Kitabı oku: «Das Lebenselixier», sayfa 3
Kapitel IV
Ich hatte nun das Alter erreicht, in dem ein ambitionierter Mann befriedigt auf seine Erfolge in der Welt zurückblickend das heftige Verlangen einer unbefriedigten Zuneigung und die Leere eines einsamen Herzens zu spüren beginnt. Ich beschloss zu heiraten und sah mich nach einer Frau um. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich der Leidenschaft der Liebe keinen Platz in meinem Leben gegönnt. Tatsächlich hatte ich sogar in frühester Jugend mit einer Art stolzer Verachtung auf die Leidenschaft wie auf eine Krankheit herabgesehen, die aus weibischem Müßiggang entsprang und von einer überreizten Einbildungskraft genährt wurde.
Ich hoffte in meiner zukünftigen Frau eine vernünftige Gefährtin, einen liebevollen und zuverlässigen Freund zu finden. Keine Heiratspläne konnten weniger romantisch und nüchterner sein, als meine Überlegungen. Genau so wenig stellte ich Ansprüche überheblicher oder gewinnsüchtiger Natur. Ich achtete nicht auf Vermögen oder Verbindungen. Mein ganzer Ehrgeiz galt meinem Beruf, dem weder eine adlige Verwandtschaft noch eine üppige Mitgift dienen konnten. Ich achtete nicht auf außergewöhnliche Schönheit und verlangte von einer Frau auch nicht das Bildungsniveau der Vorsteherin einer höheren Mädchenschule.
Als ich die Entscheidung getroffen hatte, mir eine Gefährtin zu suchen, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es schwer sein würde eine Wahl zu treffen, die meine Vernunft billigen würde. Aber es verging Tag um Tag, Woche um Woche und obwohl es in den Familien, die ich besuchte, viele junge Damen gab, deren Eigenschaften meinen Vorstellungen mehr als entsprachen und die, wie ich mir schmeicheln darf, meine Werbung nicht zurückgewiesen hätten, fand ich doch keine darunter, deren lebenslanger Gesellschaft ich nicht die Einsamkeit, die ich inzwischen so lästig fand, vorgezogen hätte.
Eines Abends kehrte ich von der Visite einer armen Patientin zurück, die ich unentgeltlich behandelte und deren Zustand mich mehr in Anspruch nahm, als irgendein anderer meiner Fälle – denn obwohl man ihren Zustand im Hospital als hoffnungslos eingestuft hatte und sie nach Hause zurückgekehrt war, um im Kreis ihrer Familien zu sterben, war ich mir sicher, dass ich sie retten könne und ihr Zustand schien sich tatsächlich unter meiner Pflege zu verbessern.
An diesem Abend – einem fünfzehnten Mai – fand ich mich plötzlich vor den Toren des Hauses wieder, welches Dr. Lloyd bewohnt hatte. Das Haus war seit seinem Tod unbewohnt; die Miete, die der Eigentümer forderte, wurde als sehr hoch angesehen und seine Lage auf dem geheiligten Berg schreckte aus Scheu oder Stolz die reicheren Kaufleute ab. Das Gartentor stand weit offen, genau wie in der Winternacht, in der ich dem Sterbenden den letzten Besuch abstattete. Die Erinnerung an das Sterbebett kehrte lebhaft zurück und die phantastische Drohung des Sterbenden dröhnte erneut in meinen Ohren. Ein unwiderstehlicher Impuls, den ich mir nicht erklären konnte und auch heute noch nicht erklären kann – das genaue Gegenteil des Drangs, der uns veranlasst den Platz einer schmerzhaften Erinnerung schleunigst zu verlassen – veranlasste mich, durch das geöffnete Tor den vernachlässigten, mit Gras bewachsenen Weg zu betreten und das Haus, das ich bisher nur in der Finsternis einer Winternacht unter einem melancholischen Mond gesehen hatte, im Licht der untergehenden Frühlingssonne zu betrachten.
