Kitabı oku: «Das Lebenselixier», sayfa 5

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Kapitel VIII

Als ich in den Salon zurückkehrte, war die Gesellschaft offensichtlich gerade dabei aufzubrechen. Die Gäste, die sich um das Piano geschart hatten, standen jetzt um den Tisch mit den Erfrischungen. Die Kartenspieler hatten sich erhoben und diskutierten oder beglichen gerade ihre Gewinne oder Verluste. Während ich nach meinem Hut suchte, den ich irgendwo verlegt hatte, trat ein älterer Herr, welcher an einer Gesichtsneuralgie litt (nebenbei bemerkt der stolzeste und ärmste aller Hidalgos des Hills), an meine Seite. Er konnte es sich nicht leisten, einen Arzt zu konsultieren, aber der Schmerz hatte seinen Stolz gedemütigt und ich erkannte auf den ersten Blick, dass er nach einer Möglichkeit suchte, unsere Begegnung dazu zu nutzen, den Rat eines Fachmannes einzuholen. Der alte Mann entdeckte den Hut vor mir, bückte sich danach und reichte ihn mir mit der Verbeugung eines Gentlemans der alten Schule, presste jedoch die andere Hand zitternd an seine Wange. Seine Augen trafen meinen Blick mit stummer, dringender Bitte. Der Instinkt meines Berufstandes ergriff mich sofort. Ich konnte niemanden leiden sehen, ohne sofort über dem Wunsch, Hilfe leisten zu können alles andere zu vergessen.

„Sie haben Schmerzen,“ sagte ich sanft. „setzen Sie sich und beschreiben Sie mir die Symptome. Sehen Sie mich nicht als Arzt, sondern als Freund, der Spaß am Herumdoktoren hat und ein wenig von der Sache versteht.“

Wir nahmen ein wenig abseits von den anderen Gästen Platz, und nach einigen Fragen und Antworten war ich froh feststellen zu können, dass sein Problem nicht zu den schwer heilbaren Formen dieser quälenden Neuralgie gehörte. Ich hatte bereits einige Erfolge in der Behandlung ähnlicher Leiden erzielt, für die ich glücklicherweise ein fast spezifisches Mittel entdeckt hatte. Ich schrieb auf ein Blatt meines Notizblocks ein Rezept, von dessen Wirksamkeit ich überzeugt war, und als ich es herausriss und dem Kranken in die Hand drückte, sah ich flüchtig auf und bemerkte, dass die braunen Augen meiner Gastgeberin mit einem freundlicheren und sanfteren Ausdruck auf mir ruhten, als gewöhnlich in ihrem kalten und durchdringenden Glanz zu bemerken war. Im selben Moment wurde jedoch ihre Aufmerksamkeit durch einen Diener in Anspruch genommen, der mit einer Nachricht eingetreten war, und ich hörte ihn halblaut sagen: „Von Mrs. Ashleigh.“

Sie öffnete die Nachricht, las sie hastig und wies den Diener an, vor der Türe zu warten. Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch, nahe dem Ort, an dem ich noch immer stand, stützte ihr Gesicht auf ihre Hand und schien nachzudenken. Ihre Kontemplation war sehr schnell beendet. Sie wandte ihren Kopf und winkte mir zu meiner Überraschung zu. Ich kam näher.

„Nehmen Sie Platz,“ flüsterte sie, „und wenden Sie den Leuten, die uns zweifellos beobachten, den Rücken zu. Lesen Sie das.“

Sie drückte mir die Nachricht, die gerade eingetroffen war, in die Hand. Sie enthielt nur ein paar Worte:

Liebe Margaret, ich weiß mir nicht mehr zu helfen. Seit ich Dir vor ein paar Stunden geschrieben habe, hat sich das Befinden Lilian´s verschlechtert und wie ich fürchte, in einem beängstigenden Maße. Nach welchen Arzt soll ich schicken? Bitte gib meinem Bediensteten seinen Namen und Adresse. A.A.

Ich sprang auf.

