Kitabı oku: «Die magische Welt Rialar», sayfa 2
Als die Zwillingsbrüder am Gasthaus angekommen sind, haben die Explosionen aufgehört. Als sie die Schankstube betreten, sehen sie bekannte Gesichter von gestern.
Die Brüder werden wieder herzlich gegrüßt und natürlich wollen die anwesenden Maginar erneut eine Geschichte hören.
Erwin enttäuscht die neugierigen Maginar nicht und beschwört Salmin, eine Lichtmaga und Anführerin einer Pioniergruppe. Diese Gruppe hat ein neues Dorf gegründet und aufgebaut. Salmin erzählt, mit welchen Gefahren und Widrigkeiten sie zu kämpfen hatten, und das Publikum hängt ihr gespannt an den Lippen. Unterdessen essen und trinken Erwin und Edwin wieder und genießen den Abend, bis es spät wird und die meisten Zuhörer nach Hause gegangen sind. Dann kommt Salmin zurück in ihr Riaberan und die Brüder beziehen dieselben Zimmer wie in der Nacht zuvor.
Ein kleiner Einblick
***
Am Morgen fällt es den Zwillingen wieder schwer aufzustehen. Sie müssen sich förmlich aus der Decke schälen. Doch als das geschafft ist und sie sich das Gesicht gewaschen haben, sind auch sie bereit für den Tag. In der Schankstube ist es ruhig, da am späten Morgen alle am Arbeiten sind, und die Brüder haben freie Sitzplatz-Wahl. Sie bestellen ein ausgiebiges Frühstück, da sie gestern bezahlt wurden und sich das nun leisten können. Nach dem Frühstück kommt der Wirt zu ihnen und spricht sie beim Abräumen an.
„Noch etwas, heute bekommen wir Ziegenfleisch herein. Soll ich Euch jeweils eine Portion zurücklegen?“
Ein freudiges Grinsen bildet sich auf den Gesichtern der Zwillinge.
„Sehr gerne, es ist ewig her, dass wir einen herrlichen Braten genießen konnten“, antwortet Edwin und Erwin fügt hinzu:
„Das waren doch die Explosionen gestern, oder? Greifen solche Tiere öfter an?“ Der Wirt denkt sich nichts dabei und wirkt gelassen.
„Ja, das passiert hier sehr oft. Die Tiere wittern oder spüren, dass wir Vorräte haben, und wollen diese für sich selbst. Das spielt unseren Jägern natürlich in die Hände, da sie nicht hinaus in die Wildnis müssen. Die Gefahr ist nicht so groß, wenn Ziegen oder Schafe Radau machen. Dramatisch wird es erst, wenn Vögel oder springende Tiere angreifen. Diese können die Mauer überwinden und eindringen. Doch es ist zum Glück lange her, dass das passiert ist.“
Die Brüder hören aufmerksam zu und nicken am Ende, als sie aufgegessen haben. Dann stehen sie auf und bevor die beiden das Gasthaus verlassen, bekommen sie vom Wirt noch eine Brotzeit mit auf den Weg.
Die beiden gehen wiederum zum Amtshaus des Bürgermeisters, doch dort finden sie nur den Diener Rogu vor, der ihnen ausrichtet, dass Bürgermeister Hadien nicht im Amtshaus ist und später zur Lösungsstätte kommen möchte.
Also machen sie sich auch zur Lösungsstätte auf und beeilen sich dabei etwas. Schließlich wissen sie nicht, wie lange der Bürgermeister schon auf sie wartet.
Als die Brüder die Lösungsstätte durch den Eingang betreten, sehen sie einige Maginar vor der Unlebenwacht. Sie werden begrüßt und hineingelassen. Drinnen ist schon der Bürgermeister.
„Ah, da seid Ihr ja. Ich habe mir erlaubt, die Familien der Seelen zu versammeln, deren Lösung noch nicht abgeschlossen ist und die noch auf ihre Lösung warten.“
Bürgermeister Hadien begrüßt die Löser mit seiner üblich tosend lauten Stimme. Die Brüder gehen zu der Gruppe von Stadt-Maginar und stellen sich kurz vor.
„Dann wollen wir weder die Unlebenden noch die Lebenden weiter warten lassen.“ Erwin kling voller Tatendrang, nimmt sich einen Riaberan nach dem anderen und beschwört die Seelen der Reihe nach.