Als das zum Teil mit Efeu bewachsene Haus mit seinen dunkelroten Backsteinen in Sicht kam, bemerkte ich, dass es nicht länger unbewohnt zu sein schien. Ich sah Gestalten sich hinter den geöffneten Fenstern hin und her bewegen; ein beladener Möbelwagen stand vor der Haustüre und ein Diener in Livré überwachte das Entladen des Inventars. Offensichtlich war gerade eine Familie dabei, hier einzuziehen. Ich fühlte mich durch mein Eindringen ein wenig beschämt und wollte mich gerade rasch wieder entfernen, als ich Vigors in Begleitung einer Dame mittleren Alters in der Nähe des Gartentors bemerkte. Gleichzeitig bemerkte ich einen Pfad, der seitlich durch das Gestrüpp zu einer kleinen Gartentüre aus dem Garten führte. Ich wollte der Dame, die ich für die neue Besitzerin hielt, nicht begegnen, um nicht eine unbeholfene Entschuldigung für das widerrechtliche Betreten ihres Grundstückes anbringen zu müssen und noch weniger wollte ich mich in der eigenartigen und unwürdigen Lage, in der ich mich befand, dem verächtlichen Blick von Mr. Vigors aussetzen. Unwillkürlich schlug ich deshalb den Seitenweg ein, auf dem ich unbemerkt zu entkommen hoffte. Auf halbem Weg zwischen Haus und Gartentüre hörte plötzlich das Gestrüpp auf und ermöglichte den Blick auf einen von den unregelmäßigen Trümmern eines alten Backsteinbaus umgebenen freien Platz, der zum Teil mit Farn, Schlingpflanzen, Unkraut und wilden Blumen überwachsen war. In der Mitte des Kreise befand sich ein Springbrunnen oder vielmehr ein Brunnen, über den sich ein auf kleinen normannischen Säulen ruhendes verwittertes und baufälliges gotisches Vordach spannte. Eine große Trauerweide ließ ihre Äste über das unverkennbare Relikt der alten Abtei hängen. Ein Hauch von Altertum, Romantik und Legende lag über dem Platz, der so plötzlich zwischen dem zarten Grün des jungen Gewächses auftauchte. Aber es war nicht das verfallene Gemäuer oder das gotische Brunnendach, das meinen Lauf hemmte und mein Auge bezauberte.
Es war eine einsame Gestalt, die inmitten der traurigen Trümmer saß.
Die Gestalt war so zart, das Antlitz so jung, dass ich beim ersten Anblick vor mich hin murmelte: „Was für ein hübsches Kind.“ Aber als mein Blick länger auf ihr ruhte, erkannte ich in den nachdenklich hochgezogenen Brauen, dem süßen, ernsten Ausdruck des Gesichts und den leichten Rundungen des Umrisses der zarten Gestalt die unbeschreibliche Würde einer jungen Frau.
Auf ihrem Schoss lag ein Buch und zu ihren Füßen ein Körbchen, das halb mit Veilchen und Blüten gefüllt war, die offensichtlich von den die Trümmer überwuchernden Pflanzen abgepflückt worden waren. Hinter ihr fielen wie ein grüner Wasserfall in einem Bogen die Zweige der Weide in einer Woge aus zartem Grün, am Gipfel hell von den freundlichen Strahlen der untergehenden Sonne beschienen, in immer dunkleren Schattierungen bis auf den Rasen herab.
Sie beachtete mich nicht, schien mich nicht einmal wahrzunehmen. Ihre Augen schienen derart an einem Punkt des Horizonts, an der Scheitelinie zwischen den Baumwipfeln, der Ruine und dem endlosen Blau des Himmels festgebannt zu haften – so konzentriert, dass ich mich unwillkürlich umwandte, um der Richtung ihres Blicks folgen zu können. Es schien, als warte sie darauf, dass irgend ein vertrautes Zeichen aus den Tiefen des Alls auftauchte oder als wolle sie vor irgend einem anderen Lebewesen das erste Blinken des Abendsterns wahrnehmen.
Die Vögel hüpften aus den Zweigen der umgebenden Bäume und Sträucher so furchtlos neben ihr herum, dass einer von ihnen sogar an den Blumen in dem Körbchen zu ihren Füßen herum pickte. Es gibt ein berühmtes deutsches Gedicht mit dem Titel „Das Mädchen aus der Fremde“, das ich in meiner Jugend gelesen hatte und je nach Ansicht des Kommentators als Allegorie auf den Frühling oder die Poesie gedeutet wurde. Es schien mir, als ob das Gedicht für sie geschrieben worden wäre. In der Tat hätte ein Dichter oder Maler in ihr eine Verkörperung beider Prinzipien, jedes eine Bereicherung für die Erde erkennen können: beide bezaubern die Sinne unserer Wahrnehmung und doch rufen beide Gedanken in uns hervor, die zwar nicht unbedingt traurig zu nennen, aber doch der Trauer verwandt sind.