„Halt!“ sagte Mrs. Poyntz „würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich den Diener zu Dr. Jones schicke?“

„Madame, Sie sind grausam. Wodurch habe ich Sie zu meinem Feind gemacht?“

„Feind? Nein. Sie haben gerade einem meiner Freunde einen Freundschaftsdienst erwiesen. In dieser Welt voller Narren muss sich der Intellekt mit dem Intellekt verbünden. Nein, ich bin nicht Ihr Feind! Aber Sie haben mich noch nicht um meine Freundschaft gebeten.“

An dieser Stelle drückte sie mir eine Notiz in die Hand, die sie geschrieben hatte, während wir noch miteinander sprachen. „Hier ist Ihr Beglaubigungsschreiben. Wenn es irgendeinen Grund zur Sorge gibt und ich von Nutzen sein kann, schicken Sie nach mir.“ Sie nahm ihre unterbrochene Arbeit wieder auf, aber mit zögernden, unsicheren Fingern und fügte hinzu, „so weit wäre die Angelegenheit geregelt. Nein, danken Sie mir nicht; es ist nicht viel, was ich bis jetzt regeln konnte.“

Kapitel IX

Einige Minuten später befand ich mich wieder einmal auf dem Weg zu dem Grundstück auf dem das alte Giebelhaus stand; der Diener, der mir vorausging, betrat es über die Treppen und das kleine Tor des Privateingangs. Das war der kürzeste Weg. Wieder kam ich an der kreisförmigen Lichtung und dem Klosterbrunnen vorbei. Der Rasen, die Bäume und die Ruinen waren von klarem Mondlicht überflutet.

Dann war ich im Haus; der Diener brachte die Notiz nach oben, mit der ich ausgestattet worden war, und nach ein oder zwei Minuten kam er zurück und geleitete mich zu einem höher gelegenen Korridor, in welchem mich Mrs. Ashleigh empfing. Ich begann als erster zu sprechen.

„Ihre Tochter...sie...sie ist nicht ernsthaft krank, hoffe ich. Was fehlt ihr?“

„Psst!“ sagte sie leise, „würden Sie einen Moment hier hereinkommen?“ Sie öffnete eine Tür zu ihrer Rechten. Ich folgte ihr, und als sie die Lampe, die sie in der Hand hielt, auf den Tisch gestellt hatte, sah ich mich schaudernd im Raum um, - es war der Raum, in dem Dr. Lloyd gestorben war. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Zwar waren die Möbel ausgetauscht worden und es stand ein Bett im Zimmer; aber die Umrisse des Raums, die Lage des hohen Flügelfensters, das jetzt weit offen stand und durch das heute das Mondlicht viel weicher herein fiel, als in jener traurigen Winternacht, das Gebälk unter der niedrigen Decke – all das war mir noch lebhaft in Erinnerung. Der Stuhl, auf dem mir Mrs. Ashleigh Platz anbot, stand genau auf der Stelle, auf der ich neben dem Sterbenden gestanden hatte.

Ich schrak zurück – dorthin konnte ich mich unmöglich setzen. Deshalb stütze ich mich auf den Kaminsims, während mir Mrs. Ashleigh berichtete.

Sie sagte, dass sich Lilian am gestrigen Tag ihrer Anreise einer ungewöhnlich guten Gesundheit und Stimmung erfreut habe; begeistert von dem alten Haus, dem Grundstück und besonders dem alten Mönchsbrunnen, an dem Mrs. Ashleigh sie heute Abend verlassen hatte, um in Begleitung von Mr. Vigors einige Einkäufe in der Stadt zu tätigen. Nach ihrer Rückkehr habe sie Lilian dort wieder aufgesucht und ihrem mütterlichen Auge sei sofort eine alarmierende Veränderung im Verhalten ihrer Tochter aufgefallen. Sie war sehr blass, schien teilnahmslos und niedergeschlagen – leugnete aber sich unwohl zu fühlen. Nach der Rückkehr ins Haus habe sie sich in den Raum gesetzt, in dem wir uns aufhielten und – „der,“ so fügte Mrs. Ashleigh hinzu, „da er nicht als Schlafzimmer gedacht war, auf Wunsch meiner Tochter, die sehr gerne liest, als Morgen- und Studienraum eingerichtet werden soll. Ich ließ sie hier und ging mit Mr. Vigors zurück in den unteren Salon. Als er kurze Zeit später das Haus verließ, blieb ich fast noch eine Stunde dort, um die Plazierung der Möbel, die gerade eingetroffen waren, zu beaufsichtigen. Dann kehrte ich zu meiner Tochter zurück und fand sie zu meinem Schrecken leblos in ihrem Sessel vor. Sie war ohnmächtig geworden.“

