Kitabı oku: «INQUISITOR MICHAEL INSTITORIS 1 - Teil Zwei», sayfa 2

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Dem aufmerksamen Blick des Hauptinquisitors war nicht entgangen, dass Michaels hin und her huschende Pupillen zum Stillstand gekommen waren. Er nahm das Blatt und drehte es rasch um, da auf der Vorderseite in den ersten Zeilen nicht nur die Registriernummer der untersuchten Schusswaffe, sondern Hersteller, Bezeichnung und Kaliber der Pistole sowie der Name des Waffenbesitzers eingetragen waren.

Michael brauchte diese Bestätigung aus schwarzem Laserdruck auf weißem Papier nicht, um zu wissen, wem die untersuchte Pistole gehörte. Er kannte die Registriernummer auswendig, denn sie gehörte zu seiner eigenen Glock. Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen, als ihn dieser neuerliche Schock mit der Wirkung eines Schlags mit einem Vorschlaghammer traf.

Er konnte es nicht glauben, aber die niederschmetternde Wahrheit lag in Form eines unwiderlegbaren Untersuchungsberichts vor ihm – auch wenn er sich nicht erklären konnte, wie das möglich war. Demnach waren König und der Wachmann nachweislich mit seiner Dienstwaffe erschossen worden, obwohl er sie ständig bei sich getragen und die Männer nicht erschossen hatte. Ein Ding der Unmöglichkeit!

Michael wusste aus Erfahrung, dass die Ballistiker gewissenhaft und sorgfältig arbeiteten und in der Regel jeder Irrtum ausgeschlossen war. Aber bedeutete das nicht zwangsläufig, dass einer der Techniker im Dienst der Luziferianer stehen musste, ebenso wie der mysteriöse Janus, bei dem es sich unter Umständen um einen Inquisitor handelte? Michael schüttelte den Kopf, als ihm die Ungeheuerlichkeit seines Verdachts bewusst wurde. Bald verdächtigte er jeden anderen, mit dem Feind zu paktieren. Er musste damit aufhören, sonst wurde er hochgradig paranoid.

»Das ist … das ist unmöglich!«, rief er laut und wischte das belastende Dokument mit einer blitzschnellen Handbewegung vom Tisch, sodass es zu Boden segelte und auf den frisch geputzten Fliesen liegen blieb. »Meine Dienstwaffe kann nicht dazu benutzt worden sein, unsere eigenen Leute umzubringen, weil ich sie ständig bei mir trug. Ich erschoss damit allein drei der Luziferianer in und vor diesem Gebäude und machte den Magier unschädlich, der mir hier auflauerte.« Zum Beweis wies er auf den Krater in der Wand, den eine Kugel aus seiner Pistole verursacht hatte. »Ich hoffe, die Kugeln in den Leichen des Gestaltwandlers im Fahrstuhl, der Zauberin im Erdgeschoss und der Hexe vor dem Glaspalast sowie das Projektil, das diesen Krater verursacht hat, wurden ebenfalls untersucht, da sie im Gegensatz zu den Kugeln, mit denen König und der Wachmann ermordet wurden, tatsächlich aus meiner Dienstwaffe stammen.«

Becker seufzte und nickte. »Selbstverständlich wurden alle gefundenen Projektile untersucht. Die von Ihnen angesprochenen Kugeln stammen aber definitiv nicht aus Ihrer Dienstwaffe, sondern aus Inquisitor Königs Pistole. Es handelt sich zufälligerweise um ein baugleiches Modell, eine Glock 17, Kaliber 45. An Königs Hand wurden zudem Schmauchspuren festgestellt. Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand gehen wir daher davon aus, dass es Inquisitor König war, der die Luziferianer erschossen hat, von denen Sie gerade sprachen, bevor er selbst getötet wurde – und zwar von Ihnen und mit Ihrer Dienstwaffe.« Becker zog ein weiteres Dokument aus der Ermittlungsakte und legte es auf den Tisch, allerdings nicht so nah vor den Gefangenen wie das erste Blatt, als befürchtete er, Michael könnte es in einem neuerlichen Wutanfall ebenfalls vom Tisch fegen. »Wenn Sie wollen, können Sie auch das schwarz auf weiß nachlesen. Es steht alles in diesem Untersuchungsbericht über Königs Dienstwaffe.«