Ich hörte hinter mir das Geräusch von Schritten und eine Stimme, die ich als die von Mr. Vigors erkannte. Der Zauber, der mich gebannt hielt, zerbrach und ich eilte verwirrt auf die kleine Gartentüre zu, welche mich über eine kleine abwärts führende Treppe auf die Hauptstraße hinaus führte. Und wieder lag der Alltag vor mir. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite Häuser, Läden, Kirchtürme; einige Schritte weiter das geschäftige Treiben der Straßen! Wie unendlich weit und doch so kurz liegt die normale Welt vom Feenland der Romantik entfernt, das sich vor uns aus der Härte der materiellen Welt öffnet, wenn sich die Liebe an unsere Seite stiehlt, um wieder in sie zurückzusinken, sobald die Liebe lächelnd oder seufzend sich von uns verabschiedet!
Kapitel V
Noch am Abend zuvor hatte ich auf Mr. Vigors mit erhabener Gleichgültigkeit herabgesehen! Welche Wichtigkeit erlangte er nun in meinen Augen! Die Dame, mit der ich ihn gesehen hatte, war ohne Zweifel die neue Bewohnerin des Hauses, welches offensichtlich auch dem jungen Mädchen, von dem mein Herz so seltsam berührt worden war, als Heim diente. Vermutlich waren die beiden Damen Mutter und Tochter. Mr. Vigors, welcher der Freund einer, vielleicht sogar mit Beiden verwandt war, konnte sie von vornherein gegen mich einnehmen – konnte vielleicht.... – ich sprang auf und kappte den Faden der Vermutungen, denn genau vor meinen Augen, auf dem Tisch, neben den ich mich nach dem Betreten des Raumes gesetzt hatte, lag eine Einladungskarte:
Mrs. Poyntz |
zu Hause, |
Mittwoch, den 15. Mai |
Früh morgens. |
Mrs. Poyntz, Mrs. Colonel Poyntz, die Königin des Hills? Dort, in ihrem Haus, konnte ich bestimmt alles Wissenswerte über die Neuankömmlinge erfahren, die sich kaum ohne ihr Einverständnis auf ihrer Domäne hätten niederlassen können.
Hastig wechselte ich meinen Anzug und erstieg mit klopfendem Herzen den ehrfurchtgebietenden Berg.
Ich benutzte dazu nicht die Seitengasse, die direkt zum Abbots´ House führte (das alte Haus stand einsam inmitten des Grundstücks - ein wenig abseits von der geräumigen Fläche gelegen, auf der sich die Gesellschaft des Hills konzentrierte), sondern die breite Straße, die von zwei Reihen Gaslampen flankiert wurde. Die prächtigeren Läden waren noch nicht geschlossen und die Flut des Geschäftslebens ebbte nur langsam von den immer noch belebten Straßen zurück, hin zu einem freien Platz auf dem die vier Hauptstraßen der Stadt zusammenliefen und der die Grenze zur Low Town bildete. Ein großer dunkler Bogengang, in einem Winkel dieses Vierecks gelegen und im Volksmund Monk´s Gate genannt, bewachte den Eingang zum Abbey Hill. Nachdem man den Bogen passiert hatte, fühlte man sofort, dass man sich in einer Stadt der Vergangenheit befand. Der Bürgersteig war eng und uneben; die Läden klein mit hervorspringenden oberen Stockwerken, welche gelegentlich malerische arabeske Stuckverzierungen trugen. Eine kurze, aber steile und stark gebogene Steigung führt zu der alten Abbey Church, vornehm in der Mitte eines riesigen Vierecks gelegen, um das die düsteren, vornehmen Wohnungen der Areopagiten des Hills lagen. Noch vornehmer und weniger düster – mit erleuchteten Fenstern und Blumen auf dem Balkon – stand links und rechts durch eine Gartenmauer bewehrt das Herrschaftshaus der Mrs. Colonel Poyntz.