Hier unterbrach ich Mrs. Ashleigh mit der Frage: „Hat Miss Ashleigh schon öfter derartige Ohnmachtsanfälle gehabt?“

„Nein, niemals. Als sie wieder zu sich kam, war sie verwirrt – weigerte sich zu sprechen. Ich brachte sie zu Bett, und als sie fast sofort einschlief, beruhigte ich mich etwas. Ich hielt den Vorfall nur für eine vorübergehende Auswirkung der mit dem Umzug verbundenen Aufregung oder der Umgebung des Platzes, auf der sie sich aufgehalten hatte.“

„Durchaus möglich. Die Stunde des Sonnenuntergangs zu dieser Jahreszeit ist zarten Naturen nicht zuträglich. Bitte weiter.“

„Vor ungefähr einer dreiviertel Stunde erwachte sie mit einem lauten Schrei und befindet sich seitdem in einem Zustand großer Erregung, weint heftig und beantwortet keine meiner Fragen. Sie scheint aber nicht benommen zu sein, sondern eher hysterisch.“

„Sie werden mir jetzt erlauben, sie mir anzusehen. Trösten Sie sich – nach allem, was Sie mir mitgeteilt haben, scheint kein Grund zu ernster Besorgnis zu sein.“

Kapitel X

Für den wahren Arzt ist das Zimmer eines Kranken ein Heiligtum. An seiner Schwelle weichen die menschlicheren Leidenschaften aus seinem Herzen. Liebe würde eine Entweihung sein; selbst der Kummer, der anderen gestattet ist, muss hier zurückstehen. Nichts hat hier Zutritt als – ruhige Intelligenz. Er ist für seine Mission unbrauchbar, wenn er den scharfen stillen Blick seiner Wissenschaft trüben lässt. Alter oder Jugend, Schönheit oder Missbildung, Unschuld oder - die Unterschiede verschmelzen in ein gemeinschaftliches Merkmal - dem menschlichen Leiden, welches nach menschlicher Geschicklichkeit ruft.

Wehe dem Haushalt, welcher einem Arzt Vertrauen schenkt, dessen Gewissen ihm nicht die sorgfältige Erfüllung seiner Pflichten befiehlt. Voller Ehrfurcht stand ich wie in einem Tempel im Zimmer der jungen Frau. Als ihre Mutter ihre Hand in die meine legte und ich das Pochen ihres Pulses fühlte, bemerkte ich gleichzeitig das raschere Klopfen meines eigenen Herzens. Ruhig betrachtete ich ihr Gesicht, dessen Schönheit durch die Erregung, welche die Farbe der jungen Wangen noch vertiefte und in dem Glanz, der aus den umherschweifenden dunkelblauen Augen leuchtete, noch schöner zu werden schien. Anfang schenkte sie mir keine Beachtung, schien mich nicht einmal zu bemerken, sondern murmelte Worte vor sich hin, die ich nicht verstehen konnte.

Als ich sie nach einiger Zeit in dem gedämpften, beruhigenden Ton ansprach, den wir am Krankenbett lernen, veränderte sich plötzlich der Ausdruck ihres Gesichts; sie fuhr sich mit der Hand, die nicht in meiner ruhte, über die Stirn, wandte sich um und sah mich lange und in unverkennbarer Überraschung an, jedoch nicht, als ob die Überraschung sie unangenehm berühren würde – nicht mit der Scheu, die vor dem Anblick eines Fremden zurückschreckt, sondern eher mit dem Ausdruck ungläubigen Erkennens eines unerwarteten Freundes. In die Überraschung schien sich jedoch eine Art Furcht zu mischen, ihre Hand zitterte und ihre Stimme bebte, als sie sagte:

„Ist es möglich – ist es wirklich möglich? Bin ich wach? Mutter, wer ist das?“

„Nur ein freundlicher Besucher, Dr. Fenwick, den uns Mrs. Poyntz geschickt hat, weil ich mir etwas Sorgen wegen Dir gemacht habe, mein Liebes. Wie geht es Dir jetzt?“

„Besser, sonderbar besser.“

Sie zog ihre Hand sanft aus der meinen zurück und wandte sich mit unwillkürlicher Scheu ihrer Mutter zu, zog diese an sich und verbarg sich so vor meinem Blick.

Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass kein Delirium, sondern höchstens eine leichte und vorübergehend erhöhte Temperatur vorlag, die eine häufig auftretende Begleiterscheinung eines nervösen Anfalls bei sensiblen Konstitutionen darstellt, verließ ich geräuschlos das Zimmer, kehrte jedoch nicht in das ehemals von dem unglücklichen Naturalisten bewohnte Zimmer zurück, sondern ging in das ein Stockwerk tiefer gelegene Besucherzimmer hinunter, um ein Rezept auszustellen. Ich hatte den Bediensteten bereits damit zur Apotheke geschickt, als Mrs. Ashleigh mir folgte.

„Sie scheint sich überraschend schnell wieder zu erholen; ihre Stirn fühlt sich bereits kühler an und sie ist bei vollem Bewusstsein, kann allerdings keine Auskunft über ihren Anfall erteilen und kann sich weder an die Ohnmacht, noch an die Aufregung erinnern, mit der sie aus dem Schlaf erwachte.“

„Ich denke, ich kann beides erklären. In dem ersten Raum, den sie betrat – der, in dem sie ohnmächtig wurde –, stand das Fenster weit offen; die Seiten des Fensters sind mit Kletterpflanzen überwuchert, die in voller Blüte stehen. Miss Ashleigh war bereits längere Zeit, geschwächt durch Müdigkeit und Aufregung, den gesundheitsschädlichen Auswirkungen eines Aufenthalts im Abendtau ausgesetzt gewesen. Der Schlaf, in den sie nach ihrer Ohnmacht fiel, war deshalb so unruhig, weil die Natur, die bei so jungen Personen immer besonders in Alarmbereitschaft und aktiv ist, eigene Anstrengungen unternahm, sich selbst vor einem Schaden zu bewahren. Die Natur wäre beinahe erfolgreich gewesen. Was ich verordnet habe, soll die Arbeit der Natur ein wenig unterstützen und beschleunigen. In ein oder zwei Tagen wird Ihre Tochter ohne Zweifel wieder vollständig wiederhergestellt sein. Ich empfehle jedoch, sie nicht mehr der feuchten Abendluft auszusetzen und auch das Zimmer meiden zu lassen, in dem sie den ersten Anfall hatte, da man im Zusammenhang mit nervösen Störungen des vegetativen Nervensystems beobachtet hat, dass diese sich gerne an dem Platz wiederholen, an dem sie zum ersten Mal aufgetreten sind. Das beste wäre, den Raum einige Wochen ganz zu schließen, einige Male das Kaminfeuer zu entzünden, es neu streichen und tapezieren zu lassen und Chloroform darin zu versprühen. Sie wissen vielleicht nicht, dass Dr. Lloyd nach langer Krankheit in dem Raum gestorben ist. Erlauben Sie mir zu warten, bis der Diener mit der Medizin zurückgekehrt ist und mir in der Zwischenzeit einige Fragen zu stellen. Sie sagen, Miss Ashleigh ist zuvor noch nie ohnmächtig geworden? Ich vermute sie ist keine sehr kräftige Natur. Aber sie hat nie an einer schwereren Erkrankung gelitten?“

„Nie.“

„Keine größere Neigung zu Erkältungen oder Husten, Entzündungen der Brust oder der Lungen?“

„Bestimmt nicht. Trotzdem hatte ich schon immer die Befürchtung, sie könnte eine Anlage zur Schwindsucht haben. Sind sie auch dieser Meinung? Ihre Fragen beunruhigen mich.“

„Ich glaube nicht; aber bevor ich eine derartige Aussage treffen kann, noch eine Frage. Sie sagen, sie fürchten eine Anlage zur Schwindsucht. Gab es Fälle dieser Krankheit in der Familie? Sie hat sie sicherlich nicht von Ihnen geerbt – vielleicht von Seite des Vaters?“

„Ihr Vater,“ sagte Mrs. Ashleigh mit Tränen in ihren Augen „starb sehr jung, aber an den Folgen einer Gehirnhautentzündung, die – wie die Ärzte sagten - eine Folge des Studiums gewesen sei.“