Michael glaubte ihm auch so. Wenn Becker sagte, dass die ballistischen Untersuchungen diese Ergebnisse geliefert hatten, dann war es so. Die Frage, die sich in diesem Fall aber unweigerlich stellte, war folgende: Wie konnten die Untersuchungen der Ballistiker derartige Ergebnisse liefern? Michael schüttelte einen erneuten Anflug von Paranoia ab und konzentrierte sich auf die Fakten. Einer davon war der Umstand, dass er die Glock ständig bei sich gehabt hatte und daher niemand – am wenigsten er selbst – mit dieser Waffe auf den Inquisitor und den Wachmann geschossen haben konnte. Im Gegenteil, er hatte damit sogar mehrere Luziferianer erschossen, doch die Kugeln, die sie getötet hatten, stammten aus der gleichartigen Schusswaffe des ermordeten Leiters des Bereitschaftsdienstes. All das ließ nur eine einzige logische Schlussfolgerung zu: Die beiden Waffen waren ausgetauscht worden, ohne dass Michael es bemerkt hatte! Aber wann hätte das unbemerkt geschehen können? Er hatte seine Dienstwaffe in den letzten Stunden weder aus der Hand gegeben noch aus den Augen gelassen.

Moment mal! Unvermittelt kam ihm die Erinnerung, dass er die Glock doch einer anderen Person überreicht hatte, und er sah die Szene so deutlich vor seinem geistigen Auge, als würde er sie ein zweites Mal miterleben.

Michael Institoris und Peter König standen im Flur der Wohnung, wenige Schritte vom Durchgang zu jenem Zimmer entfernt, in dem Michael auf den Dämon getroffen war und den Besessenen und eine ganze Reihe von Luziferianern getötet hatte. Obwohl die Bretter vor dem Fenster entfernt worden waren und die Luft ungehindert zirkulieren konnte, kam noch immer ein übler Gestank durch die Türöffnung, während er dem aufmerksam lauschenden Leiter des Bereitschaftsdienstes schilderte, wie er in diese gefährliche und am Ende schier aussichtslose Situation geraten war.

Die Lage im Gebäude hatte sich beruhigt, sodass sie Zeit und Ruhe hatten, sich um den lästigen Papierkram zu kümmern, den jeder Einsatz wie einen hässlichen Rattenschwanz hinter sich herzog. König nahm die Aussage seines Kollegen frühzeitig auf, weil ihm die Geschehnisse jetzt noch frisch und detailliert in Erinnerung waren. Zu diesem Zweck hatte er ein Diktiergerät gezückt, das er in Brusthöhe in Michaels Richtung hielt, damit jedes seiner Worte aufgezeichnet wurde. Im Hauptquartier würde der Bericht abgetippt, unterschrieben und zu den Akten gelegt werden. Dies entband Michael jedoch nicht davon, einen eigenen schriftlichen Bericht zu fertigen.

Hin und wieder war noch ein vereinzelter Schuss oder lautes Geschrei aus einem entfernten Teil des weitläufigen Gebäudes zu hören. Ein Teil der Inquisitoren durchsuchte systematisch das Haus und machte Jagd auf flüchtige Luziferianer, die sich in einen finsteren Winkel verkrochen hatten und hofften, dort nicht gefunden zu werden, oder nach einem Schlupfloch suchten, durch das sie entkommen konnten. Außer Michael und König befand sich ein weiterer junger Inquisitor in diesem Teil des Gebäudes, in dem die Auseinandersetzung zwischen Michael und den Luziferianern im Wesentlichen stattgefunden hatte. Michael kannte den jungen Mann nicht, der vermutlich zu Königs Bereitschaftsteam gehörte, jedes Detail akribisch untersuchte und die Ergebnisse eifrig auf den Vordrucken notierte, die er auf einem Klemmbrett bei sich trug. Einmal bemerkte Michael sogar, wie er gewissenhaft die Leichen der Luziferianer zählte und diese Zahl aufschrieb.

König und Michael waren noch nicht fertig – Michael schilderte soeben seine Begegnung mit dem Dämon, ließ aber wesentliche Teile dessen unerwähnt, was dieser ihm offenbart hatte –, als der junge Inquisitor an Königs Seite trat, ihm etwas ins Ohr flüsterte und auf sein Klemmbrett zeigte. Die Störung irritierte Michael. Sein Erzählfluss kam ins Stocken, und er verstummte. Fragend sah er Peter König an.