Die Familien der Seelen, die beschworen werden, erkennen ihre Liebsten gleich und es formen sich Gruppen um die Seelen. Es wird über alte Zeiten geredet, Erinnerungen werden hervorgekramt, Konflikte aus der Welt geschafft und Anweisungen für die Zukunft verteilt. Alles in allem ist es ein friedlicher letzter Abschied. Nach einer Weile entschließen sich die ersten Seelen, in das Arkane Netzwerk zu gehen.
Erwin nimmt das jeweilige Riaberan und legt wieder die drei Finger darauf. Dabei wird die Verbindung der Seele zum Riaberan getrennt. Die Seelen steigen auf, bis sie wie von einem Fluss weggeschwemmt werden.
Zuletzt bleibt noch die Seele übrig, die sich am Vortag schon geweigert hat, ihr Schicksal zu akzeptieren. Diese Seele hat sich inzwischen beruhigt, kann aber noch nicht loslassen. Sie richtet das Wort unmittelbar an die beiden Löser.
„Wisst Ihr … Ich hatte noch viel vor. Ich habe weder eine Maga noch Magi’i, meinen Beruf konnte ich auch eher schlecht als recht. Es fühlt sich an, als ob ich nichts erreicht hätte und verschwinden werde, ohne dass sich jemand an mich erinnert.“ Die Seele erzählt den Lösern ihre melancholische Geschichte, was auch auf die Stimmung der anwesenden Maginar schlägt. Erwin antwortet der Seele:
„Wir hinterlassen unser ganzes Leben lang Spuren auf Rialar, ob wir wollen oder nicht. Ich glaube nicht, dass man bestimmte Ziele erreichen muss, um in der Erinnerung seiner Mitmaginar zu bleiben. Sieh dir all die Maginar an, die noch hier sind, um dich zu verabschieden. Ich denke, dass sie alle froh sind, dich gekannt zu haben.“
All die Maganar und Magonar lächeln zur Seele hinauf und teilen ihre Erinnerungen. Nach einer Weile hat sich der Weltschmerz der Seele verzogen und diese ist nun bereit für das Arkane Netzwerk. Zum Abschied haben alle Maginar ihre Hände zur Faust geballt und öffnen diese langsam mit den Worten „Sei befreit“. So löst Erwin die Verbindung der Seele zum Riaberan und sie verschwindet nun auch.
Obwohl keine Seele mehr da ist, bleiben die Maginar noch und wenden sich an die Löser, doch das Wort ergreift der Bürgermeister.
„Werte Löser, diese netten Maginar würden Euch gerne fragen, ob Ihr ihnen ein wenig über den Zustand im Unleben und als Seele erzählen könntet. Unser bisheriger Löser war ein Elementarist, er hat sich um die Körper gekümmert und die Seelen mussten gleich in das Arkane Netzwerk übergehen. So hatten wir keine Gelegenheit, mehr darüber zu erfahren.“
Diese Frage richtet sich offensichtlich an Erwin den Seelensammler, da Edwin auch ein Elementarist ist und daher von sich selbst aus auch keine großen Erfahrungen mit Seelen hat.
„Tja, wenn ich meine Seelenmagie einsetze und mein geistiger Körper den Lebendigen verlässt, fällt es mir schwer, den Geist in Form zu halten. Etwas zieht und zerrt daran. Deshalb kommt es einem vor, als ob die geisterhaften Seelen qualmen, doch das ist nur der Rest des geistigen Körpers, den es in alle Richtungen zerrt. Der Kopf ist meist gut zu erkennen, da er der Sitz des Verstandes ist und auch gleichzeitig der Sitz der Seele“, belehrt Erwin die Menge.
„Doch ich will Euch nicht mit dieser dürftigen Erklärung abspeisen. Ich habe Euch etwas anzubieten. Und zwar begleitet mich eine Seele, die Euch mehr berichten kann. Ich habe sie gestern schon im Gasthaus beschworen. Ihr Name ist Salmin, eine Lichtmaga, die mit einigen Pionieren eine Siedlung gegründet hat. Doch das ist nicht alles, die Siedlung diente einer Expedition, um das Arkane Netzwerk zu erforschen.“
Die anwesenden Maginar sind begeistert. Alle gehen in die Unlebenwacht und die meisten müssen sich auf den Boden setzen, doch wegen der Vorfreude auf die Geschichte scheint es niemanden zu stören.
Erwin beschwört nun die Seele aus dem Riaberan mit seiner Drei-Finger-Berührung. Die Seele steigt auf und blickt auf ihr Publikum hinab. Erwin spricht sie an und erzählt, dass die Maginar gerne mehr über das Arkane Netzwerk erfahren möchten.