„Das genügt mir, Madame. Was Sie sagen, bestätigt meine Ansicht, dass die Konstitution Ihrer Tochter genau das Gegenteil der Disposition darstellt, in welcher die Keime der Schwindsucht lauern. Vielmehr scheint mir ihre vornehme Konstitution die Ursache des Problems zu sein, die aufgrund ihrer nervösen Zustände zwar zart ist, sich aber genauso schnell wieder erholt, wie sie einer gesundheitlichen Störung ausgesetzt ist.“

„Vielen, vielen Dank für das, was Sie gerade gesagt haben. Sie nehmen mir eine Last vom Herzen, denn – wie ich weiß – hält Mr. Vigors Lilian für schwindsüchtig und auch Mrs. Poyntz hat mich hin und wieder durch Bemerkungen in dieser Richtung erschreckt. Was Sie mit nervösen Zuständen meinen, verstehe ich nicht ganz. Meine Tochter ist eigentlich nicht, was man üblicherweise unter nervös versteht. Sie hat ein ganz eigenartiges, ruhiges Temperament.“

„Wenn sie nicht leicht erregbar ist, würden Sie auch sagen, sie ist nicht leicht beeinflussbar? Dinge, die vielleicht ihr Temperament unbeeindruckt lassen, können sich doch auf ihr Gemüt auswirken. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich genug ausgedrückt habe?“

„Ja, ich denke, ich verstehe den Unterschied; aber ich weiß nicht, ob er in diesem Zusammenhang anwendbar ist. Für die meisten Dinge, die auf das Gemüt wirken, ist sie nicht empfänglicher als andere Mädchen, vielleicht sogar weniger. Aber es gibt sicher einige Dinge, die großen Eindruck auf sie machen.“

„Was zum Beispiel?“

„Sie nimmt mehr Anteil an Dingen in der Natur, an einer schönen Landschaft, an Geräuschen in der Natur, an Musik und an Büchern, die sie liest – selbst an Büchern, die kein Werk der Phantasie sind - als irgend ein anderer Mensch, den ich je kennengelernt habe. Vielleicht gerät sie in all diesen Dingen nach ihrem armen Vater, nur in einem noch ausgeprägterem Maße – zumindest fällt es mir an ihr mehr auf, denn er war sehr schweigsam und zurückhaltend. Vielleicht sind diese Eigenarten durch die Abgeschiedenheit, in der sie aufwuchs, noch verstärkt worden. Ich ließ mich auch in Hinblick auf die Möglichkeit, die Umgebung würde sie anderen Mädchen ihres Alters vielleicht etwas ähnlicher machen, von Mrs. Poyntz überzeugen, hierher zu kommen. Lilian war mit dem Wechsel einverstanden; schreckte aber vor dem Gedanken an London zurück, welches ich bevorzugt hätte. Auch ihr armer Vater konnte London nicht ausstehen.“

„Miss Ashleigh liest gerne?“

„Ja, sie liest gerne, grübelt aber noch lieber. Sie kann stundenlang alleine ohne ein Buch oder eine Arbeit dasitzen und scheint zu träumen. Das war selbst in ihrer frühesten Kindheit so. Sie erzählte mir dann, was sie gesehen hatte – wirklich gesehen – wunderschöne Länder weit weg von der Erde; Blumen und Bäume, die mit nichts vergleichbar sind, was es hier gibt. Je älter sie wurde, desto mehr missfielen mir diese Visionen, ich schimpfte sie und erklärte ihr, dass Andere, die sie so sprechen hörten, sie nicht nur für dumm, sondern auch für sehr unaufrichtig halten würden. Deshalb hat sie sich in den letzten Jahren nicht mehr getraut, mir zu erzählen, was ihr ihre Einbildung in solchen traumwandlerischen Momenten vorgaukelt; aber die Gewohnheit zu grübeln blieb bestehen. Sind Sie auch der Ansicht von Mrs. Poyntz, das beste Heilmittel wäre die heitere Gesellschaft anderer junger Leute?“