»Entschuldige die Unterbrechung, Michael«, sagte König und zuckte voller Bedauern mit den Schultern. »Wir benötigen deine Dienstwaffe, um die Registriernummer aufzuschreiben. Du kennst das ja: Die Paragrafenreiter im Hauptquartier sind erst zufrieden, wenn jedes einzelne Kästchen ihrer dämlichen Formulare korrekt ausgefüllt wurde. Also tun wir ihnen den Gefallen, um hinterher keinen Ärger zu kriegen. Gib uns bitte kurz deine Pistole!«

»Selbstverständlich!« Michael zog seine Dienstwaffe aus dem Schulterholster. Das erinnerte ihn daran, dass sich noch immer eine einzige Patrone im Lauf befand. Viel hätte nicht mehr gefehlt, und er wäre ebenfalls als Fußnote in der Leichenstatistik des jungen Inquisitors aufgetaucht. Er reichte König die Glock. »Hier, bitte. Das ist wirklich kein Problem, Peter. Ich kenn die Vorschriften ja auch.«

Es entsprach den Regeln und dem üblichen Vorgehen, da auf diese Weise sichergestellt und beweiskräftig dokumentiert wurde, welche Waffen an einem Schusswechsel beteiligt gewesen waren. Auf diese Weise konnte im Nachhinein leicht und zweifelsfrei nachvollzogen werden, wer wie viele Schüsse abgegeben und welche Ziele getroffen hatte.

»Dauert auch nur eine Minute. Du kannst ja schon mit deinem Bericht fortfahren, während unser junger Kollege sich rasch die Nummer notiert«, sagte König und dachte kurz nach, bevor er fortfuhr: »Ich glaube, du erzähltest gerade, wie der Besessene dir das geweihte Kreuz aus der Hand schlug.«

Michael richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Leiter des Bereitschaftsdienstes und achtete nicht auf das, was der junge Inquisitor unterdessen tat. Wozu auch? Er hegte keinen Verdacht, dass der Mann etwas Vorschriftswidriges tun würde. Stattdessen dachte er angestrengt darüber nach, an welcher Stelle er seinen Bericht unterbrochen hatte, und stellte fest, dass König recht hatte. Er war bei der Schilderung der Situation gewesen, als der Dämon im Körper des Besessenen ihm das Holzkreuz aus der Hand geschmettert hatte, sodass es an der Wand zerschellt war – und dabei vermutlich seine Unterarmknochen gebrochen hatte. Aber dieses Detail ließ er unerwähnt, da es aufgrund seiner wundersamen Genesung zu unglaubwürdig geklungen und unweigerlich dazu geführt hätte, dass Fragen über seine erstaunlichen Selbstheilungskräfte gestellt worden wären. Er fuhr mit seinem mündlichen Bericht fort und ließ die Geschehnisse wie einen Film in seinen Gedanken ablaufen.

Es dauerte weniger als eine Minute, bis der Inquisitor ihm die Waffe zurückgab. Michael nickte dankbar und nahm sie entgegen. Dieses Mal ließ er sich aber nicht erneut aus dem Konzept bringen, sondern fuhr unbeirrt in seiner Berichterstattung fort.

König nickte dem jungen Kollegen ebenfalls knapp zu. Er wedelte mit der freien Hand, als wollte er eine Fliege verscheuchen, zum Zeichen, dass er sie nicht länger stören sollte. Der andere wandte sich wortlos ab und verschwand aus der Wohnung, um seine Arbeit an einem anderen Ort in diesem Haus fortzusetzen, wo er weniger störte.

Michael warf einen kurzen, abwesenden Blick auf die Glock und hegte keinerlei Zweifel, dass es seine eigene Dienstpistole war, die er soeben zurückbekommen hatte – dieselbe Waffe, die er dem jungen Kollegen kurz zuvor ausgehändigt hatte. Darüber hinaus war er durch die gleichzeitige Schilderung seiner Erlebnisse abgelenkt, da er nicht nur die Ereignisse wiedergeben, sondern gleichzeitig darauf achten musste, welche Details er dem Leiter des Bereitschaftsdienstes erzählte und welche er sicherheitshalber für sich behielt. Und bei alldem durfte er sich nicht in Widersprüche verwickeln. Deshalb steckte er die Waffe umgehend ins Schulterholster, ohne sie einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Er dachte nicht einmal länger darüber nach, denn für ihn war die ganze Aktion alltäglich und keine große Sache gewesen.