Als ich den Salon betrat, hört ich die Stimme meiner Wirtin – es war eine klare, entschlossene, metallische, glockenartige Stimme die Worte sprechen: „...wer das Abbot´s House bezogen hat? Das werde ich Ihnen sagen.“
Kapitel VI
Mrs. Poyntz hatte auf dem Sofa Platz genommen; zu ihrer Rechten saß die dicke Mrs. Bruce, Enkelin eines schottischen Lords; zu ihrer Linken die magere Miss Brabazon, Nichte eines irischen Baronets. Um sie herum – einige sitzend, die meisten stehend – hatten sich alle Gäste gruppiert, ausgenommen zwei ältere Herren, die sich mit Colonel Poyntz abseits in der Nähe des Whist-Tisches aufhielten und zur Vervollständigung ihrer Partie auf den vierten Gentleman warteten, der sich jedoch nicht aus dem Zauberkreis, in den ihn die Neugierde, jene stärkste aller sozialen Dämoninnen, gebannt hatte, freimachen konnte.
„Wer das Abbots´ House bezogen hat? Das werde ich Ihnen sagen... – ah, Dr. Fenwick, freut mich Sie zu sehen. Sie wissen, dass das Abbots´ House zu guter Letzt einen Mieter gefunden hat? Und Sie, Miss Brabazon, fragten gerade, wer es bezogen hat? Ich werde es Ihnen sagen – eine ganz besondere Freundin von mir.“
„Tatsächlich? Mein Gott...!“ sagte Miss Brabazon mit verwirrter Miene „ ich hoffe ich habe nichts gesagt, dass...“
„Meine Gefühle verletzen könnte? Nicht im Geringsten. Sie sagten, Ihr Onkel Sir Phelim beschäftigte einen Kutschenbauer namens Ashleigh, das Ashleigh ein ungewöhnlicher, Ashley jedoch ein weit verbreiteter Name sei. Sie deuteten in diesem Zusammenhang den entsetzlichen Verdacht an, Mrs. Ashleigh, unser Neuzugang auf dem Hill, könnte die Witwe eines Kutschenbauers sein. Ich darf Sie beruhigen – es ist nicht, wie Sie denken. Sie ist die Witwe von Gilbert Ashleigh von Kirby Hall.“
„Gilbert Ashleigh,“ sagte einer der Gäste, ein Junggeselle, der von seinen Eltern für eine Kirchenlaufbahn bestimmt worden war, aber – genau wie der arme Goldsmith – nicht gut genug für dieselbe zu sein meinte – ein Fehler allzu großer Bescheidenheit, da er zu seinem sehr harmlosen Geschöpf herangereift war. „Gilbert Ashleigh? Ich war mit ihm in Oxford - ein Stipendiat, des Christ Church Kollegiums. Ein gut aussehender Mann, hat ziemlich geochst...“
„Geochst..? Was heißt das? Oh – fleißig studiert. Das hat er sein ganzes Leben lang getan. Er hat jung geheiratet – Anne Chaloner; sie und ich waren Jugendfreundinnen; haben im selben Jahr geheiratet. Sie ließen sich in Kirby Hall nieder – ein netter Ort, aber langweilig. Poyntz und ich verbrachten ein Weihnachten dort. Ashleigh war bezaubernd, wenn er sprach, aber er sprach sehr wenig. Anne dagegen schwatzte in einem fort, aber nur alltägliches Zeug. Kein Wunder, armes Ding – sie war so glücklich. Poyntz und ich verbrachten dort nur ein einziges Weihnachten. Freundschaft ist lang, aber das Leben ist kurz. Gilbert Ashleigh´s Leben war in der Tat recht kurz; er starb im siebten Jahr seiner Ehe und hinterließ nur ein Kind, ein Mädchen. Seither habe ich kein Weihnachten mehr auf Kirby Hall verbracht, obwohl ich hin und wieder einen Tag dort zu Besuch war und mein Bestes tat, um Anne aufzuheitern. Sie war nicht mehr sehr redselig. Sie lebte nur noch für ihr Kind, das zwischenzeitlich zu einem wunderschönen achtzehnjährigen Mädchen herangewachsen ist – ganz die Augen ihres Vaters – ein wirklich dunkles Blau – sehr selten; ein süßes Geschöpf, aber zart; ich will nicht hoffen schwindsüchtig, aber zart; sehr still – es fehlt an Leben. Meine Jane ist ganz hingerissen von ihr. Jane hat genug Lebenslust für zwei.“
„Ist Miss Ashleigh die Erbin von Kirby Hall?“ fragte Mrs. Bruce, die einen unverheirateten Sohn hatte.
