten und dachte an Ragazzo. Was ihr Familiaris wohl gerade tat? Sie nahm zaghaft Kontakt auf, da sie die Elster nicht stören wollte. Nachdem Ragazzo heute Morgen stundenlang auf dem Fensterbrett ausgeharrt hatte, um ihr das Erwachen des Inquisitors zu melden, hatte er die Pause redlich verdient. Marcella tastete behutsam nach dem Bewusstsein des Vogels und sah in ihrem Verstand durch seine Augen, während sie gleichzeitig das sehen konnte, was in ihrem eigenen Blickfeld lag. Es wirkte wie ein doppelt belichtetes Foto, aber da sie diese Überlagerung gewohnt war, irritierte es sie nicht. Ragazzo saß auf dem Ast eines Baumes in der Nähe der Villa. Vor ihm in einer Astgabel befand sich ein Nest, das er gebaut hatte, und dahinter saß … eine zweite Elster! Wahrscheinlich ein Weibchen, das Ragazzos Vogelcharme erlegen war. Der kleine Kerl ist wohl wieder mal verliebt?, dachte Marcella und schmunzelte unwillkürlich. Kaum ließ man ihn kurz aus den Augen, angelte er sich schon die nächste Braut. Dezent zog sich Marcella zurück, überließ den Vogel seinem Liebeswerben und wünschte ihm in Gedanken viel Erfolg.

Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen im Gästezimmer konzentrierte, hatte sich dort nichts verändert. Der Inquisitor war in seine eigenen Überlegungen versunken, sodass er ihr Schmunzeln nicht bemerkt hatte. Andernfalls hätte er bestimmt nachgefragt, was sie so amüsant fand. Doch schon im nächsten Moment hob er den Blick, sah sie an und begann zu sprechen.

Wie sie richtig vermutet hatte, bekam sie eine bereinigte Kurzfassung seiner Erlebnisse zu hören. Ein paar Dinge wusste sie durch Butcher, allerdings war auch der Gestaltwandler in dieser Hinsicht nicht sehr gesprächig gewesen.

»Nach meinen bisherigen Erkenntnissen plant eine Gruppe Luziferianer unter der Führung eines skrupellosen und brutal vorgehenden Gestaltwandlers mit dem pittoresken Namen Butcher und tatkräftiger Unterstützung eines verräterischen Inquisitors, den Papst zu töten. Ich weiß zwar nicht, was diese schändliche Tat ihnen langfristig bringen soll, nehme die Gefahr für das Leben des Papstes aber dennoch ernst. In jener Nacht wurde ich, ehe wir uns begegneten, in einen Hinterhalt gelockt und traf einen Dämon im Körper eines Besessenen, der mir die Aufgabe antrug, den Papst zu töten. Ich verweigerte mich ihm, und so kämpften wir gegeneinander. Es gelang mir, den Besessenen zu töten. Anschließend konnte ich mich der anstürmenden Luziferianerhorde lange genug erwehren, bis mir meine Kollegen zu Hilfe kamen und das Haus stürmten. Ich wollte mehr über die Hintergründe herausfinden und befürchtete zudem, dass sich jemand anderes bereit erklären könnte, den Verschwörern zu helfen. Daher folgte ich der Spur, die der Besessene hinterlassen hatte, und erfuhr von Butcher und einem Vermummten, der sich Janus nennt und Inquisitor sein soll. Außerdem wurde mir berichtet, dass ein weiterer Mann zu der verlassenen Gärtnerei neben dem Friedhof gebracht worden war, wo ich auf die Vampire und auf Sie traf. Und den Rest haben Sie ja selbst miterlebt.«

»Nicht ganz«, wandte Marcella ein. »Ein paar Stücke des Puzzles fehlen mir noch. Was haben beispielsweise die Morde im Glaspalast und die Beweise, die den Verdacht auf Sie lenkten, damit zu tun?«

Der Inquisitor zuckte mit den Schultern. »In dieser Hinsicht kann auch ich nur Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich war ich den Verschwörern um Butcher ein Dorn im Auge. Meine Ermittlungen stellten wohl eine ernsthafte Bedrohung ihrer Pläne dar. Mehrere Male versuchten sie, mich zu töten, doch all ihre Bemühungen schlugen zum Glück fehl. Aus diesem Grund stellten sie mir eine raffinierte Falle, um mich auf andere Art kaltzustellen, in die ich prompt hineintappte.«

»Demnach ermordeten Ihre Feinde die beiden Männer und hinterließen gefälschte Beweise, die Sie in Verdacht geraten ließen. So wurden Sie von Ihren eigenen Kollegen verhaftet und konnten nicht weiter ermitteln. Aber wie konnte das alles in einem Gebäude der Inquisition geschehen? Ich dachte, es wäre gegen Luziferianer geschützt.«

»Das war es bis zu dieser Nacht auch. Aber Sie vergessen den Verräter.«

»Richtig, Ihr vermummter Kollege. Haben Sie schon eine Ahnung, wer sich hinter dem Namen Janus verbirgt?«

»Leider nicht. Das ist eins der Rätsel, die ich noch zu lösen gedenke. Aber da die einzige Spur nach Rom und in den Vatikan führt, ist es sogar ein Glücksfall, dass ich mit Ihrer Hilfe hier gelandet bin. So bin ich bereits am richtigen Ort, um meine Ermittlungen weiterzuführen, und spare eine Menge Zeit.«

Marcella nickte. »Dann hat also der Verräter die beiden Männer getötet und die fingierten Beweise hinterlassen?«

»Vermutlich. Aber es geht um mehr als zwei getötete Männer. In Wahrheit verloren in dieser schrecklichen Nacht weit mehr unschuldige Menschen ihr Leben. Janus zerstörte die schützenden Banner, indem er im Dachgeschoss ein Ritual durchführte und ein Menschenopfer brachte. Scheinbar eine ahnungslose Prostituierte, die er ins Haus schmuggelte. Nach der Vernichtung der Schutzzauber konnten sich die zuvor inhaftierten Luziferianer ungehindert im Gebäude bewegen und ihre Fähigkeiten anwenden – unter ihnen auch der vermutliche Anführer der Bande: Butcher. Sie überwältigten und töteten die Inquisitoren, die sie bewachten, den Wachmann und den Leiter des Bereitschaftsdienstes. Die beiden letzten Morde wurden mit meiner Dienstwaffe begangen, die unbemerkt vertauscht worden war. Außerdem wurde eine Videoaufzeichnung so geschickt manipuliert, dass man sehen konnte, wie ich meinen Kollegen im Verhörzimmer erschoss.« Michael Institoris schüttelte den Kopf, noch sichtlich erschüttert über die angeblichen Beweise, die ihn in den Augen der anderen Inquisitoren ohne jeden Zweifel schuldig aussehen ließen. »Mehr brauchte es nicht, um meine Kollegen und Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass ich ein Mörder und Verräter bin. Sobald ich einen Fuß in den Glaspalast setzte, wurde ich von einem Sondereinsatzkommando der Polizei überwältigt, aber das haben Sie ja selbst hautnah miterlebt. Ich bin nur froh, dass niemand die Nerven verlor und zu schießen anfing. Sie wären mittendrin gewesen und hätten leicht verletzt oder sogar getötet werden können.«

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