Die Seele Salmin schaut sich in dem Raum um, in dem sie beschworen wurde.
„Eine Unlebenwacht, das ist der Raum, in dem ich mir dieselbe Frage gestellt habe wie Ihr jetzt. Natürlich nicht in genau diesem Raum, sondern in der Unlebenwacht in unserem Dorf. Ich hatte gerade der Lösung meiner beiden Geschwister beigewohnt. Als sie sich auflösten, sah es für mich so aus, als ob man Erde in einen reißenden Fluss wirft. Noch waren sie da und im nächsten Moment waren sie weg. Ich fragte mich … existieren sie noch als diejenigen, die ich kannte? Werden sie wirklich wie in einem reißenden Strom herumgewirbelt? Oder verschwinden sie vielleicht im Nichts? Diese Fragen haben mich nicht mehr losgelassen. Damals hatte ich beschlossen, mich der Lichtmagie zu widmen, da sich diese Form der Magie mit dem Sehen und Durchblicken des Verborgenen beschäftigt.
Nach einer langen Zeit des Trainings waren meine magischen Sinne so weit geschärft, dass ich das Arkane Netzwerk förmlich spüren konnte. Ich habe die Ströme und Flüsse des Arkanen Netzwerks in meinem Heimatdorf so weit erforscht, wie ich konnte. Doch das hat mir nach einer Weile nicht gereicht, denn es gab dort keinen Punkt, an dem sich die ganzen Flüsse sammelten. Ich wollte weiter hinaus in die Welt gehen, doch war es für mich allein zu gefährlich. Nach einiger Zeit fasste ich den Beschluss, eine Expedition in unbekannte Gefilde zu leiten. Leider wollte mich niemand zur Erforschung des Arkanen Netzwerkes begleiten. Also fragte ich die Leute in den umliegenden Dörfern, ob sie denn neues Land erschließen möchten. Dafür fanden sich dann glücklicherweise Leute und ich konnte, natürlich nur nebenbei, meinen Forschungen nachgehen, während wir das Land durchstreiften.
So zogen wir los, ich hatte die Expedition gestartet und deshalb war ich auch für die Führung und Navigation verantwortlich. Ich wollte in die Nähe eines großen Sammelpunktes des Arkanen Netzwerks kommen und wenn möglich dort die Siedlung errichten. Meine Begleiter konnten nicht nachvollziehen, wie ich meinen Weg fand. Die anderen konnten die Magieströme, die ich wahrnahm, natürlich nicht fühlen. Ich habe ihnen nie gesagt, wie ich meinen Weg gefunden habe. Vielleicht wussten sie es, vielleicht auch nicht, sie haben sich jedenfalls nie darüber beschwert, wo ich sie hinführte.
Jetzt kommt der spannende Teil. Alle Sammelpunkte des Arkanen Netzwerks waren in Wäldern und sogar in besonders gefährlichen Gebieten mit vielen Tieren, Magrennar und den höchsten Bäumen, die ich je gesehen habe.
Meiner Meinung nach kann nur einer von zwei Gründe dafür verantwortlich sein. Entweder war der Sammelpunkt zuerst da und hat die Natur beeinflusst, so dass die Bäume und Tiere an dem Punkt besonders stark mit magischer Kraft versorgt werden oder es ist genau anders herum, dass die Bäume gut gewachsen sind und sich viele Tiere versammelt haben. Die haben viel Magie abgegeben und so hat sich dort der Sammelpunkt gebildet. Die große Frage ist: Was war zuerst da?“
Die Seele Salmin macht eine dramatische Pause, während die anwesenden Maginar mit Gemurmel untereinander darüber diskutieren, was sie eben gelernt haben. Dann ergreift Salmin wieder das Wort.