„Nein. Kirby Hall fiel an Ashleigh Sumner, den männlichen Erben, einen Cousin. Und den Glücklichsten aller Cousins! Gilbert's Schwester, eine protzige Dame (alles Schau), hatte es fertig gebracht, ihren Verwandten, Sir Walter Ashleigh Haughton, das Oberhaupt der Familie Ashleigh zu heiraten – genau der richtige Mann, um einen Reflektor für eine prunksüchtige Frau abzugeben. Er verstarb vor einigen Jahren und hinterließ einen einzigen Sohn, Sir James, der letzten Winter bei einem Sturz von seinem Pferd ums Leben kam. Und wieder war Ashleigh Sumner der einzige gesetzmäßige Erbe. Während der glückliche Mensch noch minderjährig war, hatte Mrs. Ashleigh Kirby Hall von seinem Vormund gemietet. Doch nun wird er volljährig und das ist der Grund, weshalb sie Kirby Hall verließ. Lilian Ashleigh wird, wie auch immer, ein recht schönes Vermögen erhalten und mag unter uns vornehmen Armen als Erbin gelten. Möchte noch jemand etwas wissen?“
Darauf antwortete Miss Brabazon, die ihre Schlankheit dazu benützte in jedermanns Angelegenheiten hineinzuschlüpfen: „Eine sehr interessante Neuigkeit. Was könnte man mit ein wenig Geschmack aus Abbots´ House machen! So aristokratisch! Was ich daraus machen würde, wenn ich es mir leisten könnte! Der Salon sollte im Moore´schen Stil, mit geranienfarbigen Seidenvorhängen, wie das Boudoir von Lady L.... in Twickenham gehalten sein. Mrs. Ashleigh hat also das Haus bezogen! Wahrscheinlich gemietet, nehme ich an!“ Hier angekommen, flatterte Miss Brabazon ärgerlich mit ihrem Fächer und rief aus: „Aber was im Himmel sucht Mrs. Ashleigh hier?“
Worauf Mrs. Colonel Poyntz, mit der militärischen Offenheit, mit der sie ihre Gesellschaft sowohl bei Laune als auch in Furcht hielt, -
„Warum sind wir alle hierher gekommen? Kann mir das jemand sagen?“
Zunächst folgte tiefes Schweigen, das die Wirtin selbst brach.
„Keiner der Anwesenden kann sagen, weshalb wir hierher kamen. Ich kann Ihnen sagen, warum Mrs. Ashleigh kam. Unser Nachbar, Herr Vigors ist ein entfernter Verwandter von Gilbert Ashleigh, einer seiner Testamentsvollstrecker und Vormund des gesetzmäßigen Erben. Vor ungefähr zehn Tagen ließ sich Herr Vigors empfangen, zum ersten Mal übrigens, seit ich es für meine Pflicht gehalten hatte, meinen Unmut über die seltsamen Schrullen unseres armen lieben Freundes Dr. Lloyd zum Ausdruck zu bringen. Als er dort, wo Sie jetzt sitzen, Dr. Fenwick, Platz genommen hatte, sagte er in einer Grabesstimme, wobei er zugleich zwei Finger ausstreckte – so, als ob ich eine von denen (wie sagt man gleich?)..., die einschlafen, wenn man es ihnen befiehlt, wäre: „Ma´am, Sie kennen Mrs. Ashleigh? Sie korrespondieren mit ihr?“ „Ja, Mr. Vigors; ist das ein Verbrechen? Sie sehen aus, als ob es so wäre?“ „Kein Verbrechen, Ma´am,“ antwortete der Mann im Ernst, „Mrs. Ashleigh ist eine sehr liebenswürdige Dame und Sie sind eine Frau von maskulinem Verstand.“
Es folgte allgemeines Gekicher. Mrs. Colonel Poyntz brachte es mit einem Blick strenger Überraschung zum Schweigen.