Aus diesem Grund musste ihm dieses Ereignis im Nachhinein nicht sofort und von selbst eingefallen sein, sondern erst, nachdem er gründlicher über die Möglichkeit eines Austauschs seiner Dienstwaffe nachgedacht hatte.

Hauptinquisitor Becker, der ihn schweigend beobachtet hatte, musste ihm angesehen haben, dass ihm etwas Wichtiges in den Sinn gekommen war, da er umgehend nachfragte: »Nun, Institoris, ist Ihnen möglicherweise etwas eingefallen, das Licht in diese mysteriöse Angelegenheit bringen könnte? Wenn ja, würde ich gern daran teilhaben.«

Michael sah sein Gegenüber nachdenklich an. Gleichzeitig war er sich der Blicke anderer Beobachter bewusst, die ein unangenehmes Prickeln zwischen seinen Schulterblättern verursachten, als klebten die roten Lichtpunkte der Laservisiere noch immer auf seinen ungeschützten Rücken und könnten jederzeit von tödlichen Projektilen ausgestanzt werden. Und es war nicht nur die Aufmerksamkeit von Inquisitor Steinbach, der an der Wand lehnte und die Befragung schweigend verfolgte, die er spürte, sondern das Interesse unsichtbarer Personen, die sich zweifellos hinter der spiegelnden Glasfläche verbargen und denen ebenfalls kein Wort entging.

Michael überlegte fieberhaft, ob er von seinem Verdacht erzählen sollte. Es war die einzige Gelegenheit, bei der seine und Königs Dienstwaffen ausgetauscht worden sein konnten. Je länger er darüber nachdachte, desto überzeugender erschien es ihm. Doch würden Becker und die anderen, die seine Worte hörten, ihm glauben? Er hatte eher das Gefühl, dass man längst von seiner Schuld überzeugt war und dass es für diese Überzeugung noch einen schwerwiegenderen Grund geben musste als das Ergebnis der ballistischen Untersuchung. Michael ging daher davon aus, dass Becker noch etwas in der Hinterhand hatte und auf den richtigen Zeitpunkt wartete, um es ihm zu präsentieren.

Was sollte er also tun? Für seine eigene Überzeugung, dass die mit Ausnahme der Registriernummern identischen Waffen vertauscht worden waren, hatte er schließlich keine Beweise. König war tot und hatte den Austausch wohl ohnehin nicht bemerkt. Wäre er Teil dieses Komplotts gewesen, hätte man ihn nicht töten müssen. Und von dem jungen Inquisitor, der rasch und verstohlen den Austausch durchgeführt haben musste, kannte er nicht einmal den Namen und konnte allenfalls eine Personenbeschreibung liefern. Und selbst wenn man den Kollegen daraufhin fand und befragte, würde er Michaels Vorwurf mit Sicherheit bestreiten, sodass am Ende die Aussage eines Mordverdächtigen gegen die Aussage eines unbescholtenen Inquisitors stand. Man musste kein Hellseher sein, um prognostizieren zu können, wem die ermittelnden Inquisitoren und seine Vorgesetzten mehr Glauben schenken würden. In seinen Augen war es daher nicht nur sinnlos, Königs Mitarbeiter zu beschuldigen, sondern darüber hinaus kontraproduktiv, weil dieser dadurch gewarnt werden würde. Effektiver war es, ihn selbst aufzuspüren und bei passender Gelegenheit dazu zu zwingen, den Austausch zuzugeben und sein Wissen preiszugeben. Doch dafür müsste Michael auf freiem Fuß sein, wovon er gegenwärtig meilenweit entfernt schien.

»Jemand muss die beiden Dienstwaffen ausgetauscht haben«, äußerte Michael nach reiflicher Überlegung einen generellen und eher vagen Verdacht, ohne auf die konkrete Situation und die Person des jungen Inquisitors zu sprechen zu kommen.