„Diese Frage kann ich Euch leider auch nicht beantworten. Ich habe keinen Weg gefunden, das Alter solcher Sammelpunkte des Arkanen Netzwerks herauszufinden. Doch ich konnte sie mit meiner Magie etwas betrachten und zwar wesentlich genauer als jeder andere Magi. Was ich dort gesehen habe, ist ziemlich erstaunlich. Ich habe dort elementare Magie gesehen, aber auch verschiedene Gefühle und verschiedene Magi-Eigenschaften erspäht. Ihr fragt Euch sicher, wie Eigenschaften und Gefühle aussehen, doch als Lichtmaga sieht man diese Seiten an den Maginar. Doch in diesen Sammelpunkten waren diese Teile nicht als Ganzes, sondern in Einzelteilen vorhanden. Als wäre eine Seele, wie ich es bin, eine Mauer und im Sammelpunkt war dieselbe Mauer vorhanden, nur nicht in einem Stück, sondern dort sind die Steine durcheinandergeflogen. Deshalb habe ich die Theorie, dass die Seelen, wenn sie in das Arkane Netzwerk übergehen, in ihre Bestandteile wie Wut, Neid, Willenskraft, Wahrnehmung und so weiter zerlegt wird. Deshalb auch die Gefühlsfelder. Wenn ein Gefühl zu stark am Ort des Übergangs gebunden ist, steckt es sozusagen im Strom fest. Dann wird das Gefühl vom Arkanen Netzwerk nur noch mehr gespeist und beeinflusst alles in der Umgebung.
Doch zurück zu den Bestandteilen der Seelen. In einem Sammelpunkt des Arkanen Netzwerks sind die Bestandteile von sehr vielen Maginar vermischt, je nachdem, wo sie nach ihrer Lösung hingetrieben wurden. Und wenn ein neues Magi’i geboren wird, werden diese Bestandteile vom Neugeborenen angezogen und zufällige Gefühle und Eigenschaften bilden eine neue Seele. Das könnte auch für Tiere gelten, auch ihre Eigenschaften kommen in diese Sammelpunkte und wenn sich Maginar-Bestandteile mit denen von Tieren vermischen, könnte das die Existenz der Magrennar erklären. Das ist alles natürlich hoch theoretisch, doch vor dem Beweis muss ja schließlich die Theorie kommen, oder?“
Ein lautes Raunen geht durch den Raum. Die Maginar müssen das alles verarbeiten, indem sie weiter darüber miteinander diskutieren. Dann meldet sich eine Maga aus der Gruppe.
„Dann wäre das so, dass unsere Magi’inar die Fähigkeiten und Gefühle der durch Lösung freigegebenen Unlebenden bekommen? Beispielsweise meiner Großeltern?“ Salmin antwortet gleich auf die Frage:
„Ganz genau, nun welche Fähigkeiten und Gefühle die Magi’inar bekommen, ist im Grunde Zufall, doch es ist möglich. Jedoch konnte ich in solchen Sammelpunkten keine Persönlichkeiten und Erinnerungen finden. Diese werden wohl zum Arkanen Netzwerk selbst. Die Theorie beschränkt sich ganz auf Fähigkeiten, Eigenschaften und Gefühle, all unsere Instinkte sozusagen.“ Wieder unterhalten sich die Maginar im Publikum über das gerade Gelernte.
„Doch das soll es erst mal gewesen sein, den ausführlichen Bericht gibt es in verschiedenen Städten im Norden. Fragt einfach im Archiv nach meinen Forschungen“, verabschiedet sich die Seele Salmin von den Zuhörern und zieht sich kleiner werdend in ihr Riaberan zurück.
„Wenn Euch die Geschichte gefallen hat, liebe Maganar und Magonar, lassen Sie uns doch bitte den einen oder anderen Luxon da. Diese sehen wir gerne als Wertschätzung für unsere Arbeit und die Bereitwilligkeit der Seelen, ihre Geschichten zu erzählen.“
Als sich dann das Publikum auflöst und sich weiter über das eben Gehörte unterhält, geben sie einige Luxon her. Es ist nicht viel, doch das Abendbrot ist gesichert.
Am Ende, als die Löser allein mit dem Bürgermeister in der Unlebenwacht sind, sieht man Hadien seine Begeisterung an und er spricht die Brüder voller Entzückung an.
„Das ist beeindruckend, nicht nur habt Ihr diesen ganzen Maginar ermöglicht, sich von ihren Liebsten zu verabschieden, Ihr habt ihre Trauer auch noch in Wissen und Hoffnung verwandelt. Das ist erstaunlich für zwei Tage Arbeit. Ich fühle mich fast schuldig, aber würdet Ihr bitte noch die verbliebenden Unlebenden lösen? Dann kommt Ihr zu mir, ich gebe Euch Euren restlichen Lohn und spendiere Euch im Gasthaus so viel, wie Ihr saufen könnt.“ Die Zwillinge verziehen keine große Miene, sie schmunzeln nur über die ganze Begeisterung und das Lob.
„Gut, dann kümmern wir uns um die verbliebenen Unlebenden und wenn wir fertig sind, kommen wir gleich zu Euch“, geben die Löser zurück und wenden sich dann ihrer Arbeit zu.