„Was gibt es da zu lachen? Alle Frauen wären lieber Männer, wenn sie könnten. Sollte mein Verstand maskulin sein, um so besser für mich. Ich dankte Mr. Vigors für sein hübsches Kompliment und er fuhr fort zu berichten, dass, obwohl Mrs. Ashleigh in einigen Wochen Kirby Hall verlasse, habe sie sich noch immer nicht entschließen können, wohin sie ziehen solle. Es schien ihm unpassend, da Miss Ashleigh alt genug sei, ein wenig von der Welt zu sehen, sich länger auf dem Land zu begraben, wobei zu berücksichtigen sei, dass sie bei ihrer stillen Gemütsverfassung eine Abneigung gegen die Zerstreuungen Londons hege. Zwischen der Abgeschiedenheit des einen und dem Aufruhr des anderen stelle die Gesellschaft des Hills einen glücklichen Mittelweg dar. Es würde ihn freuen, meine Ansicht darüber zu hören. Er habe es verschoben, meinen Rat einzuholen, da er der Ansicht war, ich habe mich seinem betrauerten Freunde, Dr. Lloyd gegenüber unfreundlich verhalten; aber er befinde sich nun in einer etwas unglücklichen Lage. Sein Mündel, der junge Sumner, habe sich glücklicherweise entschlossen, lieber Kirby Hall als den viel größeren Haughton Park, der ihm so plötzlich als Erbe zugefallen war, zu seinem Landsitz zu wählen, da er für letzteren eine Einrichtung benötigen würde, die für einen unverheirateten jungen Mann nur eine unangenehme und teure Belastung darstellen würde. Mr. Vigors habe versprochen, dafür zu sorgen, dass er Kirby Hall an einem vereinbarten Termin beziehen könne, aber Mrs. Ashleigh könne nicht zum Handeln bewogen werden und sich auch nicht zu einer Entscheidung, wohin sie gehen solle, durchringen. Mr. Vigors war gezwungen, Druck auf die Witwe und das Kind seines alten Freundes auszuüben. Es sei tausendmal schade, dass Mrs. Ashleigh so unschlüssig sei; sie habe reichlich Zeit gehabt, ihre Vorbereitungen zu treffen. Ein Wort von mir zu diesem Zeitpunkt wäre ein wirklicher Freundschaftsdienst. Abbots´House stehe leer und der ausgedehnte Garten wäre dazu geeignet, die Damen das Leben auf dem Lande nicht vermissen zu lassen. Es habe sich zwar ein anderer Interessent gemeldet, aber... - „Kein Wort weiter" rief ich „niemand anders als meine liebe alte Freundin Anne Ashleigh soll Abbots´House bekommen. Damit ist die Angelegenheit geregelt.“ Ich entließ Mr. Vigors, schickte nach meinem Wagen – das heißt Mr. Barker´s gelbe Droschke und seine schnellsten Pferde – und fuhr noch am selben Tag nach Kirby Hall, das, obwohl in einem anderen County gelegen, nur fünfundzwanzig Meilen von hier entfernt liegt. Ich verbrachte die Nacht dort.
Am nächsten Morgen um neun Uhr hatte ich Mrs. Ashleigh´s Zustimmung gegen das Versprechen, ihr alle Mühen abzunehmen, eingeholt; kam zurück, ließ den Hauseigentümer holen, schloss den Mietvertrag ab, beauftragte Forbes Möbelwagen damit, das Mobiliar aus Kirby Hall zu holen und mit den Betten zu beginnen. Gestern Abend kam im Gefolge ihres eigenen Bettes auch Anne Ashleigh an. Ich habe ihr heute Morgen einen Besuch abgestattet. Sie mag den Ort, ebenso ihre Tochter Lilian. Ich habe sie heute Abend hierher eingeladen, aber Mrs. Ashleigh war müde. Der Rest ihrer Möbel sollte heute eintreffen und obwohl die liebe Mrs. Ashleigh einen so unentschlossenen Charakter besitzt, ist sie alles andere als untätig. Es wird nicht bloß die Planung, wohin die Tische und Stühle hingestellt werden sollen, gewesen sein, die für ihre Müdigkeit verantwortlich zu machen ist. Mr. Vigors ist ihr den ganzen Tag zur Hand gegangen und war – ich habe hier eine kleine Notiz von ihr – was waren ihre Worte? Zweifellos „sehr grausam und bestimmend“; nein „sehr gütig und aufmerksam“ – zwar andere Worte, die aber in Anwendung auf Mr. Vigors dieselbe Bedeutung haben.