Becker demonstrierte seinen Unglauben, indem er die Augen verdrehte und trotz der ernsten Angelegenheit schmunzelte. »Und wann soll dieser ominöse Austausch stattgefunden haben? Haben Sie Ihre Dienstwaffe in letzter Zeit jemand anderem gegeben? Haben Sie unter Umständen eine konkrete Person in Verdacht?«

Michael zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Becker. Leider habe ich keine Ahnung, wann es passiert ist und wer es getan hat. Ich habe den Austausch bis gerade eben ja selbst nicht bemerkt. Aber es ist nun einmal die einzige Möglichkeit, wie die Ergebnisse der ballistischen Untersuchung einen Sinn ergeben, da ich weder König noch den Wachmann erschossen habe. Was ist mit den Fingerabdrücken auf den Pistolen? Wurden diese schon untersucht?«

Becker nickte, während sich sein Gesicht wieder verdüsterte. »Die Abdrücke auf Ihrer Dienstwaffe stammen eindeutig von Ihnen, und die auf Königs Pistole sind mit seinen Prints identisch. Damit dürfte Ihrer Schutzbehauptung, die Waffen seien ohne Ihr Wissen vertauscht worden, endgültig jede Grundlage entzogen sein.«

Michael seufzte laut und ließ sich so vehement auf seinen Stuhl zurücksinken, dass die Rückenlehne bedenklich knarrte. »Das ist keine Schutzbehauptung, Becker! Ich wiederhole es gern noch einmal etwas deutlicher: Ich – war – es – nicht! Die ganze Sache stinkt doch zum Himmel, merken Sie das denn nicht? Wenn ich wirklich der schlaue und hinterhältige Mörder wäre, für den Sie mich offensichtlich halten, warum sollte ich dann meine eigene Dienstwaffe für die Morde benutzen, die noch dazu förmlich mit meinen Fingerabdrücken übersät ist? Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?«

»Ich halte Sie überhaupt nicht für blöd, Institoris. Im Gegenteil, ich hatte schon immer eine hohe Meinung von Ihnen und halte Sie für überdurchschnittlich intelligent. Aber jeder, sogar der intelligenteste Mensch ist fehlbar, Institoris. Allem Anschein nach auch Sie! Vermutlich gingen Sie davon aus, dass man Sie erst gar nicht verdächtigen würde, und machten sich deshalb auch nicht die Mühe, Ihre Spuren zu verwischen. Immerhin besaßen Sie einen untadeligen Ruf und sollten Anfang nächster Woche sogar zum Oberinquisitor befördert werden. Wer würde einem solchen Mann zutrauen, dass er zwei Kollegen heimtückisch ermordet hat? Aber im Endeffekt wurde Ihnen Ihre eigene Arroganz zum Verhängnis. Wollen Sie wissen, was uns überhaupt erst auf Ihre Spur brachte, Institoris?«

Michael zuckte mit den Schultern. Jetzt kommt’s, dachte er, gleich lässt er die Katze aus dem Sack. Er überlegte, welche Überraschung der Hauptinquisitor in petto haben könnte. Aber er konnte sich keine weiteren stichhaltigen Beweise für seine vermeintliche Schuld vorstellen. Das Einzige, was ihm in den Sinn kam, war ein Augenzeuge, der ihn beschuldigte und behauptete, die Morde mit angesehen zu haben. Falsche Zeugenbeweise waren am leichtesten zu produzieren, man musste nur überzeugend genug lügen können. Er konnte zwar weiterhin vehement seine Unschuld beteuern, doch als Mordverdächtiger hatte sein Wort nicht halb so viel Gewicht wie das eines vermeintlichen Augenzeugen.

»Wahrscheinlich sagen Sie’s mir ohnehin, ob ich will oder nicht«, antwortete Michael und verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte er sich unbewusst gegen weitere Unwahrheiten wappnen. »Also schießen Sie los!«

Becker schüttelte den Kopf. »Über kurz oder lang wird Ihre Selbstsicherheit, die Sie hier demonstrativ zur Schau stellen, schon noch bröckeln, Institoris. Alles nur eine Frage der Zeit. Wollen Sie nicht endlich reinen Tisch machen und ein Geständnis ablegen?«

Michael schüttelte den Kopf.

»Gut, wenn Sie es partout nicht anders haben wollen.« Becker zuckte mit den Schultern und richtete den Blick auf seinen Kollegen. »Steinbach!«

Die beiden Inquisitoren mussten sich zuvor abgesprochen haben, da Steinbach umgehend reagierte, ohne dass eine konkrete Anweisung an ihn ergangen war.