„Sehr wohl, ich will Euch nicht weiter von der Arbeit abhalten, wir sehen uns dann, wenn Ihr fertig seid.“
Bürgermeister Hadien verlässt die Unlebenwacht mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Wie es scheint, hat auch er über etwas nachzudenken, was er hier über das Arkane Netzwerk gelernt hat.
Die weiteren Lösungen laufen ohne Zwischenfälle ab. Die Seelen erwachen eine nach der anderen aus ihren Körpern. Keine der Seelen ist begeistert von ihrer Situation, doch sie akzeptieren es. Ausnahmslos alle Seelen wollen gleich in das Arkane Netzwerk übergehen, sie haben keine Angelegenheiten mehr mit den Lebenden zu klären. Die Brüder freut es, da es ihnen keine extra Arbeit macht, doch sie müssen es den Seelen zumindest anbieten.
So ist die Arbeit kurz nach Sonnenuntergang erledigt. Die Brüder räumen die Riaberane auf und kehren die Unlebenwacht aus. Dann sind sie bereit für den Feierabend. Sie verlassen die Unlebenwacht in Richtung des Amtshauses des Bürgermeisters.
Beim Amtshaus angekommen, werden sie gleich von Rogu und dem Bürgermeister empfangen. Zu viert machen sie sich auf zum Gasthaus, in dem die Brüder auch schon zweimal übernachtet haben. Dort angekommen wird wieder herzlich gegrüßt, besonders Bürgermeister Hadien möchte jeden Gast und den Wirt einzeln begrüßen und die Hand schütteln. Rogu kennt dieses Verhalten vom Bürgermeister und wählt mit den Zwillingen währenddessen einen Tisch für alle vier aus. Nachdem er ausnahmslos jedem die Hand geschüttelt hat, gesellt sich Hadien zu den Zwillingen und Rogu. Zusammen essen und trinken sie und erzählen sich Geschichten und Anekdoten bis spät in die Nacht hinein. Ordentlich angeheitert wanken Hadien und Rogu nach Hause, während die Brüder wieder ihre üblichen Zimmer zum Schlafen bekommen und sich erschöpft in die Betten fallen lassen.
Ein Käfig aus Zorn
***
Der nächste Morgen fängt für die Zwillingsbrüder noch später an als sonst. Dank des Katers schlafen die beiden bis zur Mittagszeit. Die hochstehende Sonne zwingt sie förmlich aus dem Bett und nach dem langen Schlaf sind auch die Kopfschmerzen durch den gestrigen Alkoholgenuss fast verflogen. Im Schankraum angekommen, bestellen sich die Brüder gleich Wasser für den trockenen Mund und, da es sowieso Mittag ist, auch gleich Mittagessen dazu.
Danach führt ihr Weg sie wieder zum Amtshaus des Bürgermeisters. Sowohl Rogu als auch der Bürgermeister hatten leider nicht die Möglichkeit, nach der durchzechten Nacht auszuschlafen. Sie mussten schon früh raus und sind deshalb langsamer in ihrer Arbeit als sonst. Rogu lässt die Brüder zum Bürgermeister durch und Hadien selbst sitzt an seinem Schreibtisch und bearbeitet seine Schriftrollen.
„Grüße, werte Löser, ich hoffe, Euch geht es besser als dem guten Rogu und mir. So eine lange Nacht hatten wir schon länger nicht mehr. Wir sind das wohl nicht mehr gewohnt“, flüstert er fast schon, da ihm wohl der Kater zu schaffen macht.
„Ja, wir haben den Vorteil, uns unsere Arbeitszeiten selbst einzuteilen. Jedenfalls wollten wir sagen, dass wir heute noch in der Stadt bleiben. Normalerweise würden wir weiterziehen, da wir in der Regel nicht viel Geld auf einmal verdienen. Doch da Ihr uns vielleicht noch braucht für den unglückseligen Fall von Unleben, bleiben wir, wie wir es am ersten Tag ausgemacht haben.“ Bürgermeister Hadien ist erleichtert über die Bereitschaft der Löser, noch etwas zu bleiben.
„So ist es, wir wollen es nicht hoffen, doch ein Fall von Unleben kann immer eintreffen. Falls das geschieht und Ihr eine oder mehrere Lösungen durchführen müsst, bekommt Ihr die üblichen 25 Luxon pro Lösung. Wenn nichts geschieht, bekommt Ihr für Eure Bereitschaft 15 Luxon pro Tag“, wiederholt der Bürgermeister die Vereinbarung noch mal.