Nächsten Montag – bis dahin müssen wir sie in Ruhe lassen – werden wir alle den Neuankömmlingen unseren Besuch abstatten. Der Hill weiß, was er sich schuldig ist; ich kann einem Mr. Vigors, der zwar respektabel sein mag, aber nicht zu den Unseren gehört, den Empfang von Personen überlassen, die sich in unseren Schutz begeben haben. Der Berg kann nicht durch einen Stellvertreter gütig und aufmerksam oder grausam und bestimmend sein. Für diese Neugeborenen darf er sich nicht als gleichgültige Patin erweisen; er erweist allen gegenüber die Gefühle einer Mutter – oder Stiefmutter – je nach Fall. Wo er sagt „dies kann keines meiner Kinder sein“ ist er eine Stiefmutter; aber wer sich seinen Armen übergab und als wünschenswerter Bekannter erwies, hat er sich, wie ich stolz behaupten darf, stets als Mutter gezeigt. Doch jetzt mein lieber Mr. Sloman, gehen Sie zu Ihrer Whistpartie. Poyntz ist ungeduldig, wenn er es auch nicht zeigt. Miss Brabazon, meine Liebe, wir würden Sie zu gerne am Piano Platz nehmen sehen - Sie spielen so göttlich! Etwas Fröhliches, wenn Sie so nett wären, etwas Heiteres, aber nicht so Lautes, - Mr. Leopold Symthe wird die Blätter für Sie wenden. Mrs. Bruce, Ihr Lieblingsspiel Einundzwanzig mit vier neuen Rekruten. Dr. Fenwick, Ihnen geht es wie mir, Sie spielen nicht Karten und machen sich nichts aus Musik; setzen Sie sich zu mir und erzählen Sie mir etwas, oder schweigen Sie, wie Sie wollen, während ich stricke!
Nachdem die anderen Gäste derart teils an den Kartentischen, teils um das Piano untergebracht waren, nahm ich neben Mrs. Poyntz in der Nische eines Fensters Platz, welches an diesem für den Monat Mai ungewöhnlich warmen Abend geöffnet bleiben konnte. Ich saß neben jemandem, der Lilian als Kind gekannt hatte und von dem ich wusste, welchen Namen ich dem Bild geben durfte, das meine Gedanken gefangen hielt. Wie viel, das ich noch wissen wollte, könnte sie mir sagen. Aber wie konnte ich das Thema zur Sprache bringen, ohne mein übergroßes Interesse zu verraten. So sehr ich auch sprechen wollte, fühlte ich mich, als ob ich mit Stummheit geschlagen wäre; verstohlen ließ ich einen unruhigen Blick über das Gesicht neben mir gleiten und war tief beeindruckt von der vom Hill längst voll Ehrfurcht anerkannten Wahrheit – nämlich dass Mrs. Colonel Poyntz eine außerordentlich überlegene Frau mit einer ungeheuren Ausstrahlung war.
Sie saß da und strickte, schnell und mit sicherer Hand; eine Frau jenseits der Vierzig, mit bronzefarbenem blassen Teint, bronze braunem Haar, das stark gelockt und hinten kurz geschnitten war – ein schönes Haar für einen Mann; Lippen, die wenn sie geschlossen waren, eine unbeugsame Entschiedenheit zeigten, beim Sprechen aber geübt leichten Humor und ins Ziel treffenden feinen Witz strömen ließen; haselnussbraune Augen, schnell und doch sicher – beobachtende, durchbohrende, unerschrockene Augen; insgesamt ein schönes Gesicht – das auch ein gutes Gesicht für einen gutaussehenden Mann abgegeben hätte. Ein scharfes Profil, klare, gut geschnittene Konturen mit einem Ausdruck, die einer Sphinx würdig gewesen wären. Ein kräftiger, jedoch nicht korpulenter Körper; von mittlerer Größe, aber mit einer Haltung, die ihn fast schlank erscheinen ließ. Eigentümlich weiße, feste Hände, die eine kräftige Gesundheit verrieten und auf ihrer Oberfläche keine Ader erkennen ließen.
Sie saß da und strickte, während ich an ihrer Seite abwechselnd sie selbst, bald ihre Arbeit betrachtete und mich der unbestimmten Vorstellung nicht erwehren konnte, dass es die Fäden meines eigenen Liebes- oder Lebensglückes waren, die da durch ihre lautlosen Finger glitten. Und wirklich wird selbst im überspanntesten Roman eine der Parzen durch einen unpoetischen weiblichen Charakter das „soziale Schicksal“ vertreten, das so wenig zur Romantik passt, wie diese weltliche Königin des Hills.