Michael beobachtete, wie der jüngere Mann sich in Bewegung setzte und zur Tür ging. Er verschwand im Flur und tauchte im Nu wieder auf. Doch wenn Michael damit gerechnet hatte, dass er einen Belastungszeugen hereinführte, sah er sich getäuscht. Stattdessen schob Steinbach einen Rolltisch vor sich her, auf dem ein Fernseher und ein Videorekorder standen. Michael kannte die Geräte, die er schon bei eigenen Vernehmungen benutzt hatte, um Inhaftierten zum Beispiel belastende Aussagen ihrer vermeintlichen Freunde vorzuführen. Er nahm an, dass es in seinem Fall einem ähnlichen Zweck dienen sollte, und übte sich in Geduld, während Steinbach die Tür hinter sich schloss und den Tisch an einen Platz schob, an dem der Bildschirm für jeden – einschließlich der unsichtbaren Beobachter hinter dem Einwegspiegel – gut sichtbar war und der sich gleichzeitig nah genug bei den Steckdosen befand. Er korrigierte die Position noch um ein paar Millimeter, bevor er zufrieden war und die Geräte einsteckte. Schließlich nahm er die Fernbedienung, mit der er beide Geräte gleichzeitig bedienen konnte, und trat zurück.

»Ich empfehle Ihnen, die Vorführung besonders aufmerksam zu verfolgen, Institoris«, meldete sich Becker zu Wort. »Vielleicht sind Sie im Anschluss bereit, Ihren sinnlosen Widerstand aufzugeben und uns endlich zu erzählen, was letzte Nacht tatsächlich geschah.« Er verstummte mit bedeutungsvoller Miene und wies mit einer Kopfbewegung auf den schwarzen Bildschirm. Anschließend gab er seinem jüngeren Kollegen das Zeichen, dass die Vorstellung beginnen konnte.

Steinbach musste die entsprechenden Tasten bereits gedrückt haben, da die beiden Geräte unverzüglich zum Leben erwachten. Das Fernsehgerät zeigte zunächst verwirrendes Schneegestöber, während der Videorekorder leise zu surren begann. Im nächsten Moment erschien ein Bild auf der Mattscheibe.

Was Michael zu sehen bekam, hatte er im Prinzip erwartet: eine Aufnahme aus einem Verhörzimmer. Doch als er genauer hinsah und die gefilmten Personen erkannte, stockte ihm der Atem. Er beugte sich unwillkürlich näher zum Bildschirm, als könnte er dadurch besser erkennen, ob ihn sein erster Eindruck getäuscht hatte und die Aufnahme nicht jemand anderen zeigte. Aber es war kein Irrtum. Bei den aufgenommenen Personen handelte es sich um zwei Männer, die er mit Sicherheit nicht zu sehen erwartet hatte.

Bei einem flüchtigen Blick hätte man den Inhalt des Videobandes für eine Liveübertragung aus diesem Verhörzimmer halten können, doch nicht nur das Aufnahmedatum am rechten unteren Bildrand, sondern vor allem das Fehlen einer dritten Person bewiesen, dass die Aufnahme zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt sein musste. Laut Datum war das Geschehen in der letzten Nacht aufgenommen worden, und zwar – das wurde Michael rasch klar, als er darüber nachdachte – exakt zu der Zeit, als er selbst sich bereits im Glaspalast aufgehalten hatte. Vermutlich hatte er um diese Zeit im Fahrstuhl um sein Leben gekämpft.

Der Verhörraum, der von jenseits des Einwegspiegels gefilmt worden war, war zwar mit demjenigen identisch, in dem Michael jetzt saß, aber die beiden Männer, die auf den Stühlen zu beiden Seiten des Tisches saßen, unterschieden sich deutlich von Hauptinquisitor Becker und ihm. Michael hielt unwillkürlich den Atem an, als er seine Aufmerksamkeit auf den Inquisitor Peter König und den Magier Ingo Schott konzentrierte, die auf dem Bildschirm zu sehen waren und ausgesprochen lebendig aussahen. Dabei wusste er bereits, dass dieser Zustand nicht mehr lange andauern würde und die Aufnahme unmittelbar vor dem Mord an König erfolgt sein musste. Dieser war nur Minuten vor seinem eigenen Eintreffen an diesem Ort geschehen, sodass unter Umständen beides gefilmt worden war. Aber dann musste auch der wahre Mörder zu sehen sein, und das sollte ihn eher entlasten und nicht belasten.