„Wir werden uns dann das Zornesfeld im Südosten ansehen. Warum wurde es bisher nicht entkräftet, wenn Ihr doch ein Lichtmago seid und Ihr dies vorher schon mit Eurem ehemaligen Löser gemacht habt?“ Auf die Frage lehnt sich Bürgermeister Hadien in seinen Stuhl zurück und seufzt schwer.
„Die Sache ist die, ich habe es versucht. Dieses Zornesfeld ist ungewöhnlich stark. Mir ist es nicht möglich, nahe genug heranzukommen, um es zu entkräften. Alle anderen Lichtmagi, die bisher hier waren, haben sich auch daran versucht, doch keiner hat es geschafft. Ich hatte gehofft, es kommt irgendwann ein Licht- oder eine Art Gefühlsmagi, der erfahren genug ist, um dieses Zornesfeld zu entkräften. Doch bis jetzt hatte ich kein Glück.“ Der Gesichtsausdruck des Bürgermeisters bleibt bei der Erklärung düster und ernst.
„Was Ihr erzählt, macht uns noch neugieriger darauf. Wir sind zwar keine Lichtmagi und können dieses Zornesfeld wahrscheinlich nicht entkräften, doch wir haben Salmin dabei, vielleicht kann sie herausfinden, ob das Zornesfeld besondere Umstände verbirgt.“ Nachdem Erwin das sagte, wird Hadien nachdenklich.
„Hmm, so habe ich das noch nie gesehen. Schon viele Magi wurden vom Zorn dieses Felds verschlungen und fanden das Unleben. Bisher haben sich nur Lichtmagi dorthin begeben, um das Zornesfeld zu entkräften. Vielleicht gibt es uns Aufschluss über das Feld, wenn sich Löser und Seelen das einmal ansehen.“ Hadien überlegt und schaut in Gedanken aus dem Fenster in die Ferne, dann wendet er sich wieder den Zwillingen zu.
„Doch seid vorsichtig. Wie ich schon sagte, diesem Zornesfeld sind schon viele erlegen. Geht man zu nahe ran oder bleibt zu lange in der Nähe, gibt es kein Zurück aus dem Zorn.“
Die Brüder nicken bestätigend und verlassen das Büro und das Amtshaus in Richtung Südosten.
Sobald die beiden die Stadt verlassen, werden sie vorsichtiger. Sie sind lange genug herumgereist, um zu wissen, wie schnell außerhalb von Ortschaften Tiere aus dem Nichts auftauchen können. Die Karte mit den Markierungen des Lichtmago Hadien führt sie in einen Wald.
Bevor die beiden den Wald betreten, suchen sie nach einem Pfad, der in den Wald hineinführt. Wenn Orte regelmäßig besucht werden, sind immer Wege vorhanden, um den sichersten Pfad zu markieren.
In diesen Wald ist allerdings schon lange niemand mehr gegangen. Es ist nicht mal die Spur eines Pfades in den Wald zu sehen. So suchen sich die Brüder eine geeignete Stelle, an der die Bäume nicht so nahe beieinander stehen, um den Wald zu betreten. Edwin benutzt seine Erdmagie, um die Pflanzen vor sich in Wellenbewegungen links und rechts auf die Seiten zu verschieben. So schafft Edwin kurzerhand selbst einen Pfad in den Wald hinein und Erwin folgt Schritt für Schritt hinterher. Auf diese Weise könne sie allerdings nur Gräser und kleinere Blumen aus dem Weg bekommen. Bäume, Sträucher und dergleichen müssen sie immer noch umgehen. So schlängelt sich der Weg der Zwillinge durch den Wald, immer auf der Hut vor der Natur um sie herum.
Je näher sie ihrem Ziel kommen, desto mehr spüren sie den Zorn, der üblicherweise von einem Zornesfeld abgegeben wird. Die Brüder fühlen immer größere Aggressivität in sich aufsteigen und ihre Sicht verschwimmt etwas. Der Zorn ist schwer zu ertragen, als sie endlich etwas sehen können. Die Zwillinge müssen erstmal eine Weile die Augen schließen und gleichmäßig durchatmen, damit sie sich dort etwas länger aufhalten können.