„Mit Sicherheit,“ sagte ich ehrlich, obwohl mir die Eifersucht einen plötzlichen Stich versetzte, „aber da kommt die Arznei. Würden Sie ihr das Mittel hinaufbringen und dann eine halbe Stunde oder so bei ihr sitzen bleiben? Ich bin mir sicher, dass sie dann eingeschlafen sein wird. Ich werde hier warten, bis sie zurück kommen. Ich werde mich einstweilen mit den Zeitungen und Büchern auf Ihrem Tisch amüsieren. Ein Moment noch – entfernen Sie vorsichtshalber alle Blumen aus Miss Ashleigh´s Schlafzimmer. Es war mir so, als hätte ich einen heimtückischen Rosenstrauch am Fenster stehen sehen. Wenn das der Fall ist, lassen Sie ihn entfernen.“

Als ich alleine war, sah ich mich in dem Zimmer um, in dem ich mich jetzt – voll Freude – als privilegierten Gast betrachten konnte. Ich berührte die Bücher, die Lilian berührt haben musste. In den Möbeln, deren hastige Positionierung noch nicht das Aussehen von Wohnlichkeit vermitteln konnten, erblickte ich Gegenstände, die ihr Geist mit der Geschichte ihres jungen Lebens in Verbindung bringen würde. Die Laute, die bestimmt ihr gehörte, und der Schal in den bei Mädchen so beliebten Farben – strahlend weiß und blass blau – und der Vogelkäfig, das Kästchen aus Elfenbein mit seinen Werkzeugen, die zu hübsch für den Gebrauch waren – all das erzählte von ihr.

Es war eine selige, berauschende Erfahrung, aus der ich durch die Rückkehr von Mrs. Ashleigh gerissen wurde.

Lilian schlief ruhig. Ich hatte keinen Grund länger zu bleiben.

„Ich verlasse Sie, wie ich hoffe, etwas beruhigter?“ sagte ich, „erlauben Sie mir, morgen Nachmittag noch einmal vorbeizuschauen?“

„Oh ja, ich wäre Ihnen wirklich dankbar!“

Mrs. Ashleigh streckte ihre Hand aus, als ich mich zur Tür wandte.

Gibt es einen Arzt, der nicht manchmal gefühlt hätte, wie ihn das förmliche Honorar aus dem Garten der Menschlichkeit auf den Marktplatz des Geldes wirft – ihn auszuschließen scheint aus dem Bund der Freundschaft unter Gleichen und ihm verdeutlicht: „Es ist wahr, ich verdanke Ihnen Gesundheit und Leben. Adieu! Bitte sehr, hier ist Ihr Lohn!“ Bei einer Armen wäre ich nicht in Verlegenheit geraten; aber Mrs. Ashleigh war wohlhabend: von der üblichen Verfahrensweise abzuweichen, wäre eine Unverschämtheit gewesen. Aber selbst wenn die Ablehnung zur Folge gehabt hätte, dass ich Lilian nie wieder sehen könnte, konnte ich das Geld ihrer Mutter nicht annehmen. So tat ich, also ob ich die ausgestreckte Hand nicht bemerken würde und beschleunigte meine Schritte.

„Aber Dr. Fenwick – warten Sie doch!“

„Nein, Madame, nein. Miss Ashleigh hätte sich auch ohne meine Hilfe schnell wieder erholt. Wenn meine Hilfe wirklich benötigt wird, dann.... aber der Himmel verhüte, dass diese Zeit komme. Wir können morgen wieder über sie sprechen.“

Ich war fort – im von Blüten duftenden Garten; dann auf der Gasse zwischen den engen Wänden; auf der verlassenen Straße, über welcher der Vollmond schien, wie in der Winternacht, in der ich aus der Kammer des Todes flüchtete. Aber heute wirkten die Straßen nicht unheimlich und der Mond war nicht länger Hekate, die traurige Göttin der Furcht und der Gespenster, sondern vielmehr die süße, einfache Herrin der Sterne, zu deren süßem Antlitz von jeher die Liebenden aufblickten (vorausgesetzt die Vermutung der Astronomen ist richtig), seit sie sich von der Erde trennte, um aus der Ferne die Flut ihrer Meere zu steuern, auf dieselbe Weise wie die Liebe, von der Liebe getrennt, das ihr sehnsüchtig zugewandte Herz, einem geheimnisvollen Gesetz folgend, beherrscht.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
740 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783946433408
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