Michael konzentrierte sich so intensiv auf die bewegten Miniaturabbilder der beiden Männer, die ihm zuletzt als starre, leblose Körper in Erinnerung waren, dass er erschrak, als unvermittelt Königs laute Stimme aus dem Lautsprecher des Fernsehgeräts drang wie eine gespenstische Aufnahme aus dem Reich der Toten.

»Hör mir jetzt mal gut zu, Schott«, sagte König, dessen eindrucksvolle Erscheinung in einem seiner gewohnten pastellfarbenen Anzüge unverwechselbar war. »Mir reißt nämlich bald der Geduldsfaden bei der ganzen Scheiße, die du mir erzählst. Ich kann auch andere Saiten aufziehen, das kannst du mir ruhig glauben. Nicht alle Geschichten, die man sich über die Inquisition und diese Kellerräume erzählt, sind erfunden oder übertrieben. Also überleg es dir besser zweimal, ob du so weitermachen willst.«

Schott, der am selben Platz saß, den Michael nun einnahm, und dessen dürrer Körper neben der massigen Statur des Inquisitors wie ein Strichmännchen aussah, hob beide Hände in einer hilflos wirkenden Geste, kam jedoch nicht weit, weil er mit Handschellen an den Tisch gefesselt war.

Wie der Rest des Gebäudes waren die Verhörräume bis gestern Nacht gegen jeglichen Einsatz von Magie und Zauberei abgeschirmt gewesen. Der Inquisitor, der das Verhör führte, hatte daher nicht befürchten müssen, dass Schott seine magischen Kräfte einsetzen könnte. Aber spätestens als Michael wenig später in den Verhörraum gekommen war, war dieser schützende Bann aufgehoben gewesen, da der Magier ihn mit dem Hitzestrahl angegriffen hatte. Außerdem hatte zuvor bereits die Zauberin im Erdgeschoss ihre rotierenden Blitze auf ihn schleudern können.

Beiläufig fragte sich Michael, ob die Bannsprüche, die ein unerlaubtes Eindringen der Luziferianer ins Gebäude verhindern und im Innern an der Ausübung ihrer magischen Fähigkeiten oder am Ändern ihrer körperlichen Erscheinung hindern sollten, inzwischen wiederhergestellt oder noch inaktiv waren. Er beschloss, Becker später zu fragen, und verfolgte fürs Erste weiter konzentriert das aufgezeichnete Verhör.

»Ich kann Ihnen doch nichts sagen, was ich selbst nicht weiß«, jammerte der Magier beschwörend. »Ich bin nur ein klitzekleines Licht, ein winziges Rädchen im Getriebe. Man sagt mir nur, was ich zu tun habe und wann ich es tun soll, aber kein Sterbenswörtchen mehr. Bitte glauben Sie mir das endlich!«

König schüttelte den kantigen Schädel mit dem weißblonden Bürstenschnitt. »Genau das fällt mir schwer, Schott. Ein Magier deines Kalibers ist doch kein reiner Befehlsempfänger. Und selbst wenn dir dieses Mal wirklich niemand erzählt hat, worum es bei der Sache ging, musst du doch irgendwelche Gerüchte gehört haben. Erzähl mir schon irgendetwas, das ich an meine Vorgesetzten weiterleiten kann. Ansonsten kann ich meine bisherige Freundlichkeit dir gegenüber nicht länger rechtfertigen und muss zu drastischeren Methoden greifen, so ungern ich das tun würde. Aber du lässt mir ja keine andere Wahl, obwohl …«

Der Inquisitor verstummte, als von außen laut gegen die Tür geklopft wurde. »Herein!«, rief er, runzelte die Stirn und wandte sich zur Seite, um zu sehen, wer an der Tür war. Mit einer Unterbrechung des Verhörs hatte er scheinbar nicht gerechnet.

Die Tür wurde geöffnet, und ein Mann trat ein.