Sie sehen vor sich seltsam geformte Holzstacheln wie Bäume ohne Äste und Blätter, die wie spitze Finger aus dem Boden ragen und alle im Kreis zu einen Mittelpunkt gekrümmt sind. Solche Pflanzen haben die beiden noch nie gesehen. Um nicht den ganzen Weg umsonst gegangen zu sein, beschließen sie, die Seele Salmin um Rat zu fragen, um wenigstens ein wenig über dieses Zornesfeld herauszufinden. So wird Salmin kurzerhand beschworen. Jedoch verwendet Erwin anfangs nur wenig magische Kraft, damit sich die Seele nur langsam manifestieren kann. Anfangs wundert sich die Seele, warum sie ihr Riaberan nur so langsam verlassen kann. Doch nachdem sie halbwegs draußen ist, wird es ihr klar. Das Zornesfeld beeinflusst sogar die Seelen der Unlebenden. Salmin spürt den Zorn, der sie einnehmen will, doch der Abstand zum Zornesfeld ist groß genug, um noch bei Verstand zu bleiben.
„Das ist das seltsamste Gefühlsfeld, das ich jemals gesehen habe. Hast du eine Ahnung, wie das zustande gekommen ist?“, fragt Erwin die Seele, während diese in Richtung der Quelle des Zornesfeldes blickt.
„Ja, ich denke, ich habe den Ansatz einer Ahnung für diesen seltsamen Anblick. Ich spüre einen leichten Puls von dem Zornesfeld ausgehen. Seht Ihr den geisterhaften Nebel, der meine Form umgibt? Der wird in pulsierenden Abständen von dem Zornesfeld weggedrückt. Das habe ich schon mal gespürt, wenn sich zwei Ströme des Arkanen Netzwerkes gekreuzt haben und zwar in gegensätzlicher Richtung. Es verhält sich so, als ob zwei Wildscheine regelmäßig aufeinanderprallen. Doch es hat noch mehr mit dem Zornesfeld auf sich. Seht Ihr diese fingerartigen Bäume, die dort wachsen? Das sind eigentlich normale Bäume, aber ihnen wird Kraft entzogen. Sie wachsen nicht sehr hoch und nehmen seltsame Formen an, wenn sie von einem starken Strom des Arkanen Netzwerkes durchzogen werden UND ein Unlebender in der Nähe liegt. Diese sehen nicht wie Bäume aus, wahrscheinlich liegt es an dem Zornesfeld, dass sie so geformt sind“, berichtet die Seele den Lösern.
„Dann ist das Zornesfeld nur so stark und weitreichend, weil mindestens zwei besondere Umstände zusammengekommen sind? Würde es helfen, wenn wir die Umstände einen nach dem anderen angehen?“, schlägt Erwin vor, nachdem er sich Salmins Bericht angehört und etwas nachgedacht hat, was in der Nähe eines Zornesfeldes gar nicht so einfach ist.
„Ich denke, das ist die einzige Möglichkeit, dieses Zornesfeld zu entfernen. Nun ja, außer Ihr habt einen so mächtigen Lichtmagi, der aus dieser Entfernung eine Gefühlsquelle zwischen zwei Strömen entkräften kann. Glaubt mir, dafür ist große magische Kraft nötig. Wenn Ihr den Unlebenden in der Nähe lösen könntet, würde das gleich um ein Vielfaches leichter werden.“
Salmin klingt dabei sehr enthusiastisch.
„Dann wissen wir, was zu tun ist, danke.“ Mit Stolz zieht sich die Seele in ihr Riaberan zurück.
Edwin benutzt wieder seine Erdmagie und lässt eine Erdwelle in Richtung des Zornesfeldes gleiten, um zu fühlen, wo sich der Körper das Unlebenden befindet. Leicht zu finden ist der Körper nicht, der Unlebende ist halb in der Erde versunken und von Wurzeln und Ranken umschlossen, als wäre er Teil der Natur. Nachdem die beiden nun wissen, wo sich der Körper befindet, ist es jetzt an Erwin, ihn zu lösen. Er streckt den linken Arm aus und seine Seelenhand kommt aus seiner physischen Hand herausgefahren. Nun spürt Erwin auch die impulsartigen Stöße vom Zornesfeld, die seine geisterhafte Hand immer wieder zurückstoßen. Wie eine Schlange windet sich die Seelenhand nach vorne Richtung Zentrum des Zornesfeldes. Wegen des Gegenwindes ist es für Erwin sehr viel schwerer, zum Unlebenden zu kommen. Immer wieder wird von den Impulsen etwas Nebel der geisterhaften Hand weggedrückt. Doch die Hand kann nicht einfach irgendetwas greifen und sich ausruhen, da das nächste Seelenhafte in der Nähe erst der Unlebende im Zentrum der Impulswelle ist. Es braucht eine ganze Weile und kostet viel Konzentration von Erwin, sich des Zornes zu erwehren und die Seelenhand zum Unlebenden zu bewegen. Die Anstrengung und Konzentration schwächen Erwin gegenüber dem pulsierenden Zorn.