Michael traute seinen Augen nicht, als er sein eigenes Abbild auf dem Bildschirm sah. Für einen Moment flimmerte die kleine Gestalt vor seinen Augen, aber er war sich nicht sicher, ob es an der Aufnahme lag oder seine Sehkraft aufgrund des Schocks einen Aussetzer hatte, da sich die Erscheinung sofort wieder stabilisierte. Trotzdem konnte Michael nichts von dem glauben, was er mit eigenen Augen sah, denn als er das Verhörzimmer in Wirklichkeit betreten hatte, war König längst tot gewesen und hatte Schott nicht mehr gefesselt am Tisch gesessen. Doch obwohl er wusste, dass das Ganze eine, wenn auch ziemlich raffinierte Fälschung war, zog ihn das weitere Geschehen in seinen Bann und fesselte seine Aufmerksamkeit.

Der Neuankömmling betrat das Verhörzimmer und schloss die Tür. Seit Königs »Herein« hatte sich alles in absoluter Lautlosigkeit abgespielt, als hätte jeder der drei Männer vor Überraschung die Luft angehalten und keinen Ton herausgebracht. Doch Michael vermutete, dass es andere Gründe für die gespenstische Stille geben musste. Da das Band so offensichtlich manipuliert worden war, hatte man unter Umständen verräterische Äußerungen der Beteiligten entfernen müssen. Vielleicht hatte König oder Schott den richtigen Namen des Mannes genannt, der den Raum betreten hatte.

Michael, der seinen eigenen Körper am besten kannte, hatte sofort bemerkte, dass die Person zwar seinen Kopf hatte und die gleiche Kleidung trug wie er, der Körper sich jedoch in grundlegenden Details von seinem eigenen unterschied. Die Gestalt erschien ihm geringfügig kleiner, dafür etwas massiger zu sein. Auch die Proportionen von Hals und Kopf stimmten nach Michaels Überzeugung nicht hundertprozentig überein. Aber vor allem die Körperhaltung war ihm fremd und bewies in seinen Augen am deutlichsten, dass er es hier nicht mit Aufnahmen von sich selbst zu tun hatte, sondern dass sein Kopf auf den Körper eines anderen Mannes kopiert worden war, der wie er gekleidet war und dessen körperliche Erscheinung seiner eigenen ähnelte. Doch für andere waren diese winzigen Abweichungen vermutlich nicht so leicht erkennbar. Sie sahen sein Gesicht, und damit war die Sache für sie glasklar.

Nach der kurzen Phase absoluter Lautlosigkeit waren wieder Geräusche zu hören. Die Kette von Schotts Handschellen klirrte leise, als würden seine Hände vor unterdrückter Erregung zittern. Kurz darauf scharrte ein Fuß geräuschvoll über den Boden, bevor Inquisitor Königs lautes Organ zu hören war und jegliches andere Geräusch übertönte: »Entschuldige bitte, aber was hat dich hierher verschlagen? Ich führe hier gerade eine Befragung durch, wie du unschwer erkennen kannst. Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«

Königs Worte ließen vermuten, dass er den Besucher gut genug kannte, um ihn mit dem vertraulichen Du anzusprechen. Allerdings wusste Michael, dass König nicht viel von übertriebener Förmlichkeit gehalten und fast jeden geduzt hatte, sofern es sich nicht um einen Vorgesetzten oder den Papst persönlich gehandelt hatte. Dennoch verstärkte dieses unscheinbare Detail möglicherweise die beabsichtigte Wirkung auf einen aufmerksamen Zuschauer, da es bekannt war, dass der Leiter des Bereitschaftsdienstes und Michael sich kannten und duzten.

Der Neuankömmling sagte kein einziges Wort, sondern zog in einer fließenden Bewegung eine Pistole aus einem Holster unterhalb der linken Achsel – exakt dort, wo es auch Michael trug.

»He, lass den Unsinn!«, rief König und hob abwehrend die linke Hand, sodass die Handfläche in Richtung der Pistolenmündung wies, als könnte er damit die Projektile aufhalten. »Was immer er dir angetan hat – er ist nur ein Stück Scheiße und es nicht wert, dass du ihn abknallst und damit deine Karriere ruinierst. Also nimm die Waffe runter.«

»Sieh nach vorn, König!« Die Stimme des Mannes mit Michaels Gesicht war nur ein Flüstern und daher nicht identifizierbar.

König schien den Ernst der Situation erkannt zu haben. Er gehorchte und drehte den Kopf, bis er nach vorn zu seinem Gefangenen sah. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als der Bewaffnete mit einem raschen Schritt hinter ihn trat, die Pistole hob und schoss.

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