„Wo ist dieser vermaledeite Körper! Versteckt er sich absichtlich?!“, brüllt Erwin frustriert. Ihm läuft der Schweiß von der Stirn, da er keine Pause machen kann und sich der geistige Stress auch körperlich bemerkbar macht. Er bekommt Kopfschmerzen, seine Muskeln verkrampfen sich und die Glieder fangen an, weh zu tun. So hat das Zornesfeld leichtes Spiel mit ihm und er zwingt sich immer weiter Richtung Zentrum des Zornesfeldes mit seiner Seelenhand.
„Ich finde dich schon noch und dann reiße ich dich heraus! Du wirst schon sehen!“, brüllt er wieder und nach weiteren Strapazen kommt die Hand am Körper an. Die geisterhafte Hand von Erwin kann sich dann an der schlafenden Seele im Körper des Unlebenden festhalten und wird nicht mehr so leicht vom Impuls zurückgeworfen. So kann Erwin ein wenig durchatmen und entspannen, bis er sich wieder soweit konzentrieren kann, um die Seele aus dem Körper zu ziehen.
Das entpuppt sich auch nicht direkt als leichte Aufgabe. Erwin zieht, zerrt und hebelt mit der Geisterhand an der Seele im Körper, um sie von diesem zu lösen. Als die Seele nicht gleich aus dem Körper herauskommt und Erwin sich auf die Lösung konzentriert, zerrt das Zornesfeld wieder an seinen Nerven. Er wird ungeduldig und hastig und fängt an, ruckartig an der Seele zu ziehen.
„Komm jetzt heraus! Oder gefällt es dir hier etwa so gut?! Heute nehme ich dich mit!“, brüllt er wieder und braucht alle Konzentration und Erfahrung, die er als Löser hat, um Erfolg zu haben, aber der Zorn lässt ihn von Moment zu Moment der Seele gegenüber rücksichtloser werden. Schließlich löst sich die Seele mit einem Ruck aus dem Körper heraus. Im ersten Augenblick schwebt die Seele unkontrolliert umher und gleitet auch durch den roten Orb, der das Zentrum des Zornesfeldes darstellt. Das können die Brüder von ihrer Position nicht sehen, denn die Hand geht durch die fingerartigen Bäume. Der Seelensammler hält die Seele an der Schulter fest in seiner geisterhaften Hand, als er diese zurück zu sich zieht. Es sieht aus, als würde ein Seil zurück auf die Winde gezogen werden, bis die Seele direkt vor ihm schwebt, immer noch in seinem Griff. Etwas ist im ersten Moment seltsam mit der geisterhaften Gestalt, doch die Brüder wollen nicht noch mehr Zeit in der Nähe dieses Zornesfeldes verbringen. Die Seele wird kurzerhand in ein Riaberan gepackt. Dann gehen die Zwillinge denselben Weg zurück, den sie gekommen sind, bis sie wieder vor dem Wald stehen und sich zurück zum Weg orientieren. Erst als sie wieder auf Kies stehen, legen sie sich rücklings auf den Boden, schließen die Augen und lassen die zornerfüllten Gedanken weichen.
Sie verdrängen den Zorn mit angenehmen Gedanken mit Erinnerungen an fröhliche Abende, Feiern mit Freunden und Spaß auf Festen. Erst als ihre Herzen sich wieder beruhigt haben, stehen sie auf und gehen den Weg in die Stadt Oradi zurück.
Der Himmel ist orange und die Sonne geht gerade unter, als sie zurück in der Stadt sind. Die Brüder wollen gleich zum Bürgermeister Hadien, um ihm von ihrem Erlebnis zu berichten. Am Amtshaus angekommen, kommt ihnen der Bürgermeister auch schon entgegen.
„Verzeiht, werte Löser, doch ich muss noch dringend zu einer Besichtigung. Geht bitte zu Rogu, er wird Euch die Luxon für den Tag geben“, gibt er den beiden kurz angebunden zu verstehen und geht dann weiter. Die Zwillinge gehen zur Tür und Rogu lässt sie hinein. Er händigt ihnen die 15 Luxon für den Tag auf Bereitschaft aus und bittet sie, den Bürgermeister morgen noch mal aufzusuchen.